BGH: Mithaftung eines Partners innerhalb einer Partnerschaftsgesellschaft nach Abgabe des Mandats
BGH, Urteil vom 12.9.2019 – IX ZR 190/18
ECLI:DE:BGH:2019:120919UIXZR190.18.0
Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2019-2450-1
Amtlicher Leitsatz
War ein Partner mit der Bearbeitung eines Auftrags befasst, endet seine Mithaftung nicht mit der Abgabe des Mandats innerhalb der Partnerschaftsgesellschaft.
PartGG § 8 Abs. 2
Sachverhalt
Die Klägerin ließ sich seit 2009 von der Partnerschaftsgesellschaft R. in einer Bausache anwaltlich beraten. Innerhalb der Partnerschaftsgesellschaft war zunächst der Beklagte zu 1 für das Mandat der Klägerin zuständig. Er riet der Klägerin schriftlich von der Erhebung einer Klage ab. In der Folgezeit wurde das Mandat vom früheren Beklagten zu 2 bearbeitet. Nach unter Beweis gestellter Darstellung der Klägerin hatte der Beklagte zu 1 der Klägerin zuvor versichert, er werde die Arbeit des früheren Beklagten zu 2 überwachen. Die im Juli 2011 erhobene Klage blieb in zwei Instanzen ohne Erfolg.
Die Klägerin hat beiden Beklagten eine unsachgemäße Prozessführung im Vorprozess vorgeworfen und Schadensersatz wegen vergeblich aufgewandter Kosten in Höhe von 60.897,43 € nebst Zinsen und Kosten verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründung hat sie erklärt, zunächst nur einen Teilbetrag von 2.500 € geltend machen zu wollen. Nachdem das Berufungsgericht gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen hatte, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe, hat die Klägerin die Berufung auf einen Betrag von 22.000 € erweitert. Das Berufungsgericht hat die Berufung durch Beschluss zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 21. Februar 2019 hat der Senat die Revision hinsichtlich des Beklagten zu 1 zugelassen. Insoweit verfolgt die Klägerin den in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Antrag weiter.
Aus den Gründen
3 Die Revision führt im Umfang ihrer Zulassung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
4 I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Nach den unbeanstandeten Feststellungen des Landgerichts habe der Beklagte zu 1 zutreffend von der Erhebung der Klage im Vorprozess abgeraten. Danach sei er nicht mehr mit der Angelegenheit befasst gewesen. Für etwaige Fehler bei der Bearbeitung des Mandats durch den früheren Beklagten zu 2 hafte er nicht. Dies folge unmittelbar aus § 8 Abs. 2 PartGG.
5 II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts lässt sich eine Haftung des Beklagten zu 1 nicht verneinen.
6 1. Die Haftung des Beklagten zu 1 folgt aus § 8 Abs. 1 Satz 1 PartGG. Nach dieser Vorschrift haften die Partner neben dem Vermögen der Partnerschaft als Gesamtschuldner für Verbindlichkeiten der Partnerschaftsgesellschaft. Das gilt, wie der Senat für den Fall eines in die Partnerschaft eintretenden Gesellschafters bereits entschieden hat, auch dann, wenn der in Anspruch genommene Partner selbst keinen beruflichen Fehler zu verantworten hat (BGH, Urteil vom 19. November 2009 – IX ZR 12/09, WM 2010, 139 Rn. 17).
7 2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind die tatsächlichen Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 8 Abs. 2 PartGG nicht erfüllt.
8 a) Waren nur einzelne Partner mit der Bearbeitung eines Auftrags befasst, so haften nur sie für berufliche Fehler neben der Partnerschaft; ausgenommen sind Bearbeitungsbeiträge von untergeordneter Bedeutung (§ 8 Abs. 2 PartGG). Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 PartGG begründet nicht die Haftung des einzelnen Partners, sondern schränkt sie ein. Sie setzt die Bearbeitung des Auftrags durch einen oder mehrere Partner voraus und besagt, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzung diejenigen Partner, die nicht oder nicht wesentlich mit dem Mandat befasst waren, nicht haften. Sinn der in § 8 Abs. 2 PartGG angeordneten Haftungsbeschränkung ist es, den betroffenen Angehörigen der freien Berufe Planungssicherheit zu vermitteln und ihre jeweiligen Haftungsrisiken kalkulierbar zu machen (BT-Drucks. 13/9820, S. 21). Das Haftungsrisiko der Partner, die mit der Sache nicht befasst waren, soll eingeschränkt werden.
9 b) Voraussetzung einer Haftungsbeschränkung gemäß § 8 Abs. 2 PartGG ist danach, dass der in Anspruch genommene Partner nicht mit der Bearbeitung des Auftrags befasst war oder nur einen Bearbeitungsbeitrag von untergeordneter Bedeutung geleistet hat. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist diese Voraussetzung hier nicht erfüllt.
10 aa) Seinem eigenen Vorbringen nach hat der Beklagte zu 1 den von der Klägerin erteilten Auftrag selbst bearbeitet. Er hat die Erfolgsaussichten der von der Klägerin beabsichtigten Klage geprüft und von der Erhebung einer entsprechenden Klage abgeraten. Ob sein Rat, keine Klage zu erheben, der Sach- und Rechtslage entsprach und ob er danach nicht mehr, auch nicht beratend oder überwachend, in der fraglichen Bausache tätig geworden ist, ist unerheblich. Ein Ende der Haftung eines Partners mit Abgabe des Mandats innerhalb der Partnerschaftsgesellschaft und eine gesonderte Prüfung ordnet § 8 Abs. 1 und Abs. 2 PartGG nicht an. Für eine entsprechende teleologische Reduktion der Vorschrift sieht der Senat keinen Anlass. Der Senat hat es bereits abgelehnt, die Haftung gemäß § 8 Abs. 2 PartGG auf Berufsfehler zu beschränken, die sich zugetragen haben, während der in Anspruch genommene Partner der Partnerschaft angehörte (BGH, Urteil vom 19. November 2009, aaO Rn. 19).
Nichts anderes gilt für Fehler, die nach Abgabe des Mandats innerhalb der Partnerschaft geschehen sind. Wer den Fehler intern begangen hat, können schon die Partner oft nicht leicht erkennen. Umso mehr gilt dies für den geschädigten Mandanten. Da der Gesetzgeber eine einfache und unbürokratische gesetzliche Regelung der Handelndenhaftung schaffen wollte (vgl. BT-Drucks. 13/9820, S. 21), darf der Mandant denjenigen Partner in Anspruch nehmen, der sich für ihn erkennbar mit seiner Sache befasst hat (BGH, Urteil vom 19. November 2009 – IX ZR 12/09, WM 2010, 139 Rn. 17).
11 bb) Nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalt hat der Beklagte zu 1 das Mandat überdies auch noch im Sinne von § 8 Abs. 2 PartGG bearbeitet, nachdem der frühere Beklagte zu 2 das Mandat von ihm übernommen hatte. Die Klägerin hat unter Beweisantritt behauptet, der Beklagte zu 1 habe das Mandat zunächst allein bearbeitet. Sodann sei der frühere Beklagte zu 2 für sie tätig geworden. Als sie, die Klägerin, insoweit Bedenken geäußert habe, habe der Beklagte zu 1 ihr versichert, er, der Beklagte zu 1, werde die Arbeit des früheren Beklagten zu 2 überwachen. Damit blieb er mit dem Fall befasst.
12 cc) Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht des Beklagten zu 1 bietet der bisher festgestellte Sachverhalt keinen Grund für die Annahme, der von der Klägerin erteilte Auftrag sei mit dem Schreiben, in welchem der Beklagte zu 1 von der Erhebung einer Klage abriet, abgeschlossen und erledigt gewesen; die Klage sei aufgrund eines sodann neu erteilten und bei der Frage eines Haftungsausschlusses nach § 8 Abs. 2 PartGG gesondert zu prüfenden Auftrags erhoben worden. In den Entscheidungen der Vorinstanzen heißt es zwar, der Auftrag zur Erhebung der Klage sei "allein" dem früheren Beklagten zu 2 erteilt worden. Damit ist jedoch ersichtlich nicht gemeint, dass der frühere Beklagte zu 2 nicht für die Partnerschaftsgesellschaft, sondern in eigenem Namen tätig geworden sei. Im Übrigen gehen die Entscheidungen der Vorinstanzen davon aus, dass dem früheren Beklagten zu 2 die weitere Bearbeitung des der Partnerschaftsgesellschaft einmal erteilten Auftrags übertragen worden ist. Tatsachen, welche den Schluss auf einen im Rechtssinne beendeten (und abgerechneten) Auftrag, mit welchem der Beklagte zu 1 befasst war, und auf die Erteilung eines neuen Auftrags, den ausschließlich der Beklagte zu 2 bearbeitet hat, rechtfertigen, hat der für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 PartGG darlegungs- und beweispflichtige Beklagte zu 1 nicht vorgetragen. Er hat vielmehr stets darauf verwiesen, nicht in die "weitere Mandatsbearbeitung" eingebunden gewesen zu sein. Die Klägerin hat ausdrücklich erklärt, der Partnerschaftsgesellschaft nur einen Auftrag erteilt zu haben, der von Anfang an auch den Auftrag zur Erhebung einer Klage umfasst habe.
13 III. Die angefochtene Entscheidung kann daher, soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, keinen Bestand haben. Sie ist im Umfang der Anfechtung aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird sich nunmehr mit den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs befassen müssen.