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Wirtschaftsrecht
06.05.2021
Wirtschaftsrecht
EuGH: Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen - Auf eine Fremdwährung lautender Hypothekenkreditvertrag – Bestimmung des Wechselkurses zwischen den Währungen

EuGH, Urteil vom 29.4.2021 – C-19/20, I.W., R.W. gegen Bank BPH S.A.

ECLI:EU:C:2021:341

Volltext: BB-Online BBL2021-1089-1

Tenor

1. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass das nationale Gericht verpflichtet ist, die Missbräuchlichkeit einer Klausel eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags auch dann festzustellen, wenn diese Klausel von den Parteien durch einen Vertrag geändert wurde. Eine solche Feststellung führt dazu, dass die Situation wiederhergestellt wird, in der sich der Verbraucher ohne die Klausel befunden hätte, deren Missbräuchlichkeit festgestellt wurde, es sei denn, der Verbraucher hat mit der Änderung der missbräuchlichen Klausel durch eine freie und aufgeklärte Zustimmung auf eine solche Wiederherstellung verzichtet, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist. Aus dieser Bestimmung ergibt sich jedoch nicht, dass die Feststellung der Missbräuchlichkeit der ursprünglichen Klausel grundsätzlich zur Nichtigerklärung des Vertrags führt, wenn die Änderung dieser Klausel es ermöglicht hat, das Gleichgewicht zwischen den Pflichten und Rechten dieser Parteien aus dem Vertrag wiederherzustellen und den Mangel, mit dem sie behaftet war, zu beheben.

2. Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sind dahin auszulegen, dass sie es dem nationalen Gericht zum einen nicht verwehren, nur den missbräuchlichen Bestandteil einer Klausel eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags aufzuheben, wenn das mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel der Abschreckung durch nationale gesetzliche Vorschriften gewährleistet wird, die ihre Verwendung regeln, sofern dieser Bestandteil in einer gesonderten vertraglichen Verpflichtung besteht, die Gegenstand einer individualisierten Prüfung ihrer Missbräuchlichkeit sein kann. Zum anderen hindern diese Bestimmungen das vorlegende Gericht daran, nur den missbräuchlichen Bestandteil einer Klausel eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags aufzuheben, wenn diese Aufhebung darauf hinausliefe, den Inhalt dieser Klausel grundlegend zu ändern, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

3. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass für die Folgen der gerichtlichen Feststellung, dass ein zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossener Vertrag eine missbräuchliche Klausel enthält, die Bestimmungen des nationalen Rechts maßgeblich sind, wobei die Frage des Fortbestands eines solchen Vertrags von dem nationalen Gericht auf der Grundlage dieser Bestimmungen von Amts wegen anhand eines objektiven Ansatzes zu beurteilen ist.

4. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass das nationale Gericht, das die Missbräuchlichkeit einer Klausel eines von einem Gewerbetreibenden mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrags feststellt, den Verbraucher im Rahmen der nationalen Verfahrensvorschriften und nach einer kontradiktorischen Erörterung über die Rechtsfolgen aufzuklären hat, die sich aus der Nichtigerklärung eines solchen Vertrags ergeben können, unabhängig davon, ob der Verbraucher durch einen professionellen Bevollmächtigten vertreten wird.

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29), insbesondere ihrer Art. 6 und 7.

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen I.W. und R.W. auf der einen und der Bank BPH S.A. auf der anderen Seite über die Folgen der Missbräuchlichkeit bestimmter Klauseln eines zwischen diesen Parteien geschlossenen Hypothekenkreditvertrags.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3          Nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 93/13 bezeichnet der Begriff „missbräuchliche Klauseln“ „Vertragsklauseln, wie sie in Artikel 3 definiert sind“.

4          Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sieht vor:

„Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.“

5          Art. 4 der Richtlinie 93/13 lautet:

„(1) Die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel wird unbeschadet des Artikels 7 unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt.

(2) Die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln betrifft weder den Hauptgegenstand des Vertrages noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.“

6          Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“

7          Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 lautet:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“

Polnisches Recht

8          Art. 58 des Kodeks cywilny (Zivilgesetzbuch) lautet:

„§ 1. Ein Rechtsgeschäft, das dem Gesetz zuwiderläuft oder die Umgehung des Gesetzes zum Zweck hat, ist nichtig, es sei denn, dass eine einschlägige Vorschrift eine andere Rechtsfolge vorsieht, insbesondere die, dass an die Stelle der nichtigen Bestimmungen des Rechtsgeschäfts die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen treten.

§ 2. Ein Rechtsgeschäft, das den Grundsätzen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zuwiderläuft, ist nichtig.

§ 3. Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Rechtsgeschäfts, so bleibt das Rechtsgeschäft im Übrigen wirksam, es sei denn, dass sich aus den Umständen ergibt, dass es ohne die nichtigen Bestimmungen nicht vorgenommen worden wäre.“

9          Art. 120 § 1 des Kodeks cywilny lautet:

„Der Lauf der Verjährung beginnt an dem Tag, an dem der Anspruch fällig geworden ist. Ist die Fälligkeit des Anspruchs von der Vornahme einer bestimmten Handlung durch den Berechtigten abhängig, so beginnt der Lauf der Verjährung an dem Tag, an dem der Anspruch fällig geworden wäre, wenn der Berechtigte die Handlung am frühestmöglichen Termin vorgenommen hätte.“

10        Art. 3531 des Kodeks cywilny bestimmt:

„Die Vertragsparteien können ihr Rechtsverhältnis nach freiem Willen gestalten, soweit dessen Inhalt oder Zweck nicht der Eigenart (Natur) des Verhältnisses, dem Gesetz oder den Grundsätzen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zuwiderläuft.“

11        Art. 358 des Kodeks cywilny sieht vor:

„§ 1. Wenn Gegenstand einer im Gebiet der Republik Polen zu erfüllenden Verpflichtung ein Geldbetrag in fremder Währung ist, so darf der Schuldner die Leistung in polnischer Währung erfüllen, es sei denn, dass das Gesetz, eine Gerichtsentscheidung, die die Grundlage der Verpflichtung darstellt, oder ein Rechtsgeschäft vorsieht, dass die Leistung ausschließlich in fremder Währung zu erfüllen ist.

§ 2. Der Wert der fremden Währung ist nach dem von der Polnischen Nationalbank veröffentlichten Mittelkurs des Tags der Fälligkeit der Forderung festzulegen, es sei denn, dass das Gesetz, eine Gerichtsentscheidung oder ein Rechtsgeschäft etwas anderes vorsieht.

§ 3. Bei einem Verzug des Schuldners kann der Gläubiger verlangen, dass die Leistung in polnischer Währung nach dem von der Polnischen Nationalbank veröffentlichten Mittelkurs des Tags erfolgt, an dem die Zahlung getätigt wird.“

12        Art. 3851 des Kodeks cywilny bestimmt:

„§ 1. Die Bestimmungen eines mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrags, die nicht individuell vereinbart worden sind, sind für ihn unverbindlich, wenn sie seine Rechte und Pflichten in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise gestalten und seine Interessen grob verletzen (unzulässige Vertragsbestimmungen). Dies gilt nicht für Bestimmungen, die die Hauptleistungen der Parteien, darunter den Preis oder die Vergütung, festlegen, wenn sie eindeutig formuliert worden sind.

§ 2. Ist eine Vertragsbestimmung nach § 1 für den Verbraucher unverbindlich, so sind die Parteien an den Vertrag in seinem übrigen Umfang gebunden.

§ 3. Als nicht individuell vereinbart gelten diejenigen Vertragsbestimmungen, auf deren Inhalt der Verbraucher keinen wirklichen Einfluss gehabt hat. Dies gilt insbesondere für Vertragsbestimmungen, die einem Vertragsmuster entstammen, das der Vertragspartner dem Verbraucher vorgeschlagen hat.

...“

13        Art. 3852 des Kodeks cywilny lautet:

„Maßgebend für die Prüfung der Vereinbarkeit einer Vertragsbestimmung mit den guten Sitten ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses unter Berücksichtigung des Vertragsinhalts, der Umstände des Vertragsschlusses sowie der Verträge, die im Zusammenhang mit dem Vertrag stehen, dessen Bestimmung Gegenstand der Prüfung ist.“

14        Die Ustawa o zmianie ustawy – Prawo bankowe oraz niektórych innych ustaw (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Bankrecht und einiger anderer Gesetze) vom 29. Juli 2011 (Dz. U. 2011, Nr. 165, Position 984) (im Folgenden: Gesetz vom 29. Juli 2011) ist am 26. August 2011 in Kraft getreten.

15        Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 29. Juli 2011 lautet:

„Die [Ustawa – Prawo bankowe (Gesetz über das Bankrecht) vom 29. August 1997 (Dz. U. 2002, Nr. 72, Position 665, in geänderter Fassung)] wird wie folgt geändert:

1) In Art. 69:

a) wird in Abs. 2 nach Nr. 4 folgende Nr. 4a eingefügt:

‚4a) im Fall eines Kreditvertrags, der auf eine andere Währung lautet oder an eine andere Währung gekoppelt ist als die polnische, [sind] detaillierte Regelungen zur Bestimmung der Art und Weise und der Termine der Festlegung des Wechselkurses der Währungen, auf dessen Grundlage u. a. der Kreditbetrag, seine Tranchen und die Kapital- und Zinsraten berechnet werden, sowie die Regeln für die Umrechnung in die Währung, in der der Kredit ausgezahlt bzw. zurückgezahlt wird, [festzulegen]‘;

b) nach Abs. 2 wird folgender Abs. 3 eingefügt:

‚3. Im Fall eines Kreditvertrags, der auf eine andere Währung lautet oder an eine andere Währung gekoppelt ist als die polnische, steht es dem Kreditnehmer frei, die Kapital- und Zinsraten unmittelbar in dieser Währung zu zahlen und den gesamten Kreditbetrag oder einen Teilbetrag vorzeitig unmittelbar in dieser Währung zurückzuzahlen. In diesem Fall werden in dem Kreditvertrag auch die Grundsätze der Eröffnung und der Führung des Kontos, auf dem die Mittel gesammelt werden sollen, die zur Rückzahlung des Kredits bestimmt sind, sowie die Grundsätze der Vornahme der Rückzahlung mittels dieses Kontos geregelt.‘“

16        Art. 4 dieses Gesetzes bestimmt:

„Im Fall von Krediten oder Gelddarlehen, die ein Kredit‑ oder Darlehensnehmer vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgenommen hat, finden Art. 69 Abs. 2 Nr. 4a und Art. 75b des in Art. 1 genannten Gesetzes in Bezug auf Kredite oder Gelddarlehen, die noch nicht vollständig zurückgezahlt wurden, auf den noch zurückzuzahlenden Teil des Kredits oder des Darlehens Anwendung. Insoweit nimmt die Bank unentgeltlich eine entsprechende Änderung des Kreditvertrags oder des Darlehensvertrags vor.“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

17        Im Jahr 2008 schlossen I.W. und R.W als Verbraucher mit der Rechtsvorgängerin der Bank BPH einen Vertrag über einen Hypothekenkredit mit einer Laufzeit von 360 Monaten (30 Jahre). Der Vertrag lautete auf polnische Zloty (PNL), war aber an eine Fremdwährung, den Schweizer Franken (CHF), gebunden.

18        Aus den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts geht hervor, dass diese Kreditnehmer darüber informiert wurden, dass der Wechselkurs des Schweizer Franken steigen könne, was sich auf den Betrag der monatlichen Tilgungsraten dieses Kredits auswirken würde. Auf ein entsprechendes Ersuchen der Bank hin gaben die Kreditnehmer eine Erklärung dahin gehend ab, dass sie sich für eine Bindung ihres Kredits an den Kurs des Schweizer Franken entscheiden wollten, auch wenn sie ordnungsgemäß über die Risiken eines in einer Fremdwährung gewährten Kredits informiert worden seien.

19        Nach den Bestimmungen dieses Vertrags erfolgte die Rückzahlung des Kredits in polnischen Zloty, wobei der Kreditsaldo und die monatlichen Raten auf der Grundlage des Verkaufskurses des Schweizer Franken zuzüglich der von der Bank aufgeschlagenen Verkaufsmarge berechnet wurden. Die Methode zur Bestimmung der Marge der Bank war in dem Vertrag nicht näher geregelt.

20        § 1 Abs. 1 des Kreditvertrags bestimmt:

„Die Bank gewährt dem Kreditnehmer einen Kredit über … polnische Zloty, wobei dieser Betrag an den Wechselkurs des [Schweizer Franken] gekoppelt ist …; der Kreditnehmer verpflichtet sich, den Kredit vereinbarungsgemäß zu verwenden, den gewährten Kreditbetrag nebst Zinsen innerhalb der vertraglich vereinbarten Fristen zurückzuzahlen und die Provision der Bank, die Gebühren und andere vertraglich vereinbarte Verbindlichkeiten zu begleichen. …

Der Kreditsaldo am Tag der Auszahlung wird in der Währung ausgedrückt, an die der Kredit gekoppelt ist, und zwar nach dem Ankaufskurs der Währung, an die der Kredit gekoppelt ist, wobei sich dieser Ankaufskurs aus der – in § 17 detailliert beschriebenen – Tabelle der An- und Verkaufskurse für von der Bank gewährte Hypothekenkredite ergibt; anschließend wird der Währungssaldo täglich unter Zugrundelegung des Verkaufskurses für die Währung, an die der Kredit gekoppelt ist, in polnische Zloty umgerechnet, wobei sich dieser Verkaufskurs aus der – in § 17 detailliert beschriebenen – Tabelle der An- und Verkaufskurse für von der Bank gewährte Hypothekenkredite ergibt.“

21        § 7 Abs. 2 des Kreditvertrags sieht vor:

„Die Auszahlung des im Auszahlungsantrag angegebenen Kreditbetrags erfolgt mittels Überweisung auf das in diesem Antrag angegebene Bankkonto, das bei einer inländischen Bank geführt wird. Der Tag, an dem die Überweisung erfolgt, gilt als der Tag der Auszahlung des in Anspruch genommenen Kredits. Der jeweils in polnischen Zloty ausgezahlte Betrag wird unter Zugrundelegung des An- und Verkaufskurses für von der Bank gewährte Hypothekenkredite in die Währung umgerechnet, an die der Kredit gekoppelt ist, wobei der am Tag der Auszahlung durch die Bank geltende Wechselkurs maßgeblich ist.“

22        § 10 Abs. 6 des Kreditvertrags sieht vor:

„Die Abrechnung jeder Einzahlung des Kreditnehmers wird unter Zugrundelegung des Verkaufskurses der Währung erfolgen, an die der Kredit gekoppelt ist, wobei der in der Tabelle der An- und Verkaufskurse für von der Bank gewährte Hypothekenkredite angegebene Verkaufskurs maßgeblich ist, der an dem Tag gilt, an dem die Mittel bei der Bank eingehen. …“

23        § 17 des Kreditvertrags bestimmt:

„1. Die Abrechnung der Aus- und Rückzahlungen der Kredite erfolgt anhand der entsprechenden An- und Verkaufskurse für Hypothekenkredite, die von der Bank in einer von ihr angebotenen Währung gewährt wurden, wobei die Wechselkurse maßgeblich sind, die am Tag der Vornahme des Umsatzes gelten.

2. Die Ankaufskurse werden auf der Grundlage des mittleren Wechselkurses des [polnischen Zloty] im Verhältnis zu den betreffenden Währungen nach der Tabelle der mittleren Wechselkurse der Polnischen Nationalbank abzüglich der Ankaufsmarge bestimmt.

3. Die Verkaufskurse werden auf der Grundlage des mittleren Wechselkurses des [polnischen Zloty] im Verhältnis zu den betreffenden Währungen nach der Tabelle der mittleren Wechselkurse der Polnischen Nationalbank zuzüglich der Verkaufsmarge bestimmt.

4. Die Berechnung der An- und Verkaufskurse für von der Bank gewährte Hypothekenkredite erfolgt auf der Grundlage des Wechselkurses des [polnischen Zloty] im Verhältnis zu den betreffenden Währungen nach der Tabelle der mittleren Wechselkurse der Polnischen Nationalbank für den betreffenden Arbeitstag unter Berücksichtigung der Marge der Bank für den An- oder Verkauf.

5. Die an einem bestimmten Arbeitstag geltenden An- und Verkaufskurse für Hypothekenkredite, die von der Bank in einer von ihr angebotenen Währung gewährt wurden, werden von der Bank am Vorarbeitstag nach 15.00 Uhr festgelegt und am Sitz der Bank ausgehängt und auf ihrer Website veröffentlicht ...“

24        Dieser Kreditvertrag war Gegenstand eines von den Parteien am 7. März 2011 unterzeichneten Nachtrags (im Folgenden: Zusatzvereinbarung), der zum einen Bestimmungen zur Festlegung der Marge der Bank BPH enthielt. Zum anderen sah diese Zusatzvereinbarung vor, dass die Kreditnehmer nunmehr berechtigt waren, ihren Kredit in der gewählten Währung, an die der Kredit gekoppelt war, d. h. in Schweizer Franken, zurückzuzahlen, die sie sich auch auf dem freien Markt beschaffen konnten.

25        Angesichts des Kursanstiegs des Schweizer Franken machten I.W. und R.W. vor dem vorlegenden Gericht geltend, dass die Koppelung des Kredits an den Schweizer Franken missbräuchlich sei, und beantragten, den Vertrag für nichtig zu erklären und alle zur Begleichung der mit ihm zusammenhängenden Zinsen und Gebühren gezahlten Beträge zurückzuerstatten.

26        Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts betreffen die Klauseln über den Koppelungsmechanismus für den gewährten Kredit und die Art und Weise der Bestimmung des Kurses der Währung, in der der Kredit zurückzuzahlen ist, den Hauptgegenstand des Vertrags. Da diese Klauseln verständlich und klar abgefasst seien und die Schuldner deren Bedeutung und Folgen erfasst hätten, was sie der Bank BPH schriftlich bestätigt hätten, könne die Missbräuchlichkeit dieser Klauseln nicht geltend gemacht werden.

27        Dagegen hält dieses Gericht diese Klauseln insoweit für missbräuchlich, als sie es der Bank BPH erlaubten, eine mit dem An‑ und Verkauf der Währung verbundene Marge zu erzielen. Da die Methode zur Festlegung dieser Marge im ursprünglichen Kreditvertrag nicht näher geregelt gewesen sei, habe diese Marge ein erhebliches Ungleichgewicht zum Nachteil des Verbrauchers geschaffen.

28        Für den Fall, dass die Missbräuchlichkeit der vertraglichen Bestimmungen über die Marge der Bank BPH für den Ankauf/Verkauf der Fremdwährung mit dem Abschluss der Zusatzvereinbarung zwischen den Parteien, die die Modalitäten für die Festlegung einer solchen Marge der Bank festlegt, weggefallen sein sollte, fragt sich das vorlegende Gericht erstens, inwieweit sich die ursprüngliche Missbräuchlichkeit dieser Bestimmungen auf die Gültigkeit der Koppelungsklausel oder sogar des gesamten Kreditvertrags auswirken kann.

29        Zweitens möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es allein die vertraglichen Bestimmungen über die Marge der Bank unangewendet lassen und die Koppelungsklausel und den Vertrag aufrechterhalten kann, obwohl ein entsprechendes gerichtliches Tätigwerden zu einer Änderung der Bedeutung dieser Klausel führen würde.

30        Drittens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass das Gesetz vom 29. Juli 2011 nunmehr die Regeln für die Festlegung der Modalitäten der Währungsumrechnung bei auf Fremdwährungen lautenden Darlehen festlege. Das Ziel, von der Verwendung missbräuchlicher Klauseln abzuschrecken, rechtfertige daher nicht mehr das Verbot der Abmilderung oder Ersetzung einer missbräuchlichen Klausel durch das nationale Gericht, das das Vorhandensein solcher Klauseln in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher feststelle; dies gelte insbesondere dann, wenn eine solche Feststellung zur Nichtigkeit des Vertrags insgesamt führen könne.

31        Viertens fragt sich das vorlegende Gericht, ob der dem Verbraucher infolge der Nichtigerklärung einer missbräuchlichen Klausel entstandene Erstattungsanspruch untrennbar mit der Entscheidung des nationalen Gerichts verbunden ist, mit der diese Missbräuchlichkeit festgestellt wird, oder ob seine Zuerkennung einen ausdrücklichen Antrag des Verbrauchers im Rahmen eines anderen Verfahrens erfordert, für das Verjährungsfristen gelten können.

32        Fünftens und letztens hegt das vorlegende Gericht Zweifel hinsichtlich des Umfangs der Informationspflicht, die ihm gegenüber dem Verbraucher obliegen könnte, da dieser in die Lage versetzt werden müsse, zu entscheiden, ob er auf die Geltendmachung der Missbräuchlichkeit einer Klausel eines Vertrags, dessen Partei er sei, verzichten wolle.

33        Unter diesen Umständen hat der Sąd Okręgowy w Gdańsku XV Wydział Cywilny (Bezirksgericht Danzig, XV. Abteilung für Zivilsachen, Polen) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist Art. 3 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass das nationale Gericht verpflichtet ist, die Missbräuchlichkeit (im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie) einer Klausel eines mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrags auch dann festzustellen, wenn die Klausel zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung infolge einer von den Parteien durch einen Nachtrag vorgenommenen Vertragsänderung in einer Weise geändert wurde, die die Missbräuchlichkeit entfallen lässt, während die Feststellung der Missbräuchlichkeit der Klausel in ihrer ursprünglichen Fassung den Vertrag insgesamt zu Fall bringen (seine Nichtigkeit herbeiführen) kann?

2. Ist Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 sowie Art. 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass er dem nationalen Gericht die Feststellung erlaubt, dass nur einige Bestandteile der Vertragsklausel, die die Festlegung des Wechselkurses durch die Bank für die Währung regelt, an die der dem Verbraucher gewährte Kredit gekoppelt ist (wie im Ausgangsverfahren), missbräuchlich sind, indem es die Bestimmung für nichtig erklärt, die die einseitige und unklare Festlegung der Marge der Bank regelt, die den Wechselkurs mitbestimmt, wohingegen die eindeutige Bestimmung, die an den mittleren Wechselkurs der Zentralbank (Narodowy Bank Polski) anknüpft, aufrechterhalten bleibt, wobei es nicht erforderlich ist, die für nichtig erklärte Bestimmung durch irgendwelche Rechtsvorschriften zu ersetzen, und ein tatsächliches Gleichgewicht zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden wiederhergestellt wird, die Bestimmung, die die Erfüllung der Verpflichtung durch den Verbraucher betrifft, dadurch jedoch in ihrem Wesen zu dessen Gunsten geändert wird?

3. Ist Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass, selbst wenn der nationale Gesetzgeber Maßnahmen vorsieht, die einer beständigen Anwendung von missbräuchlichen Klauseln entgegenwirken sollen, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, indem Bestimmungen eingeführt werden, die die Banken dazu verpflichten, die Art und Weise sowie die Termine der Festlegung des Wechselkurses, auf dessen Grundlage der Kreditbetrag berechnet wird, die Raten zur Tilgung des Kapitals und der Zinsen sowie die Regeln für die Umrechnung in die Währung, in der der Kredit ausgezahlt bzw. zurückgezahlt wird, detailliert zu bestimmen, das öffentliche Interesse dem entgegensteht, dass nur einige Bestandteile einer Vertragsklausel in der in der zweiten Frage beschriebenen Art und Weise für missbräuchlich erachtet werden?

4. Ist die Unverbindlichkeit des Vertrags, von der in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 die Rede ist, die auf dem Wegfall der missbräuchlichen Klauseln gemäß Art. 2 Buchst. a in Verbindung mit Art. 3 der Richtlinie beruht, in der Weise auszulegen, dass es sich dabei um eine Sanktion handelt, die als Folge einer konstitutiven Entscheidung des Gerichts, die auf einen ausdrücklichen Antrag des Verbrauchers hin erlassen wird, mit Ex-tunc-Wirkung ab Vertragsschluss eintreten kann, während die Restitutionsansprüche des Verbrauchers und des Gewerbetreibenden mit Rechtskraft des Urteils fällig werden?

5. Ist Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 30. März 2010 (ABl. 2010, C 83, S. 389) dahin auszulegen, dass er das nationale Gericht dazu verpflichtet, den Verbraucher, der die Feststellung der Nichtigkeit des Vertrags wegen des Wegfalls missbräuchlicher Klauseln beantragt hat, auf die Rechtsfolgen einer solchen Entscheidung, insbesondere auch auf die möglichen Restitutionsansprüche des Gewerbetreibenden (der Bank), hinzuweisen, selbst wenn in dem betreffenden Verfahren keine angemeldet wurden oder ihre Begründetheit nicht eindeutig ist, und zwar selbst dann, wenn der Verbraucher durch einen professionellen Bevollmächtigten vertreten wird?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

34        Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass das nationale Gericht verpflichtet ist, die Missbräuchlichkeit einer Klausel eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags auch dann festzustellen, wenn der Mangel dieser Klausel infolge des Abschlusses einer Zusatzvereinbarung zu dem betreffenden Vertrag zwischen diesen Parteien behoben wurde und die Feststellung der Missbräuchlichkeit der Klausel in ihrer ursprünglichen Fassung zur Nichtigkeit des Vertrags führen kann.

Zur Zulässigkeit

35        I.W. und R.W. halten diese Frage für unzulässig, weil die Darstellung des Sachverhalts in der Vorlageentscheidung nicht den Gegebenheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens entspreche. Insbesondere stellen sie in Abrede, dass die Zusatzvereinbarung es ermöglicht habe, der Missbräuchlichkeit der ursprünglichen Koppelungsklausel abzuhelfen, da der Koppelungsmechanismus insgesamt missbräuchlich sei. Das vorlegende Gericht gehe zu Unrecht davon aus, dass allein der Bestandteil betreffend die Marge der Bank BPH im Zusammenhang mit der Währungsumrechnung missbräuchlich sei.

36        Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht der Auffassung ist, dass die Klauseln des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrags über die Koppelung des Kreditbetrags an eine Fremdwährung und die Klauseln über die Regeln für die Bestimmung des Wechselkurses nach Art. 3851 §§ 1 und 3 des Zivilgesetzbuchs den Hauptgegenstand des Vertrags im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 betreffen. Außerdem seien nur die gesonderten Bestandteile der Klauseln über den Koppelungsmechanismus, die die Marge der Bank beträfen, nicht klar und verständlich abgefasst gewesen. Daher seien die übrigen Bestandteile der Klauseln über den Koppelungsmechanismus nicht missbräuchlich.

37        Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, allein das nationale Gericht für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits sowie die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zuständig ist (Urteil vom 9. Juli 2020, Raiffeisen Bank und BRD Groupe Société Générale, C‑698/18 und C‑699/18, EU:C:2020:537, Rn. 46).

38        Daher ist der Gerichtshof an die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts durch das vorlegende Gericht gebunden, so dass I.W. und R.W. diese im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens nicht in Frage stellen können.

39        Zudem spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof darf die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 19. September 2019, Lovasné Tóth, C‑34/18, EU:C:2019:764, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40        Da das vorlegende Gericht im vorliegenden Fall den rechtlichen und sachlichen Rahmen festgelegt hat, der es dem Gerichtshof ermöglicht, die erste Vorlagefrage zu beantworten, und es nicht Sache des Gerichtshofs ist, die Richtigkeit dieses Rahmens zu prüfen, ist festzustellen, dass diese Frage zulässig ist.

41        Unter diesen Umständen ist die erste Vorlagefrage zu beantworten.

Zur Beantwortung der Frage

42        Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sehen die Mitgliedstaaten vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest (Urteil vom 9. Juli 2020, Ibercaja Banco, C‑452/18, EU:C:2020:536, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43        Eine für missbräuchlich erklärte Vertragsklausel ist somit grundsätzlich als von Anfang an nicht existent anzusehen, so dass sie gegenüber dem Verbraucher keine Wirkungen haben kann (Urteil vom 9. Juli 2020, Ibercaja Banco, C‑452/18, EU:C:2020:536, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44        Folglich obliegt es gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dem nationalen Gericht, die missbräuchlichen Klauseln für unanwendbar zu erklären, damit sie den Verbraucher nicht binden, sofern der Verbraucher dem nicht widerspricht (Urteile vom 9. Juli 2020, Ibercaja Banco, C‑452/18, EU:C:2020:536, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 25. November 2020, Banca B., C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 29).

45        Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts hat es die vertragliche Änderung der ursprünglichen Koppelungsklauseln durch die Zusatzvereinbarung ermöglicht, den ihnen anhaftenden Mangel zu beheben und das Gleichgewicht zwischen den Pflichten und Rechten des Gewerbetreibenden und der Verbraucher wiederherzustellen. Folglich waren die Koppelungsklauseln in ihrer ursprünglichen Fassung ab der Unterzeichnung der Zusatzvereinbarung für die Parteien des Kreditvertrags nicht mehr verbindlich.

46        In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Recht des Verbrauchers auf wirksamen Schutz die Befugnis einschließt, auf die Geltendmachung seiner Rechte zu verzichten, mit der Folge, dass gegebenenfalls der vom Verbraucher geäußerte Wille berücksichtigt werden muss, wenn dieser im Wissen um die Unverbindlichkeit einer missbräuchlichen Klausel gleichwohl angibt, dass er deren Nichtanwendung widerspreche, und daher der fraglichen Klausel freiwillig und aufgeklärt zustimmt (Urteil vom 9. Juli 2020, Ibercaja Banco, C‑452/18, EU:C:2020:536, Rn. 25).

47        Die Richtlinie 93/13 geht nämlich nicht so weit, dem System zum Schutz gegen die Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch Gewerbetreibende, das sie zugunsten der Verbraucher eingeführt hat, zwingenden Charakter zu verleihen. Folglich wird dieses Schutzsystem, wenn der Verbraucher es vorzieht, sich nicht darauf zu berufen, nicht angewandt (Urteil vom 9. Juli 2020, Ibercaja Banco, C‑452/18, EU:C:2020:536, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48        Entsprechend kann ein Verbraucher auf die Geltendmachung der Missbräuchlichkeit einer Klausel mittels eines Novationsvertrags verzichten, der zur Folge hat, dass er auf die Wirkungen verzichtet, die die Feststellung der Missbräuchlichkeit dieser Klausel nach sich ziehen würde, vorausgesetzt, dieser Verzicht geht auf eine freiwillige und aufgeklärte Zustimmung zurück (Urteil vom 9. Juli 2020, Ibercaja Banco, C‑452/18, EU:C:2020:536, Rn. 28).

49        Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das mit der Richtlinie 93/13 vorgesehene System die Parteien eines Vertrags nicht daran hindern kann, der Missbräuchlichkeit einer darin enthaltenen Klausel dadurch abzuhelfen, dass sie durch einen Vertrag geändert wird, sofern zum einen der Verzicht des Verbrauchers auf die Geltendmachung der Missbräuchlichkeit auf seine freie und aufgeklärte Zustimmung zurückgeht und zum anderen die neue Änderungsklausel nicht selbst missbräuchlich ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

50        Sollte das vorlegende Gericht zu der Auffassung gelangen, dass den Verbrauchern im vorliegenden Fall die Rechtsfolgen, die sich für sie aus einem solchen Verzicht ergeben, nicht bewusst waren, wäre, wie in Rn. 43 des vorliegenden Urteils ausgeführt, darauf hinzuweisen, dass eine für missbräuchlich erklärte Vertragsklausel grundsätzlich als von Anfang an nicht existent anzusehen ist, so dass sie gegenüber dem Verbraucher keine Wirkungen haben kann, was dazu führt, dass die Sach- und Rechtslage wiederhergestellt wird, in der er sich ohne diese Klausel befunden hätte (Urteil vom 14. März 2019, Dunai, C‑118/17, EU:C:2019:207, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51        Denn die Verpflichtung des nationalen Gerichts, eine missbräuchliche Vertragsklausel, nach der Beträge zu zahlen sind, die sich als rechtsgrundlos herausstellen, für nichtig zu erklären, entfaltet im Hinblick auf diese Beträge grundsätzlich Restitutionswirkung (Urteil vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a., C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 62).

52        Daher ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die Situation wiederherzustellen, in der sich I.W. und R.W. ohne die ursprüngliche Klausel, deren Missbräuchlichkeit es feststellt, befunden hätten.

53        Hinsichtlich der Auswirkung einer Feststellung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln auf die Wirksamkeit des betreffenden Vertrags ist zunächst hervorzuheben, dass nach Art. 6 Abs. 1 a. E. der Richtlinie 93/13 der „Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann“.

54        Sodann verlangt die Richtlinie 93/13 nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht, dass das nationale Gericht über die für missbräuchlich erklärte Klausel hinaus Klauseln unangewendet lässt, die nicht als missbräuchlich eingestuft wurden. Das mit der Richtlinie verfolgte Ziel besteht nämlich darin, den Verbraucher zu schützen und Ausgewogenheit zwischen den Parteien herzustellen, indem für missbräuchlich erachtete Klauseln unangewendet gelassen werden und dabei grundsätzlich die Wirksamkeit der übrigen Klauseln des in Rede stehenden Vertrags aufrechterhalten wird (Urteil vom 7. August 2018, Banco Santander und Escobedo Cortés, C‑96/16 und C‑94/17, EU:C:2018:643, Rn. 75).

55        Insoweit besteht das vom Unionsgesetzgeber im Rahmen dieser Richtlinie verfolgte Ziel nicht darin, sämtliche Verträge, die missbräuchliche Klauseln enthalten, für nichtig zu erklären (Urteil vom 15. März 2012, Pereničová und Perenič, C‑453/10, EU:C:2012:144, Rn. 31).

56        Schließlich ist in Bezug auf die Kriterien, anhand deren sich beurteilen lässt, ob ein Vertrag tatsächlich ohne die missbräuchlichen Klauseln fortbestehen kann, darauf hinzuweisen, dass sowohl der Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 als auch die Erfordernisse der Rechtssicherheit geschäftlicher Tätigkeiten für einen objektiven Ansatz bei der Auslegung dieser Bestimmung sprechen, so dass die Lage einer der Vertragsparteien nicht als das maßgebende Kriterium angesehen werden kann, das über das weitere Schicksal des Vertrags entscheidet (Urteil vom 15. März 2012, Pereničová und Perenič, C‑453/10, EU:C:2012:144, Rn. 32).

57        Daher kann sich das angerufene Gericht bei der Beurteilung der Frage, ob ein Vertrag, der eine oder mehrere missbräuchliche Klauseln enthält, ohne diese Klauseln fortbestehen kann, nicht ausschließlich auf die etwaige Vorteilhaftigkeit der Nichtigerklärung des gesamten Vertrags für den Verbraucher stützen (Urteil vom 15. März 2012, Pereničová und Perenič, C‑453/10, EU:C:2012:144, Rn. 33).

58        Im vorliegenden Fall ist das vorlegende Gericht der Auffassung, dass die Vertragsparteien durch den Abschluss der Zusatzvereinbarung den Mangel, der die missbräuchlichen ursprünglichen Klauseln betroffen habe, behoben und das Gleichgewicht zwischen ihren vertraglichen Pflichten und Rechten wiederhergestellt hätten.

59        Den in Rn. 54 des vorliegenden Urteils angeführten Zielen der Richtlinie 93/13 ist jedoch vollständig Genüge getan, wenn die Sach- und Rechtslage, in der sich der Verbraucher ohne die missbräuchliche Klausel befunden hätte, wiederhergestellt wird und der Mangel, mit dem der Vertrag behaftet war, von den Parteien durch den Abschluss einer Zusatzvereinbarung behoben wurde, sofern sich der Verbraucher bei diesem Abschluss der Unverbindlichkeit dieser Klausel und der sich daraus ergebenden Folgen bewusst war.

60        Somit ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 nicht, dass die Feststellung der Missbräuchlichkeit der ursprünglichen Klauseln des betreffenden Vertrags in einer Situation, in der der Verzicht des Verbrauchers auf die Geltendmachung der Missbräuchlichkeit auf seiner freien und aufgeklärten Zustimmung beruht, die Nichtigerklärung des Vertrags in der durch die Zusatzvereinbarung geänderten Fassung zur Folge hätte, auch wenn zum einen der Wegfall dieser Klauseln zur Nichtigerklärung des gesamten Vertrags in seiner ursprünglich geschlossenen Form geführt hätte und dies zum anderen für den Verbraucher von Vorteil wäre.

61        Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass das nationale Gericht verpflichtet ist, die Missbräuchlichkeit einer Klausel eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags auch dann festzustellen, wenn diese Klausel von den Parteien durch einen Vertrag geändert wurde. Eine solche Feststellung führt dazu, dass die Situation wiederhergestellt wird, in der sich der Verbraucher ohne die Klausel befunden hätte, deren Missbräuchlichkeit festgestellt wurde, es sei denn, der Verbraucher hat mit der Änderung der missbräuchlichen Klausel durch eine freie und aufgeklärte Zustimmung auf eine solche Wiederherstellung verzichtet, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist. Aus dieser Bestimmung ergibt sich jedoch nicht, dass die Feststellung der Missbräuchlichkeit der ursprünglichen Klausel grundsätzlich zur Nichtigerklärung des Vertrags führt, wenn die Änderung dieser Klausel es ermöglicht hat, das Gleichgewicht zwischen den Pflichten und Rechten dieser Parteien aus dem Vertrag wiederherzustellen und den Mangel, mit dem sie behaftet war, zu beheben.

Zur zweiten und zur dritten Frage

62        Mit seiner zweiten und seiner dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie es dem nationalen Gericht verwehren, nur den missbräuchlichen Bestandteil einer Klausel eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags aufzuheben, insbesondere wenn das mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel der Abschreckung durch nationale gesetzliche Vorschriften gewährleistet wird, die ihre Verwendung regeln.

63        Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass I.W. und R.W. die Zulässigkeit der dritten Frage in Frage stellen, da das vorlegende Gericht mit dieser Frage vom Gerichtshof eine Auslegung des nationalen Rechts verlange.

64        Hierzu ist daran zu erinnern, dass nach der in Rn. 37 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, allein das nationale Gericht für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits sowie die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zuständig ist. Wenn die vorgelegte Frage die Auslegung des Unionsrechts betrifft, ist der Gerichtshof daher grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden.

65        Da die dritte Frage die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 betrifft, ist der Gerichtshof demnach dafür zuständig, sich mit ihr zu befassen.

66        Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 hat das mit einer missbräuchlichen Vertragsklausel befasste Gericht diese nur für unanwendbar zu erklären, damit sie den Verbraucher nicht bindet, ohne dass es – grundsätzlich – befugt wäre, ihren Inhalt abzuändern. Denn der betreffende Vertrag muss – abgesehen von der Änderung, die sich aus der Aufhebung der fraglichen Klausel ergibt – grundsätzlich unverändert fortbestehen, soweit dies nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts rechtlich möglich ist (Urteil vom 7. August 2018, Banco Santander und Escobedo Cortés, C‑96/16 und C‑94/17, EU:C:2018:643, Rn. 73).

67        Somit ist, wenn das nationale Gericht die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrag feststellt, Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass er es dem nationalen Gericht verwehrt, diesen Vertrag durch Abänderung des Inhalts dieser Klausel zu ergänzen (Urteil vom 26. März 2019, Abanca Corporación Bancaria und Bankia, C‑70/17 und C‑179/17, EU:C:2019:250, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68        Stünde es dem nationalen Gericht frei, den Inhalt der missbräuchlichen Klauseln in einem solchen Vertrag abzuändern, könnte eine derartige Befugnis nämlich die Verwirklichung des langfristigen Ziels gefährden, das mit Art. 7 der Richtlinie 93/13 verfolgt wird. Denn diese Befugnis trüge dazu bei, den Abschreckungseffekt zu beseitigen, der für die Gewerbetreibenden darin besteht, dass solche missbräuchlichen Klauseln gegenüber dem Verbraucher schlicht unangewendet bleiben; die Gewerbetreibenden blieben nämlich versucht, die betreffenden Klauseln zu verwenden, wenn sie wüssten, dass, selbst wenn die Klauseln für unwirksam erklärt werden sollten, der Vertrag gleichwohl im erforderlichen Umfang vom nationalen Gericht angepasst werden könnte, so dass ihr Interesse auf diese Art und Weise gewahrt würde (Urteil vom 26. März 2019, Abanca Corporación Bancaria und Bankia, C‑70/17 und C‑179/17, EU:C:2019:250, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69        Im vorliegenden Fall weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Aufhebung des die Marge der Bank betreffenden Teils der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Klausel über die Koppelung des Hypothekenkredits an eine Fremdwährung zu keiner Lücke führe, die ein positives Eingreifen seinerseits erforderlich machen würde. Es hebt jedoch hervor, dass diese Aufhebung den Wesensgehalt der Klausel in ihrer ursprünglichen Fassung verändere.

70        Der Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass die Bestimmungen der Richtlinie 93/13 der teilweisen Aufrechterhaltung einer für missbräuchlich befundenen Klausel durch Streichung der sie missbräuchlich machenden Bestandteile entgegenstehen, wenn diese Streichung darauf hinausliefe, den Inhalt dieser Klausel grundlegend zu ändern (Urteil vom 26. März 2019, Abanca Corporación Bancaria und Bankia, C‑70/17 und C‑179/17, EU:C:2019:250, Rn. 64).

71        Nur wenn der die Marge der Bank BPH betreffende Bestandteil der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Klausel über die Koppelung des Hypothekenkredits an eine Fremdwährung in einer von den übrigen Vertragsklauseln getrennten vertraglichen Verpflichtung bestünde, die Gegenstand einer individualisierten Prüfung ihrer Missbräuchlichkeit sein könnte, könnte das nationale Gericht ihn aufheben.

72        Die Richtlinie 93/13 verlangt nämlich nicht, dass das nationale Gericht über die für missbräuchlich erklärte Klausel hinaus diejenigen Klauseln unangewendet lässt, die nicht als missbräuchlich eingestuft wurden. Denn das vom Gesetzgeber mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel besteht darin, den Verbraucher zu schützen und Ausgewogenheit zwischen den Parteien herzustellen, indem für missbräuchlich erachtete Klauseln unangewendet gelassen werden und dabei grundsätzlich die Wirksamkeit der übrigen Klauseln des in Rede stehenden Vertrags aufrechterhalten wird (Urteil vom 7. August 2018, Banco Santander und Escobedo Cortés, C‑96/16 und C‑94/17, EU:C:2018:643, Rn. 75).

73        So hat der Gerichtshof in Bezug auf Klauseln eines Darlehensvertrags über die Darlehenszinsen bzw. die Verzugszinsen entschieden, dass die Ungültigerklärung der Klausel eines Darlehensvertrags, die den Verzugszinssatz festlegt, wegen ihrer Missbräuchlichkeit nicht auch zur Ungültigerklärung der Vertragsklausel führt, die den Darlehenszinssatz festlegt, zumal diese verschiedenen Klauseln klar zu unterscheiden sind (Urteil vom 7. August 2018, Banco Santander und Escobedo Cortés, C‑96/16 und C‑94/17, EU:C:2018:643, Rn. 76).

74        Diese Erwägungen gelten unabhängig davon, wie die Vertragsklausel, die den Verzugszinssatz festlegt, und die Klausel, die den Darlehenszinssatz festsetzt, formuliert sind. Sie gelten insbesondere nicht nur, wenn der Verzugszinssatz unabhängig vom Darlehenszinssatz in einer gesonderten Klausel definiert ist, sondern auch dann, wenn er in Form einer Erhöhung des Darlehenszinssatzes um eine bestimmte Zahl von Prozentpunkten festgelegt wird. Im letztgenannten Fall verlangt die Richtlinie 93/13 nur, die Erhöhung für ungültig zu erklären, da die missbräuchliche Klausel in dieser Erhöhung besteht (Urteil vom 7. August 2018, Banco Santander und Escobedo Cortés, C‑96/16 und C‑94/17, EU:C:2018:643, Rn. 77).

75        Im Übrigen kann die dem nationalen Gericht ausnahmsweise eingeräumte Befugnis, den missbräuchlichen Bestandteil einer Klausel eines Vertrags, der einen Gewerbetreibenden und einen Verbraucher bindet, aufzuheben, nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass es nationale Vorschriften gibt, die durch die Regelung der Verwendung einer solchen Klausel das mit dieser Richtlinie verfolgte, oben in Rn. 68 angeführte Ziel der Abschreckung gewährleisten.

76        Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Banken seit dem Erlass des Gesetzes vom 29. Juli 2011 – nach dem Abschluss des Vertrags und der Zusatzvereinbarung, die im Ausgangsverfahren in Rede stehen – keine Koppelungsklauseln mehr in einer Form wie der im Rahmen des vorliegenden Falls vorgesehenen verwenden dürfen. Nach den Bestimmungen dieses Gesetzes muss ein auf eine Fremdwährung lautender Kreditvertrag nunmehr Informationen über die Methoden und Zeitpunkte der Festsetzung des Wechselkurses, auf dessen Grundlage der Kreditbetrag und die monatlichen Tilgungsraten berechnet werden, sowie die Regeln für die Umrechnung der Währungen enthalten.

77        Der Gerichtshof hat jedoch bereits entschieden, dass, auch wenn Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, mittels Rechtsvorschriften der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende zu setzen, der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang nichtsdestoweniger die sich aus Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie ergebenden Anforderungen beachten muss (Urteil vom 14. März 2019, Dunai, C‑118/17, EU:C:2019:207, Rn. 42).

78        Dass eine Vertragsklausel auf der Grundlage nationaler Rechtsvorschriften für missbräuchlich und nichtig erklärt und durch eine neue Klausel ersetzt wurde, darf nämlich nicht zur Schwächung des den Verbrauchern garantierten Schutzes, wie er in Rn. 54 des vorliegenden Urteils dargestellt wurde, führen (vgl. entsprechend Urteil vom 14. März 2019, Dunai, C‑118/17, EU:C:2019:207, Rn. 43).

79        Unter diesen Umständen berührt der Erlass von Bestimmungen durch den Gesetzgeber, die die Verwendung einer Vertragsklausel regeln und zur Gewährleistung der mit der Richtlinie 93/13 verfolgten Abschreckungswirkung in Bezug auf das Verhalten von Gewerbetreibenden beitragen, die dem Verbraucher durch diese Richtlinie zuerkannten Rechte nicht.

80        Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie es dem nationalen Gericht zum einen nicht verwehren, nur den missbräuchlichen Bestandteil einer Klausel eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags aufzuheben, wenn das mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel der Abschreckung durch nationale gesetzliche Vorschriften gewährleistet wird, die ihre Verwendung regeln, sofern dieser Bestandteil in einer gesonderten vertraglichen Verpflichtung besteht, die Gegenstand einer individualisierten Prüfung ihrer Missbräuchlichkeit sein kann. Zum anderen hindern diese Bestimmungen das vorlegende Gericht daran, nur den missbräuchlichen Bestandteil einer Klausel eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags aufzuheben, wenn diese Aufhebung darauf hinausliefe, den Inhalt dieser Klausel grundlegend zu ändern, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

Zur vierten Frage

81        Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass die Nichtigerklärung eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags wegen der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel dieses Vertrags eine in dieser Richtlinie vorgesehene Sanktion darstellt, die sich aus einer gerichtlichen Entscheidung ergibt, die auf ausdrücklichen Antrag des Verbrauchers ergangen ist und für den Verbraucher einen Anspruch auf Rückerstattung der von dem Gewerbetreibenden zu Unrecht vereinnahmten Beträge begründet, oder ob sie von Rechts wegen, unabhängig vom Willen des Verbrauchers erfolgt.

82        In diesem Zusammenhang bestimmt Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und die Bedingungen hierfür in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten festgelegt werden, und sieht vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.

83        Somit zielt diese Bestimmung, insbesondere der zweite Halbsatz, nicht darauf ab, die Nichtigkeit sämtlicher Verträge herbeizuführen, die missbräuchliche Klauseln enthalten, sondern darauf, die nach dem Vertrag bestehende formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so ihre Gleichheit wiederherzustellen, wobei der betreffende Vertrag – abgesehen von der Änderung, die sich aus dem Wegfall der missbräuchlichen Klauseln ergibt – grundsätzlich unverändert bestehen bleiben muss. Sofern die letztere Bedingung erfüllt ist, kann der betreffende Vertrag nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestehen bleiben, soweit ein solcher Fortbestand des Vertrags ohne die missbräuchlichen Klauseln nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts rechtlich möglich ist, was anhand eines objektiven Ansatzes zu prüfen ist (Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak, C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

84        Daraus folgt, dass Art. 6 Abs. 1 zweiter Halbsatz der Richtlinie 93/13 nicht selbst die Kriterien festlegt, nach denen ein Vertrag ohne die missbräuchlichen Klauseln fortbestehen kann, sondern es der nationalen Rechtsordnung überlässt, sie unter Beachtung des Unionsrechts festzulegen. Somit ist es Sache der Mitgliedstaaten, durch ihr nationales Recht die Bedingungen festzulegen, unter denen die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel erfolgt und die konkreten Rechtswirkungen dieser Feststellung eintreten. Eine solche Feststellung muss es jedenfalls ermöglichen, die Sach- und Rechtslage wiederherzustellen, in der sich der Verbraucher ohne diese missbräuchliche Klausel befunden hätte (Urteil vom 21. Dezember 2016, Strack Naranjo u. a., C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 66).

85        Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich erstens, dass ein nationales Gericht, wenn es der Ansicht ist, dass nach den einschlägigen Bestimmungen seines innerstaatlichen Rechts ein Vertrag ohne die darin enthaltenen missbräuchlichen Klauseln nicht aufrechterhalten werden kann, durch Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 grundsätzlich nicht daran gehindert ist, ihn für nichtig zu erklären (Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak, C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 43).

86        Somit kann die Nichtigerklärung eines Vertrags mit einer Klausel, deren Missbräuchlichkeit festgestellt wurde, keine in der Richtlinie 93/13 vorgesehene Sanktion darstellen.

87        Im Übrigen hat der Gerichtshof, was insbesondere die Verjährungsfristen betrifft, bereits entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Unionsrecht vereinbar ist (Urteil vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a., C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 69).

88        Zweitens hängt die Frage, ab wann die Nichtigerklärung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrags ihre Wirkungen entfaltet, ausschließlich vom nationalen Recht ab, sofern der den Verbrauchern durch die Bestimmungen der Richtlinie 93/13 gewährleistete Schutz sichergestellt ist.

89        Drittens kann die Nichtigerklärung des Vertrags im Ausgangsverfahren nicht von einem ausdrücklichen entsprechenden Antrag der Verbraucher abhängen, sondern ergibt sich aus einer objektiven Anwendung der im nationalen Recht festgelegten Kriterien durch das nationale Gericht.

90        Nach alledem ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass für die Folgen der gerichtlichen Feststellung, dass ein zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossener Vertrag eine missbräuchliche Klausel enthält, die Bestimmungen des nationalen Rechts maßgeblich sind, wobei die Frage des Fortbestands eines solchen Vertrags von dem nationalen Gericht auf der Grundlage dieser Bestimmungen von Amts wegen anhand eines objektiven Ansatzes zu beurteilen ist.

Zur fünften Frage

91        Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) dahin auszulegen ist, dass das nationale Gericht, das die Missbräuchlichkeit einer Klausel eines von einem Gewerbetreibenden mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrags feststellt, den Verbraucher über die Rechtsfolgen aufzuklären hat, die sich aus der Nichtigerklärung eines solchen Vertrags ergeben können, unabhängig davon, ob der Verbraucher durch einen professionellen Bevollmächtigten vertreten wird.

92        Insoweit ist es nach ständiger Rechtsprechung Sache des nationalen Gerichts, das die Missbräuchlichkeit einer Klausel festgestellt hat und daraus die entsprechenden Rechtsfolgen ableiten muss, die Erfordernisse eines effektiven gerichtlichen Schutzes der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte, wie er in Art. 47 der Charta garantiert wird, zu beachten. Zu diesen Erfordernissen zählt der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens, der Bestandteil der Verteidigungsrechte ist und den das Gericht vor allem dann wahren muss, wenn es einen Rechtsstreit auf der Grundlage eines von Amts wegen berücksichtigten Gesichtspunkts entscheidet (Urteil vom 21. Februar 2013, Banif Plus Bank, C‑472/11, EU:C:2013:88, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

93        Außerdem hat der Gerichtshof entschieden, dass das nationale Gericht, das auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte festgestellt hat, dass eine Klausel in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 fällt, dann, wenn es zu dem Ergebnis kommt, dass diese Klausel missbräuchlich ist, im Allgemeinen verpflichtet ist, die Parteien darüber zu informieren und sie aufzufordern, dies in der von den nationalen Verfahrensvorschriften dafür vorgesehenen Form kontradiktorisch zu erörtern (Urteil vom 21. Februar 2013, Banif Plus Bank, C‑472/11, EU:C:2013:88, Rn. 31).

94        Folglich muss der Verbraucher, da dieses System zum Schutz vor missbräuchlichen Klauseln keine Anwendung findet, wenn er nicht damit einverstanden ist, erst recht auf den nach diesem System gewährten Schutz vor den nachteiligen Folgen, die sich aus der Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags als Ganzes ergeben, verzichten dürfen, wenn er sich nicht auf diesen Schutz berufen möchte (Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak, C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 55).

95        In diesem Zusammenhang steht es dem Verbraucher frei – nachdem er von dem nationalen Gericht unterrichtet worden ist –, die Missbräuchlichkeit und Unverbindlichkeit einer Klausel nicht geltend zu machen und damit der fraglichen Klausel frei und aufgeklärt zuzustimmen (Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak, C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 66).

96        Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Informationen, über die das nationale Gericht auf der Grundlage der nationalen Verfahrensvorschriften verfügen kann, umso wichtiger erscheinen, als sie dem Verbraucher die Entscheidung ermöglichen, ob er auf den Schutz, der ihm nach der Richtlinie 93/13 garantiert ist, verzichten möchte.

97        Damit der Verbraucher frei und aufgeklärt zustimmen kann, hat das nationale Gericht die Parteien im Rahmen der nationalen Verfahrensvorschriften und im Hinblick auf den Grundsatz der Billigkeit in Zivilverfahren objektiv und erschöpfend auf die Rechtsfolgen hinzuweisen, die die Aufhebung der missbräuchlichen Klausel nach sich ziehen kann, und zwar unabhängig davon, ob sie durch einen professionellen Bevollmächtigten vertreten sind oder nicht.

98        Eine solche Information ist insbesondere dann umso wichtiger, wenn die Nichtanwendung der missbräuchlichen Klausel zur Nichtigerklärung des gesamten Vertrags führen kann, was den Verbraucher möglicherweise Erstattungsansprüchen aussetzt, wie es dem vorlegenden Gericht zufolge in der Ausgangsrechtssache der Fall sein kann.

99        Nach alledem ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass das nationale Gericht, das die Missbräuchlichkeit einer Klausel eines von einem Gewerbetreibenden mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrags feststellt, den Verbraucher im Rahmen der nationalen Verfahrensvorschriften und nach einer kontradiktorischen Erörterung über die Rechtsfolgen aufzuklären hat, die sich aus der Nichtigerklärung eines solchen Vertrags ergeben können, unabhängig davon, ob der Verbraucher durch einen professionellen Bevollmächtigten vertreten wird.

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