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Wirtschaftsrecht
03.05.2023
Wirtschaftsrecht
EuGH: Meta-Tags – zum Gerichtsstand bei Keyword Advertising-Klagen

EuGH, Urteil vom 27.4.2023 – C-104/22; Lännen MCE Oy gegen Berky GmbH, Senwatec GmbH & Co. KG

ECLI:EU:C:2023:343

Volltext: BB-Online BBL2023-1025-1

Tenor

Art. 125 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke ist dahin auszulegen, dass der Inhaber einer Unionsmarke, der glaubt, durch ohne seine Zustimmung erfolgte Benutzung eines mit dieser Marke identischen Zeichens durch einen Dritten in online angezeigten Werbungen und Verkaufsangeboten für Waren, die mit denen, für die diese Marke eingetragen ist, identisch oder ihnen ähnlich sind, geschädigt worden zu sein, gegen diesen Dritten eine Verletzungsklage vor einem Unionsmarkengericht des Mitgliedstaats erheben kann, in dem sich die Verbraucher und Händler befinden, an die sich diese Werbungen oder Verkaufsangebote richten, auch wenn der Dritte diesen Mitgliedstaat nicht ausdrücklich und eindeutig unter den Gebieten aufzählt, in die die in Rede stehenden Waren geliefert werden könnten, wenn dieser Dritte dieses Zeichen durch einen kostenpflichtigen Suchmaschinenverweis auf der Internetseite einer Suchmaschine benutzt hat, die einen Namen einer nationalen Top-Level-Domain dieses Mitgliedstaats verwendet. Dies ist jedoch nicht bereits deshalb der Fall, weil der betreffende Dritte organisches Suchmaschinenranking von Bildern seiner Produkte auf einem Online-Foto-Sharing-Dienst unter einer generischen Top-Level-Domain mit Meta-Tags, die als Schlüsselwort die betreffende Marke verwenden, vorgenommen hat.

 

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 125 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1).

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Lännen MCE Oy (im Folgenden: Lännen) und den Gesellschaften Berky GmbH und Senwatec GmbH & Co. KG, die demselben Konzern angehören, wegen der behaupteten Verletzung der Unionsmarke WATERMASTER, deren Inhaberin Lännen ist.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung 2017/1001

3          In Art. 122 („Anwendung der Unionsvorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen“) Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 heißt es:

„Auf Verfahren, welche durch die in Artikel 124 genannten Klagen und Widerklagen anhängig gemacht werden,

a)         sind Artikel 4 und 6, Artikel 7 Nummern 1, 2, 3 und 5 sowie Artikel 35 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1)] nicht anzuwenden;

…“

4          Art. 123 („Unionsmarkengerichte“) Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten benennen für ihr Gebiet eine möglichst geringe Anzahl nationaler Gerichte erster und zweiter Instanz, die die ihnen durch diese Verordnung zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen.“

5          Art. 124 („Zuständigkeit für Klagen betreffend Verletzung und Rechtsgültigkeit“) der Verordnung bestimmt:

„Die Unionsmarkengerichte sind ausschließlich zuständig

a)         für alle Klagen wegen Verletzung und – falls das nationale Recht dies zulässt – wegen drohender Verletzung einer Unionsmarke;

b)         für Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung, falls das nationale Recht diese zulässt;

c)         für Klagen wegen Handlungen im Sinne des Artikels 11 Absatz 2;

d)         für die in Artikel 128 genannten Widerklagen auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit der Unionsmarke.“

6          Art. 125 („Internationale Zuständigkeit“) der Verordnung 2017/1001 bestimmt:

„(1)      Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sowie der nach Artikel 122 anzuwendenden Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 sind für die Verfahren, welche durch eine in Artikel 124 genannte Klage oder Widerklage anhängig gemacht werden, die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz oder – in Ermangelung eines Wohnsitzes in einem Mitgliedstaat – eine Niederlassung hat.

(5)        Die Verfahren, welche durch die in Artikel 124 genannten Klagen und Widerklagen anhängig gemacht werden – ausgenommen Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung einer Unionsmarke –, können auch bei den Gerichten des Mitgliedstaats anhängig gemacht werden, in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht oder in dem eine Handlung im Sinne des Artikels 11 Absatz 2 begangen worden ist.“

7          Art. 126 („Reichweite der Zuständigkeit“) der Verordnung sieht vor:

„(1)      Ein Unionsmarkengericht, dessen Zuständigkeit auf Artikel 125 Absätze 1 bis 4 beruht, ist zuständig für:

a)         die in einem jeden Mitgliedstaat begangenen oder drohenden Verletzungshandlungen;

b)         die in einem jeden Mitgliedstaat begangenen Handlungen im Sinne des Artikels 11 Absatz 2.

(2)        Ein nach Artikel 125 Absatz 5 zuständiges Unionsmarkengericht ist nur für die Handlungen zuständig, die in dem Mitgliedstaat begangen worden sind oder drohen, in dem das Gericht seinen Sitz hat.“

Verordnung Nr. 1215/2012

8          Art. 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 bestimmt:

„Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 6 und des Artikels 7 Nummer 5 nach diesem Abschnitt,

c)         in allen anderen Fällen, wenn der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.“

9          Art. 66 Abs. 1 der Verordnung bestimmt:

„Diese Verordnung ist nur auf Verfahren, öffentliche Urkunden oder gerichtliche Vergleiche anzuwenden, die am 10. Januar 2015 oder danach eingeleitet, förmlich errichtet oder eingetragen bzw. gebilligt oder geschlossen worden sind.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

10        Lännen, eine Gesellschaft mit Sitz in Finnland, stellt u. a. schwimmfähige Bagger her, die sie unter der am 12. Juli 2004 unter der Nr. 003185758 eingetragenen Unionsmarke WATERMASTER vertreibt.

11        Am 28. Januar 2020 erhob diese Gesellschaft beim Markkinaoikeus (Marktgericht, Finnland) eine Verletzungsklage gegen Berky und Senwatec, zwei Gesellschaften mit Sitz in Deutschland, die ein und demselben Konzern angehören.

12        Senwatec wird von Lännen vorgeworfen, in Finnland eine Verletzungshandlung begangen zu haben, indem sie in einer unter der nationalen Top-Level-Domain für diesen Mitgliedstaat betriebenen Internetsuchmaschine einen kostenpflichtigen Suchmaschinenverweis verwendet habe, mit dem nach einer Suche nach dem Begriff „Watermaster“ auf der Website dieser Suchmaschine eine Werbeanzeige für ihre Waren angezeigt werden könne. So habe im August 2016 die Suche nach dem Begriff „Watermaster“ auf der Website www.google.fi in Finnland als erstes Ergebnis eine Google-Adwords-Werbeanzeige für die Produkte von Senwatec angezeigt, die durch eine Linie von den übrigen Suchergebnissen abgetrennt gewesen sei und das Wort „Werbung“ enthalten habe.

13        Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der aus der Suche resultierende Werbelink und der damit verbundene Text keinen speziellen Hinweis auf Finnland oder das geografische Liefergebiet der Produkte von Senwatec enthielten. Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass die Website von Senwatec zu der dieser Werbelink geführt habe, u. a. einen englischsprachigen Text, dem zufolge die Produkte von Senwatec weltweit benutzt würden, und eine Weltkarte, auf der dunkel eingefärbt die Länder hervorgehoben waren, in denen Senwatec nach eigenen Angaben tätig war, enthalten habe. Finnland gehörte nicht zu diesen Ländern.

14        Berky wird von Lännen vorgeworfen, deren Marke dadurch verletzt zu haben, dass sie in den Jahren 2005 bis 2019 mit Hilfe eines Meta-Tags mit dem Schlüsselwort „Watermaster“ organische Suchmaschinenverweise von auf der Foto-Sharing-Website Flickr.com frei zugänglichen Bildern von Maschinen dieses Unternehmens verwendet habe; dieser Meta-Tag habe es Internet-Suchmaschinen ermöglichen sollen, diese Bilder besser zu identifizieren. So habe die Suche mit dem Begriff „Watermaster“ auf der Website www.google.fi in Finnland einen Link zu einer Seite ergeben, auf der Bilder von Berkys Maschinen gezeigt worden seien.

15        Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der als Suchergebnis angezeigte Link kein Werbelink, sondern ein „organisches“ Suchergebnis gewesen sei. In den Bildtexten der Bilder auf Flickr.com seien in englischer Sprache die Namen der Maschinen und ihre Modellnummern angegeben gewesen. In Verbindung mit diesen Bildern sei außerdem das Logo von Berky erschienen. Mit jedem der Bilder seien auf Englisch und in anderen Sprachen zahlreiche Schlüsselwörtern entsprechende Meta-Tags verbunden gewesen, u. a. der Begriff „Watermaster“.

16        Lännen ist der Ansicht, Berky und Senwatec hätten im Internet Marketingaktivitäten durchgeführt, die sich auf das Gebiet der Republik Finnland bezogen hätten und für finnische Verbraucher und Händler in diesem Mitgliedstaat sichtbar gewesen seien. Ihre Produkte würden in der ganzen Welt verkauft. Die in Rede stehende englischsprachige Werbung richte sich an ein internationales Publikum und an alle Länder, in denen sie sichtbar sei.

17        In der Klagebeantwortung machen Berky und Senwatec geltend, das vorlegende Gericht sei unzuständig, da die behaupteten Verletzungshandlungen nicht in Finnland erfolgt seien.

18        Ihre Werbetätigkeit sei nicht auf Finnland, einem Mitgliedstaat, in dem sie ihre Produkte nicht zum Verkauf anböten und auf dessen Markt sie nicht vertreten seien, ausgerichtet gewesen. Weder das Suchergebnis auf der Website www.google.fi noch die Verwendung eines Meta-Tags mit dem Schlüsselwort „Watermaster“ belegten, dass sich ihre Tätigkeiten auf Finnland bezogen hätten. Daher komme es für die Feststellung der Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts nicht darauf an, ob der Inhalt, der eine Verletzungshandlung darstellen soll, in Finnland online sichtbar gewesen sei, sondern darauf, ob dieser Inhalt eine relevante Verbindung zu diesem Mitgliedstaat aufweise.

19        Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts streiten die Parteien über die Frage, ob die Karte auf der Website von Senwatec zeigt, dass das Liefergebiet der Produkte dieser Gesellschaft auf ein geografisches Gebiet, das Finnland auszuschließen scheint, begrenzt ist. Senwatec hält diese Karte für einen Beleg dafür, dass Finnland nicht Teil des Marktes sei, auf dem sie ihre Produkte vermarkte, während Lännen meint, dass sich der Markt für die Produkte von Senwatec auf die ganze Welt und über die von der genannten Karte abgedeckten Gebiete hinaus erstrecke.

20        Das vorlegende Gericht ist im Rahmen der Prüfung der Zuständigkeit eines Gerichts, das aufgrund des Ortes, an dem die Verletzungshandlung begangen wurde, angerufen wird, der Ansicht, dass bei der Bestimmung der Gebiete der Mitgliedstaaten, in denen sich die Verbraucher oder Händler befänden, an die sich Werbung auf einer Website richte, insbesondere die geografischen Liefergebiete der in Rede stehenden Waren zu beachten seien.

21        Wie sich aus den Schlussanträgen des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache AMS Neve u. a. (C-172/18, EU:C:2019:276) ergebe, könnten sich gleichwohl andere Umstände als für eine solche Prüfung relevant erweisen; es sei jedoch nicht klar erkennbar, um welche anderen Umstände es sich handeln könnte, da sich der Gerichtshof zu diesem Punkt nicht geäußert habe.

22        Das vorlegende Gericht fragt sich insbesondere, ob bei der Bestimmung seiner Zuständigkeit nach Art. 125 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 der Mitgliedstaat berücksichtigt werden kann, unter dessen Top-Level-Domain die Suchmaschinen-Website betrieben wird, auf der die Werbung, um die es sich bei den behaupteten Verletzungshandlungen handelt, abrufbar ist.

23        Unter diesen Umständen hat das Markkinaoikeus (Marktgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Das Unternehmen A ist im Mitgliedstaat X niedergelassen, in dem es seinen Sitz hat, und hat auf einer Website in der Werbung oder als Schlüsselwort ein Zeichen benutzt, das mit einer Unionsmarke des Unternehmens B identisch ist.

1.         Kann in dem vorstehend genannten Fall angenommen werden, dass die Werbung sich an Verbraucher oder Händler im Mitgliedstaat Y richtet, in dem das Unternehmen B seinen Sitz hat, und ist ein Unionsmarkengericht im Mitgliedstaat Y dafür zuständig, gemäß Art. 125 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 eine Klage wegen Verletzung einer Unionsmarke zu prüfen, wenn in der elektronisch veröffentlichten Werbung oder auf einer damit verlinkten Website eines Werbenden das geografische Liefergebiet der Waren zumindest nicht ausdrücklich präzisiert ist oder kein einzelner Mitgliedstaat ausdrücklich vom Liefergebiet ausgenommen ist? Können dabei die Art der Waren, auf die sich die Werbung bezieht, und der Umstand berücksichtigt werden, dass das Marktgebiet der Produkte des Unternehmens A, wie behauptet, weltweit ist und somit das gesamte Gebiet der Europäischen Union einschließlich des Mitgliedstaats Y umfasst?

2.         Kann angenommen werden, dass sich die oben genannte Werbung an Verbraucher oder Händler im Mitgliedstaat Y richtet, wenn die Werbung auf einer Suchmaschinen-Website angezeigt wird, die unter der nationalen Top-Level-Domain des Mitgliedstaats Y betrieben wird?

3.         Wenn Frage 1 oder 2 bejaht wird: Welche sonstigen Umstände sind gegebenenfalls bei der Entscheidung zu berücksichtigen, ob sich die Werbung an Verbraucher oder Händler im Mitgliedstaat Y richtet?

Zu den Vorlagefragen

24        Mit seinen drei Fragen, die zusammen zu behandeln sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 125 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen ist, dass der Inhaber einer Unionsmarke, der glaubt, durch ohne seine Zustimmung erfolgte Benutzung eines mit dieser Marke identischen Zeichens durch einen Dritten in online angezeigten Werbungen und Verkaufsangeboten für Waren, die mit denen, für die diese Marke eingetragen ist, identisch oder ihnen ähnlich sind, geschädigt worden zu sein, gegen diesen Dritten eine Verletzungsklage vor einem Unionsmarkengericht des Mitgliedstaats erheben kann, in dem sich die Verbraucher und Händler befinden, an die sich diese Werbungen oder Verkaufsangebote richten, auch wenn der Dritte diesen Mitgliedstaat nicht ausdrücklich und eindeutig unter den Gebieten aufzählt, in die die in Rede stehenden Waren geliefert werden könnten.

25        Unbeschadet der in Art. 66 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 vorgesehenen grundsätzlichen Anwendbarkeit dieser Verordnung ab 10. Januar 2015 auf Klagen, die eine Unionsmarke betreffen, ist nach Art. 122 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 die Anwendung einiger Bestimmungen der Verordnung Nr. 1215/2012 wie die in ihren Art. 4 und 6, Art. 7 Abs. 1, 2, 3 und 5 sowie Art. 35 enthaltenen Regelungen insbesondere auf Klagen wegen Verletzung einer solchen Marke ausgeschlossen. Wegen dieses Ausschlusses ergibt sich die Zuständigkeit der Unionsmarkengerichte, die nach Art. 123 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 über Klagen wegen Verletzung einer Unionsmarke entscheiden, aus den in dieser Verordnung unmittelbar vorgesehenen Vorschriften, denen im Verhältnis zu den Vorschriften der Verordnung Nr. 1215/2012 die Eigenschaft einer lex specialis zukommt (vgl. entsprechend Urteil vom 5. September 2019, AMS Neve u. a., C-172/18, EU:C:2019:674, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26        Folglich fällt eine am 28. Januar 2020 erhobene Verletzungsklage, soweit sie eine Unionsmarke betrifft, unter die in der Verordnung 2017/1001 aufgestellten Regeln über die gerichtliche Zuständigkeit.

27        Nach Art. 125 Abs. 1 der Verordnung erhebt der Kläger seine Klage bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat.

28        Nach Art. 125 Abs. 5 dieser Verordnung kann der Kläger seine Klage aber „auch“ bei den Gerichten des Mitgliedstaats anhängig machen, „in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht“.

29        Nach Art. 126 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 ist ein Unionsmarkengericht, dessen Zuständigkeit auf ihrem Art. 125 Abs. 1 beruht, für die in einem jeden Mitgliedstaat begangenen oder drohenden Verletzungshandlungen zuständig. Nach Art. 126 Abs. 2 dieser Verordnung ist ein nach ihrem Art. 125 Abs. 5 zuständiges Unionsmarkengericht nur für die Handlungen zuständig, die in dem Mitgliedstaat begangen worden sind oder drohen, in dem das Gericht seinen Sitz hat.

30        Aus dieser Unterscheidung ergibt sich, dass der Kläger den Umfang des örtlichen Zuständigkeitsbereichs des angerufenen Gerichts danach bestimmt, ob er sich dafür entscheidet, die Verletzungsklage bei dem Unionsmarkengericht des Wohnsitzes des Beklagten oder bei dem Gericht des Hoheitsgebiets zu erheben, in dem die Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht. Wird die Verletzungsklage auf Art. 125 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 gestützt, betrifft sie nämlich potenziell die im gesamten Unionsgebiet begangenen Verletzungshandlungen, während sie, wenn sie auf Art. 125 Abs. 5 gestützt wird, auf die in einem einzigen Mitgliedstaat – nämlich demjenigen, in dem das angerufene Gericht seinen Sitz hat – begangenen oder drohenden Verletzungshandlungen beschränkt ist (vgl. entsprechend Urteil vom 5. September 2019, AMS Neve u. a., C-172/18, EU:C:2019:674, Rn. 40).

31        Die Befugnis des Klägers zur Wahl der einen oder anderen Grundlage, die sich aus der Verwendung des Wortes „auch“ in Art. 125 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 ergibt, kann nicht so verstanden werden, dass der Kläger in Bezug auf dieselben Verletzungshandlungen nebeneinander mehrere auf Art. 125 Abs. 1 und 5 gestützte Klagen erheben kann, sondern bringt nur den alternativen Charakter des in Abs. 5 genannten Gerichtsstands gegenüber den in den anderen Absätzen dieses Artikels genannten Gerichtsständen zum Ausdruck (vgl. entsprechend Urteil vom 5. September 2019, AMS Neve u. a., C-172/18, EU:C:2019:674, Rn. 41).

32        Indem der Unionsgesetzgeber diesen alternativen Gerichtsstand vorgesehen und in Art. 126 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 die diesem Gerichtsstand zugewiesene örtliche Zuständigkeit abgegrenzt hat, gestattet er dem Unionsmarkeninhaber – wenn dieser es wünscht – die Erhebung gezielter Klagen, die jeweils die im Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaats begangenen Verletzungshandlungen betreffen (vgl. entsprechend Urteil vom 5. September 2019, AMS Neve u. a., C-172/18, EU:C:2019:674, Rn. 42).

33        Im vorliegenden Fall geht – vorbehaltlich der dem vorlegenden Gericht obliegenden Prüfungen – aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass die vom Inhaber der Unionsmarke behaupteten Verletzungshandlungen darin bestehen, dass Inhalte zu den Produkten von Wettbewerbern dieses Inhabers mittels kostenpflichtiger und organischer Suchmaschinenverweise anhand eines mit dieser Marke identischen Zeichens online angezeigt werden, und zwar nur insoweit, als sich diese Anzeige an in Finnland ansässige Verbraucher oder Händler gerichtet habe.

34        Um festzustellen, ob diese Online-Anzeige tatsächlich für Verbraucher oder Händler in Finnland bestimmt war, möchte das vorlegende Gericht daher insbesondere wissen, ob die Art der betreffenden Waren, der Umfang des in Rede stehenden Marktes und der Umstand, dass die Anzeige auf der Website einer unter der nationalen Top-Level-Domain dieses Mitgliedstaats betriebenen Suchmaschine erschien, relevante Gesichtspunkte für die Prüfung seiner internationalen Zuständigkeit nach Art. 125 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 sind und ob zu diesem Zweck gegebenenfalls weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind.

35        Obwohl die Verletzungshandlungen, die den im Ausgangsverfahren beklagten Gesellschaften, die demselben Konzern angehören, jeweils vorgeworfen werden, unterschiedlich sind, wurde vor dem vorlegenden Gericht ein einziges Gerichtsverfahren eingeleitet.

36        Daher ist zu prüfen, ob die Verletzungshandlungen, die diesen beiden Gesellschaften vorgeworfen werden, es in jedem der beiden Fälle ermöglichen, im Sinne von Art. 125 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 einen hinreichenden Bezug zu dem Mitgliedstaat des mit der Verletzungsklage befassten Gerichts herzustellen.

37        Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Prüfung der Zuständigkeit des mit einer Verletzungsklage befassten Gerichts nicht mit einer Prüfung der Begründetheit dieser Klage gleichzusetzen ist (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juni 2016, Universal Music International Holding, C-12/15, EU:C:2016:449, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38        Es ginge zu weit, von dem mit einer Verletzungsklage befassten Gericht zu verlangen, dass es im Stadium der Prüfung seiner internationalen Zuständigkeit nach Art. 125 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 diese komplexen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte eingehend prüft.

39        Daher reichen Umstände, die vernünftigerweise die Annahme erlauben, dass im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats möglicherweise eine Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht, für die Zuständigkeit des Unionsmarkengerichts dieses Mitgliedstaats nach Art. 125 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 aus.

40        In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs das Kriterium der gerichtlichen Zuständigkeit, das mit der Wendung „[Mitgliedstaat], in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht“ in Art. 125 Abs. 5 der Verordnung ausgedrückt wird, auf ein aktives Verhalten des Täters der Verletzung abstellt (vgl. entsprechend Urteil vom 5. September 2019, AMS Neve u. a., C-172/18, EU:C:2019:674, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41        Was insbesondere die Pflicht eines Unionsmarkengerichts betrifft, sich bei der Prüfung seiner Zuständigkeit nach Art. 125 Abs. 5 für die Entscheidung über das Vorliegen einer Markenverletzung im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem es seinen Sitz hat, zu vergewissern, dass die dem Beklagten zur Last gelegten Handlungen dort begangen wurden, hat der Gerichtshof entschieden, dass, wenn solche Handlungen in der elektronischen Anzeige von Werbung und Verkaufsangeboten für Waren, die mit einem Zeichen versehen sind, das mit einer Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist, ohne dass der Markeninhaber zugestimmt hat, davon auszugehen ist, dass diese Handlungen in dem Hoheitsgebiet begangen worden sind, in dem sich die Verbraucher oder Händler befinden, an die sich diese Werbung und diese Verkaufsangebote richten (vgl. entsprechend Urteil vom 5. September 2019, AMS Neve u. a., C-172/18, EU:C:2019:674, Rn. 46 und 47 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

42        Wenn sich die Anzeige von Online-Inhalten, sei es auch nur potenziell, an Verbraucher oder Händler im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats richtet, wobei genaue Angaben zu den geografischen Liefergebieten der in Rede stehenden Waren ein Indiz darstellen, dem für diese Beurteilung besondere Bedeutung zukommt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2011, L’Oreal u. a., C-324/09, EU:C:2011:474, Rn. 65), kann der Inhaber einer Unionsmarke in diesem Mitgliedstaat auf der Grundlage von Art. 125 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 Klage erheben, um in diesem Mitgliedstaat eine Verletzung seiner Marke feststellen zu lassen. Die Unionsmarkengerichte des Mitgliedstaats des Wohnsitzes der Verbraucher oder Händler, an die sich die Werbung und Verkaufsangebote richten, sind nämlich besonders geeignet, die Frage zu beurteilen, ob die behauptete Verletzung vorliegt (vgl. entsprechend Urteil vom 5. September 2019, AMS Neve u. a., C-172/18, EU:C:2019:674, Rn. 57).

43        Im vorliegenden Fall ist, vorbehaltlich der dem vorlegenden Gericht obliegenden Prüfungen, festzustellen, dass die geografischen Liefergebiete der in Rede stehenden Waren in der in Rn. 12 des vorliegenden Urteils genannten Werbeanzeige nicht erwähnt werden. Im Übrigen kann die Karte auf der Website von Senwatec, die nach Ansicht von Lännen die globale geografische Dimension des Marktes dieses Unternehmens belege, für sich allein keinen Bezug zu Finnland herstellen, da der Kontext dieser Karte nicht den Schluss zulässt, dass Senwatec ihre Tätigkeit auf den finnischen Markt ausrichtet.

44        Mangels genauer Angaben zu den geografischen Liefergebieten der in Rede stehenden Waren muss der Bezug zu dem betreffenden Mitgliedstaat, im vorliegenden Fall Finnland, anhand anderer Umstände festgestellt werden, damit die Klägerin auf der Grundlage von Art. 125 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 eine Verletzungsklage vor einem Gericht dieses Mitgliedstaats erheben kann.

45        Zwar kommen, wie in Rn. 25 des vorliegenden Urteils ausgeführt, den Vorschriften der Verordnung 2017/1001 über Klagen wegen Verletzung von Unionsmarken gegenüber den Vorschriften der Verordnung Nr. 1215/2012 die Eigenschaft einer lex specialis zu. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass die letztgenannte Verordnung ihre Relevanz für die Klärung und Auslegung des Sinnes von Begriffen verliert, die den darin vorgesehenen Begriffen entsprechen und die, da sie auch in der Verordnung 2017/1001 vorkommen, für die Auslegung dieser Verordnung erforderlich sind.

46        Insoweit hat der Gerichtshof zur Auslegung von Art. 17 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1215/2012 entschieden, dass verschiedene Gesichtspunkte geeignet sind, Anhaltspunkte zu bilden, die die Feststellung erlauben, dass ein Gewerbetreibender seine Tätigkeiten auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausrichtet, nämlich u. a. der internationale Charakter der Tätigkeit, die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung, die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl, die Tätigung von Ausgaben für einen Internetreferenzierungsdienst, um in anderen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern den Zugang zur Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers zu erleichtern, die Verwendung eines anderen Domänennamens oberster Stufe als desjenigen des Mitgliedstaats der Niederlassung des Gewerbetreibenden und die Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden zusammensetzt (vgl. entsprechend Urteil vom 7. Dezember 2010, Pammer und Hotel Alpenhof, C-585/08 und C-144/09, EU:C:2010:740, Rn. 93).

47        Diese Aufzählung ist zwar nicht erschöpfend, enthält aber Elemente, die für die Anwendung von Art. 125 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 relevant sein können. Im vorliegenden Fall ist die Bereitstellung von Werbung und Verkaufsangeboten auf einer Website mit einer anderen Top-Level-Domain als der des Mitgliedstaats, in dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist, relevant.

48        Allerdings lässt sich nicht schon aus der bloßen Zugänglichkeit einer Website in dem durch die Marke erfassten Gebiet darauf schließen, dass sich die auf ihr angezeigten Verkaufsangebote an Verbraucher in diesem Gebiet richteten (Urteil vom 12. Juli 2011, L’Oreal u. a., C-324/09, EU:C:2011:474, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49        Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass es unter das genannte aktive Verhalten fällt, wenn ein Unternehmen den Betreiber der Website einer Suchmaschine mit einer Top-Level-Domain eines anderen Mitgliedstaats als demjenigen, in dem es ansässig ist, dafür bezahlt, dass er für das Publikum dieses Mitgliedstaats einen Link zur Website dieses Unternehmens anzeigt und so einer bestimmten Zielgruppe den Zugang zum Angebot seiner Produkte ermöglicht.

50        Daher ist ein solcher kostenpflichtiger Suchmaschinenverweis ein für Art. 125 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 hinreichender Bezug zu dem Mitgliedstaat, dessen Öffentlichkeit auf diese Weise angesprochen wird.

51        Was die Benutzung des als Marke eingetragenen Zeichens als Meta-Tag auf einem Online-Foto-Sharing-Dienst unter einer generischen Top-Level-Domain betrifft, ist festzustellen, dass sie sich für die Beurteilung der Voraussetzung des Vorliegens eines aktiven Verhaltens in Bezug auf das Gebiet des Mitgliedstaats, in dem die Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht, von einem kostenpflichtigen Suchmaschinenverweis unterscheidet. In diesem Fall eines organischen Suchmaschinenverweises scheint diese Voraussetzung nämlich nicht erfüllt zu sein, da zum einen eine Website mit einer generischen Top-Level-Domain nicht für die Öffentlichkeit in einem bestimmten Mitgliedstaat bestimmt ist und zum anderen der Meta-Tag nur dazu bestimmt ist, den Suchmaschinen zu ermöglichen, die Bilder dieser Website besser zu identifizieren, und dadurch deren Zugänglichkeit zu erhöhen.

52        Unter diesen Umständen kann sich das vorlegende Gericht nicht auf der Grundlage von Art. 125 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 für zuständig erklären, da es keine weiteren Anhaltspunkte dafür gibt, dass sich ein solcher organischer Suchmaschinenverweis an ein Publikum in Finnland richtet.

53        Was die Art der fraglichen Waren und den Umfang des räumlichen Marktes betrifft, ist es Sache des mit der Verletzungsklage befassten Gerichts, in jedem Einzelfall zu prüfen, inwieweit diese Umstände für die Schlussfolgerung relevant sind, dass ein in dem von der Marke erfassten Gebiet zugänglicher organischer Suchmaschinenverweis für dort ansässige Verbraucher bestimmt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2011, L’Oreal u. a., C-324/09, EU:C:2011:474, Rn. 61).

54        Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 125 Abs. 5 der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen ist, dass der Inhaber einer Unionsmarke, der glaubt, durch ohne seine Zustimmung erfolgte Benutzung eines mit dieser Marke identischen Zeichens durch einen Dritten in online angezeigten Werbungen und Verkaufsangeboten für Waren, die mit denen, für die diese Marke eingetragen ist, identisch oder ihnen ähnlich sind, geschädigt worden zu sein, gegen diesen Dritten eine Verletzungsklage vor einem Unionsmarkengericht des Mitgliedstaats erheben kann, in dem sich die Verbraucher und Händler befinden, an die sich diese Werbungen oder Verkaufsangebote richten, auch wenn der Dritte diesen Mitgliedstaat nicht ausdrücklich und eindeutig unter den Gebieten aufzählt, in die die in Rede stehenden Waren geliefert werden könnten, wenn dieser Dritte dieses Zeichen durch einen kostenpflichtigen Suchmaschinenverweis auf der Internetseite einer Suchmaschine benutzt hat, die einen Namen einer nationalen Top-Level-Domain dieses Mitgliedstaats verwendet. Dies ist jedoch nicht bereits deshalb der Fall, weil der betreffende Dritte organisches Suchmaschinenranking von Bildern seiner Produkte auf einem Online-Foto-Sharing-Dienst unter einer generischen Top-Level-Domain mit Meta-Tags, die als Schlüsselwort die betreffende Marke verwenden, vorgenommen hat.

Kosten

55        Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

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