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Wirtschaftsrecht
17.03.2022
Wirtschaftsrecht
LAG Berlin-Brandenburg: Menschenverachtender WhatsApp-Chat - Kündigung - Auflösung des Arbeitsverhältnisses

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.7.2021 – 21 Sa 1291/20

Volltext: BB-Online BBL2022-692-1

Leitsatz

1. Der oder die Arbeitgeber*in darf das Protokoll eines vertraulichen WhatsApp-Chats, dass ihm oder ihr von einer an dem Chat beteiligten Personen zugetragen wird, im Prozess verwenden.(Rn.103)

2. Fremdenfeindliche oder sonst menschenverachtende Äußerungen, die Arbeitnehmer*innen innerhalb einer kleinen geschlossenen WhatsApp-Gruppe - hier: drei Personen - unter Verwendung ihrer privaten Handys tätigen, können keine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Das gilt auch, wenn es sich um die technische Leitung einer Einrichtung für Geflüchtete handelt.(Rn.128)

3. Die menschenverachtende Haltung eines oder einer Arbeitnehmer*in kann in einem an der Hilfe für Geflüchtete ausgerichteten Tendenz- oder tendenzähnlichen Betrieb auch keine personen- oder betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn der oder die Arbeitnehmer*in keine Tendenzträgereigenschaft hat.(Rn.133)

4. Das gilt für den technischen oder die technische Leiter*in einer Einrichtung für Geflüchtete auch dann, wenn aufgrund der Mitgliederstruktur des Trägervereins die für den öffentlichen Dienst geltenden Grundsätze anzuwenden sein sollten. Die Funktion der technischen Leitung ist nach ihrer Aufgabenstellung nicht so herausgehoben, dass mehr als das Minimum an Verfassungstreue verlangt werden kann. Dieses ist noch nicht gefährdet, wenn sich die menschenverachtende Haltung lediglich in einem vertraulichen WhatsApp-Chat äußert.(Rn.138)

5. Die in fremdenfeindlichen und sonst menschenverachtenden Äußerungen in einem vertraulichen Chat zum Ausdruck kommende Haltung des oder der technischen Leiter*in einer Einrichtung für Geflüchtete kann jedoch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des oder der Arbeitgeber*in rechtfertigen, wenn durch das Bekanntwerden der Äußerungen der oder die Arbeitgeber*in in der Verwirklichung des Betriebszwecks im Hinblick auf die Gewinnung von Personal, im Verhältnis zu ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen und insbesondere im unmittelbaren Verhältnis zu den zu betreuenden Geflüchteten beeinträchtigt ist.(Rn.141)

Sachverhalt

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung sowie über einen Auflösungsantrag des Beklagten und dabei im Kern über die Frage, ob sich der Beklagte von einem Arbeitnehmer, der als technischer Leiter auch von Flüchtlingseinrichtungen tätig ist, wegen Vorgängen trennen kann, die er als fremdenfeindlich und rassistisch einordnet.

Der Beklagte ist ein gemeinnütziger eingetragener Verein, der als sozialer Dienstleister im Landkreis Potsdam Mittelmark in den Bereichen Arbeitsförderung, Migration und Flüchtlingshilfe, Kinder- und Jugendhilfe sowie Regionalentwicklung tätig ist. Mitglieder des Vereins sind der Landkreis, 21 Städte, Ämter und Gemeinden im Landkreis sowie drei Vereine. Nach § 1 Absatz 2 Buchstabe c seiner Satzung ist Vereinszweck unter anderem die Hilfe für „politisch, rassisch oder religiös Verfolgte, für Flüchtlinge, Vertriebene, Aussiedler, Spätaussiedler“. Dieser Zweck wird nach § 1 Absatz 3 Buchstabe c der Satzung unter anderem durch deren „Beratung, Fürsorge, Unterbringung sowie Betreuung“ verwirklicht. Seit der verstärkten Zuwanderung 2015 entwickelte sich der Bereich Migration zum wirtschaftlich größten Bereich des Beklagten. 2019 umfasste dieser Bereich etwa achthundert Personen. Diese sind in mehreren Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, darunter der Unterkunft in A, wo ausschließlich alleinstehende Männer leben. Nach den unwidersprochenen Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 15. April 2021 betreute er im Bereich Arbeitsförderung etwa sechzig Klient*innen. Im Jugendhaus leben acht bis zehn Jugendliche. Der Beklagte beschäftigt ungefähr siebzig Arbeitnehmer*innen.

Der Kläger ist am …. 1965 geboren und verheiratet. Seit dem 1. Januar 2013 ist er auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 11. Dezember 2012 (Blatt 11 f. (folgende) der Akten) bei dem Beklagten beschäftigt und war zunächst als Koordinator verschiedener Gemeinschaftsunterkünfte in Beelitz, Teltow, Brück und Michendorf tätig. Ab dem 1. Januar 2018 wurde ihm zusätzlich die Aufgabe als Beauftragter für Qualitätsmanagement im Bereich Migration/Asyl übertragen. Seit dem 1. Januar 2019 war er stellvertretender Leiter dieses Bereichs. Nach Änderung des Arbeitsvertrages unter dem 19. Juni 2019 (Blatt 111 der Akten) war der Kläger ab dem 1. Juli 2019 mit zehn Wochenstunden als technischer Leiter und mit dreißig Wochenstunden als „Heimkoordination Asyl“ und ab dem 1. November 2019 mit vierzig Wochenstunden nur noch als technischer Leiter tätig. Sein aktuelles monatliches Bruttogehalt beträgt 3.400,00 Euro. Spätestens seit dem 4. August 2020 ist der Kläger wegen eines Dickdarmkarzinoms mit künstlichem Darmausgang und aktuellen Wundheilungsstörungen durchgehend arbeitsunfähig krank. Nach Auskunft seines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 19. Juli 2021 ist demnächst eine Wiedereingliederung angedacht.

Als technischer Leiter ist der Kläger nach der von ihm am 19. Juni 2019 unterzeichneten Stellenbeschreibung (Blatt 271 f. der Akten) für das Immobilienmanagement, das Inventar, die Informations- und Kommunikationstechnik, die Arbeitssicherheit und Versicherungen zuständig. Er ist dem Geschäftsführer des Beklagten unmittelbar unterstellt und hat keine Untergebenen. Zusammen mit dem Geschäftsführer und den Bereichsleiter*innen der Bereiche Arbeitsförderung, Migration und Jugendliche bildete er das Leitungsteam des Beklagten. Im Leitungsteam wurden mit dem Kläger jedenfalls ausgewählte Themen aus seinem Verantwortungsbereich - nach dem Vortrag des Beklagten operative Belange aus allen Bereichen - thematisiert und Handlungsbedarfe abgestimmt. Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben in den jeweiligen Einrichtungen vor Ort etwa bei technischen Hilfeleistungen hat er vornehmlich mit den dortigen Mitarbeiter*innen zu tun.

Am 14. Februar 2019, als der Kläger noch die Aufgabe „Heimkoordination Asyl“ wahrnahm, unterzeichnete er das „AAfV - internes Leitbild für unsere soziale Arbeit mit Migrant/innen“ des Beklagten. Danach ist Ziel der sozialen Arbeit mit diesem Personenkreis unter anderem die „Wahrung und Förderung des körperlichen und seelischen Wohlergehens“ dieser Menschen. Zu den leitenden Werten und Prinzipien heißt es in diesem Leitbild auszugsweise:

„-Wir treten uneingeschränkt für die Achtung der Menschenrechte ein …

Soziale Gerechtigkeit: Wir bemühen uns um Chancengleichheit und umfassende soziale Teilhabe. Wir treten gegen diskriminierende oder willkürliche Entscheidungen und Praktiken ein.

Respekt: Wir treten mit unseren Klient/innen in Beziehung. Wir bemühen uns, nicht zu urteilen, sondern zuzuhören und hinzusehen, um den Menschen in seiner ganzen Lebenssituation zu verstehen und ihm ein Ansehen zu geben. Wir kommunizieren auch dann respektvoll, wenn die Situation es erforderlich macht, klare Grenzen zu setzen.

    · …“

Zu den Qualitätsmerkmalen der Arbeit gehört danach auch die enge Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen und Netzwerkpartner*innen, um die Klient*innen zu unterstützen und die Ziele der sozialen Arbeit zu erreichen. Wegen der Einzelheiten und des weiteren Inhalts des Leitbildes wird auf dessen Ablichtung (Blatt 132 f. der Akten) verwiesen.

Der Kläger beteiligte sich an einer WhatsApp Chatgruppe mit dem Namen „Die Nicht-Verstrahlten!“. Diese Gruppe wurde zunächst von zwei im Bereich Migration bzw. Jugendhilfe tätigen Mitarbeiter*innen des Beklagten, Herrn B und Frau C, auf ihren privaten Handys betrieben und das Profil später auf das private Handy des Klägers erweitert. Für dienstliche Telefonate stellte der Beklagte dem Kläger ein Diensthandy zu Verfügung. Dieses nutzte er für die Beteiligung an dem Chat nicht.

Herr B war bis zu seiner Kündigung in der Probezeit von Oktober 2019 bis März 2020 zunächst als Heimleiter und dann als Bereichsleiter Migration bei dem Beklagten tätig. Hintergrund der Kündigung war unter anderem ein problematisches Verhältnis zu Mitarbeiter*innen des Beklagten. Im Zusammenhang mit der Kündigung kam der Beklagte in den Besitz von Chatprotokollen der zwischen dem Kläger, Herrn B und Frau C bestehenden Chatgruppe. Neben einem berufsbezogenen, organisatorischen und privaten, auch Gesundheitsinformationen umfassenden Austausch und nicht vollständig identifizierbaren Weitergaben von Links fand nach diesen Protokollen unter anderem folgender Austausch statt, wobei nachfolgend der Name „D“ durch „Kläger“ ersetzt ist:

 „…

15.01.20, 08:47 - Martin B: Igitt diese menschlichen Kakerlaken

15.01.20, 16:08 - Kläger: Ja, solche Lebewesen, die schaffen es sauber in schmutzig zu verwandeln, haben wir auch in Obhut: Bei der Demo in Brück waren unter den Wortführern, die sich über die Wohnbedingungen beklagten, auch Typen dabei, die ihre Unterkunft selbständig verdreckt hatten. Natürlich können sie wegen ihrer sozialen Herkunft, ihrer Einstellung zum Gastland und gerne auch wegen ihrer Traumatisierung nichts dafür! Zum Glück gibt es engagierte Bürger die ihnen helfen, kostenlos immer wieder neue Unterkünfte zu bekommen …

15.01.20, 16:30 - Martin B: Heute hat mich diese widerliche Afrikanerin, die Dir damals das vergammelte Fleisch auf den Tisch geknallt hat, angeschrieben

15.01.20, 16:30 - Martin B: Ich hab sie rund gemacht… und die E hat es gesehen. Da wird sicher nochmal was kommen

15.01.20, 17:14 - Kläger: Diese Lebensformen ( Kamerunerin + E) verbringen ihre Zeit in Symbiose mit Tendenz zum Parasitismus. Ein gutes Beispiel ist der Bandwurm: zuerst ist das Abnehmen des Wirtes angenehm … und auch das Kribbeln im Bauch wird gerade von älteren Mitbürgerinnen als Erinnerung an die Jugend wahrgenommen. Dann aber ist der Wirt irgendwann ausgesaugt! … aber der Wurm hat schon längst Eier für den nächsten Gutmenschen gelegt…

15.01.20, 18:17 - Martin B: ... Thomas wir vermissen dich!

15.01.20, 18:58 - Kläger: … ja, die Wahrheit kann auch Freude bereiten! ...

    …

16.01.20, 14:46 - Martin B: wenn ich das schon lese „patrizipatives theaterprojekt“ möchte ich aus meinen augäpfeln kotzemn

16.01.20, 14:46 - Martin B: kotzen*

16.01.20, 14:47 - Christine: wir sind so verstrahlt…

16.01.20, 15:17 - Kläger: …kann diese Lebensform kein Englisch oder ist „Departure“ absichtlich gewählt? Wenn ja dann bitte ab zum Gate! ...

16.01.20, 15:44 - Martin B: sind halt schimpansen

    …

28.01.20, 16:51 - Christine: Stahnsdorf.….IB

28.01.20, 17:13 - Kläger: …wie kommt nur die Dame von der Kirchgemeinde auf die Idee, auf den Zimmern sähe es besser aus!? Wieso schreibt der Redakteur, die Bewohner seien ohne Perspektive?! Warum ist das in unseren Häusern besser?! Die Kirchgemeinde sucht stets nach guten Beispielen weil sonst das ganze Willkommenskonstrukt zusammen bricht. Keine Perspektive? Wer kein Asyl bekommen hat muss uns verlassen = Perspektive! Warum beim IB solche Zustände? Weil Sozialromantik schlicht hartes durchgreifen unmöglich macht… der Landkreis bekommt schlicht das, was eingekauft wurde.

28.01.20, 17:37 - Christine: Da machen die vom Landkreis bei uns solchen Stress.

28.01.20, 17:57 - Martin B: Unglaublich

28.01.20, 18:03 - Kläger: … wie ich schon immer sagte: geltendes Recht konsequent durchsetzen! Es ist nicht unsere Schuld, dass ausreisepflichtige Bewohner im Heim frustriert sind und es ist auch nicht unsere Schuld, dass gerade Menschen aus Afrika jenseits der Sahara wegen ihrer soziokulturellen Herkunft Hygiene anders definieren. Es ist auch nicht unsere Schuld, dass besonders diejenigen, die nicht aus Kriegsgebieten gekommen sind wenig bis keinen Respekt oder gar Dankbarkeit uns als Gastgeber gegenüber empfinden! Diese Typen gehören in eine Abschiebeeinrichtung! Aber das ist ja bekanntlich politisch nicht gewollt. … Lieber geben wir Millionen für sinnfreie Sozialarbeit etc. aus.

    …

28.01.20, 18:48 - Kläger: … und dazu kommt noch die Schizophrenie in unserer Gesellschaft: vorne das Welcome-Schild und dahinter dann aber „nicht bei uns“! Gerade im Gutmenschen-Ort Kleinmachnow war und ist „leider“ kein Platz für ein Heim … übrigens habe ich heute auch von der Allianz ne Absage Zwecks Haftpflicht-Versicherung für Asylbewerber in Wohnung erhalten. … Die wissen ganz genau, dass das Risiko zahlen zu müssen zu hoch ist!

    …

04.02.20, 22:00 - Kläger: … so, und erst mal lecker essen ...

    …

05.02.20, 08:28 - Christine: Was sind das für Menschen. So entstehen Krankheiten…

05.02.20, 09:02 - Kläger: Er hatte halt Hunger! … und der Frosch war nicht schnell genug! ...

    …

12.02.20, 20:21 - Martin B: Es gab heute zwei Polizeieinsätze in Michendorf, weil sie die Kühlschränke rausgenommen haben. Es soll richtig abgegangen sein. Und ich habe alles verpasst :(( Ich liebe sowas!!!

12.02.20, 20:22 - Christine: Oh oh.…

12.02.20, 20,33 - Kläger: Wir brauchen mehr Chinesen! Wer da nicht brav ist wird interniert und sagt dann auch noch Danke! ...

12.02.20, 20:23 - Martin B: Und Irene E hat sich mit allen gestritten

12.02.20, 20:24 - Martin B: Ich verpasse wirklich das beste

12.02.20, 20:24 - Kläger: Wie jetzt: mit der Polizei?

12.02.20, 20:26 - Martin B: Ne mit den Kollegen natürlich

12.02.20, 20:27 - Kläger: …war mir klar. Ging bestimmt insbesondere um die armen Menschen aus Kamerun und Kenia…

12.02.20, 20:27 - Christine: Oh ja. Die Armen….

12.02.20, 20:28 - Christine: Martin, wir müssen die Sensation aufteilen….

12.02.20, 20:28 - Martin B: Ja genau, sie hat sich aufgeregt, dass die Bewohner nur 6 Quadratmeter Zimmer haben. Alle haben ihr Kontra gegeben, auch …. und sie hat empört den Raum verlassen

12.02.20, 2028 - Martin B: Ich wusste von Anfang an, diese Frau treibt die ständige Empörung an

12.02.20, 20:30 - Christine: Sie soll mal das Landesaufnahmegesetz lesen und die Mindestbedingungen studieren….und dann die Klappe halten oder zu Hause bleiben.

12.02.20, 20:31 - Martin B: Sie meinte zu mir, weil sie ja besser lebt….. dumme Nuss. Und bill Gates lebt besser als wir alle

12.02.20, 20:42 - Kläger: Ach Martin, diese Frau ist hoffnungslos dem Helfersyndrom verfallen. Sie gehört (genauso wie JB, RDW oder auch MJ) zur Gruppe der sozial unterversorgten und/oder ggf. auch unterbefriedigten, armen Geschöpfen, die Leuten, denen es scheinbar (noch) schlechter geht als ihnen selbst „helfen“ wollen. Voraussetzung ist allerdings auch, dass die „Hilfebedürftigen“ am besten schon vor der Hilfeleistung brav „Dankeschön“ sagen. Dadurch erlangen die „Helfenden“ eine intrinsische Belohnung - man kann wohl sogar vom Orgasmus sprechen! ...

    …“

Wegen des weiteren Inhalts der von dem Beklagten zu den Akten gereichten Chatprotokolle wird auf deren Ablichtung (Blatt 65 ff. der Akten) verwiesen.

Aufgrund des Inhalts der Chatprotokolle kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 27. April 2020 ordentlich zum 30. Juni 2020 und stellte den Kläger unter Fortzahlung der Vergütung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Arbeitsverpflichtung frei (Blatt 14 f. der Akten). Die Kündigung ging dem Kläger am 28. April 2020 zu. Das Arbeitsverhältnis mit Frau C endete, nachdem der Beklagte dieser gegenüber ebenfalls eine Kündigung ausgesprochen hatte, aufgrund gerichtlichen Vergleichs vom 1. Juli 2020 mit dem 31. Mai 2020 (Blatt 112 f. der Akten).

Mit der am 7. Mai 2020 beim Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel eingegangenen, dem Beklagten am 9. Mai 2020 zugestellten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht und einen allgemeinen Feststellungsantrag auf Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses angebracht. Ferner hat er klageerweiternd seine vorläufige Weiterbeschäftigung und ein Zwischenzeugnis begehrt sowie hilfsweise seine Wiedereinstellung und ein Endzeugnis verlangt.

Der Kläger hat behauptet, Herr B habe nach seiner Kündigung einen Rachefeldzug gestartet und Screenshots von angeblichen Chats an den Geschäftsführer und den Vorstand des Beklagten sowie an die Märkische Allgemeine Zeitung versandt. Er, der Kläger, sei nicht mehr in Besitz seines Handys und könne daher den Inhalt der Chatprotokolle aus seiner Erinnerung nicht bestätigen. Es werde deshalb bestritten, dass der Kläger die von dem Beklagten in das Verfahren eingeführten Inhalte von Chats empfangen oder versendet habe. Nachdem der Beklagte einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gestellt hat, bringt der Kläger erläuternd vor, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Herr B den Inhalt der Chats manipuliert habe. Daher habe er legitimer Weise die Echtheit bestritten, da er sich erst einlassen könne, wenn die Echtheit feststehe. Er bestreite auch mit Nichtwissen, dass der Beklagte über Frau C an die Chatprotokolle gekommen sei.

Er widerspreche der Verwertung der Protokolle, da der Chat sich auf privater Ebene zwischen drei Mitarbeitern abgespielt habe. Er habe im grundrechtsgeschützten Bereich gehandelt, da der Chat nicht darauf angelegt gewesen sei, dass seine Inhalte nach außen dringen. Die tatsächlich nicht genutzte Möglichkeit, den Chat mit vielen anderen zu teilen, ändere daran nichts.

Kündigungsgründe lägen nicht vor. Seine Äußerungen seien durch die Meinungsfreiheit des Artikel 5 GG (Grundgesetz) geschützt. Es sei auch zu beachten, dass er dienstlich nicht direkt mit Geflüchteten in den Wohneinrichtungen zu tun habe. Zudem sei er von Herrn B provoziert worden. Es habe einer Abmahnung bedurft, bevor eine Kündigung ausgesprochen werde. Eine Verpflichtung, den Beklagten von Äußerungen anderer Mitarbeiter zu unterrichten, bestehe nicht.

In der Wohnanlage in A, in der sich Straftäter aufhielten, komme es häufiger zu Straftaten wie Brandstiftung, Morddrohungen gegen Mitarbeiter, Drogendelikte, Sachbeschädigungen und verbale Übergriffe auf Mitarbeiter. Daher habe sich auf die Mitarbeiter auf Leitungsebene erheblicher Druck aufgebaut. Die Mitarbeiter hätten dem Verhalten dieser Bewohner ohnmächtig gegenübergestanden. Zugleich habe es Beschwerden von Dritten über die Hygienezustände in den Unterkünften gegeben. Da die Mitarbeiter auf Leitungsebene für diese Zustände verantwortlich gemacht würden, seien sie mit der Zeit psychisch aufgerieben worden. Ein privater Chat werde deshalb als entlastend empfunden, um den erlebten Druck und die Frustration abzubauen. Daraus habe sich möglicherweise eine Eigendynamik entwickelt.

Der Beklagte könne mit seinem Auflösungsantrag nicht durchdringen. Es komme nicht darauf an, was die betreuten Klienten in den Einrichtungen meinten. Maßgeblich sei der verständige Arbeitgeber. Es wäre mit der Bedeutung der Meinungsfreiheit nicht vereinbar, über einen Auflösungsantrag langjährig beschäftigte Mitarbeiter mit kritischer Einstellung, die im privaten Kreis Zweifel an die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit äußern, gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Unternehmen zu entfernen.

Ein vorsätzlich falscher Vortrag im vorliegenden Verfahren liege nicht vor.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 27. April 2020, zugegangen am 28. April 2020, zum 30. Juni 2020 aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern unverändert fortbesteht;

3. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Klageantrages zu 1. zu den bestehenden Arbeitsbedingungen als technischer Leiter über den Ablauf der Kündigungsfrist 30. Juni 2020 hinaus weiter zu beschäftigen;

4. hilfsweise für den Fall der Abweisung der Klageanträge zu 1. und 3.

    den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen vertraglichen Arbeitsbedingungen als technischer Leiter zum 1. Juli 2020 wieder einzustellen;

5. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger ein Zwischenzeugnis gemäß § 109 GewO in Textform zu erteilen, welches sich auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt;

6. hilfsweise

    den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger ein Zeugnis gemäß § 109 GewO in Textform zu erteilen, welches sich auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt.

Der Beklagte hat beantragt,

1. die Klage abzuweisen;

2. hilfsweise

    das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gemäß § 9 Absatz 1 Satz 2 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen.

Der Beklagte hat vorgetragen, sein Geschäftsführer sei durch Frau C in den Besitz der - inhaltlich richtigen - Chatprotokolle gekommen, nachdem Herr B ihr eine rechtsradikale Gesinnung unterstellt habe.

Die fremdenfeindlichen Äußerungen des Klägers stellten einen so schwerwiegenden Verstoß gegen seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis dar, weshalb sogar eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt wäre. Der Kläger wäre auch verpflichtet gewesen, die Äußerungen seiner Chatpartner ihm, dem Beklagten, zu melden. Auf die Meinungsfreiheit könne sich der Kläger nicht berufen, da diese nicht schrankenlos gewährleistet sei. Wegen der Schwere der Verstöße sei auch keine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen. Ebenso wenig stehe die Vertraulichkeit des Chats entgegen, da nicht nur private, sondern auch betriebliche Belange erörtert worden seien. Wegen der Möglichkeit des Teilens habe sich der Kläger auch nicht auf die Vertraulichkeit verlassen können.

Jedenfalls sei das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Der Kläger habe im vorliegenden Verfahren bewusst wahrheitswidrig vorgetragen, die Chatbeiträge nicht versendet zu haben. Der Kläger habe sich in den Chats auch abfällig über andere Mitarbeiter geäußert. Er, der Beklagte, wolle nicht mit einem Arbeitnehmer zusammenzuarbeiten, der nicht hinter dem stehe, was der Verein tue, bzw. nicht dessen im Leitbild zum Ausdruck kommenden Werte teile. Auch aufgrund des Schutzbedürfnisses der Betreuten sei eine weitere Zusammenarbeit nicht möglich. Viele der Klienten würden den Kläger als ehemals für die Betreuung zuständig kennen und hätten kein Vertrauen mehr, wenn dieser weiter in leitender Funktion weiterbeschäftigt würde.

Zudem habe die Weitergabe der fremdenfeindlichen Äußerungen an den Geschäftsführer und den Vereinsvorstand sowie an die Märkische Allgemeine Zeitung zu einem Reputationsverlust geführt, für den der Kläger durch seine fremdenfeindlichen Äußerungen mitverantwortlich sei. Mit dem Reputationsverlust seien noch nicht absehbare negative Folgen verbunden wie Nachteile bei der Auftragsvergabe nach öffentlichen Ausschreibungen oder fehlende ehrenamtliche Unterstützung. Er sei deswegen auf die konsequente Aufarbeitung des Vorfalls und die Durchsetzung seines Leitbildes angewiesen.

Mit Urteil vom 26. August 2020, auf dessen Tatbestand (Blatt 146 - 148 der Akten) wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht dem Kündigungsschutzantrag und dem Weiterbeschäftigungsantrag stattgegeben sowie den Beklagten verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen. Den Antrag des Beklagten auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses hat es zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Vortrag des Beklagten über den Chatverlauf dürfe nicht verwertet werden. Der Kläger habe darauf vertrauen dürfen, dass seine Äußerungen nicht nach außen getragen würden. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG könne nur dadurch gewährleistet werden, dass die vertraulichen Äußerungen nicht berücksichtigt würden. Daher sei der Kündigungsschutzklage stattzugeben und der Auflösungsantrag abzuweisen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Blatt 149 ff. der Akten) verwiesen.

Gegen dieses dem Beklagten am 8. September 2020 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. Oktober 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung des Beklagten, welche er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 9. Dezember 2020 mit am 9. Dezember 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Der Beklagte setzt sich - unter teilweiser Wiederholung und teilweiser Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens - mit dem angefochtenen Urteil auseinander. Er bringt vor, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass nicht jede Äußerung grundrechtlichen Schutz genieße. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht stehe ebenso wie die Meinungsfreiheit unter Schrankenvorbehalt. Beide müssten jedenfalls zurücktreten, wenn in Chatform die Menschenwürde oder die persönliche Ehre anderer verletzt würden. Dies sei hier der Fall. Für den Kläger hätten Ehrverletzung bzw. Diskriminierung von Migranten im Vordergrund gestanden. Die Chatunterhaltung habe auch nicht ausschließlich privaten Charakter gehabt, weil auch dienstliche Dinge besprochen worden seien. Ferner sei zu berücksichtigen, dass es sich bei ihm, dem Beklagten, um einen Tendenzbetrieb handele und der Kläger gegen das dort geltende und mit seiner Unterschrift anerkannte Leitbild verstoßen habe. Als technischer Leiter sei der Kläger Tendenzträger, da er im Rahmen seiner Tätigkeit regelmäßig Kontakt zu den Migranten bzw. Geflüchteten habe. Zwar seien direkte Kontakte mit den Klienten/-innen nur selten erforderlich, beispielweise bei Brandschutzübungen. Jedoch seien sie im Alltag bei Begegnungen in den Gemeinschaftsunterkünften unumgänglich.

Jedenfalls sei dem Auflösungsantrag stattzugeben. Die Ereignisse seien wiederholt Gegenstand der Berichterstattung in der Märkischen Allgemeinen Zeitung gewesen, was unstreitig ist. Deshalb habe er sich gegenüber der Öffentlichkeit, seinem Auftraggeber, dem Landkreis Potsdam-Mittelmark, und seinen Mitgliedern rechtfertigen müssen. Die Vorgänge seien im Internet ohne Weiteres aufrufbar. Beispielweise seien die Vorgänge auch auf der Facebookseite des Info-Cafés „Der Winkel“, einem wichtigen Treffpunkt von Geflüchteten und Unterstützergruppen, veröffentlicht, was ebenfalls unstreitig ist. Man müsse bei Google nur den Namen seines, des Beklagten, Geschäftsführers eingeben. Die Vorfälle seien ihm auch schon einmal bei einer Stellenanzeige auf seiner Facebookseite entgegengehalten worden. Diesbezüglich verweist der Beklagte auf einen Ausdruck von Beiträgen auf seiner Facebookseite (Blatt 279 ff. der Akten), bei denen unter anderem ein Link zu Berichterstattung über die Vorfälle gelegt worden war.

Bei einem Betreuungsschlüssel von 1 : 80 sei er auf ehrenamtliche Unterstützer angewiesen. Unterstützer wären aber, so der weitere Vortrag, nicht mehr ansprechbar, wenn der Kläger weiter die Geschicke des Vereins gestalten würde. Der Kläger sei dort durch seine frühere Tätigkeit im Bereich Migration bekannt. Die größten Auswirkungen ergäben sich aber beim Vertrauensaufbau zu den Klienten. Deren Bild werde stark durch Erzählungen von Freunden, Bekannten und ehrenamtlichen Unterstützern geprägt. Klienten, die auf dem Weg einer schwierigen Integration in Deutschland seien, könnten sich kaum vertrauensvoll an die Sozialarbeiter des Vereins wenden, wenn sie wüssten, dass im Verein rassistische Ansichten toleriert würden. Sie hätten ein Recht auf ein sicheres Gefühl bei der Betreuung.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 26. August 2020

    - 2 Ca 332/20 - abzuändern und

1. die Klage abzuweisen;

2. hilfsweise

    das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum 30. Juni 2020 aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger stellt klar, dass es sich bei dem erstinstanzlich gestellten Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung um einen uneigentlichen Hilfsantrag für den Fall des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses handelt. Die erstinstanzlich gestellten Hilfsanträge auf Wiedereinstellung und Erteilung eines Zeugnisses hält er aufrecht. Den Antrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 15. April 2021 übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte dem Kläger ein Zwischenzeugnis erteilt hatte.

Der Kläger hält die Berufung bereits für unzulässig. Im Übrigen verteidigt er - unter teilweiser Wiederholung und teilweiser Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens - das angefochtene Urteil. Entscheidend sei, dass die Äußerungen in einem privaten Chat erfolgt seien. Das entspreche einer Kommunikation, wie sie sonst beim Abendessen stattgefunden haben könnte oder zwischen Kollegen, die nach der Arbeit in einer Bar zusammengekommen seien. In einer solchen Situation wurde der Arbeitgeber kaum etwas vom Inhalt der Äußerungen erfahren haben. Das sei sowohl hinsichtlich der Kündigungsschutzklage als auch des Auflösungsantrags zu berücksichtigen.

Der Name des Klägers sei öffentlich, was unstreitig ist, nicht mit „Rassismusvorwürfen“ verbunden. Es sei auch nicht zutreffend, dass direkte Kontakte zu den Klienten/-innen bei seiner Tätigkeit unumgänglich seien. Ebenso wenig stimme es, dass der Beklagte im Falle seiner Weiterbeschäftigung nicht glaubhaft kundtun könne, dass er die Vorkommnisse authentisch aufgearbeitet habe. Ein drohender und weiterer Schaden für den Beklagten werde bestritten. So habe der Beklagte 2021, was ebenfalls unstreitig ist, trotz der behaupteten Umstände den Auftrag zum Betrieb eines Übergangswohnheims in der Stadt Brandenburg erhalten.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien, wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 9. Dezember 2020 (Blatt 190 - 195 der Akten) und 4. Juni 2021 (Blatt 264 - 270 der Akten), die Schriftsätze des Klägers vom 11. Februar 2021 (Blatt 213 - 231 der Akten), 6. Mai 2021 (Blatt 246 f. der Akten) und 29. Juni 2021 (Blatt 283 - 290 der Akten) sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen am 15. April 2021 (Blatt 235 f. der Akten) und am 19. Juli 2021 (Blatt 299 f. der Akten) verwiesen.

Aus den Gründen

Die Berufung hat teilweise Erfolg.

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Absatz 1 und 2 Buchstabe b und c ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz) statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne von § 64 Absatz 6, § 66 Absatz 1 Satz 1, 2 und 5 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO (Zivilprozessordnung) eingelegt und begründet worden. Entgegen der Ansicht des Klägers genügt die Berufungsbegründung auch den inhaltlichen Anforderungen des § 520 Absatz 3 Satz 2 Nr. (Nummer) 1 bis 4 ZPO.

1. Nach § 520 Absatz 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Sie muss erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen die Ansicht im Einzelnen beruht. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann zwar nicht verlangt werden, doch muss die Berufungsbegründung auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen und tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung des Arbeitsgerichts in formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (dazu nur BAG (Bundesarbeitsgericht) 19. Oktober 2010 - 6 AZR 118/10 - Rn. () 7; ähnlich auch BAG 26. April 2017 - 10 AZR 275/16 - Rn. 13; ähnlich auch BAG 19. Juli 2016 - 2 AZR 637/15 - Rn. 18, jeweils mwN (mit weiteren Nachweisen). Andererseits kann von der rechtsmittelführenden Partei nicht mehr Begründung verlangt werden, als vom Gericht selbst aufgewandt worden ist (BAG 20. November 2019 - 5 AZR 21/19 - Rn. 15; BAG 6. September 2018 - 6 AZR 204/17 - Rn. 16).

2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung.

Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung insgesamt darauf gestützt, dass die von dem Beklagten in das Verfahren eingeführten Chatprotokolle nicht verwertet werden dürfen, weil wegen des privaten Charakters der Chats sonst das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt werde. Indem die Berufungsbegründung geltend macht, vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht seien menschenverachtende Äußerungen, wie sie hier vorlägen, nicht gedeckt, ist sie geeignet, alle tragenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in Frage zu stellen.

Entgegen der Ansicht des Klägers war es auch nicht unzulässig, den Chatverlauf pauschal durch Verweisung auf den Vortrag erster Instanz in Bezug zu nehmen. Angesichts der Übersichtlichkeit des Chatprotokolls und des in der Berufungsbegründung zumindest beispielhaften Verweises auf einzelne Äußerungen im Chat wäre es eine bloße Förmelei, einen genauen Sachvortrag zum Chatverlauf im Berufungsbegründungsschriftsatz zu verlangen (vergleiche BGH (Bundesgerichtshof ) 23. September 2014 - II ZB 24/13 - Rn. 12). Denn es reicht aus, den Sachvortrag durch die konkrete Bezugnahme auf Anlagen erläuternd zu stützen. Die Gerichte sind lediglich nicht verpflichtet, umfangreiche ungeordnete Anlagen von sich aus durchzuarbeiten, um daraus Rechtsfolgen abzuleiten (vergleiche BGH 17. März 2016 - III ZR 200/15 - Rn. 19). Zulässig ist hingegen die Bezugnahme auf aus sich heraus verständliche Anlagen, die eine solche Sucharbeit nicht erfordern (BGH 2. Oktober 2018 - VI ZR 213/17 - Rn. 8). Außerdem hat sich das Arbeitsgericht mit dem Inhalt des Chats nicht näher befasst, weshalb insoweit von dem Beklagten für die Zulässigkeit der Berufung ohnehin kein vertiefter Vortrag verlangt werden kann.

II. Die Berufung ist teilweise begründet. Das Arbeitsgericht hat zwar im Ergebnis zu Recht dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben, jedoch den Auflösungsantrag des Beklagten zu Unrecht zurückgewiesen. Damit fällt der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung nicht zur Entscheidung an. Der Antrag auf Erteilung eines Endzeugnisses ist dagegen begründet. Nicht begründet ist der Antrag auf Wiedereinstellung des Klägers. Der erstinstanzlich gestellte allgemeine Feststellungsantrag ist nicht mehr rechtshängig und schon deshalb in der Berufungsinstanz nicht angefallen.

1. Der Kündigungsschutzantrag ist zulässig. Er ist rechtzeitig innerhalb der Frist von § 4 KSchG (Kündigungsschutzgesetz), § 167 ZPO angebracht worden und auch im Übrigen begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung des Beklagten vom 27. April 2020 nicht aufgelöst worden. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Absatz 2 KSchG und deshalb nach § 1 Absatz 1 KSchG unwirksam. Das Kündigungsschutzgesetz ist aufgrund der Betriebszugehörigkeit des Klägers und der Größe des Betriebes des Beklagten nach § 1 Absatz 1, § 23 Absatz 1 KSchG auf das Arbeitsverhältnis anwendbar.

a) Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts und des Klägers ist der Beklagte berechtigt, den Inhalt der Chatprotokolle in das Verfahren einzubringen. Es besteht weder ein Sachverhaltsverwertungs- noch ein Beweisverwertungsverbot.

aa) Allerdings kann nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei rechtlich problematischer Gewinnung und Verwendung von Informationen ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot bestehen. Ein Sachvortragsverwertungsverbot spielt keine Rolle, wenn der oder die Arbeitnehmer*in den betreffenden Vortrag des oder der Arbeitgeber*in ausreichend bestreitet. Dann greift die Geständnisfiktion des § 138 Absatz 3 ZPO schon einfachrechtlich nicht ein. Sie muss nicht erst in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift „ausgeschaltet“ werden. Sieht der oder die Arbeitnehmer*in hingegen von einem - gegebenenfalls wahrheitswidrigen - Bestreiten ab, bewirkt ein Sachvortragsverwertungsverbot, dass das inkriminierte Vorbringen des oder der Arbeitgeber*in gleichwohl als bestritten zu behandeln ist. Damit wird der Streit auf die Beweisebene gehoben. Dort greift zulasten des oder der Arbeitgeber*in gegebenenfalls ein korrespondierendes Beweisverwertungsverbot mit der Folge, dass er für seinen oder ihren - als streitig anzusehenden - Vortrag beweisfällig bleibt. Insofern bedeutet ein Verbot der „Verwertung“, dass das Gericht den fraglichen Vortrag seiner Entscheidung weder als unstreitig (Sachvortragsverwertungsverbot) noch als aufgrund des inkriminierten Beweismittels bewiesen (Beweisverwertungsverbot) zugrunde legen darf (BAG 23. August 2018 - 2 AZR 133/18 - Rn.16). Die Voraussetzungen dafür liegen jedoch nicht vor, da der Beklagte berechtigt war, die Chatprotokolle entgegenzunehmen und in das Verfahren einzuführen. Ein Verstoß gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers nach Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG ist nicht gegeben. Es liegt auch kein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) der Europäischen Union vor, die als Verordnung nach Artikel 288 Absatz 2 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) unmittelbar und verbindlich allgemein gilt.

bb) Die Einführung der durch die Chatprotokolle gewonnenen Daten über die hier streitbefangenen Vorgänge und der entsprechenden Teile des Chatprotokolls in das vorliegende Verfahren verletzt nicht das durch Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in seiner Ausprägung als informationelles Selbstbestimmungsrecht.

 (1) Dieses Recht umfasst die Befugnis des Einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen. Geschützt ist das so gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht nur vor direkten staatlichen Eingriffen. Es entfaltet als objektive Norm seinen Rechtsgehalt auch im Privatrecht und strahlt in dieser Eigenschaft auf die Auslegung und Anwendung privatrechtlicher Vorschriften aus. Der oder die Richter*in hat kraft Verfassungsgebots zu prüfen, ob von der Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften im Einzelfall Grundrechte berührt werden. Trifft das zu, dann hat er oder sie diese Vorschriften im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwenden. Verfehlt der oder die Richter*in diese Maßstäbe und beruht das Urteil auf der Außerachtlassung dieses verfassungsrechtlichen Einflusses auf das Privatrecht, so verstößt er oder sie nicht nur gegen objektives Verfassungsrecht, indem er oder sie den Gehalt der Grundrechtsnorm (als objektiver Norm) verkennt. Er oder sie verletzt vielmehr als Träger*in öffentlicher Gewalt durch das Urteil das Grundrecht des oder der Bürger*in. Allerdings wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vorbehaltlos gewährleistet; es kann seine Grenze unter anderem in den Rechten Dritter finden (Artikel 2 Absatz 1 GG). Das ist nicht so zu verstehen, dass dieses Recht von vorneherein zurücktreten muss, wenn Rechte anderer berührt werden. Vielmehr sind die betroffenen Belange - im Rahmen der zivilrechtlichen Beurteilung - gegeneinander abzuwägen (BVerfG (Bundesverfassungsgericht) 11. Juni 1991 - 1 BvR 239/90 - unter II 1 und 2 der Gründe, NJW (Neue Juristische Wochenschrift) 1991, 2411). Soweit danach die Interessen des Beklagten überwiegen, steht der Verwendung von in das Verfahren eingebrachten Informationen auch prozessual nichts entgegen.

 (2) In Anwendung dieser Grundsätze verletzt das Prozessverhalten des Beklagten nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Das Recht des Beklagten, in einem gerichtlichen Verfahren seinen Standpunkt zu vertreten, dass er berechtigt ist, das Arbeitsverhältnis der Parteien zu beenden, überwiegt das Recht des Klägers, der Verwendung der durch die Chatprotokolle gewonnenen Erkenntnisse entgegenzutreten.

Dabei ist zunächst zugunsten des Beklagten zu berücksichtigen, dass er die Erkenntnisse nicht aktiv durch Beobachtung des Klägers gewonnen hat, sondern sie ihm von dritter Seite zugetragen wurden. Das gilt unabhängig davon, ob man dem Vortrag des Beklagten folgt, er habe die Informationen von Frau C erhalten, oder ob die Vermutung des Klägers zutrifft, der Beklagte sei in den Besitz der Chatprotokolle durch Herrn B gelangt.

Weiter ist zugunsten des Beklagten zu berücksichtigen, dass es sich zwar um einen privaten Chat handelt, die Chatgruppe sich aber allein aus Arbeitnehmer*innen des Beklagten zusammensetzte und sich der Inhalt des Chats ganz wesentlich auch auf Vorgänge bezieht, die einen Arbeitsbezug haben und nicht zum höchstpersönlichen Bereich des Klägers gehören. Damit geht es um Dinge, die ganz zentral auch den Beklagten und dessen Rechte betreffen. Die Durchsetzung dieser Rechte in einem gerichtlichen Verfahren ist im Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 GG) angelegt.

Zugunsten des Klägers spricht, dass die Person, die die Protokolle gegenüber dem Beklagten offengelegt hat, möglicherweise ihrerseits das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung verletzt hat. Bei der Abwägung ist aber zulasten des Klägers maßgeblich zu berücksichtigen, dass er auch insoweit nicht ausspioniert wurde, sondern sich bewusst an einem Chat mit bestimmten Personen beteiligt hat. Wenn diese dann seine Erwartung der Vertraulichkeit nicht entsprechen, liegt dies mit in seinem Risikobereich.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Abwägung nur die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens betrifft. Es geht also darum, die Prüfung der materiellen Rechtslage zu ermöglichen. Diese hängt auch ihrerseits von der Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ab. Dadurch sind die negativen Auswirkungen einer Verwertung für den Rechtsstatus des Klägers begrenzt.

cc) Auch ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung liegt insoweit nicht vor.

 (1) Die Verordnung ist anwendbar. Nach Artikel 1 Absatz 1 DS-GVO geht es um den Schutz des Klägers als natürliche Person bei der Verarbeitung personenbezogener Daten - also ihm zuzuordnender Informationen im Sinne des Artikels 4 Nr. 1 DS-GVO. Der Beklagte hat mit der Entgegennahme der Chatprotokolle die darin enthaltenen Daten „erfasst“ und mit der Einführung in das gerichtliche Verfahren eine „Verwendung“ vorgenommen, sie also im Rechtssinne verarbeitet (Artikel 4 Nr. 2 DS-GVO). Das geschah in nichtautomatisierter Form in einem Dateisystem, nämlich der strukturierten Sammlung (Artikel 4 Nr. 6 DS-GVO) für die Verwendung im Prozess. Damit ist auch der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung nach Artikel 2 Absatz 1 DS-GVO gegeben.

Aus denselben Gründen ist die Datenschutz-Grundverordnung auch auf die Verarbeitung des Sachvortrags des Beklagten im gerichtlichen Verfahren durch das Gericht anwendbar.

 (2) Die Verarbeitung der hier maßgeblichen personenbezogenen Daten ist nach der Verordnung zulässig.

 (a) Die Verarbeitung richtet sich nach Artikel 9 DS-GVO, da es sich um Informationen über die politische Meinung des Klägers im Sinne von Absatz 1 der Vorschrift handelt. Die Verarbeitung derartiger Daten ist danach verboten, soweit sie nicht nach Absatz 2 erlaubt ist. Das Verbot steht der Einführung der Daten in das Verfahren nach ihrer vorherigen Erfassung und damit der Verarbeitung im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b und f DS-GVO nicht entgegen. Gleiches gilt für die Bearbeitung durch das Gericht.

Nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b DS-GVO ist die Verarbeitung unter anderem zulässig, wenn sie erforderlich ist, damit der Verantwortliche - hier der Beklagte als die juristische Person, die über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung entscheidet, also den Zweck, die Kündigung des Klägers durchzusetzen und deshalb die Chatprotokolle in das Verfahren einzuführen (Artikel 4 Nr. 7 Halbsatz 1 DS-GVO) - die ihm aus dem Arbeitsrecht erwachsenen Rechte ausüben kann, soweit dies nach dem Recht der Mitgliedsstaaten zulässig ist, das geeignete Garantien für die Grundrechte und die Interessen der betroffenen Person - hier der Kläger, dem die Daten zuzuordnen sind (vergleiche Artikel 4 Nr. 1 DS-GVO) - vorsieht.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Dem Beklagten geht es um die Ausübung und Durchsetzung seines aus dem Arbeitsrecht folgenden Rechts zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Das ist nach nationalem Recht - wie ausgeführt - zulässig. Das nationale Recht enthält auch geeignete Garantien für die Grundrechte und Interessen des Klägers. Bei der Verwertung von Beweismitteln ist nach dem Vorgesagten das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu beachten. Die Arbeitnehmerinteressen werden dadurch gewahrt, dass nur mit der Rechtsordnung übereinstimmende Kündigungen rechtlich möglich sind.

Damit ist auch die Anwendung von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe f Alternative 1

    DS-GVO unproblematisch. Danach gilt das Verbot des Artikel 9 Absatz 1 DS-GVO nicht, wenn es um die Verarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen geht. Dies ist vorliegend der Fall. Der Beklagte will sein Recht durchsetzen, dem Kläger zu kündigen.

Die Verarbeitung des Sachvortrags des Beklagten durch das Gericht fällt aufgrund Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe f Alternative 2 DS-GVO nicht unter das Verbot nach Absatz 1 des Artikel 9 DS-GVO. Denn es geht um eine Handlung des Gerichts, die im Rahmen seiner justiziellen Zuständigkeit erforderlich ist.

 (b) Offen bleiben kann, ob neben den Voraussetzungen des Artikel 9 Absatz 2

    DS-GVO auch die allgemeinen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen nach Artikel 6

    DS-GVO vorliegen müssen (dazu BeckOK (Beck´scher Online-Kommentar) Datenschutzrecht/Albers/Veit, Stand 1. Mai 2020 Artikel 9 Rn. 24), da auch diese Voraussetzungen erfüllt sind.

Der Beklagte ist nach Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe f DS-GVO berechtigt, den Inhalt der Chatprotokolle entgegenzunehmen und in das gerichtliche Verfahren einzuführen. Er nimmt damit berechtigte Interessen im Sinne der Vorschrift wahr, nämlich die Vertretung seiner Rechtsposition, er habe eine wirksame Kündigung ausgesprochen. Aus den bereits hinsichtlich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers genannten Gründen überwiegen auch nicht dessen Interessen oder Grundrechte.

Die Verarbeitung des Vorbringens des Beklagten durch das Gericht stützt sich auf Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe e DS-GVO. Sie dient der Ausübung öffentlicher Gewalt, die dem erkennenden Gericht übertragen wurde. Die nach Artikel 6 Absatz 3 Satz 1 Buchstabe b DS-GVO erforderliche nationale Rechtsgrundlage findet sich im Arbeitsgerichtsgesetz. Dieses Gesetz legt entsprechend Artikel 6 Absatz 3 Satz 2 DS-GVO auch den Zweck der Verarbeitung fest, nämlich die Entscheidung streitiger Rechtssachen wie des vorliegenden Rechtsstreits. Auch die Voraussetzungen von Artikel 6 Absatz 3 Satz 4 DS-GVO liegen vor. Mit dem Arbeitsgerichtsgesetz wird ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgt. Diese besteht in der Durchführung einer Verhandlung durch ein unabhängiges, unparteiisches und durch Gesetz errichtetes Gericht in einem fairen Verfahren (vergleiche Artikel 47 Absatz 2 Satz 1 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union)). Die Verarbeitung des Sachvortrages steht auch in einem angemessenen Verhältnis zu diesem legitimen Zweck. Die Berücksichtigung rechtmäßig bei dem Gericht angebrachten Sachvortrages zur Entscheidung eines Prozesses nach den gesetzlichen Vorgaben ist anders als durch gerichtliche Verarbeitung nicht möglich.

(3) Unerheblich ist, dass der Kläger der Verwendung der Daten widersprochen hat. Zwar kann eine betroffene Person wie der Kläger aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben, nach Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 DS-GVO ein Widerspruchsrecht hinsichtlich der Verarbeitung von Daten ausüben. Eine solche Situation ist hier aber nicht ersichtlich.

dd) Es kommt auch nicht darauf an, dass mit den Chatprotokollen auch Gesundheitsinformationen des Klägers zur Akte gelangt sind. Diese sind nicht entscheidungserheblich und damit für das Verfahren ohne Belang. Daher kann dahingestellt bleiben, inwieweit rechtliche Bedenken gegen die Einführung dieser Daten bestehen.

b) Die Kündigung ist jedoch materiell unwirksam. Sie ist nicht sozial gerechtfertigt (§ 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG).

aa) Verhaltensbedingte Kündigungsgründe liegen nicht vor.

 (1) Beruht der Kündigungssachverhalt auf von dem oder der Arbeitnehmer*in getätigten Äußerungen sind bei der rechtlichen Würdigung die Umstände zu berücksichtigen, unter denen sie gefallen sind. Geschah dies in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskolleg*innen, vermögen sie eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen (BAG 10. Oktober 2002

    - 2 AZR 418/01 - unter B I 3 c aa der Gründe, DB (Der Betrieb) 2003, 1797). Der oder die Arbeitnehmer*in darf anlässlich solcher Gespräche regelmäßig darauf vertrauen, dass seine oder ihre Äußerungen nicht nach außen getragen werden. Er oder sie muss nicht damit rechnen, dass durch die Äußerungen der Betriebsfrieden gestört und das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber belastet wird. Vertrauliche Äußerungen fallen unter den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 GG). Die vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre ist Ausdruck der Persönlichkeit und grundrechtlich gewährleistet. Äußerungen, die gegenüber Außenstehenden oder der Öffentlichkeit wegen ihres ehrverletzenden Gehalts nicht schutzwürdig wären, genießen in Vertraulichkeitsbeziehungen als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre der durch die Äußerung betroffenen Person vorgeht. Hebt der oder die Gesprächspartner*in später gegen den Willen des oder der sich negativ äußernden Arbeitnehmer*in die Vertraulichkeit auf, geht dies arbeitsrechtlich nicht zu dessen oder deren Lasten. Den Schutz der Privatsphäre und Meinungsfreiheit können wiederum Arbeitnehmer*innen nicht für sich in Anspruch nehmen, die selbst die Vertraulichkeit der Situation aufheben. Dann ist die Gelegenheit für Dritte, die Äußerungen wahrzunehmen, diesen zuzuordnen. Dies gilt insbesondere, wenn eine ehrverletzende Erklärung an eine - vermeintliche - Vertrauensperson gerichtet wird, um mittelbar die oder den Dritte*n zu treffen (vergleiche BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 543/08 - Rn. 18 mwN für ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte oder Kolleg*innen).

 (2) Danach scheitert die verhaltensbedingte Kündigung daran, dass die von dem Beklagten zur Begründung der Kündigung herangezogenen Äußerungen des Klägers in einem vertraulichen Chat gefallen sind.

Der gesamte Chat war ersichtlich auf Vertraulichkeit angelegt. Auch war eine Art „Gemeinschaftsgefühl“ durch die Bezeichnung „Die Nicht-Verstrahlten“ angelegt. Vor der Kündigung des Beklagten gegenüber Herrn B und die dadurch ausgelösten Entwicklungen gab es auch keine Versuche, den Chat etwa mit einer unbegrenzten oder auch nur größeren Anzahl von Personen zu teilen. Der Kläger konnte deshalb berechtigt darauf vertrauen, dass seine Äußerungen nicht bei dem Beklagten als seinem Arbeitgeber landen würden (ähnlich ArbG (Arbeitsgericht) Mainz 15. November 2017 - 4 Ca 1240/17 - Rn. 21 ff. zitiert nach juris, MMR (Zeitschrift für IT-Recht und Recht der Digitalisierung) 2018, 195).

An der Vertraulichkeit der Kommunikation ändert sich auch nichts dadurch, dass eine Chatgruppe nicht mit einem Treffen beim Abendessen oder unter Kollegen in einer Bar nach der Arbeit vergleichbar ist, sondern eine strukturierte, auf Dauer angelegte und neben den oder sogar gegen die Betriebsstrukturen bestehende Einheit darstellt. Sie gleicht eher einem regelmäßigen Treffen in einem ausgewählten Personenkreis wie etwa einem Stammtisch. Es macht unter dem Gesichtspunkt der Vertraulichkeit auch keinen Unterschied, ob es um rassistische oder fremdenfeindliche Äußerungen und damit um die Diffamierung eines größeren Personenkreises geht, oder aber um herabwürdigende Äußerungen über Kolleg*innen bzw. Vorgesetzte, also um Vorgänge, die sich im kleinen betrieblichen Kreis praktisch nicht vermeiden lassen und die üblichen menschliche Konflikte abbilden.

bb) Auch personenbedingte Kündigungsgründe sind nicht gegeben.

 (1) Mit der Befugnis zur personenbedingten Kündigung wird dem oder der Arbeitgeber*in die Möglichkeit eröffnet, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn der oder die Arbeitnehmer*in die erforderliche Eignung oder Fähigkeit nicht (mehr) besitzt, die geschuldete Arbeitsleistung vertragsgerecht zu erfüllen (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - Rn. 19 mwN). Arbeitgeber*innen, die sich mit ihrem Unternehmen einer rechtmäßigen Tendenz widmen, etwa auf konfessionellem, politischem, gewerkschaftlichem, wissenschaftlichem, karitativem, künstlerischem oder ähnlichem Gebiet tätig sind, dürfen deshalb einem oder einer Arbeitnehmer*in fristgemäß kündigen, der oder die dieser Tendenz nachhaltig in einer Weise zuwiderhandelt, die die betrieblichen Interessen berührt. In einem solchen Fall ist die Entlassung des oder der Arbeitnehmer*in nicht sozial ungerechtfertigt, weil sie - zumindest auch - durch in der Person des oder der Arbeitnehmer*in liegende Gründe bedingt ist. In Tendenzbetrieben kann die Bindung von Arbeitnehmer*innen in ihrem außerdienstlichen Verhalten und ihrem Privatleben weitergehen als in anderen Arbeitsverhältnissen. Setzen sich Tendenzträger*innen zu der Tendenz ihres oder ihrer Arbeitgeber*in nachhaltig in einer Weise in Widerspruch, welche die betrieblichen Interessen berührt, dann kann der oder die Arbeitgeber*in das Arbeitsverhältnis fristgerecht kündigen (vergleiche BAG 6. Dezember 1979 - 2 AZR 1055/77 - unter III 2 der Gründe, DB 1980, 547).

Demgegenüber lassen sich diese Grundsätze auf Nicht-Tendenzträger*innen nicht übertragen. Denn sonst würden Arbeitnehmer*innen in ihrem Privatleben in einer Weise gebunden, die nicht durch berechtigte Interessen des oder der Arbeitgeber*in gedeckt ist (offen gelassen von BAG 6. Dezember 1979 - 2 AZR 1055/77 - unter III 2 der Gründe, DB 1980, 547).

Etwas anderes gilt nur im öffentlichen Dienst wegen dessen besonderer Bedeutung für die Aufrechterhaltung und Glaubwürdigkeit der Verfassungsordnung. Arbeitnehmer*innen des öffentlichen Dienstes unterliegen zwar keiner gesteigerten (politischen) Loyalitätspflicht. Deshalb liegt ein Eignungsmangel regelmäßig noch nicht darin, dass sie verfassungsfeindliche Ziele für richtig halten. Die „einfache“ politische Loyalitätspflicht verlangt jedoch von allen dort tätigen Arbeitnehmer*innen die Gewähr, dass sie nicht selbst verfassungsfeindliche Ziele verfolgen oder aktiv unterstützen. Es bedarf deshalb der genauen Prüfung, ob und ggf. (gegebenenfalls) mit welchen Mitteln der oder die Arbeitnehmer*in selber verfassungsfeindliche Bestrebungen fördern oder verwirklichen will. Erst wenn entsprechende Aktivitäten deutlich machen, dass er oder sie sogar das auch bei nur „einfacher“ Loyalitätspflicht erforderliche Mindestmaß an Verfassungstreue dauerhaft nicht aufzubringen bereit oder in der Lage ist, kann eine Kündigung aus Gründen in der Person gerechtfertigt sein. Eine erweiterte Loyalitätspflicht kann sich aus der Stellung und dem Aufgabenkreis ergeben, der dem oder der Arbeitnehmer*in nach dem Arbeitsvertrag übertragen ist. (vergleiche BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - Rn. 16 ff., 21 mwN).

 (2) Danach liegen die Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung hier nicht vor.

 (a) Geht man von den für Tendenzbetriebe geltenden Grundsätzen aus, so ist zwar davon auszugehen, dass der Beklagte aufgrund seiner sozialarbeiterischen Tätigkeit und der im Leitbild für die Betreuung von Geflüchteten aufgestellten Ziele einem Tendenzunternehmen zumindest gleich zu achten ist. Die Kündigung scheitert aber daran, dass der Kläger kein Tendenzträger ist. Seine Aufgabenstellung ist nach innen und außen - von Randbereichen abgesehen - eine rein technische. Mit den Klient*innen des Beklagten hat er allenfalls sehr wenig zu tun und wenn, dann nicht in einer Betreuungsfunktion. Auch soweit er mit Vertragspartner*innen des Beklagten etwa beim Verhandeln von Versicherungsverträgen in Kontakt tritt, geht es um rein wirtschaftlich/organisatorische Fragen, nicht um den Umgang mit Geflüchteten.

 (b) Legt man wegen der Mitgliederstruktur des Beklagten die für den öffentlichen Dienst geltenden Maßstäbe an, so wäre nur das von jede*r dort beschäftigten Arbeitnehmer*in zu erwartende Maß an politischer Loyalität zugrunde zu legen, da der Kläger keine unmittelbar der öffentlichen Aufgabenstellung dienende berufliche Position hat. Es kann aufgrund der Aktivitäten des Klägers in einem seiner Anlage nach auf drei Personen begrenzten Chat nicht angenommen werden, dass er nicht einmal das bei nur „einfacher“ Loyalitätspflicht erforderliche Mindestmaß an Verfassungstreue aufbringen wird, selbst wenn man - was an dieser Stelle offenbleiben kann - davon ausgeht, dass sich seine Äußerungen zumindest teilweise mit den tragenden Grundsätzen der Verfassung nicht vereinbaren lassen.

cc) Aus den für die verhaltensbedingte Kündigung angeführten Gründen kann die Kündigung auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass der oder die Arbeitgeber*in berechtigt ist, nur Personen zu beschäftigten, die den Betriebszwecken dienen, auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt werden (dazu BAG 6. Dezember 1979 - 2 AZR 1055/77 - unter III 2 der Gründe, DB 1980, 547).

2. Demgegenüber dringt der Beklagte mit seinem hilfsweise gestellten Auflösungsantrag, der mit dem Erfolg der Kündigungsschutzklage zur Entscheidung anfällt, durch. Der Antrag ist zulässig und begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nach den §§ 9 und 10 KSchG gegen eine Abfindung von 15.000,00 Euro zum 30. Juni 2020 aufzulösen.

a) Die Voraussetzungen für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG liegen vor.

aa) Nach § 9 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 KSchG hat das Gericht das Arbeitsverhältnis auf Antrag des oder der Arbeitgeber*in aufzulösen, wenn es - wie hier - feststellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht bereits durch die Kündigung aufgelöst ist und Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsvertragsparteien nicht erwarten lassen.

Als Auflösungsgründe für den oder die Arbeitgeber*in in diesem Sinne kommen Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zu dem oder der Arbeitnehmer*in, eine Wertung seiner oder ihrer Persönlichkeit, Leistung oder Eignung für die ihm oder ihr übertragenen Aufgaben und sein oder ihr Verhältnis zu den übrigen Beschäftigten betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht in einem schuldhaften Verhalten des oder der Arbeitnehmer*in liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit gefährdet ist (BAG 24. Mai 2018 - 2 AZR 73/18 - Rn. 16 mwN).

Der Geeignetheit als Auflösungsgrund steht es nicht von vornherein entgegen, dass das Verhalten des oder der Arbeitnehmer*in die Kündigung selbst nicht rechtfertigen konnte. Der oder die Arbeitgeber*in kann sich zur Begründung seines oder ihres Auflösungsantrags auch auf Gründe berufen, auf die er oder sie zuvor - erfolglos - die ausgesprochene Kündigung gestützt hat. In diesen Fällen muss er oder sie indes im Einzelnen vortragen, weshalb die unzureichenden Kündigungsgründe einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen sollen. Der Vortrag des oder der Arbeitgeber*in muss so beschaffen sein, dass sich das Gericht, wollte es die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf dieses Vorbringen stützen, nicht in Widerspruch zu seiner Beurteilung des Kündigungsgrundes als unzureichend setzen müsste (BAG 24. Mai 2018 - 2 AZR 73/18 - Rn. 19 mwN).

Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung auf Antrag des oder der Arbeitgeber*in nach § 9 Absatz 1 Satz 2 KSchG kommt nur in Betracht, wenn - wie im Streitfall - eine ordentliche Kündigung allein aufgrund ihrer Sozialwidrigkeit und nicht aus anderen Gründen im Sinne von § 13 Absatz 3 KSchG rechtsunwirksam ist (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 700/15 - Rn. 34 mwN).

bb) Danach liegen Auflösungsgründe vor.

 (1) Bei der Beurteilung der Auflösungsgründe kann auch der Chatverlauf, wie er sich aus den Chatprotokollen ergibt, herangezogen werden.

Die oben dargelegten Gründe, warum der Beklagte die Protokolle in den Kündigungsschutzprozess einführen durfte, sind auf das Verfahren über den Auflösungsantrag übertragbar.

Dabei ist von der inhaltlichen Richtigkeit der Chatprotokolle auszugehen, wie sie der Beklagte behauptet. Zu diesem Sachvortrag hätte der Kläger sich, damit die Behauptungen der Beklagten nicht als unstreitig zugrunde zu legen sind, erklären müssen (§ 138 Absatz 2 und 3 ZPO). Dies hat er nicht getan. Soweit sein Bestreiten als Bestreiten mit Nichtwissen aufzufassen ist, ist dies unerheblich. Nach § 138 Absatz 3 ZPO darf sich eine Partei nur dann mit Nichtwissen erklären, wenn es um Tatsachen geht, die weder eigene Handlungen der Partei betreffen, noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung waren. Dass schließt zwar auch ein Bestreiten mit „Nicht-mehr-wissen“ ein, wenn die Partei keine Erinnerung mehr an die maßgeblichen Vorgänge hat und dies plausibel macht (BAG 20. August 2014 - 7 AZR 924/12 - Rn. 32 mwN). Das ist jedoch nicht der Fall. Es ist völlig unplausibel, dass der Kläger sich nicht daran erinnert, ob er Äußerungen getan hat, die so schwerwiegend sind, wie die hier im Streit stehenden. Der Kläger hat auch nicht vorgebracht, dass sie etwa nicht seiner inneren Haltung entsprechen und deshalb die Richtigkeit des Beklagtenvortrags fernliege.

 (2) Die Gründe, aus denen die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lassen, liegen in den besonderen Strukturen der Arbeit mit den geflüchteten Klient*innen des Beklagten. Der Beklagte hat plausibel und vom Kläger nicht substantiiert bestritten vorgetragen, dass er in seinem Umfeld aufgrund der Vorgänge um die auch vom Kläger betriebene Chatgruppe und deren Veröffentlichung in seinen Arbeitsbeziehungen bis heute beeinträchtigt ist. Dies gilt sowohl für die Gewinnung von Personal und im Verhältnis zu den ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen als auch im unmittelbaren Verhältnis zu den Klient*innen.

Dass der Kläger an der Chatgruppe mit den entsprechenden Äußerungen beteiligt war, wird sich - soweit dies nicht ohnehin schon bekannt ist - im Umfeld des Beklagten herumsprechen. Auch wenn sein Name in der Presse nicht in Zusammenhang mit den Vorgängen genannt worden ist, ist dennoch davon auszugehen, dass in den einschlägigen Kreisen außerhalb der weiteren Öffentlichkeit, insbesondere bei den Beschäftigten des Beklagten und ehrenamtlichen Unterstützer*innen, bekannt ist, dass der Kläger an den streitbefangenen Chats beteiligt war. Entgegenstehende Annahmen widersprächen jeder Lebenserfahrung.

Den von dem Beklagten nachvollziehbar befürchteten negativen Folgen für die Verwirklichung des Vereinszwecks, steht nicht entgegen, dass er im Jahre 2021 den Auftrag zum Betrieb eines Übergangswohnheims in der Stadt Brandenburg erhalten hat. Der Kläger war aufgrund seiner Freistellung und bis heute andauernden Erkrankung seit dem Ausspruch der Kündigung nicht mehr im Betrieb des Beklagten tätig. Zudem ist der Beklagte bemüht, das Arbeitsverhältnis zu beenden.

 (a) Hinsichtlich der Gewinnung von Personal hat der Beklagte belegt, dass auf eine Stellenanzeige auf seiner Facebookseite an der betreffenden Stelle ein Link zu einem Zeitungsartikel gelegt wurde, der sich auf die durch die Zeitungsberichterstattung öffentlich gewordenen und mit der Chatgruppe zusammenhängenden Rassismusvorwürfe bezieht. Es ist unmittelbar einsichtig, dass dies die Personalpolitik des Beklagten empfindlich beeinträchtigt. Es fällt ihm naturgemäß schwerer, Personal zu rekrutieren, dass - dem Leitbild des Beklagten entsprechend - eine auf Unterstützung der Klient*innen ausgelegte Arbeit verrichten möchte. Ebenso ist es sehr wahrscheinlich, dass sich dies verstärkt, wenn der Kläger als früherer Teilnehmer der Chatgruppe weiter beim Beklagten tätig ist und dies bekannt werden sollte.

 (b) Ebenso ist plausibel, dass das Verhältnis zu den ehrenamtlichen Unterstützer*innen aufgrund dieser Vorgänge gestört ist. Dass der Beklagte auf die Mitarbeit ehrenamtlich tätiger Menschen angewiesen ist, ergibt sich schon aus den im Leitbild niedergelegten „Qualitätsmerkmalen“ der Arbeit. Dass das Engagement dieses Personenkreises von deren Beurteilung der Lage beim Beklagten abhängt, liegt auf der Hand. Ebenso steht zu erwarten, dass diese Menschen sensibel reagieren, wenn der Beklagte jemanden weiterbeschäftigt, der oder die sich an der Chatgruppe mit den als rassistisch zu bewerteten Aussagen beteiligt hat. Dem Beklagten ist es auch nicht unter Wahrung seiner eigenen Glaubwürdigkeit möglich, sich in diesem Kreis für den Kläger einzusetzen. Es ist praktisch nicht vorstellbar, sich in dem betroffenen Personenkreis für jemanden einzusetzen, der sich über Menschen, die, sei es auch beruflich, mit Geflüchteten arbeiten, so auslässt, wie der Kläger am 12. Februar 2020. An diesem Tag hat er solchen Personen ein Helfersyndrom unterstellt, dass letztlich auf die Dankbarkeit der Betreuten und dadurch bei den Unterstützenden herbeigeführte Orgasmen hin ausgelegt ist.

 (c) Besonders wichtig ist das, was der Beklagte im Hinblick auf die zu betreuenden Menschen befürchtet. Diese leben in den Einrichtungen unter schwierigen Verhältnissen auf sechs Quadratmeter pro Person und in einem Land, das nicht ihre ursprüngliche Heimat ist. Dies löst Betreuungsbedarf aus. Dass sie sich beeinträchtigt fühlen, wenn der Beklagte als die Einrichtung, die für die Betreuung zuständig ist, in leitender Position einen Arbeitnehmer beschäftigt, der an einem als rassistisch eingestuften Chat beteiligt war, ist ohne Weiteres nachvollziehbar. Auch hier hat es der Kläger selbst verhindert, dass sich der Beklagte glaubhaft für ihn einsetzen kann. Der Beklagte kann sich schwerlich hinter einen Arbeitnehmer stellen, der - wie der Kläger am 15. Januar 2020 - Geflüchtete als „Lebensform“ bezeichnet, die einem Bandwurm gleich den Wirt aussaugt, und schwarze Menschen letztlich als dreckig beschreibt. Anders kann man das „anders definieren“ von Hygiene nicht auffassen. Das gefährdet die soziale Arbeit, die nach dem Leitbild des Beklagten gegen Diskriminierung und Willkür gerichtet ist, und damit den Erfolg der Tätigkeit des Beklagten.

Dies kann auch ein vernünftig denkender oder eine vernünftig denkende Arbeitgeber*in, dem oder der daran liegt, die von ihm oder ihr gesetzten Aufgabenstellungen betrieblich durchzusetzen, nicht ignorieren.

 (3) Unerheblich ist, dass der Kläger in seiner Position mit den zu betreuenden Geflüchteten unmittelbar wenig oder nichts zu tun hat und sich auch sonst Begegnungen möglicherweise vermeiden lassen. Die Auswirkungen seiner Chatbeteiligung betreffen den Beklagten unabhängig davon in seiner Tätigkeit.

 (4) Entgegen der Ansicht des Klägers geht es auch nicht darum, unter Verstoß gegen die durch Artikel 5 Absatz 1 GG geschützte Meinungsfreiheit gegen Abfindung einen Arbeitnehmer loszuwerden, der die Tätigkeit seines Arbeitgebers nicht für sinnvoll hält. Der Kläger kann sich auch nicht erfolgreich auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als informationelles Selbstbestimmungsrecht (Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG) berufen.

 (a) Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 GG gibt das Recht, die eigene Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Grundrechtlich geschützt sind damit insbesondere Werturteile, also Äußerungen, die durch ein Element der Stellungnahme gekennzeichnet sind, ungeachtet des womöglich ehrschmälernden, polemischen oder verletzenden Gehalts einer Äußerung. Damit liegt in der arbeitsgerichtlichen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses, die sich auf eine solche Aussage stützt, eine Beeinträchtigung dieser Freiheit. Nach Artikel 5 Absatz 2 GG findet das Grundrecht der Meinungsfreiheit aber seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Dazu gehört auch § 9 Absatz 1 Satz 2 KSchG. Stützt sich eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses wesentlich auf eine Äußerung, verlangt Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 GG zunächst eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung ihres Sinns. Sodann erfordert das Grundrecht der Meinungsfreiheit im Normalfall eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen. Nur ausnahmsweise tritt die Meinungsfreiheit bei herabsetzenden Äußerungen, die die Menschenwürde anderer antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf. An diese Ausnahmefälle sind aber jeweils strenge Kriterien anzulegen. Eine eng zu verstehende Ausnahme vom Abwägungsgebot betrifft Äußerungen, mit denen die in Artikel 1 Absatz 1 GG als unantastbar geschützte Menschenwürde verletzt wird. Da die Menschenwürde mit keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig ist, muss die Meinungsfreiheit dann stets zurücktreten. Das kommt nur in Betracht, wenn einer konkreten Person der ihre menschliche Würde ausmachende Kern der Persönlichkeit abgesprochen wird (vergleiche zum Ganzen bezogen auf eine außerordentliche Kündigung BVerfG 2. November 2020 - 1 BvR 2727/19 - Rn. 8, 10 ff., 15).

 (b) Danach ist aufgrund der angeführten Aussagen des Klägers die Menschenwürde von Geflüchteten und jedenfalls von konkret genannten Personen der Flüchtlingsarbeit verletzt und seine Äußerungen sind nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Das gilt zunächst hinsichtlich des Chats über die „Lebensform“, die der Kläger mit der Aussaugung durch Bandwürmer vergleicht und dabei an Frau E sowie eine konkrete weibliche Person aus Kamerun anknüpft. Der Begriff „Lebensform“ drückt dabei eine distanzierende Herablassung aus, gleich einem menschlichen Experimentator, der mit der Lupe Insekten betrachtet. Der Kläger gebraucht dabei einen Vergleich zwischen Menschen und dem Menschen gefährlichen, weil ihn aussaugenden Bandwurm. Darin liegt ein direkter Angriff auf die Menschenwürde der in Bezug genommenen Personen und aller Geflüchteten. Denn damit wird nicht etwa eine „Lebensform“ in Sinne einer „alternativen Lebensform“, wie sie auch Menschen haben, angesprochen.

Ebenso liegt ein Angriff auf die Menschenwürde vor, soweit der Kläger Menschen, die aus Gebieten südlich der Sahara stammen, also schwarzen Menschen, ein anderes Hygieneverständnis unterstellt. Diese allgemeine Aussage nimmt sie nicht mehr als Person wahr, sondern als - letztlich dreckige - Gruppe. Auch darin liegt ein Angriff auf die Menschenwürde dieser so konkret abgegrenzten Personen.

Schließlich handelt es sich auch um einen Angriff auf die Menschenwürde, einzelnen namentlich aufgeführten Personen zu unterstellen, sie würden Unterstützung für Geflüchtete nur leisten, um sich selbst sexuell zu befriedigen, und dies allein aus der Unterstützung dieser Personen für Geflüchtete herzuleiten.

Dass der Kläger diese Äußerungen in eine kritische Haltung zur Migrationspolitik und zur Tätigkeit des Beklagten einbettet, relativiert diesen Befund nicht. Dadurch werden die genannten Aussagen nicht in ihrer Bedeutung verschoben. Daran ändert nichts, dass diese Kritik für sich genommen und ohne die gegen die Menschenwürde verstoßenden Aussagen des Klägers ohne Weiteres von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.

 (c) Aus denselben Gründen verstößt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auch nicht gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Die Menschenwürde des Klägers berechtigt ihn nicht, die Menschenwürde anderer zu verletzten.

 (5) Mit diesem Ergebnis setzt sich das Gericht auch nicht in Widerspruch zu den Gründen, aus denen es die Kündigung für unwirksam erachtet hat.

Die Unwirksamkeit der Kündigung beruht zum Teil darauf, dass die Äußerungen des Klägers im vertraulichen Umfeld und nicht für den Beklagten als Arbeitgeber bestimmt getätigt wurden. Für grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Repräsentanten hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass Störungen des Vertrauensverhältnisses oder des Betriebsfriedens nicht als Auflösungsgrund dienen können, wenn eine auf die Äußerungen des oder der Gekündigten gestützte Kündigung unwirksam ist, weil es sich um vertrauliche Äußerungen handelt (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 35). Dabei konnte der Schaden im Vertrauen nur durch die Weitergabe des Gesprächsinhalts entstehen. Es ging um die konkreten Vorgänge, nämlich die Beleidigungen. Nur deren Bekanntwerden beim Beleidigten konnte Folgen nach sich ziehen.

Im vorliegenden Fall geht es dagegen nicht lediglich um einzelne Äußerungen, sondern um die ihnen zugrundeliegende Haltung des Klägers. Wer sich so äußert wie der Kläger hat seine Umgebung und die Menschen, um die es geht, in bestimmter Weise eingeordnet. Dieses Weltbild führt dann zu den genannten Auswirkungen, auch wenn es lediglich aus Anlass der Veröffentlichung der vertraulichen Kommunikation öffentlich wird.

Es geht bei den für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses maßgeblichen Weiterungen auch nicht allein um die persönliche Eignung des Klägers oder daran unmittelbar anknüpfende betriebliche Folgen, sondern um Auswirkungen seines Handelns, die zwar auf das Arbeitsverhältnis zurückwirken, aber nichts mit der unmittelbaren Aufgabenstellung des Klägers zu tun haben.

b) Das Arbeitsverhältnis ist zum 30. Juni 2020 auszulösen.

Nach § 9 Absatz 2 KSchG ist für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte. Maßgeblich ist die einschlägige Kündigungsfrist. Zum Zeitpunkt der Kündigung hat das zum 1. Januar 2013 begründete Arbeitsverhältnis der Parteien mehr als sieben Jahre bestanden. Danach beträgt die Kündigungsfrist nach § 622 Absatz 2 Nr. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats.

c) Die Abfindung ist auf 15.000,00 Euro festzusetzen.

Nach § 9 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 und § 10 Absatz 1 KSchG ist eine angemessene Abfindung festzusetzen, die bis zu zwölf Monatsverdienste - beim Kläger monatlich 3.400,00 Euro - beträgt.

Bei einer antragsgemäßen Auflösung des Arbeitsverhältnisses hat das Gericht im Rahmen der Angemessenheit von Amts wegen über die Höhe der Abfindung zu befinden. Dabei ist es nicht an Anträge gebunden. § 9 Absatz 1 KSchG schließt eine Anwendung von § 308 Absatz 1 Satz 1 ZPO aus, der einen bestimmten Antrag nach § 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO voraussetzt. Es ist jedoch anerkannt, dass eine Partei einen bezifferten Antrag stellen kann, wobei auch die Nennung einer Mindestabfindung zulässig ist (vergleiche zum Ganzen BAG 26. Juni 1986 - 2 AZR 522/85 - unter 2 a der Gründe, NZA (Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht) 1987, 139). Von der Möglichkeit, einen bezifferten Antrag zu stellen, hat der Beklagte jedoch keinen Gebrauch gemacht.

Die Kammer hat bei der Bemessung der Abfindung die Vertragsdauer, das Lebensalter und den Familienstand, die gegenwärtige gesundheitliche Situation des Klägers sowie den Grad der Sozialwidrigkeit der Kündigung und ein Auflösungsverschulden des Klägers berücksichtigt (zu den maßgeblichen Kriterien BAG 24. Mai 2018

    - 2 AZR 73/18 - Rn. 38; BAG 25. November 1982 - 2 AZR 21/81 - unter B I 3 c der Gründe, DB 1984, 883). Dabei ist sie davon ausgegangen, dass die Kündigung sich auf jedenfalls nicht unvertretbare Gründe stützte und der Kläger durch seine gegen die Menschenwürde verstoßenden Chatbeiträge die Ursache dafür gesetzt hat, dass der Beklagte ihn nicht mehr weiter beschäftigen kann. Ferner hat sie berücksichtigt, dass der Kläger die Äußerungen in einem vermeintlich geschützten Raum getätigt hat, was sein Verschulden mindert.

3. Da das Arbeitsverhältnis bereits mit dem 30. Juni 2020 geendet hat, ist der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung während des vorliegenden Verfahrens nicht zur Entscheidung angefallen. Wie der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 15. April 2021 klargestellt hat, ist er als unechter Hilfsantrag nur für den Fall gestellt, das das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Diese Bedingung ist aufgrund des erfolgreichen Auflösungsantrages des Beklagten nicht eingetreten.

4. Die erstinstanzlich gestellten Anträge zu 5. und 6. auf Erteilung eines Zwischen- bzw. eines Zeugnisses waren dahin zu verstehen, dass der Kläger im Fall des Weiterbestehens des Arbeitsverhältnisses ein Zwischen- und für den Fall von dessen Beendigung ein Endzeugnis begehrt (zum Zwischenzeugnis während eines laufenden Kündigungsschutzverfahrens zuletzt BAG 7. Mai 2020 - 2 AZR 692/19 - Rn. 63). Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass das Arbeitsverhältnis nicht beendet ist, und den Beklagten dementsprechend zur Erteilung des Zwischenzeugnisses verurteilt. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Antrag wäre in der Berufungsinstanz aber ohnehin nicht mehr zur Entscheidung angefallen, weil das Arbeitsverhältnis durch die Auflösung zum 30. Juni 2020 beendet ist. Damit fiel der weiter aufrechterhaltene Antrag auf Erteilung eines Endzeugnisses zur Entscheidung an. Der Antrag ist unbedenklich zulässig und nach § 109 GewO begründet.

5. Mit der Auflösung fällt auch der aufrechterhaltene Hilfsantrag auf Wiedereinstellung des Klägers zu den früheren Arbeitsbedingungen ab dem 1. Juli 2020 zur Entscheidung an. Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet. Ein dahingehender Anspruch aus Treu und Glauben nach § 242 bzw. § 241 Absatz 2 BGB kommt nur in Betracht, wenn sich nach dem Ausspruch der Kündigung die Sachlage zu Gunsten des oder der Gekündigten geändert hat. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

6. Der Antrag auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände geendet hat, sondern unverändert fortbesteht, ist nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Das Arbeitsgericht hat den Antrag weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen seines Urteils beschieden, sondern übergangen. Der Kläger hat den Antrag auch nicht in die Berufungsinstanz gebracht. Er hat weder einen Antrag auf Ergänzungsurteil nach § 321 Absatz 2 ZPO gestellt und gegen das daraufhin zu erlassende Ergänzungsurteil Berufung eingelegt, noch hat er insoweit, nachdem die Frist für den Antrag auf Ergänzungsurteil nach § 321 Absatz 2 ZPO abgelaufen und damit die Rechtshängigkeit des Antrags entfallen war, die Klage im Rahmen einer Anschlussberufung nach § 524 ZPO erweitert (vergleiche dazu BAG 21. August 2012 - 3 ABR 20/10 - Rn. 20).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Absatz 1 ZPO. Danach haben die Parteien die Kosten des Rechtsstreits im Verhältnis ihres Obsiegens und Unterliegens zu tragen. Bei der Bildung der Quote sind der Kündigungsschutzantrag, der Wiedereinstellungsantrag und der Auflösungsantrag mit einem fiktiven Streitwert von je drei Bruttomonatsentgelten und der Zeugnisantrag mit einem fiktiven Streitwert von einem Bruttomonatsentgelt berücksichtigt.

III. Hinsichtlich des Bestands des Arbeitsverhältnisses, also des Kündigungsschutz- und des Auflösungsantrages, ist die Revision nach § 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Im Übrigen liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 72 Absatz 2 ArbGG nicht vor.

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