EuGH: Markenerschöpfung bei Inverkehrbringen einer Kohlendioxid enthaltenden Flasche in einem Mitgliedstaat durch Markeninhaber – Wiederbefüllung und Neuetikettierung durch Wiederverkäufer
EuGH, Urteil vom 27.10.2022 – C-197/21; Soda-Club (CO2) SA, SodaStream International BV gegen MySoda Oy
ECLI:EU:C:2022:834
Volltext: BB-Online BBL2022-2561-1
Tenor
Art. 15 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke und Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken
sind dahin auszulegen, dass
sich der Inhaber einer Marke, der in einem Mitgliedstaat Waren vertrieben hat, die mit dieser Marke versehen sind und mehrmals wiederverwendet und wiederbefüllt werden sollen, nach diesen Bestimmungen dem weiteren Vertrieb dieser Waren in diesem Mitgliedstaat durch einen Wiederverkäufer, der sie wiederbefüllt und das die ursprüngliche Marke aufweisende Etikett durch eine andere Etikettierung ersetzt hat, wobei aber auf diesen Waren die ursprüngliche Marke sichtbar bleibt, nicht widersetzen darf, sofern diese Neuetikettierung bei den Verbrauchern nicht den irrigen Eindruck hervorruft, dass zwischen dem Wiederverkäufer und dem Markeninhaber eine wirtschaftliche Verbindung besteht. Diese Gefahr einer Verwechslung ist anhand der Angaben auf der Ware und auf ihrer Neuetikettierung sowie anhand der Vertriebspraktiken des betreffenden Wirtschaftszweigs und des Bekanntheitsgrades dieser Praktiken bei den Verbrauchern umfassend zu beurteilen.
Aus den Gründen
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 (ABl. 2015, L 341, S. 21) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 207/2009), von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1), von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2008, L 299, S. 25) und von Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2015, L 336, S. 1).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Soda-Club (CO2) SA und der SodaStream International BV (im Folgenden zusammen: SodaStream) auf der einen und der MySoda Oy auf der anderen Seite wegen des Vorwurfs der Verletzung der Unionsmarken und nationalen Marken SODASTREAM und SODA-CLUB, deren Inhaberinnen die zuerst Genannten sind.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 207/2009
3 Art. 13 („Erschöpfung des Rechts aus der Unionsmarke“) der Verordnung Nr. 207/2009 bestimmte:
„(1) Eine Unionsmarke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, die Benutzung der Marke für Waren zu untersagen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum [(EWR)] in den Verkehr gebracht worden sind.
(2) Absatz l findet keine Anwendung, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist.“
Verordnung 2017/1001
4 Die Verordnung 2017/1001, die die Verordnung Nr. 207/2009 mit Wirkung zum 1. Oktober 2017 aufgehoben und ersetzt hat, enthält Art. 9 („Rechte aus der Unionsmarke“), in dem es heißt:
„(1) Mit der Eintragung einer Unionsmarke erwirbt ihr Inhaber ein ausschließliches Recht an ihr.
(2) Der Inhaber dieser Unionsmarke hat unbeschadet der von Inhabern vor dem Zeitpunkt der Anmeldung oder dem Prioritätstag der Unionsmarke erworbenen Rechte das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn
a) das Zeichen mit der Unionsmarke identisch ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist;
b) das Zeichen mit der Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird;
c) das Zeichen mit der Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist, unabhängig davon, ob es für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind oder denjenigen ähnlich oder nicht ähnlich sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Union bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Unionsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
(3) Sind die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden,
…
b) unter dem Zeichen Waren anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;
…“
5 Art. 15 („Erschöpfung des Rechts aus der Unionsmarke“) der Verordnung 2017/1001 bestimmt:
„(1) Eine Unionsmarke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, die Benutzung der Marke für Waren zu untersagen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung im [EWR] in den Verkehr gebracht worden sind.
(2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist.“
Richtlinie 2008/95
6 Art. 7 („Erschöpfung des Rechts aus der Marke“) der Richtlinie 2008/95 sah vor:
„(1) Die Marke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind.
(2) Absatz l findet keine Anwendung, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist.“
7 Die Richtlinie 2008/95 ist mit Wirkung zum 15. Januar 2019 durch die Richtlinie 2015/2436 ersetzt worden.
Richtlinie 2015/2436
8 Art. 10 („Rechte aus der Marke“) Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2015/2436 bestimmt:
„(1) Mit der Eintragung der Marke erwirbt ihr Inhaber ein ausschließliches Recht an ihr.
…
(3) Sind die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden,
…
b) unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;
…“
9 Art. 15 („Erschöpfung der Rechte aus der Marke“) der Richtlinie 2015/2436 lautet:
„(1) Eine Marke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, die Benutzung der Marke für Waren zu untersagen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in der Union in Verkehr gebracht worden sind.
(2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist.“
Finnisches Recht
10 Im finnischen Recht ist die Erschöpfung der Rechte aus einer Marke in § 9 des Tavaramerkkilaki (544/2019) (Markengesetz [544/2019]) vom 26. April 2019, das am 1. Mai 2019 in Kraft getreten ist, geregelt. § 9 Abs. 1 sieht vor, dass der Inhaber einer Marke ihre Benutzung nicht für Waren untersagen darf, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht worden sind. Unbeschadet von § 9 Abs. 1 sieht § 9 Abs. 2 vor, dass der Markeninhaber die Benutzung der Marke für Waren untersagen darf, wenn er einen berechtigten Grund hat, sich dem weiteren Anbieten oder Inverkehrbringen der Waren zu widersetzen. Der Markeninhaber kann die Benutzung der Marke insbesondere dann untersagen, wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist.
11 § 10a des Tavaramerkkilaki (1715/1995) (Markengesetz [1715/1995]), das bis zum 31. August 2016 in Kraft war, dann § 8 des Tavaramerkkilaki [616/2016]) (Markengesetz [616/2016]), das bis zum 30. April 2019 in Kraft war, entsprachen im Wesentlichen § 9 des Markengesetzes (544/2019), das seit dem 1. Mai 2019 anwendbar ist.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
12 SodaStream, ein multinationales Unternehmen, produziert und verkauft Karbonisierungsgeräte, mit denen Verbraucher aus Leitungswasser kohlensäurehaltiges Wasser und aromatisierte kohlensäurehaltige Getränke herstellen können. In Finnland vertreibt SodaStream diese Geräte mit einer wiederbefüllbaren Kohlendioxid-Flasche, die sie auch getrennt zum Kauf anbietet. Die Gesellschaften, aus denen SodaStream besteht, sind Inhaberinnen der Unionsmarken und nationalen Marken SODASTREAM und SODA-CLUB. Diese Marken befinden sich auf der Etikettierung und sind in den Aluminiumkörper dieser Flaschen eingraviert.
13 MySoda, eine Gesellschaft mit Sitz in Finnland, vertreibt in diesem Mitgliedstaat Geräte zur Karbonisierung von Getränken unter der Marke MySoda in Verpackungen, die normalerweise keine Kohlendioxid-Flasche enthalten. Seit Juni 2016 bietet MySoda in Finnland befüllte Kohlendioxid-Flaschen zum Kauf an, die sowohl mit ihren eigenen Karbonisierungsgeräten als auch mit denen von SodaStream kompatibel sind. Einige dieser Flaschen wurden ursprünglich von SodaStream auf den Markt gebracht.
14 Nachdem MySoda die SodaStream-Flaschen, die Verbraucher leer zurückgeschickt hatten, über Händler erhalten hat, füllt sie sie wieder mit Kohlendioxid auf. Sie ersetzt die Originaletiketten durch ihre eigenen Etiketten, wobei die auf dem Flaschenkörper eingravierten Marken von SodaStream sichtbar bleiben.
15 Dabei verwendet MySoda zwei verschiedene Etiketten. Auf dem ersten, rosafarbenen Etikett erscheinen in großer Schrift das Logo von MySoda und die Wörter „Finnisches Kohlendioxid für Karbonisierungsgeräte“ sowie in kleiner Schrift der Name MySoda für die Gesellschaft, die die Flasche befüllt hat, und ein Hinweis auf ihre Website für weitere Informationen. Auf dem zweiten, weißen Etikett befinden sich in Großbuchstaben und in fünf verschiedenen Sprachen das Wort „Kohlendioxid“ und unter den in kleiner Schrift angegebenen Wareninformationen der Name MySoda für die Gesellschaft, die die Flasche befüllt hat, sowie eine Erklärung, dass diese Gesellschaft in keiner Verbindung zum ursprünglichen Lieferanten der Flasche oder zu dessen Gesellschaft oder zu der eingetragenen Marke stehe, die auf der Flasche erschienen. Dieses Etikett enthält ferner einen Hinweis auf die Website von MySoda für weitere Informationen.
16 SodaStream erhob beim Markkinaoikeus (Marktgericht, Finnland) Klage auf Feststellung, dass MySoda in Finnland die Marken SODASTREAM und SODACLUB dadurch verletzt habe, dass sie wiederbefüllte Kohlendioxid-Flaschen, die mit diesen Marken versehen seien, ohne Zustimmung ihrer Inhaber vermarktet und verkauft habe.
17 SodaStream machte geltend, dass die Praxis von MySoda substanziell in die Rechte aus den genannten Marken eingreife und bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine erhebliche Gefahr einer Verwechslung hinsichtlich der Herkunft der Kohlendioxid-Flaschen darstelle, da sie den falschen Eindruck hervorrufe, dass zwischen SodaStream und MySoda eine kommerzielle oder wirtschaftliche Verbindung bestehe.
18 SodaStream betonte ferner, dass die auf dem finnischen Markt verkauften Kohlendioxid-Flaschen nicht alle von derselben Qualität seien oder nicht alle dieselben Merkmale aufwiesen. Die Wiederverkäufer, die die Flaschen der Marke SodaStream ohne Zustimmung befüllten, verfügten nicht notwendigerweise über die Kenntnisse und das Know-how, die erforderlich seien, um zu gewährleisten, dass diese Flaschen sicher und ordnungsgemäß verwendet und behandelt würden. SodaStream könne nicht für Schäden haftbar gemacht werden, die durch von diesen Wiederverkäufern wiederbefüllte Kohlendioxid-Flaschen verursacht würden.
19 MySoda entgegnete, dass ein Austausch des Etiketts die Funktion der Marke, auf die Herkunft der Flasche hinzuweisen, nicht gefährde, da die maßgeblichen Verkehrskreise verstünden, dass die Etikettierung nur die Herkunft des Kohlendioxids und die Identität des Wiederverkäufers angebe, der die Flasche wiederbefüllt habe, deren Herkunft auf ihrem Körper eingraviert sei.
20 Mit Zwischenurteil vom 5. September 2019 gab das Markkinaoikeus (Marktgericht) den Anträgen von SodaStream teilweise statt. Dabei stützte sich es sich auf das Urteil vom 14. Juli 2011, Viking Gas (C‑46/10, EU:C:2011:485).
21 Dieses erstinstanzliche Gericht hielt weder den Nachweis für erbracht, dass die Praxis von MySoda die Kohlendioxid-Flasche oder ihren Inhalt verändere oder verschlechtere oder das Ansehen von SodaStream wegen der Gefahren für die Sicherheit ihrer Produkte beeinträchtige, noch, dass diese Praxis einen Schaden verursacht habe, der SodaStream einen berechtigten Grund gebe, sich dieser Praxis zu widersetzen. Hinsichtlich der weißen Etiketten befand das erstinstanzliche Gericht, dass diese in Bezug auf die wirtschaftliche Verbindung zwischen MySoda und SodaStream keinen falschen Eindruck hervorgerufen hätten. Dagegen könne die Verwendung der rosafarbenen Etiketten bei einem normal informierten und angemessen aufmerksamen Durchschnittsverbraucher den Eindruck hervorrufen, dass eine solche Verbindung bestehe. Folglich dürfe sich SodaStream der Praxis von MySoda wegen der Verwendung dieser rosafarbenen Etiketten widersetzen.
22 Die gegen dieses Urteil von SodaStream und MySoda beim vorlegenden Gericht, dem Korkein oikeus (Oberstes Gericht, Finnland), beantragten Rechtsmittel wurden zugelassen.
23 Das vorlegende Gericht führt zunächst aus, das Unionsrecht enthalte keine detaillierte Regelung über die Voraussetzungen, unter denen sich feststellen lasse, dass berechtigte Gründe vorlägen, die es rechtfertigten, dass sich der Markeninhaber dem weiteren Vertrieb von Waren nach ihrem Inverkehrbringen widersetze. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergäben sich keine klaren Antworten auf die Fragen, die sich im Ausgangsrechtsstreit stellten.
24 Erstens gehe aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht klar hervor, ob die im Urteil vom 11. Juli 1996, Bristol-Myers Squibb u. a. (C‑427/93, C‑429/93 und C‑436/93, EU:C:1996:282), genannten Voraussetzungen auf ein Umpacken von Waren Anwendung fänden, die in demselben Mitgliedstaat in den Verkehr gebracht worden seien. Zweitens möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Austausch des Etiketts des Markeninhabers durch ein neues Etikett als ein Umpacken im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs anzusehen ist. Ihm stellt sich die Frage, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass im Ausgangsrechtsstreit die betreffende Ware zum einen aus der vom Markeninhaber stammenden Flasche und zum anderen aus dem vom Wiederverkäufer stammenden Kohlendioxid besteht. Es sei nicht klar, ob insoweit entscheidend sei, dass die maßgeblichen Verkehrskreise verstünden, dass das Etikett nur auf die Herkunft des Kohlendioxids hinweise, da die Herkunft der Flasche durch die auf ihrem Körper eingravierte Marke identifiziert werde.
25 Ferner ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass sich der Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits von den Umständen der Rechtssache unterscheide, in der das Urteil vom 14. Juli 2011, Viking Gas (C‑46/10, EU:C:2011:485), ergangen sei. In der zuletzt genannten Rechtssache seien die auf Gasflaschen angebrachten Marken nämlich weder entfernt noch verdeckt worden, was auszuschließen scheine, dass der Zustand der Flaschen dadurch verändert worden sei, dass ihre Herkunft verschleiert werde. Im vorliegenden Fall habe der Wiederverkäufer das Originaletikett durch sein eigenes Etikett ersetzt, das den größten Teil der Flaschenoberfläche bedecke. Dabei bleibe aber die auf dem oberen Teil der Flasche eingravierte ursprüngliche Marke sichtbar.
26 Das vorlegende Gericht weist schließlich darauf hin, dass, sofern der Austausch des Originaletiketts anhand der im Urteil vom 11. Juli 1996, Bristol-Myers Squibb u. a. (C‑427/93, C‑429/93 und C‑436/93, EU:C:1996:282), genannten Voraussetzungen zu beurteilen sei, aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht klar erkennbar sei, ob – und gegebenenfalls auf welche Weise – bei der Beurteilung der Voraussetzung der Erforderlichkeit eines solchen Austauschs der Verwendungszweck der fraglichen Waren berücksichtigt werden müsse. Der Umstand, dass die Kohlendioxid-Flaschen dazu bestimmt seien, mehrfach wiederverwendet und wiederbefüllt zu werden, sei geeignet, den Zustand der Originaletiketten zu verändern. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die Beschädigung eines vom Markeninhaber an der Flasche angebrachten Originaletiketts oder dessen Ablösen von der Flasche bzw. die Tatsache, dass ein Wiederverkäufer das Originaletikett durch sein eigenes Etikett ersetzt habe, Umstände darstellen könnten, aufgrund deren der Austausch des Etiketts oder sein Ersetzen durch das Etikett des Wiederverkäufers als erforderlich für das Inverkehrbringen der durch den Wiederverkäufer wiederbefüllten Flasche gehalten werde.
27 Unter diesen Umständen hat das Korkein oikeus (Oberstes Gericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Werden die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Umpacken und zur Neuetikettierung in Fällen eines Parallelimports herausgebildeten sogenannten „Bristol-Myers Squibb“-Kriterien und insbesondere die sogenannte Voraussetzung der „Erforderlichkeit“ auch angewandt, wenn es sich um das Umpacken oder die Neuetikettierung von in einem Mitgliedstaat durch den Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebrachten Waren für einen im selben Mitgliedstaat erfolgenden Weiterverkauf handelt?
2. Werden, wenn der Markeninhaber bei Inverkehrbringen der Kohlendioxid enthaltenden Flasche diese mit seiner Marke versehen hat, die sowohl auf dem Etikett der Flasche angebracht als auch in den Flaschenhals eingraviert ist, die oben genannten „Bristol-Myers-Squibb“-Kriterien und insbesondere die sogenannte Voraussetzung der „Erforderlichkeit“ angewandt, wenn ein Dritter die Flasche für einen Weiterverkauf mit Kohlendioxid wiederbefüllt, von ihr das Originaletikett entfernt und durch ein mit seinem eigenen Kennzeichen versehenes Etikett ersetzt, während gleichzeitig die Marke des Inverkehrbringers der Flasche weiterhin in der am Flaschenhals befindlichen Gravur sichtbar ist?
3. Kann in der vorstehend beschriebenen Situation die Auffassung vertreten werden, dass das Entfernen und Ersetzen des die Marke enthaltenden Etiketts grundsätzlich die Funktion der Marke als Nachweis der Herkunft der Flasche gefährdet, oder hat im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Voraussetzungen für Umpacken und Neuetikettierung der Umstand Bedeutung, dass
– davon auszugehen ist, dass die Zielgruppe zu der Auffassung gelangt, dass das Etikett ausschließlich auf die Herkunft des in der Flasche enthaltenen Kohlendioxids (und damit den Abfüller der Flasche) verweist, oder
– davon auszugehen ist, dass die Zielgruppe zu der Auffassung gelangt, dass das Etikett zumindest teilweise auch auf die Herkunft der Flasche verweist?
4. Kann, sofern das Entfernen und Ersetzen des Etiketts der CO₂-Flaschen nach der Voraussetzung der Erforderlichkeit beurteilt wird, eine zufällige Beschädigung oder Ablösung der an den vom Markeninhaber in Verkehr gebrachten Flaschen angebrachten Etiketten oder ihr Entfernen und Ersetzen durch einen früheren Abfüller einen Umstand darstellen, aufgrund dessen das regelmäßige Ersetzen der Etiketten durch ein Etikett des Abfüllers als erforderlich für das Inverkehrbringen der wiederbefüllten Flaschen anzusehen ist?
Zu den Vorlagefragen
28 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Fragen des vorlegenden Gerichts, soweit sie die Unionsmarken anbelangen, die Auslegung von Art. 13 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 und von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 und, soweit sie die nationalen Marken anbelangen, die Auslegung von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2008/95 und von Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2015/2436 betreffen.
29 Insoweit ist festzustellen, dass auf den Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits, der im Juni 2016 begann, teils die Verordnung Nr. 207/2009 und die Richtlinie 2008/95 und teils die Verordnung 2017/1001 und die Richtlinie 2015/2436 anwendbar sind. Da jedoch die Bestimmungen dieser Verordnungen und dieser Richtlinien in ihrem Wortlaut im Wesentlichen übereinstimmen und die Antworten auf die Fragen des vorlegenden Gerichts wegen dieser Übereinstimmung unabhängig davon, welche Verordnung und welche Richtlinie anwendbar sind, die gleichen sind, ist zur Beantwortung dieser Fragen allein auf Art. 15 der Verordnung 2017/1001 und Art. 15 der Richtlinie 2015/2436 abzustellen (vgl. entsprechend Urteil vom 9. November 2017, Maio Marques da Rosa, C‑306/16, EU:C:2017:844, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).
30 Außerdem geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass diese Fragen im Rahmen eines Rechtsstreits gestellt werden, der in Finnland beim späteren Vertrieb der von SodaStream hergestellten und ursprünglich vermarkteten Kohlendioxid-Flaschen entstanden ist, die mehrmals wiederverwendet und wiederbefüllt werden sollen. Nachdem die von Verbrauchern leer zurückgeschickten Kohlendioxid-Flaschen von SodaStream über Händler bei MySoda eingegangen sind, füllt MySoda diese Flaschen wieder auf, entfernt das Etikett, auf dem die ursprüngliche Marke angebracht war, und ersetzt es durch ihre eigenen Etiketten mit dem Logo von MySoda. Dabei bleibt die auf dem Flaschenkörper eingravierte ursprüngliche Marke sichtbar.
31 In Anbetracht dieser Ausführungen ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seinen vier Fragen, die zusammen zu prüfen sind, im Wesentlichen wissen möchte, ob – und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen – sich der Inhaber einer Marke, der in einem Mitgliedstaat Waren vertrieben hat, die mit dieser Marke versehen sind und mehrfach wiederverwendet und wiederbefüllt werden sollen, nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 und Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2015/2436 dem weiteren Vertrieb dieser Waren in diesem Mitgliedstaat durch einen Wiederverkäufer, der die Waren wiederbefüllt und das die ursprüngliche Marke aufweisende Etikett durch eine andere Etikettierung ersetzt hat, wobei aber auf diesen Waren die ursprüngliche Marke sichtbar bleibt, widersetzen darf.
32 Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Art. 9 der Verordnung 2017/1001 und Art. 10 der Richtlinie 2015/2436 dem Inhaber einer Unionsmarke bzw. dem Inhaber einer nationalen Marke ein ausschließliches Recht verleihen, das es ihm u. a. gestattet, Dritten zu verbieten, mit seiner Marke versehene Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen. Art. 15 Abs. 1 der Verordnung und Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie enthalten eine Ausnahme von diesem Grundsatz, indem sie vorsehen, dass Erschöpfung des Rechts eintritt, wenn die Waren vom Markeninhaber selbst oder mit seiner Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht wurden (vgl. entsprechend Urteil vom 14. Juli 2011, Viking Gas, C‑46/10, EU:C:2011:485, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
33 In Bezug auf die Art. 10 und 15 der Richtlinie 2015/2436 ist insbesondere hinzuzufügen, dass sie eine umfassende Harmonisierung der Vorschriften über die Rechte aus der Marke vornehmen und somit den materiellen Gehalt der Rechte von Markeninhabern in der Union festlegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. September 2011, Budějovický Budvar, C‑482/09, EU:C:2011:605, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie entsprechend Urteil vom 29. Juli 2019, Pelham u. a., C‑476/17, EU:C:2019:624, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).
34 Nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 und Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2015/2436 darf sich der Markeninhaber allerdings aufgrund eines berechtigten Grundes dem weiteren Vertrieb der mit seiner Marke versehenen Waren insbesondere dann widersetzen, wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist. Diese Widerspruchsbefugnis bildet eine Ausnahme vom elementaren Grundsatz des freien Warenverkehrs und dient allein dem Zweck, dem Markeninhaber die Wahrung der Rechte zu ermöglichen, die im Licht der Hauptfunktion der Marke zu deren spezifischem Gegenstand gehören (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. April 2002, Boehringer Ingelheim u. a., C‑143/00, EU:C:2002:246, Rn. 28).
35 Wie der Gerichtshof schon häufig anerkannt hat, besteht der spezifische Gegenstand des Markenrechts insbesondere darin, dem Inhaber das Recht zu verleihen, die Marke beim erstmaligen Inverkehrbringen einer Ware zu benutzen, und ihn dadurch vor Konkurrenten zu schützen, die die Stellung und den Ruf der Marke durch den Vertrieb widerrechtlich mit ihr versehener Waren missbrauchen wollen. Um die genaue Reichweite dieses ausschließlichen Rechts des Markeninhabers zu bestimmen, ist die Hauptfunktion der Marke zu berücksichtigen, die darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware zu garantieren, indem sie es ihm ermöglicht, diese Ware ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer Herkunft zu unterscheiden (Urteil vom 20. Dezember 2017, Schweppes, C‑291/16, EU:C:2017:990, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
36 Daher ist die Frage, ob sich der Markeninhaber dem weiteren Vertrieb der mit seiner Marke versehenen Waren und insbesondere den Maßnahmen des Wiederverkäufers in Bezug auf die Entfernung der Originaletiketten und die Anbringung neuer Etiketten auf diesen Waren, wobei eine ursprüngliche Marke sichtbar bleibt, widersetzen kann, unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Markeninhabers zu prüfen, insbesondere im Hinblick auf die Wahrung der Hauptfunktion der Marke, die darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware zu garantieren.
37 Wie der Generalanwalt in Nr. 22 seiner Schlussanträge betont hat, besteht das – zwangsläufig eine Ausnahme vom elementaren Grundsatz des freien Warenverkehrs bildende – Recht des Markeninhabers, sich dem weiteren Vertrieb von mit seiner Marke versehenen Waren zu widersetzen, nicht uneingeschränkt.
38 Im vorliegenden Fall steht fest, dass die fraglichen Kohlendioxid-Flaschen erstmals von den Inhabern der auf ihnen angebrachten Unionsmarken und nationalen Marken im EWR in den Verkehr gebracht wurden.
39 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs durch den Verkauf einer wiederbefüllbaren Gasflasche durch den Inhaber der auf ihr angebrachten Marken die Rechte, die der Markeninhaber aus der Eintragung dieser Marken ableitet, erschöpft werden und das Recht, frei über diese Flasche zu verfügen, einschließlich des Rechts, sie bei einem Unternehmen seiner Wahl zu tauschen oder wiederbefüllen zu lassen, auf den Käufer übergeht. Mit diesem Recht des Käufers geht das Recht der Wettbewerber des Inhabers der auf dieser Flasche angebrachten Marken einher, leere Flaschen wiederzubefüllen und auszutauschen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 2011, Viking Gas, C‑46/10, EU:C:2011:485, Rn. 35).
40 Andererseits kann die Tätigkeit des Wiederverkäufers, die darin besteht, die fraglichen, von Verbrauchern leer zurückgeschickten Flaschen wiederzubefüllen und auf ihnen seine eigenen Etiketten anzubringen, nachdem er die mit den ursprünglichen Marken versehenen Etiketten entfernt hat, dabei aber auf den Flaschen die ursprüngliche Marke sichtbar bleibt, in den Anwendungsbereich von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 und Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2015/2436 fallen.
41 Wie in Rn. 34 des vorliegenden Urteils ausgeführt, darf sich der Inhaber einer Marke nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 und Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2015/2436 trotz des Inverkehrbringens der mit seiner Marke versehenen Waren deren weiterem Vertrieb jedoch widersetzen, wenn berechtigte Gründe dies rechtfertigen. Der in diesen Bestimmungen ausdrücklich genannte Fall der Veränderung oder Verschlechterung des Zustands der Waren wird nur als Beispiel genannt, da diese Bestimmungen keine abschließende Aufzählung der berechtigten Gründe enthalten, die eine Anwendung des Grundsatzes der Erschöpfung ausschließen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 2011, Viking Gas, C‑46/10, EU:C:2011:485, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
42 Im Zusammenhang mit Parallelimporten umgepackter Arzneimittel hat der Gerichtshof eine Reihe von Voraussetzungen aufgestellt, die in diesem besonderen Kontext einen Rahmen für das Vorliegen solcher Gründe bilden sollen (vgl. u. a. Urteil vom 11. Juli 1996, Bristol-Myers Squibb u. a., C‑427/93, C‑429/93 und C‑436/93, EU:C:1996:282).
43 In einem Kontext, der dem des Ausgangsverfahrens näher ist, hat der Gerichtshof das Bestehen eines solchen berechtigten Grundes auch für den Fall bejaht, dass die Benutzung eines mit einer Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Dritten den Ruf der Marke erheblich schädigt oder das Zeichen so benutzt wird, dass der Eindruck erweckt wird, dass eine wirtschaftliche Verbindung zwischen dem Inhaber der Marke und diesem Dritten bestehe, und insbesondere, dass der Dritte dem Vertriebsnetz des Markeninhabers angehöre oder eine besondere Beziehung zwischen diesen beiden Personen bestehe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2010, Portakabin, C‑558/08, EU:C:2010:416, Rn. 79 und 80, sowie vom 14. Juli 2011, Viking Gas, C‑46/10, EU:C:2011:485, Rn. 37).
44 Daraus folgt, dass ein irriger Eindruck, der bei den Verbrauchern hinsichtlich des Bestehens einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Markeninhaber und einem Wiederverkäufer entstehen kann, einer der berechtigten Gründe ist, aus denen sich der Markeninhaber dem weiteren Vertrieb der mit seiner Marke versehenen Waren durch einen Wiederverkäufer widersetzen darf, insbesondere wenn Letzterer das Etikett mit der ursprünglichen Marke entfernt und auf dieser Ware sein eigenes Etikett anbringt, wobei aber eine auf der Ware eingravierte ursprüngliche Marke sichtbar bleibt. Dass die vom Wiederverkäufer zum weiteren Vertrieb der fraglichen Waren getroffenen Maßnahmen in dem Mitgliedstaat stattfinden, in dem diese Waren ursprünglich in den Verkehr gebracht wurden, ist für die Frage, ob der Widerspruch des Markeninhabers durch einen solchen berechtigten Grund gerechtfertigt ist, nicht von entscheidender Bedeutung.
45 Bei der Beurteilung der Frage, ob solch ein irriger Eindruck besteht, sind sämtliche die Tätigkeit des Wiederverkäufers betreffenden Umstände zu berücksichtigen, wie die Art und Weise, in der die Flaschen nach der Neuetikettierung den Verbrauchern präsentiert werden, und die Bedingungen, unter denen sie verkauft werden, insbesondere die in dem betreffenden Wirtschaftszweig vorherrschenden Praktiken der Wiederbefüllung dieser Flaschen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 2011, Viking Gas, C‑46/10, EU:C:2011:485, Rn. 39 und 40).
46 Zwar ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob in Bezug auf die wirtschaftliche Verbindung zwischen den Markeninhabern und dem Wiederverkäufer, der die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Flaschen wiederbefüllt hat, ein irriger Eindruck besteht, doch kann der Gerichtshof diesem Gericht die Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts geben, die ihm insoweit dienlich sein können (vgl. entsprechend Urteil vom 7. April 2022, Berlin Chemie A. Menarini, C‑333/20, EU:C:2022:291, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).
47 So ist erstens festzustellen, dass der Umfang der auf den neuen Etiketten stehenden Informationen von erheblicher Bedeutung ist. Wie der Generalanwalt in Nr. 51 seiner Schlussanträge betont hat, muss nämlich der durch die Neuetikettierung vermittelte Gesamteindruck beurteilt werden, um festzustellen, ob die Informationen über den Markeninhaber, der die Flasche hergestellt hat, und die über den Wiederverkäufer, der die Wiederbefüllung gewährleistet, einem normal informierten und angemessen aufmerksamen Verbraucher eindeutig und unmissverständlich erscheinen. Diese Informationen, die auf der Neuetikettierung angegeben werden, dürfen insbesondere nicht den Eindruck erwecken, dass zwischen dem Wiederverkäufer, der die Flasche wiederbefüllt hat, und dem Inhaber der ursprünglichen Marke eine wirtschaftliche Verbindung besteht.
48 Zweitens sind zur Beurteilung des durch die Neuetikettierung hervorgerufenen Eindrucks auch die Praktiken in dem betreffenden Wirtschaftszweig und die Frage zu berücksichtigen, ob die Verbraucher daran gewöhnt sind, dass die Flaschen von anderen Wirtschaftsteilnehmern als dem Inhaber der ursprünglichen Marke wiederbefüllt werden.
49 Insoweit kann der Umstand, dass die in Rede stehende Ware aus einer Flasche, die mehrmals wiederverwendet und wiederbefüllt werden soll, sowie aus ihrem Inhalt besteht, für die Feststellung relevant sein, ob solch ein irriger Eindruck bei den Verbrauchern bestehen kann. Zwar ist zu berücksichtigen, dass wegen des funktionellen Zusammenhangs zwischen einer Flasche und ihrem Inhalt die breite Öffentlichkeit möglicherweise annimmt, dass beide normalerweise dieselbe betriebliche Herkunft haben. Allerdings werden, auch wenn es unmöglich ist, komprimierte oder verflüssigte Gase ohne die Behälter aus Metall, in denen sie enthalten sind, zu verwenden, und auch wenn diese Flaschenart daher als Verpackung angesehen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. November 2014, Utopia, C‑40/14, EU:C:2014:2389, Rn. 40), diese Flaschen – soweit sie mit dem Ziel des Recyclings mehrmals wiederverwendet und wiederbefüllt werden sollen – nicht notwendigerweise so wahrgenommen werden, dass sie dieselbe betriebliche Herkunft wie das in ihnen enthaltene Gas haben.
50 Was insbesondere die Bedingungen, unter denen leere Flaschen wiederbefüllt werden, anbelangt, lässt sich, wie der Generalanwalt in Nr. 56 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, vermuten, dass ein Verbraucher, der sich unmittelbar an einen anderen Wirtschaftsteilnehmer als den Inhaber der ursprünglichen Marke wendet, um eine leere Flasche wiederbefüllen zu lassen oder sie gegen eine wiederbefüllte Flasche einzutauschen, leichter in der Lage sein wird, zu erkennen, dass zwischen diesem Wirtschaftsteilnehmer und dem Markeninhaber keine Verbindung besteht.
51 Im vorliegenden Fall bieten, wie aus der Vorlageentscheidung und den schriftlichen Erklärungen der Parteien des Ausgangsverfahrens hervorgeht, weder die Inhaber der ursprünglichen Marken noch der Wiederverkäufer ihre Kohlendioxid-Flaschen unmittelbar den Verbrauchern an, da diese Flaschen nur in den Geschäften der Händler zum Kauf angeboten werden.
52 Da aber der Verbraucher keinen unmittelbaren Kontakt zum Wiederverkäufer hat, kann bei ihm in Bezug auf das Verhältnis zwischen diesem Wiederverkäufer und den Inhabern der ursprünglichen Marke die Gefahr einer Verwechslung auftreten. Eine solche Situation kann daher die Verwirklichung der in Rn. 35 des vorliegenden Urteils angeführten Hauptfunktion der Marke gefährden und somit die Anwendung von Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2015/2436 und von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 rechtfertigen.
53 Drittens ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Tatsache, dass die ursprüngliche Marke der Flasche trotz der vom Wiederverkäufer vorgenommenen zusätzlichen Etikettierung sichtbar bleibt, insofern von Bedeutung ist, als sie auszuschließen scheint, dass die Etikettierung den Zustand der Flaschen dadurch verändert, dass ihre Herkunft verschleiert wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 2011, Viking Gas, C‑46/10, EU:C:2011:485, Rn. 41).
54 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 15 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 und Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2015/2436 dahin auszulegen sind, dass sich der Inhaber einer Marke, der in einem Mitgliedstaat Waren vertrieben hat, die mit dieser Marke versehen sind und mehrmals wiederverwendet und wiederbefüllt werden sollen, nach diesen Bestimmungen dem weiteren Vertrieb dieser Waren in diesem Mitgliedstaat durch einen Wiederverkäufer, der sie wiederbefüllt und das die ursprüngliche Marke aufweisende Etikett durch eine andere Etikettierung ersetzt hat, wobei aber auf diesen Waren die ursprüngliche Marke sichtbar bleibt, nicht widersetzen darf, sofern diese Neuetikettierung bei den Verbrauchern nicht den irrigen Eindruck hervorruft, dass zwischen dem Wiederverkäufer und dem Markeninhaber eine wirtschaftliche Verbindung besteht. Diese Gefahr einer Verwechslung ist anhand der Angaben auf der Ware und auf ihrer Neuetikettierung sowie anhand der Vertriebspraktiken des betreffenden Wirtschaftszweigs und des Bekanntheitsgrades dieser Praktiken bei den Verbrauchern umfassend zu beurteilen.
Kosten
55 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt: … (Tenor)