: Mangel bereits bei bloßem Verdacht eines Gesetzesverstoß
Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 25.06.2008
Aktenzeichen: 7 U 37/07
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 323 | |
BGB § 434 Abs. 1 Nr. 1 | |
BGB § 437 Nr. 2 |
1. Zum Wiederverkauf bestimmtes Fleisch ist wegen der fehlenden Handelbarkeit schon dann mangelhaft, wenn der Verdacht besteht, dass es aufgrund von Manipulationen den lebensmittelrechtlichen Anforderungen an das Inverkehrbringen von Fleisch nicht mehr genügt. Eine Gesundheitsgefährdung der Verbraucher ist nicht erforderlich.
2. Die Mangelhaftigkeit der Handelsware entfällt erst dann, wenn der Verdacht ausgeräumt wurde. Sie setzt nicht voraus, dass der Verdacht bestätigt wurde.
Oberlandesgericht Karlsruhe 7. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 7 U 37/07
Verkündet am 25. Juni 2008
In dem Rechtsstreit
wegen Forderung
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2008 unter Mitwirkung von
Vors. Richter am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 24. Januar 2007 - 12 O 64/06 KfH - wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger, der mit Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - P. vom 27.03.2006 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma B. GmbH in P. bestellt wurde, macht Ansprüche auf Bezahlung einer Lieferung an die Beklagte geltend. Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug und der getroffenen Feststellungen verwiesen wird, hat die Klage abgewiesen, da die Beklagte aufgrund der Mangelhaftigkeit der gelieferten Ware zu Recht vom Kaufvertrag zurückgetreten sei.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der verschiedene Rechts- und Verfahrensfehler bei der Feststellung der Voraussetzungen des Kündigungsrechts der Beklagten rügt und sein Begehren aus dem ersten Rechtszug in vollem Umfang weiter verfolgt. Außerdem trägt der Kläger nunmehr vor, die gelieferte Ware sei nicht als Ware der Firma B. GmbH erkennbar gewesen.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und behauptet, die Ware sei Ende 2007 vernichtet worden.
Wegen der näheren Einzelheiten des Parteivortrags im Berufungsrechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Der Senat hat zur Frage, ob die Beklagte die gelieferte Ware verkauft hat, Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S. B. , H. H.-K . , C. H.-K. und S. A. . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 25.06.2008 (II 255 ff.) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das landgerichtliche Urteil weist weder Rechtsfehler auf noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Feststellungen (§ 513 Abs. 1 ZPO) noch das Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme eine andere Entscheidung. Die Beklagte war zum Rücktritt vom Kaufvertrag nach §§ 434 Abs. 1 Nr. 1, 437 Nr. 2, 323 BGB berechtigt, denn die zum Weiterverkauf erworbene Sache war mangelhaft, da sie nicht handelbar war und deshalb nicht weiter verkauft werden konnten. Die Berufungsangriffe rechtfertigen keine andere Entscheidung:
1. Das Landgericht geht zutreffend im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon aus, dass eine Handelsware auch dann mangelhaft ist, wenn durch konkrete Tatsachen der naheliegende Verdacht begründet wird, dass die zum Weiterverkauf gelieferte Ware gesundheitlich nicht unbedenklich und deshalb nicht verkehrsfähig ist (BGH NJW 1969, 1171, 1172; NJW 1972, 1462; NJW 1989, 218, 219/220; NJW-RR 2005, 1218, 1219/1220).
a) Dieser Verdacht war hier gegeben. Das von der Insolvenzschuldnerin am 13.12.2005 an die Beklagte gelieferte Fleisch stand unter dem dringenden Verdacht, dass es den lebensmittelrechtlichen Anforderungen an das Inverkehrbringen von Fleisch nicht genügt, da zu befürchten war, dass dieses entweder gesundheitsschädlich oder aus sonstigen Gründen zum menschlichen Verzehr nicht geeignet war oder dass hinsichtlich der Fleischqualität und der Verwendbarkeit manipuliert worden war (Stichworte: Umverpackung, Umetikettierung). Dieser Verdacht folgt schon aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen. Die Pressemitteilung des Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz vom 15.02.2006 (Anl. K12, I 221) zeigt den Umfang der bei den Untersuchungen beanstandeten Proben (Erhöhung von 53 auf 74). Die aktualisierte Rückrufliste (Anl. K8) umfasst bereits 128 Produkte und die als Anl. K10 vorgelegte Fassung bereits 137, was die stattliche Anzahl der Beanstandungen als nicht zum menschlichen Verzehr geeignet zeigt und, da zudem nur die untersuchten Fleischprodukte betroffen sind, erkennen lässt, dass die Insolvenzschuldnerin in erheblichem Umfang unter Verstoß gegen die einschlägigen lebensmittelrechtlichen Normen Fleisch verarbeitet und in den Verkehr gebracht oder dies zumindest versucht hat. Diese Fülle der Verstöße, die sich über die gesamte Produktpalette der Insolvenzschuldnerin erstreckten, gab hinreichenden Anlass zu dem Verdacht, dass das gelieferte Fleisch aufgrund von Verstößen gegen die einschlägigen Lebensmittelnormen nicht verkehrsfähig und damit nicht handelbar war. In den von der Beklagten vorgelegten Ausdrucken aus Veröffentlichung im Internet (Anl. B6 <die Anl. B6 wurde zweimal vorgelegt> und B8 - B11) wurde dies lediglich aufgegriffen. Die wiederholte und pauschale Bezeichnung dieser Medienberichte als "mediale Hetzkampagne" stellt eine unzulässige Verharmlosung der gravierenden Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften dar, die der Insolvenzschuldnerin zur Last gelegt werden, die durch die Presseveröffentlichungen des Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz bestätigt werden (Anl. K10 - K12), dem kaum eine mediale Hetzkampagne gegen die Insolvenzschuldnerin vorgeworfen werden kann.
b) Entgegen der Auffassung des Klägers fehlt der gelieferten Ware nicht nur dann die vertraglich vorausgesetzte Eigenschaft der Handelbarkeit, wenn der Verdacht einer Gesundheitsgefährdung der Verbraucher besteht. Zwar bezog sich in einigen der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs der konkrete Verdacht auf die Gefahr einer Gesundheitsgefährdung. Dies bedeutet jedoch nicht, dass alle anderen Verdachtsmomente, aus denen eine fehlende Handelbarkeit abzuleiten wäre, nicht als Mangel in Betracht kommen, was das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 02.03.2005 (VIII ZR 67/05, NJW-RR 2005, 1218 ff.) belegt. Denn darin wird zu Recht darauf hingewiesen, dass es bei zu menschlichem Verzehr bestimmten Lebensmitteln zur Wiederverkäuflichkeit gehört, dass die Ware gesundheitlich unbedenklich, das heißt jedenfalls nicht gesundheitsschädlich ist (a.a.O. 1220). Auf die Argumentation des Klägers zur fehlenden Gesundheitsgefährdung der Fleischprodukte kommt es somit nicht an. Es genügt, dass der Verdacht von Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften bei der Produktion, der Verpackung und der Kennzeichnung bestand und dass das Fleisch wegen der daraus folgenden Qualifikation als nicht als zum menschlichen Verzehr bestimmt nicht hätte gehandelt werden dürfen. Bereits dies schließt die Verkehrsfähigkeit aus, wie sich schon aus der als Anl. K10 vorgelegten Rückrufliste ergibt, nach der Produkte zurückgerufen werden, weil sie nicht zum menschlichen Verkehr geeignet sind, obwohl nach den mikrobiologischen Untersuchungen aus Bayern keine Gesundheitsgefahr bestand (AH Kl. I 63). Das Landgericht musste deshalb der Frage, ob die an die Beklagte gelieferte Ware gesundheitsgefährdend war, nicht nachgehen, der Vortrag des Klägers dazu war unerheblich. Dass es sonst zu Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften gekommen ist, stellt der Kläger nicht in Abrede. Da auch diese zur fehlenden Verkehrsfähigkeit der Produkte führten, und da ein solcher Verdacht konkret bestand, war die Handelbarkeit aufgehoben und die Sache mangelhaft.
c) Die Auffassung des Klägers, für die Frage der Mangelhaftigkeit komme es darauf an, ob sich der Verdacht der Gesundheitsgefährdung bewahrheitet habe (II 61), widerspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und überzeugt nicht. Zum einen beachtet diese Auffassung nicht, dass die Verkehrsfähigkeit von Fleischprodukten auch dann ausgeschlossen ist, wenn diese zwar noch nicht gesundheitsgefährdend sind, aber sonstige Verstöße gegen das Lebensmittelrecht vorliegen (vgl. die Anl. K10). Zum Anderen hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 14.06.1972 (VIII ZR 75/71, NJW 1972, 1462, 1463) unmissverständlich darauf hingewiesen, dass es genügt, wenn sich der Verdacht als berechtigt bestätigt, die nach Gefahrübergang aufgetretene Unverkäuflichkeit demnach nur einen Mangel bildet, wenn der Verdacht nicht ausgeräumt wird. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Verdacht ausgeräumt worden sein könnte, sind nicht ersichtlich, der Kläger trägt solche Umstände nicht vor. Auch insoweit kommt es nicht darauf an, dass ein einzelner Aspekt der Verdachtsmomente, die Gesundheitsgefährdung, sich bislang nicht positiv bestätigt hat. Es besteht nach wie vor der Verdacht, dass sonstige Manipulationen vorgenommen wurden, die aus lebensmittelrechtlichen Gründen die Verkehrsfähigkeit der Ware aufgehoben haben. Dieser Verdacht hätte allenfalls durch umfangreiche lebensmitteltechnische Untersuchungen durch einen Sachverständigen ausgeräumt werden können, die der Beklagten im Hinblick auf die daraus erwachsene Kostenlast nicht zumutbar waren (BGH NJW 1969, 1171, 1172). Auch insoweit kommt es daher auf den isoliert die Gesundheitsgefährdung betreffenden Vortrag des Klägers und die darauf bezogenen Beweisangebote nicht an, wobei im Übrigen auch nicht nachvollziehbar ist, auf welcher Grundlage die benannten Zeugen (II 69) Auskunft über die an die Beklagte gelieferten Produkte machen könnten, die sie diese weder untersucht noch als beanstandungsfrei übernommen haben.
d) Der Mangel bestand auch bei Gefahrübergang. Zwar war zum Zeitpunkt der Lieferung am 13.12.2005 der Verdacht noch nicht öffentlich geworden und damit die fehlende Verkehrsfähigkeit noch nicht erkannt worden. Darauf kommt es aber auch nicht an, denn maßgebend ist nicht der Zeitpunkt, zu dem der Mangel hervortritt und erkennbar wird. Es kommt allein auf den Zeitpunkt an, in dem der Grund für den Mangel gelegt ist, weshalb es ausreicht, dass bei Gefahrübergang bereits die - wenngleich noch nicht erkannte - Möglichkeit besteht, dass Tatsachen vorliegen, die die Verkäuflichkeit beeinträchtigen (BGH NJW 1972, 1462, 1463; NJW 1989, 218, 220; NJW-RR 2005, 1218, 1220). Da die Manipulationen mit Fleisch, die Grundlage für die lebensmittelrechtlichen Beanstandungen und die Rückrufaktion waren, ausweislich der vorgelegten Anlagen K8 und K10 bereits im März 2005 und auch noch davor begannen, diese Manipulationen die Verkehrsfähigkeit der im Betrieb der Insolvenzschuldnerin hergestellten Fleischwaren beeinträchtigten und aus diesem Umständen der Verdacht fehlender Handelbarkeit herzuleiten ist, war dieser schon vor der Belieferung der Beklagten am 13.12.2005 angelegt und wurde durch die Veröffentlichungen in der Presse nur offenbart.
e) Mit dem erstmals im Berufungsrechtzug vorgebrachten Einwand, die Ware sei handelbar gewesen, weil diese aufgrund der Etiketten nicht als Ware der Firma B. GmbH identifiziert werden konnte, ist der Kläger nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, denn das Unterlassen des Vortrags im ersten Rechtszug beruht auf Nachlässigkeit. Im ersten Rechtszug war unstreitig, dass die Ware als Ware der B. GmbH gekennzeichnet war, denn der Kläger hat diese Behauptung der Beklagten (Schriftsatz v. 18.10.2006, I 129) nicht bestritten. Damit ist die Auffassung des Klägers, er erwidere auf neuen Vortrag der Beklagten und konkretisiere bisherigen Vortrag (Schriftsatz v. 21.04.2008, II 203 ff.) widerlegt. Es handelt sich auch nicht um Vortrag auf einen Hinweis des Senats, denn die Aufforderung, die Kennzeichnung der gelieferten Ware mitzuteilen (Beschluss vom 12.03.2008, II 163), diente ersichtlich allein dazu, die Identifizierung der Ware bei dem vom Kläger beantragten Augenschein zu ermöglichen. Letztendlich kommt es auf die Etikettierung nicht entscheidend an, denn die Beklagte hätte die Herkunft der Ware zumindest auf Nachfrage offenbaren müssen, so dass sie nicht mehr verkauft werden konnte.
2. Die Feststellungen des Landgerichts leiden auch nicht unter Verfahrensfehler.
a) Das Landgericht hat die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels nicht verkannt.
aa) Das Landgericht hat sich aufgrund des Vortrags der Parteien und der vorgelegten Urkunden vom Vorliegen eines Mangels rechtsfehlerfrei überzeugt (§ 286 ZPO). Damit oblag es dem Kläger, den Gegenbeweis zu führen und die Tatsachen (hier: den Weiterverkauf der Waren), mit denen er die Überzeugung des Landgerichts wieder erschüttern wollte, nachzuweisen. Das gleiche gilt, wenn man der Beklagten unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Berufung auf die Mangelhaftigkeit der gelieferten Ware versagen wollte, da sie trotz der fehlenden Verkehrsfähigkeit verkauft worden war. Aus der insoweit in Bezug genommenen Anlage B4 (Schriftsatz vom 18.08.2006, Seite 4, I 85) kann allenfalls entnommen werden, dass die Beklagte Kaufverträge über die Waren abgeschlossen hatte. Aus dem Schreiben ergibt sich aber auch, dass diese Kaufverträge nicht vollzogen und durchgeführt werden konnten, was die Annahme, die Ware sei nicht handelbar gewesen, stützt.
bb) Ob das Landgericht durch § 139 ZPO gehalten war, den Kläger darauf hinzuweisen, dass es vom Vorliegen eines Mangels ausgeht, kann offen bleiben. Selbst wenn der Kläger auf einen solchen Hinweis bereits im ersten Rechtszug die Beweismittel benannt hätte, wäre seiner Klage der Erfolg versagt geblieben. Denn die Vernehmung der Zeugen hat den Weiterverkauf der Ware nicht bestätigt, alle Zeugen haben angegeben, dass die Ware im Lager verbleiben sei (Protokoll vom 25.06.2008, II 255 ff.). Die Zeugen C. H.-K. und A, haben weiter angegeben, dass die Ware Ende 2007 vernichtet wurde (Protokoll vom 25.06.2008, S. 3 f., II 259 ff.). Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass die von der Beklagten geschilderte Art der Vernichtung des Fleisches den lebensmittelrechtlichen Anforderungen widerspricht und dass die Art und Weise der Lagerung der Ware nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums lebensmittelrechtlich bedenklich ist. Daraus kann aber nicht hergeleitet werden, dass entgegen der Angaben der Zeugen von einem Weiterverkauf auszugehen ist.
cc) Das in der Berufungsbegründung zu diesem Thema außerdem beantragte Sachverständigengutachten ist ein ungeeignetes Beweismittel, denn anders als der Zeuge soll der Sachverständige dem Gericht nicht über eigene Wahrnehmung von Tatsachen und tatsächlichen Vorgängen berichten. Der Sachverständige unterstützt das Gericht bei der Auswertung solcher Tatsachen, indem er aufgrund seines Fachwissens darauf gestützte Wertungen, Schlussfolgerungen und Hypothesen bekundet (vgl. statt aller Greger in: Zöller, ZPO, 26. Auflage, § 402 Rn. 1a). Die Tatsache des Weiterverkaufs als solcher hätte durch Vorlage von Urkunden oder gegebenenfalls durch Zeugenbeweis unter Beweis gestellt werden können. Es ist nicht Aufgabe des Sachverständigen und stellt deshalb eine unzulässige Beweisermittlung und Ausforschung dar, Tatsachen erst zu ermitteln. Dass der Kläger mit seinem Beweisantrag dieses Ziel verfolgt, offenbart er bereits dadurch, dass er anregt, dem Sachverständigen für die Art und den Umfang seiner Tätigkeit die erforderlichen Weisungen zu erteilen (II 49), ihm also einen Ermittlungsauftrag erteilen. Auf diesen Beweis ist der Kläger nach den Hinweisen im Termin vom 27.02.2008 auch nicht mehr zurückgekommen.
b) Ein Hinweis des Gerichts darauf, dass es allein auf die Frage ankomme, ob sich der Verdacht der Gesundheitsgefährdung als berechtigt erwiesen habe (Berufungsbegründung Seite 16 f., II 67), war schon deshalb nicht zu erteilen, weil es darauf nicht ankam. Wie bereits gezeigt ist allein entscheidend, dass der Verdacht nicht ausgeräumt werden konnte, bestätigt musste er sich nicht haben, d. h. die von der Beklagten behaupteten Manipulationen an dem Fleisch müssen nicht nachgewiesen werden. Deshalb kommt es auf den nunmehr angebotenen Zeugenbeweis nicht an. Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, wie der Zeuge Dr. S. Auskünfte zu dem microbiologischen Zustand des an die Beklagte gelieferten Fleisches soll machen können, nachdem dieses weder von ihm noch von sonst jemand untersucht wurde. Ebenso ist für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich, ob nicht beanstandete Ware aus dem Lager der Insolvenzschuldnerin an eine andere Firma verkauft worden ist.
c) Zur Beiziehung der Akten des Landgerichts L. , Wirtschaftsstrafkammer, war das Landgericht nicht verpflichtet. Eine pauschale Bezugnahme auf Strafakten ist unzulässig und kein ordnungsgemäßer Beweisantritt. Dazu hätte sich der Kläger auf einzelne Beweisbehauptungen beschränken und konkrete Fundstellen in den Strafakten benennen müssen. Unerheblich ist, was das Erstgericht aus dem Urteil des Landgerichts L. hätte "herauslesen können" (Berufungsbegründung Seite 18, II 71), denn es ist nicht Aufgabe eines Gerichts, Akten beizuziehen und sich aus ihnen das für die Entscheidung des Rechtsstreits wesentliche selbst herauszusuchen und zu würdigen (BGHZ 126, 217). Es ist vielmehr Aufgabe des Beweisführers, konkrete Tatsachenbehauptungen im einzelnen unter Beweis zu stellen. Im Übrigen ist unerheblich, welches Ergebnis der Strafprozess erbracht hat, denn der Mangel ist schon aus dem Verdacht lebensmittelrechtlich unzulässiger Manipulationen mit der Folge, dass die Handelbarkeit entfällt, herzuleiten. Zudem stehen die Schlussfolgerungen, die der Kläger aus dem nach wie vor nicht vorgelegten Urteil ziehen will, in eklatantem Widerspruch zur Rückrufaktion des bayrischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, die danach unberechtigt gewesen wäre, was der Kläger aber selbst nicht behauptet.
3. Die in der Berufung weiter vorgebrachten neuen Beweismittel sind nicht zuzulassen, da von Nachlässigkeit auszugehen ist (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Es ist nicht ersichtlich und wird vor allem auch nicht dargelegt, dass der Kläger im ersten Rechtszug nicht zur Vorlage dieser Urkunden in der Lage gewesen wäre. Dass sie erst jetzt aufgefunden wurden (Berufungsbegründung Seite 25, II 85), belegt lediglich, dass der Rechtsstreit im ersten Rechtszug nicht mit der gebotenen Sorgfalt aufbereitet wurde, denn dann wären diese Urkunden bereits damals aufgefunden worden.
4. Die Beklagte ist mit ihren Mängelrechten auch nicht nach § 377 Abs. 1 oder Abs. 2 HGB ausgeschlossen. Der Kläger verkennt bei seiner Argumentation, dass der Mangel in der fehlenden Handelbarkeit der Waren zu sehen ist, sodass es darauf, ob die Ware darüber hinaus gesundheitsgefährdend war, nicht ankommt. Nachdem dieser Verdacht erst im Januar 2006 aufkam und publik wurde und die Beklagte dies mit Schreiben vom 26.01.2006 auch rügte, ist nicht ersichtlich, dass § 377 Abs. 2 HGB dem Mangeleinwand entgegenstehen könnte. Eine Nachfristsetzung war nach § 323 Abs. 2 Nr. 4 BGB entbehrlich, denn die Art des Mangels (Verdacht der Manipulationen) schloss es aus, dass mangelfreie Waren nachgeliefert werden konnte, denn auch diese wäre unter dem gleichen Verdacht gestanden.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Anlass die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die Frage, "ob die Berger-Wild-Ware aufgrund des Skandals nicht mehr handelbar ist", mag für den Kläger von Bedeutung sein, grundsätzliche Bedeutung kommt ihr aber bereits deshalb nicht zu, weil sich diese Frage in vorliegendem Rechtsstreit nicht stellt und auch nicht entschieden wird. Zu entscheiden ist allein, ob in diesem konkreten Einzelfall der Mangelverdacht die Handelbarkeit der gelieferten Ware ausschließt und Gewährleistungsrechte der Beklagten auslöst.
Verfahrensgang: | LG Heidelberg, 12 O 64/06 KfH vom 24.01.2007 |