OLG Hamburg: Lotto-Werbung auf Linienbussen untersagt
OLG Hamburg, Urteil vom 11.08.2011 - 3 U 145/09
leitsätze
1. Ein Verband privater Unternehmen der Glücksspielbranche handelt nicht deshalb rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG, weil er zwar gegenüber staatlichen Glücksspielunternehmen, nicht jedoch gegenüber seinen eigenen Mitgliedsunternehmen wettbewerbsrechtliche Ansprüche wegen Glücksspielwerbung, die gegen den Glücksspielstaatsvertrag verstößt, geltend macht.
2. Die auf Linienbussen des öffentlichen Personennahverkehrs angebrachten Werbeslogans "Lotto guter Tipp - Hält zum Glück an fast jedem Kiosk" und "Lotto guter Tipp - Fahrscheine vorn - Spielscheine am Kiosk" verletzen das Sachlichkeitsgebot des § 5 Abs. 2 GlüStV, weil durch sie vornehmlich noch nicht zum Glücksspiel entschlossene Personen angesprochen und zur Glücksspielteilnahme angeregt werden. Die auf Nahverkehrsbussen angebrachte Lotteriewerbung mit der blickfangmäßigen Angabe "Jeden Tag Gewinne bis 1 Million €" verstößt ebenfalls gegen § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV, wenn die nach dem Glücksspielstaatsvertrag vorgeschriebenen Warnhinweise auf Jugendschutz und Suchtgefahr allzu unauffällig und praktisch nicht lesbar plaziert sind.
sachverhalt
I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung von Glücksspielwerbung auf Bussen des Öffentlichen Personennahverkehrs in Hamburg in Anspruch.
Der Kläger wurde am 4.12.2008 in das Vereinsregister des Amtsgerichts Köln unter dem Aktenzeichen (...) eingetragen (Anlage B 1). Ihm gehören Mitglieder an, die sich auf dem Markt für Gewinn- und Glücksspielwesen betätigen oder betätigt haben. Dazu gehören Unternehmen aus dem Bereich gewerblicher Lottoservice, Sportwettenvermittlung und -veranstaltung sowie Gewinnspieleintragungsservice-Dienstleistungen. Zum 11.01.2011 wies das Konto des Klägers ein Guthaben von € 294.642,18 auf (Anlage BB 13).
Die satzungsmäßigen Aufgaben des Klägers und der Vereinszweck sind in § 3 der Satzung festgelegt. Dort heißt es:
„§ 3
Vereinszweck- und aufgaben
1. Der Verein fördert insbesondere im Sinne der § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und § 3 UKlaG die gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Interessen seiner Mitglieder und von Personen, die sich unmittelbar oder mittelbar im Wirtschaftsbereich des Geschicklichkeits-, Gewinn- und Glücksspielwesens einschließlich Lotterien, Ausspielungen und Wetten (der „Vereinsinteressenbereich") betätigen und/oder betätigen wollen, unter Ausschluss von Interessen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind. Insbesondere hat der Verein den Zweck und die Aufgaben, im Vereinsinteressensbereich:
a) den lauteren Wettbewerb in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen und/oder gesetzlichen Vorgaben zu fördern, auf faire gesetzliche Rahmenbedingungen für eine freie Entfaltung verantwortungsvoller unternehmerischer Tätigkeit, insbesondere seiner Mitglieder, hinzuwirken oder solche Rahmenbedingungen ggf. zu erhalten sowie unverhältnismäßigen staatlichen Maßnahmen und Beschränkungen einer freien und verantwortungsbewussten Ausübung beruflicher und unternehmerischer Grundfreiheitsrechte politisch und rechtlich entgegenzuwirken;
b) das Marktverhalten von Marktteilnehmern im Vereinsinteressenbereich zu beobachten und auf die Einhaltung der geltenden gesetzlichen Vorgaben und Bestimmungen hin zu kontrollieren, insbesondere im Hinblick auf geltende Vorgaben und Bestimmungen zur
- Spielsuchtprävention und -bekämpfung;
- Ordnung und Überwachung des legalen Glücksspielangebots mit dem Ziel, ein Ausweichen auf illegale Glücksspiele zu verhindern;
- Gewährleistung des Jugend- und Spielerschutzes;
- Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung von Glücksspielen;
- Abwehr von mit illegalen Glücksspielen verbundener Folge- und Begleitkriminalität;
c) im Vereinsinteressenbereich den unlauteren, leistungswidrigen Wettbewerb in allen Erscheinungsformen, auch bezogen auf die Anwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen, im Zusammenwirken mit Behörden und Gerichten zu bekämpfen;
d) die Mitglieder, Unternehmen, Marktteilnehmer und/oder Verbraucher vor unlauteren und leistungswidrigen geschäftlichen Handlungen zu schützen.
Der Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch
[...]
e) außergerichtliche und gerichtliche Verfolgung von Rechtsverstößen in allen Erscheinungsformen im Vereinsinteressenbereich, insbesondere Verstöße gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)."
Der Kläger hat bis heute mindestens 32 Gerichtsverfahren gegen staatliche Lotteriegesellschaften und deren Annahmestellen sowie zahlreiche Abmahnungen initiiert; über die genaue Anzahl sind die Parteien uneinig. Im Sommer 2009 beschloss der Kläger, zunächst keine neuen Wettbewerbsverstöße der staatlichen Lotteriegesellschaften anzugreifen und zu verfolgen, sondern die eingeleiteten Verfahren zunächst zu Ende zu bringen in den verschiedenen OLG-Bezirken. Daneben erwirkte der Kläger einstweilige Verfügungen gegen private Anbieter in mindestens 5 Fällen (Anlagen K 26-30), die jeweils nach dem Glückspielstaatsvertrag unzulässige Internetwerbung zum Streitgegenstand hatten. Der Kläger ging bisher weder gerichtlich noch außergerichtlich gegen eigene Mitglieder vor. Es gab auch Verfahren Dritter gegen mittelbare oder unmittelbare Mitglieder des Klägers (vgl. Anlagen K 31 bis K 37).
Die Beklagte ist ein staatliches Glücksspielunternehmen, das im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg exklusiv eine gesetzlich festgelegte Zahl von Glücksspielen veranstaltet, u.a. die Lotterie „LOTTO 6 aus 49" und „KENO - Die tägliche Lotterie".
Die Beklagte ließ einige Busse der öffentlichen Verkehrsbetriebe in Hamburg zu Werbezwecken mit folgenden Aufschriften versehen:
- „Jeden Tag Gewinne bis 1 Million € - KENO Die tägliche Zahlenlotterie."
- „Fahrscheine vorn - Spielscheine am Kiosk"
- „Lotto Guter Tipp"
- „Hält zum Glück an fast jedem Kiosk"
Hinsichtlich der Gestaltung wird auf die Fotografien im Tenor sowie auf S. 10 ff. des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
Der Kläger hat geltend gemacht, die in der konkreten Form angegriffene Werbung der Beklagten verstoße angesichts der darin liegenden besonderen Aufforderung zur Glücksspielteilnahme gegen § 5 GlüStV. Zudem seien die nach § 5 Abs. 2 S. 3 GlüStV vorgeschriebenen Hinweise auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger sowie auf Suchtgefahren und Hilfsmöglichkeiten nicht hinreichend deutlich.
Er, der Kläger, sei aktivlegitimiert gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Zu berücksichtigen seien sowohl seine Mitglieder, die auf dem Glückspielmarkt tätig seien, als auch die, die nach der - noch nicht erfolgten - Erteilung einer Genehmigung auf dem Glückspielmarkt tätig werden wollten. Auf die Ausführungen zu den Mitgliedern in der Klagschrift sowie in den Schriftsätzen vom 20.05.2009 (Bl. 53 ff. d. A.) und 13.08.2009 (Bl. 105 ff. d. A.) wird Bezug genommen. Er handele auch nicht rechtsmissbräuchlich, da es im Interesse der Allgemeinheit liege, gegen Glücksspielwerbung vorzugehen, die gegen die Werbebeschränkungen des Glücksspielstaatsvertrags verstießen. Berührt seien so wichtige Anliegen wie der Minderjährigenschutz und die Suchtprävention. Einem nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugten Verband sei es im Übrigen nicht verwehrt, nur gegen bestimmte Verletzer vorzugehen, gegen andere aber nicht. Das führe auch nicht zu einer unzumutbaren Benachteiligung des Angegriffenen, da diesem offen stehe, seinerseits gegen gleichartige Verletzungshandlungen der Mitglieder des Klägers vorzugehen. Es komme hinzu, dass die 16 regional tätigen Blockgesellschaften im Deutschen Lotto- und Toto-Block untereinander unlautere Werbung nicht bekämpften. Da auch die Glücksspielaufsicht nicht in ausreichender Weise funktioniere, sei die wettbewerbsrechtliche Kontrolle auf Betreiben privater Marktteilnehmer umso wichtiger. Er, der Kläger, dulde auch nicht etwa planmäßig unlautere Werbung seiner Mitglieder.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,
bei geschäftlichen Handlungen im Bereich des Glücksspielwesens auf Verkehrsmitteln des ÖPNV für die Lotterien Lotto und/oder KENO zu werben und/oder werben zu lassen, wie auf den Bussen der Linie 189, 250 289 in Hamburg geschehen und nachstehend dokumentiert. [es folgen die auf S. 10 ff. des Urteils des Landgerichts abgebildeten Fotos]
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen: Der Kläger sei nicht aktivlegitimiert. Ihm gehöre insbesondere entgegen § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG keine erhebliche, repräsentative Zahl von Unternehmen an, die Waren oder Dienstleistungen in gleicher Art und Weise anböten. Die Klage sei rechtsmissbräuchlich gemäß § 8 Abs. 4 UWG. Der Kläger lasse die Verstöße seiner Mitglieder, obwohl ihm bekannt, stets unbeanstandet und konzentriere sich stattdessen einzig darauf, in mittlerweile über 60 Verfahren gegen staatliche Lotteriegesellschaften und deren Annahmestellen (vgl. Anlagen K 9 und K 17) vorzugehen. Im Übrigen bestehe kein Unterlassungsanspruch, da der streitgegenständlichen Werbung kein unzulässiger Aufforderungscharakter i.S.v. § 5 GlüStV zukomme.
Das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 27, hat mit Urteil vom 22.10.2009, Az. 327 O 144/09, die Klage als unzulässig abgewiesen. Auf das Urteil des Landgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung. Er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag:
Zu Unrecht habe das Landgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Es liege kein Rechtsmissbrauch vor. Er, der Kläger, habe nicht - wie vom Landgericht angenommen - über 60 Verfahren gegen Blockgesellschaften initiiert. Nur in Verfahren gegen Blockgesellschaften könne zudem die Aktivlegitimation des Klägers geprüft werden, weil private Unternehmen diese nicht bestritten. Weil es an vergleichbarer Werbung von Mitgliedern des Klägers fehle, könne von planmäßiger Duldung wettbewerbswidriger Werbung durch ihn, den Kläger, keine Rede sein. Es gebe auch keinen Beschluss des Klägers, gegen Mitgliedsunternehmen nicht einzuschreiten. Eine Rechtspflicht, Werbung anzugreifen, die die Blockgesellschaften selbst nicht angriffen, bestehe nicht. Weiter sei zu berücksichtigen, dass es faktisch keine effektive Kontrolle des Wettbewerbsverhaltens der Blockgesellschaften durch die staatlichen Aufsichtsbehörden gebe. Die Klage sei auch begründet, da die streitgegenständliche Werbung einen Verstoß gegen § 5 GlüStV darstelle und somit ein Unterlassungsanspruch bestehe.
Der Kläger hat in der Berufung die Klage hinsichtlich zweier Fotografien (viertes und siebtes Foto der ursprünglichen Reihenfolge) zurückgenommen und beantragt nunmehr,
- wie erkannt -.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22.10.2009 (Az. 327 O 144/09) zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil, wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie ergänzt ihren Vortrag wie folgt: Zu Recht habe das Landgericht Rechtsmissbrauch angenommen. Es sei zu vermuten, dass die anfänglichen Verfahren gegen private Glücksspielanbieter nur durchgeführt worden seien, um Mitglieder zu gewinnen. Die Mitglieder des Klägers würden nicht nur gegen § 5 Abs. 2 GlüStV verstoßen, wie es der Beklagten in diesem Verfahren vorgeworfen werde. Das Verhalten der meisten Mitglieder sei vielmehr viel gefährlicher, weil sie in Deutschland entgegen § 4 Abs. 1 und Abs. 4 GlüStV insgesamt verbotene Glücksspiele anböten, so dass eine Vergleichbarkeit vorliege. Für das vom BGH für einen Rechtsmissbrauch geforderte „planmäßige Dulden" sei kein „irgendwie gearteter Beschluss" erforderlich; ausreichend seien Umstände, aus denen sich - wie hier - eine diskriminierende Verletzerauswahl herleiten lasse. Rechtfertigungsgründe für die diskriminierende Störerauswahl seien nicht ersichtlich. So hege nur noch das OLG Koblenz europarechtliche Zweifel am Glücksspielstaatsvertrag. Die Klage sei im Übrigen auch unbegründet: Die angegriffene Werbung verstoße nicht gegen § 5 GlüStV. Werbung auf Linienbussen sei grundsätzlich nicht verboten. Abzustellen sei daher auf den Inhalt, nicht aber die Form der Werbung. § 5 GlüStV erlaube grundsätzlich Werbung für Glücksspiele. Grenze der zulässigen Werbung sei das Sachlichkeitsgebot des § 5 Abs. 2 GlüStV. Die Werbung auf den Linienbussen sei nicht unsachlich und wirke nicht besonders anreizend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
aus den gründen
II. Die zulässige Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das Landgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Sie ist zulässig und begründet.
1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist aktivlegitimiert gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und handelt nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG.
a) Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen prozessführungsbefugt, soweit ihm eine erhebliche Anzahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, soweit er insbesondere nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Art imstande ist, seine satzungsmäßigen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen seiner Mitglieder berührt.
Der Kläger ist gemäß § 21 BGB rechtsfähig, da er seit dem 4.12.2008 in das Vereinsregister des Amtsgerichts Köln eingetragen ist (vgl. Anlage B 1). Gemäß § 3 der Satzung des Klägers ist sein Vereinszweck auch die Förderung der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Interessen seiner Mitglieder aus dem Wirtschaftsbereich des Geschicklichkeits-, Gewinn- und Glücksspielwesens, insbesondere die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs in diesem Bereich (vgl. § 3 Ziffer 1 d der Satzung, Anlage B 1).
Er verfügt auch über eine „erhebliche" Anzahl von Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie die Beklagte vertreiben. Dies ist weit auszulegen. Zu berücksichtigen sind dabei die Mitglieder, die auf demselben räumlichen und sachlichen Markt der Beklagten als Wettbewerber begegnen, also um Kunden konkurrieren können (vgl. zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a. F.: BGH GRUR 1997, 145, 146 - Preisrätselgewinnauslobung IV). Es ist nicht erforderlich, dass die Mitglieder des Klägers auf der gleichen Wirtschaftsstufe stehen wie die Beklagte und identische Waren vertreiben (vgl. zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a. F.: BGH GRUR 1996, 804, 805 - Preisrätselgewinnauslobung III). Vielmehr reicht es aus, wenn die Waren sich so gleichen oder nahestehen, dass der Absatz des einen Wettbewerbers durch ein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann und „eine nicht gänzlich unbedeutende potenzielle Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann", etwa bei Zugehörigkeit zur selben Branche (BGH GRUR 2007, 610, 611 - Sammelmitgliedschaft V). Für die Frage der „Erheblichkeit" der Mitgliederzahl kommt es nicht auf eine bestimmte Mindestanzahl an. Die Mehrheit der Marktteilnehmer ist nicht erforderlich. Ausreichend ist, wenn Mitbewerber aus dem relevanten Markt nach Anzahl, Größe oder Marktbedeutung so vertreten sind, dass ein missbräuchliches Vergehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann (BGH GRUR 2007, 610, 611 - Sammelmitgliedschaft V; vgl. auch zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a. F.: BGH GRUR 1997, 145, 146 - Preisrätselgewinnauslobung IV). Dazu kann auch eine geringe Zahl entsprechend tätiger Mitglieder genügen, wenn nicht nur Individualinteressen einzelner wahrgenommen werden (BGH GRUR 2007, 610, 611 - Sammelmitgliedschaft V). Für die Frage, ob Unternehmen aus der einschlägigen Branche repräsentativ im Verband vertreten sind, ist die Struktur des Marktes zu berücksichtigten: gerade in oligopolistisch geprägten Märkten führten überhöhte Anforderungen an Zahl und wirtschaftliches Gewicht der Mitgliedsunternehmen zu einer unangemessenen Einschränkung der Klagebefugnis (BGH GRUR 2009, 692, 693 - Sammelmitgliedschaft IV; siehe auch Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl. 2007, Kap. 13 Rn. 30 d; Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. 2011, § 8 Rn. 3.42a). Berücksichtigt werden können sowohl mittelbare als auch unmittelbare Mitglieder (BGH GRUR 2007, 610, 611 - Sammelmitgliedschaft V). Dazu gehören auch potentielle Wettbewerber, soweit konkrete Vorbereitungshandlungen bereits getroffen wurden und ein Markteintritt unmittelbar bevorsteht (vgl. Köhler/Bornkamm a.a.O., § 2 UWG Rn. 30 und § 8 Rn. 3.29; BGH WM 1984, 1037, zitiert nach juris, Rz. 14 - Charterfluggesellschaften). Unerheblich ist, ob die Tätigkeit, die das Wettbewerbsverhältnis begründet, gesetzwidrig oder wettbewerbswidrig ist (BGH GRUR 2005, 519, 520 - Vitamin-Zell-Komplex).
Die Beklagte ist das staatliche Glücksspielunternehmen in Hamburg. Sachlich relevanter Markt ist daher der Markt des Glücksspielwesens. Dabei ist nicht nur abzustellen auf das Anbieten von Lotterien, Sportwetten und sonstigen Glücksspielen, sondern - aufgrund der gebotenen weiten Auslegung - auch auf Dienstleistungen zur Vermittlung und Vermarktung von Glücksspielen einschließlich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Nach den vorgenannten Grundsätzen verfügt der Kläger über eine ausreichende Anzahl von Mitgliedern aus dem staatlich regulierten Glücksspielmarkt, der teilweise den staatlichen Monopolanbietern vorbehalten und privaten Anbietern verwehrt bleibt. Denn zu berücksichtigen sind danach die folgenden Mitglieder des Klägers:
- die B. AG, die zusammen mit Franchisepartnern Pferde- und Sportwetten in Deutschland anbietet und u.a. auch selbst 4 Filialen in Hamburg betreibt; zwei weitere Filialen in Hamburg werden von mit ihr verbundenen Unternehmen betrieben;
- die F. GmbH, die die staatlichen Lotterien „6 aus 49", „Spiel 77" und „Super 6" bundesweit im Wege des Postvertriebs vermittelt und derzeit auch in Hamburg über eine Erlaubnis zur gewerblichen Spielevermittlung und über mehrere Tausend aktive Mitspieler verfügt;
- die k. gmbH mit Sitz in Hamburg, die für gewerbliche Spielevermittler und Sportwettenanbieter und Institutionen aus diesem Marktsegment PR-Konzepte entwickelt und für diese bundesweit Maßnahmen im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit durchführt;
- die Lo. GmbH, die eine Bonner Anwaltskanzlei damit beauftragt hat, u.a. auch in Hamburg eine Genehmigungen für die gewerbliche Spielvermittlung einzuholen, um sodann in diesem Bereich tätig zu werden;
- die J. GmbH, die sich mit ihrem Online-Angebot in erster Linie an Pferdewettkunden richtet und bundesweit über Internet ihre kostenlose Lotterie „freelotto" anbietet und u.a. auch in Hamburg einen Antrag auf Genehmigung der gewerblichen Spielvermittlung gestellt hat, um nach Erteilung der Genehmigung in diesem Bereich tätig zu sein;
- die B. GmbH, die - u.a. - in Hamburg über eine Genehmigung für die gewerbliche Spielvermittlung verfügt und in diesem Bereich tätig ist;
- die G. GmbH, die im Bereich der gewerblichen Spielvermittlung tätig ist und für Hamburg über eine Genehmigung verfügt;
- die L. GmbH & Co. KG, die u.a. in Hamburg über eine Tätigkeitsgenehmigung unter dem Glückspielstaatsvertrag verfügt, auch wenn sie derzeit keine Kunden in Hamburg hat;
- die L. B.V., die u.a. auch in Hamburg Gewinnchancen an einem Gewinnspiel verkauft;
- die M. GmbH, die europaweit Marketingmaßnahmen im Lotteriebereich und im Glücksspielwesen durchführt;
- die T. GmbH, die u.a. auch in Hamburg mit einer Tätigkeitsgenehmigung nach dem Glückspielstaatsvertrag als gewerbliche Spielvermittlerin von Lotto-Tippgemeinschaften tätig ist;
- die T. AG, die bis Dezember 2008 im Internet als gewerbliche Lottovermittlerin tätig war und derzeit Verwaltungsrechtsstreitigkeiten in allen Bundesländern führt mit der Absicht, ihre Tätigkeit wieder aufzunehmen;
- die B. D. GmbH, die Marketing u.a. auch für gewerbliche Spielvermittler und Lotterieeinnehmer anbietet;
- der D.B.-Verband (DBV), der die Interessen der in Deutschland nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz zugelassenen Buchmacher vertritt und auch Mitgliedsunternehmen aus Hamburg hat;
- der F. e.V., eine Berufsvertretung der staatlich zugelassenen Lotterieeinnehmer, von denen 19 ihren Sitz in Hamburg haben;
- der Zentralverband der Staatlichen Lotterie-Einnehmer der S. K. e.V., die u.a. im Postversand bundesweit die Teilnahme an der Lotterie anbieten und vermitteln;
- der V., dessen Mitglieder im Rahmen der Vermittlung von Sportwetten über Geschäftsbesorger bundesweit tätig sind und zu dessen Mitgliedern die Sportwettenanbieter D., P., T. und H. gehören, die bundesweit tätig sind.
Unerheblich ist insoweit der Einwand der Beklagten, dass einige der vorgenannten Mitglieder noch nicht über eine Genehmigung in Hamburg verfügen oder noch keine Kunden in Hamburg haben: soweit dies der Fall ist, sind sie als potentielle Wettbewerber zu berücksichtigen, weil sie durch die Stellung von Anträgen oder eine bundes- oder europaweite Tätigkeit bereits ausreichende Vorkehrungen für einen Markteintritt geschaffen haben. Auf die etwaige Illegalität des Handelns einzelner Mitglieder des Klägers kommt es, wie ausgeführt, für die Frage der Eigenschaft als Wettbewerber nicht an.
Die ausreichende personelle Ausstattung des Klägers steht zwischen den Parteien nicht mehr im Streit. Auch eine ausreichende finanzielle Ausstattung zur Wahrnehmung seiner satzungsmäßigen Aufgaben ist zu bejahen. Zum 11.01.2011 wies das Konto des Klägers - unstreitig - ein Guthaben von € 294.642,18 auf (Anlage BB 13). Dies ist - auch unter Berücksichtigung der vom Kläger betriebenen Gerichtsverfahren - selbst dann ausreichend, wenn die Mitglieder des Klägers nicht - wie vom Kläger vorgetragen und von der Beklagten bestritten - zum Nachschuss verpflichtet sind.
b) Der Kläger handelt auch nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG, wenn er sich gegen staatliche Anbieter von Glücksspielen wendet, nicht aber gegen eigene Mitglieder.
Gemäß § 8 Abs. 4 UWG ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Anhaltspunkte dafür, dass das Vorgehen des Klägers gegen die Beklagte vorwiegend darauf gerichtet ist, Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten zu erzielen, sind nicht ersichtlich.
Die Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs ist aber auch dann rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG, wenn der Anspruchsberechtigte überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (BGH GRUR, 2000, 1089, 1090 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH GRUR 2009, 1180, 1181 f. - 0,00 Grundgebühr). Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist jeweils aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (BGH GRUR 2001, 354, 355 - Verbandsklage gegen Vielfachabmahner). Die Auswahl eines von mehreren Anspruchsgegnern kann also rechtsmissbräuchlich sein, wenn sie auf sachfremden Erwägungen beruht; weil es aber dem Verletzten freisteht, auch bei vergleichbaren Verletzungen nur gegen einen oder einzelne von mehreren Verletzern vorzugehen, ist die selektive Verfolgung des Anspruchs als solche nicht rechtsmissbräuchlich (zu § 13 Abs. 5 UWG a.F.: BGH GRUR 1999, 515, 516 - Bonusmeilen; BGH GRUR 1997, 537, 538 - Lifting-Creme; BGH GRUR 1997, 681, 683 - Produktwerbung). Ob das planmäßige Dulden von Rechtsverstößen der Verbandsmitglieder vor diesem Hintergrund ein valides Kriterium für die Annahme von Rechtsmissbrauch sein kann, wie der Bundesgerichtshof es in der Entscheidung „Produktwerbung" (GRUR 1997, 681, 683) zumindest erwogen hat, stellt Professor Dr. K. in seinem für den Kläger erstatteten Rechtsgutachten vom 11.9.2009 (Anlage K 48) mit beachtlichen Gründen in Frage. Der Senat teilt die Auffassung Professor Dr. K., dass die formelhafte Wendung des „planmäßigen Duldens" den Blick auf die für die Frage der Sachwidrigkeit eigentlich relevante tatsächliche Motivationslage verstellt, dass also vielmehr auch hier danach zu fragen ist, ob das Vorgehen des Verbands auf nicht schutzwürdigen Interessen beruht bzw. ob es sonstige Umstände gibt, die den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs begründen oder - im Gegenteil - ausschließen.
Im vorliegenden Fall ist die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch den Kläger nicht rechtsmissbräuchlich. Es kann nicht festgestellt werden, dass das Vorgehen des Klägers - Inanspruchnahme der Beklagten und der übrigen staatlichen Glücksspielanbieter, nicht aber seiner eigenen Mitglieder - überwiegend auf sachfremden Gründen beruht. Im Ausgangspunkt steht es nach dem vorstehend Ausgeführten auch dem Kläger frei zu entscheiden, ob und gegen welchen Verletzer er vorgeht. Die Betrachtung der weiteren Umstände des Falles fördert keine Umstände zutage, die die Verfolgung sachfremder Interessen belegen könnten.
Bei der Bewertung des Verhaltens des Klägers sind die Besonderheiten des hier betroffenen Glückspielmarkts zu berücksichtigen. Ziel des Glücksspielstaatsvertrags ist die Verhinderung und Bekämpfung von Glücksspiel- und Wettsucht, die Begrenzung des Glückspielangebots und seine Lenkung in geordnete und überwachte Bahnen, der Jugend- und Spielerschutz sowie der Schutz vor betrügerischen Machenschaften und Begleitkriminalität (siehe § 1 GlüStV). Es handelt sich hierbei - dies darf betont werden - um öffentliche Interessen von besonderer Bedeutung. Zur Erreichung dieser Zwecke sieht der Glücksspielstaatsvertrag die Wahrnehmung des Glücksspielangebots durch die Bundesländer oder deren staatliche Zweckgesellschaften vor, denen eine weitgehende Monopolstellung zugestanden wird (s. § 10 GlüStV). Es ist unstreitig, im Übrigen aber auch evident, dass die Mitgliedsunternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks das wettbewerbliche Verhalten der anderen Blockgesellschaften nicht in nennenswerter Weise einer lauterkeitsrechtlichen Überprüfung zuführen. Mit dem - gesetzgeberisch gewollten - Mangel an Wettbewerb auf dem durch den Glücksspielstaatsvertrag regulierten Glücksspielmarkt geht folglich ein wettbewerbsrechtliches Vollzugsdefizit einher, welches dem deutschen wettbewerbsrechtlichen Konzept der privatautonomen Anspruchsverfolgung im Interesse der Marktteilnehmer und der Allgemeinheit (vgl. § 1 UWG) tendenziell zuwiderläuft. Dieser Befund wird durch den Hinweis auf die Kontrollfunktion der öffentlich-rechtlichen Glücksspielaufsicht nicht entkräftet: die gewerberechtliche Kontrolle tritt auch auf nicht regulierten Märkten stets neben das lauterkeitsrechtliche System, ersetzt dieses aber nicht; im Übrigen ist gleichermaßen evident, dass die Glücksspielaufsicht das genannte lauterkeitsrechtliche Vollzugsdefizit nicht vollständig ausfüllt. Diese Konstellation führt im Ergebnis dazu, dass die Verfolgung von Verstößen der marktbeherrschenden staatlichen Zweckgesellschaften gegen die im Glücksspielstaatsvertrag vorgesehenen Regeln ungebührlich eingeschränkt würde, wenn man einem Verband nach Art des Klägers die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche verwehrte (vgl. OLG Koblenz, GRUR-RR 2010, 16, 17; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2010, 301). Die Tätigkeit des Klägers ist auch unter Berücksichtigung des unter Mitwirkung von Mitgliedsunternehmen des Klägers aus dem Ausland betriebenen glücksspielrechtlichen „Graumarktangebots" nicht als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen. Denn es geht angesichts der erheblichen Bedeutung der mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgten öffentlichen Interessen nicht an, das Verhalten der inländischen Glücksspielveranstalter unter Hinweis auf etwaig rechtswidriges Verhalten aus dem Ausland agierender Anbieter von wettbewerbsrechtlicher Kontrolle freizustellen; es handelt sich hierbei letztlich um eine Erscheinungsform des „unclean-hands-Einwands", der anerkanntermaßen jedenfalls dann keinen Erfolg haben kann, wenn die Rechtsverfolgung zugleich der Wahrung öffentlicher Interessen dient (vgl. BGH GRUR 1977, 494, 497 - DERMATEX; BGH GRUR 1997, 537, 538 - Lifting-Creme; BGH GRUR 1997, 681, 683 - Produktwerbung; siehe auch KG. GRUR-RR 2010, 31, 32).
Auch soweit der Kläger ausgeführt hat, aufgrund europarechtlicher Bedenken wegen der Wirksamkeit des GlüStV nicht gegen eigene Mitglieder vorzugehen, spricht dies gegen die Annahme einer unzulässigen Diskriminierung. Denn es war zunächst ungeklärt, ob ein Verbot des Veranstaltens und Vermitteln von Glücksspielen im Internet mit Art. 49 EG vereinbar ist. Erst mit Urteil vom 8.09.2010 hat der EUGH auch hinsichtlich des GlüStV entschieden, dass die Regelung zum Internetverbot europarechtlich nicht zu beanstanden ist (Verfahren C-46/08 - Carmen Media, zitiert nach juris, Rz. 105 und 110 f.). In der Entscheidung hat der EuGH jedoch auch festgestellt, dass Art. 49 EG dahin auszulegen ist, dass ein nationales Gericht berechtigten Anlass zu der Schlussfolgerung haben kann, dass ein regionales staatliches Monopol auf Sportwetten und Lotterien nicht geeignet ist, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und Spielsucht zu bekämpfen, wenn andere Arten von Glücksspielen von privaten Veranstaltern, die über eine Erlaubnis verfügen, betrieben werden dürfen und in Bezug auf andere Arten von Glücksspielen, die nicht unter das Monopol fallen und zudem ein höheres Suchtpotenzial als die dem Monopol unterliegenden Spiele aufweisen, die zuständigen Behörden eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung betreiben, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren (vgl. EuGH zum GlüStV, Urt. v. 8.09.2010, C-46/08 - Carmen Media, zitiert nach juris, Rz. 71). Wenn in dieser Situation der Kläger nur gegen staatliche Anbieter, nicht aber gegen eigene Mitglieder vorgeht, kann daraus nicht auf sachfremde Interessen geschlossen werden.
Nach alledem fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten für ein Vorgehen des Klägers gegen die Beklagte aus sachfremden Gründen.
2. Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.
a) Gegenstand des Antrags ist das Verbot,
bei geschäftlichen Handlungen im Bereich des Glücksspielwesens auf Verkehrsmitteln des ÖPNV für die Lotterien Lotto und/oder KENO zu werben und/oder werben zu lassen, wie auf den Bussen der Linie 189, 250 289 in Hamburg geschehen und in den im Tenor wiedergegebenen Fotografien dokumentiert.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Nennung der Nummern der Buslinien im Antrag im Hinblick auf die Verbotsreichweite keine Bedeutung haben soll und dass ein Verbot sowohl einzeln hinsichtlich jeder auf einem Foto wiedergegebenen konkreten Busgestaltung als auch kumulativ hinsichtlich der Gestaltung der Busse insgesamt begehrt wird („und/oder").
b) Dem Kläger steht gemäß §§ 4 Nr. 11, 8 Abs. 1, 3 Abs. 1 UWG i. V. m. § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu. Die streitgegenständliche Werbung der Beklagten auf den Linienbussen der öffentlichen Verkehrsbetriebe in Hamburg verstößt gegen § 5 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 1 GlüStV. Die Vorschriften in § 5 Abs. 1 und 2 des Glücksspielstaatsvertrags, der in Hamburg am 19.12.2007 in Kraft getreten ist (HmbGVBl. 2007, 441), sind dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (§ 4 Nr. 11 UWG), denn sie dienen dem Schutz der Spieler und Spielinteressenten vor Glücksspielsucht und setzen zu diesem Zweck der Werbung von Anbietern öffentlichen Glückspiels auf dem Markt Grenzen (BGH GRUR 2011, 440, 442, Tz. 18 - Spiel mit; KG GRUR-RR 2010, 22, 26; OLG München, GRUR-RR 2008, 310, 311; OLG Oldenburg, GRUR-RR 2009, 67 f.).
Gemäß Art. 2 lit. a der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung ist Werbung „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern". Nach § 5 Abs. 1 GlüStV hat sich Werbung für öffentliches Glücksspiel auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeiten des Glücksspiels zu beschränken. Nach § 5 Abs. 2 GlüStV darf sie nicht im Widerspruch zu den Zielen des § 1 GlüStV stehen, insbesondere nicht gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordern, anreizen oder ermuntern. Denn Ziel des § 1 GlüStV ist es unter anderem, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern, die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen und das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern (§ 1 Ziff. 1 und 2 GlüStV). Das bedeutet, dass zwar der bereits vorhandene Spieltrieb gelenkt werden soll, dass aber bisher nicht zum Glücksspiel entschlossene Personen nicht dazu ermuntert werden sollen, an Glücksspielen teilzunehmen. Zwar kann auch eine schlichte Information über ein Glücksspiel eine Anlockwirkung zur Spielteilnahme enthalten, die gemäß § 5 Abs. 1 GlüStV hinzunehmen ist (BGH GRUR 2011. 440, 442, Tz. 14 - Spiel mit). Verboten sind danach aber insbesondere unangemessene und unsachliche Werbungen, insbesondere mit einer unmittelbaren, gezielten Appellfunktion zur Spielteilnahme (KG GRUR-RR 2010, 31, 33 - LOTTO-Trainer). Mit dem Glücksspielstaatsvertrag ist Werbung nicht zu vereinbaren, die die Teilnahme am Glücksspiel als aussichtsreiche Möglichkeit materiellen Zugewinns, als positiv bewertete Unterhaltung oder gar als wünschenswertes, sozialadäquates oder sozial verantwortliches Handeln aufwertet (BVerwG, Urteil v. 24.11.2010 Az. 8 C 15/09, GewArch 2011, 222 Tz. 46 u. 51; so zum GlStV 2004 bereits BVerfG, Urteil v. 28.03.2006, Az. 1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, 276, 318 Tz. 136). Deshalb ist zwar nicht die Verwendung einer Dachmarke, wohl aber jede Form der Image- oder Sympathiewerbung unzulässig, die über den Hinweis auf die Legalität der Monopolangebote hinaus Sympathien für das Glücksspiel selbst weckt (BVerwG, Urteil v. 24.11.2010 Az. 8 C 15/09, GewArch 2011, 222 Tz. 52). Für die Beantwortung der Frage, ob eine Werbung den Anforderungen des § 5 Abs. 1 GlüStV entspricht, ist nicht zwischen sachlichem Gehalt einerseits und werblicher Umrahmung andererseits zu unterscheiden, sondern allein darauf abzustellen, ob Text und Aufmachung von einem noch nicht zum Glücksspiel entschlossenen durchschnittlichen Empfänger als Motivierung zum Glücksspiel zu verstehen sind (BVerwG Urteil v. 24.11.2010, Az. 8 C 15/09, GewArch 2011, 222 Tz. 48f. gegen VGH München, Urteil v. 18.12.2008, Az. 10 BV 07.558, ZfWG 2009, 27, juris-Tz. 82 ff.). Die streitgegenständliche Werbung genügt den Anforderungen des § 5 Abs. 1 GlüStV nicht:
(1) Der auf dem ersten Foto abgebildete Bus ist von der Seite zu sehen und enthält vorne und hinten den Aufdruck „Lotto guter Tipp" sowie in der Mitte den Aufdruck „Hält zum Glück an fast jedem Kiosk".
Die Werbeaussage „Lotto Guter Tipp" verletzt das Sachlichkeitsgebot des § 5 Abs. 2 GlüStV. Denn es handelt sich nicht um eine bloße sachliche Information und Aufklärung über die Möglichkeiten eines Glücksspiels, sondern um einen Anreiz zu einer Spielteilnahme, dem keine Informationen über das konkrete Spiel „Lotto" zu entnehmen sind. Die Worte „guter Tipp" enthalten eine positive Wertung, die die angesprochenen Verkehrskreise dazu anregt, an dem Spiel teilzunehmen: über die Anspielung auf den „Lotto-Tipp" - also den Vorgang der Spielteilnahme - hinausgehend wird kommuniziert, dass das Lottospiel eine sinnvolle, nützliche, empfehlenswerte Beschäftigung, also eine „gute Idee" darstelle. Die in diesen Worten liegende Aufforderung ist - da sie sich auf einem Bus befindet, der sich im öffentlichen Verkehr bewegt - vornehmlich an Personen gerichtet, die nicht bereits eine Spielabsicht haben, sondern noch auf die Idee einer Spielteilnahme gebracht werden sollen (vgl. KG GRUR-RR 2010, 31, 33 - LOTTO-Trainer). Sie wird noch verstärkt durch die Kombination der Worte „Lotto Guter Tipp" mit den Worten „Hält zum Glück an fast jedem Kiosk", da die potentiellen Glücksspielteilnehmer nicht nur auf den Ort der Spielteilnahme hingewiesen werden, sondern dies zugleich mit der positiven Wertung unterlegt wird, dass der Bus „zum Glück" die Spielstätten ansteuere, dass also die dem Betrachter ans Herz gelegte Glücksspielteilnahme in praktischer und unaufwendiger Weise zeitnah umgesetzt werden könne. Die mitgeteilte sachliche Information wird so in zum Spiel anreizender Weise übersteigert.
(2) Auf dem zweiten Foto ist die Seite eines Busses mit der Aufschrift „Lotto guter Tipp" zu sehen. Diese Aufschrift stellt eine Aufforderung zur Teilnahme am Glücksspiel dar, der keine sachliche Information oder Aufklärung zu entnehmen ist und die daher das Sachlichkeitsgebot des § 5 Abs. 2 GlüStV verletzt. Auf die Ausführungen dazu unter II. 2. b) (1) wird Bezug genommen.
(3) Auf dem dritten Foto ist die Rückseite eines Busses zu sehen mit der blickfangmäßig hervorgehobenen Aufschrift „Jeden Tag Gewinne bis 1 Million €" und der rechts daneben befindlichen, nach Art eines Logos dargestellten Angabe „KENO Die tägliche Zahlenlotterie". Am unteren Rand des violett unterlegten oberen Teils der Werbung befindet sich die Angabe „Auch mit null Richtigen können Sie gewinnen!". Unter dem Slogan „Jeden Tag Gewinne bis zu 1 Million" befindet sich die kleingedruckte Angabe zur Gewinnwahrscheinlichkeit. Der untere, gelb unterlegte Teil der Werbung enthält rechts das „Keno"-Logo sowie links wiederum kleingedruckt den Hinweis auf das Verbot der Spielteilnahme Minderjähriger sowie auf die Suchtgefahren und Hilfsangebote bei Spielsucht.
Auch diese Gestaltung verstößt gegen § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV. Zwar stellt die sachliche Information über Art und Höhe der ausgelobten Preise eine zulässige Information über die Möglichkeit zum Glücksspiel gemäß § 5 Abs. 1 GlüStV dar, deren unvermeidliche Anreizwirkung zur Wahrung des ebenfalls verfolgten Schutzzwecks des GlüStV, den Spieltrieb zu kanalisieren, hingenommen werden muss, wenn der Anreizwirkung durch die nach dem GlüStV vorgesehenen Warnhinweise in hinreichender Weise entgegengewirkt wird (BGH GRUR 2011, 440 Tz. 111 14 - Spiel mit). Besteht allerdings in der werblichen Darstellung ein Missverhältnis zwischen der Herausstellung des Höchstgewinns und der Erwähnung der Warnhinweise nach § 5 Abs. 2 S. 3 GlüStV (Jugendschutz und Suchtgefahren) bzw. Nr. 2 des Anhangs zum GlüStV (Gewinnwahrscheinlichkeit), das dazu führt, dass die Warnhinweise kaum in Erscheinung treten und zu übersehen zu werden drohen, so ist die Werbung nach § 5 Abs. 2 GlüStV unzulässig (OLG München, GRUR-RR 2008, 310, 311; KG GRUR-RR 2010, 22, 27). Um einen solchen Fall handelt es sich auch vorliegend. Die angegriffene Werbung wirkt in unzulässiger Weise anreizend. Die Ankündigung des Höchstgewinns von 1 Million Euro springt dem Betrachter geradezu ins Auge; sie richtet sich als Werbung auf einem Linienbus des öffentlichen Personennahverkehrs nicht an bereits zum Spielen Entschlossene, sondern vornehmlich an lediglich potentielle, aber noch nicht entschlossene Kunden und reizt diese zum Spiel an. Hingegen erscheinen die Warnhinweise, die die anlockende Wirkung des Höchstgewinns abschwächen könnten, allzu unauffällig und praktisch nicht lesbar in der Mitte bzw. am unteren Rand der Werbung. Der Hinweis auf die Gewinnwahrscheinlichkeit ist zwar direkt unter der Angabe über den Höchstgewinn etwa in mittlerer Höhe der Werbung angebracht, aber in viel zu kleiner Drucktype dargestellt, um auf einem sich im Straßenverkehr bewegenden Werbemedium als den Blickfang ergänzende Information vom Betrachter wahrgenommen zu werden. Für den Hinweis auf Jugendschutz und Suchtgefahren gilt dies in noch viel stärkerem Maße, weil er nicht nur in höchst unauffälliger Schriftgröße gehalten, sondern auch am unteren, farblich anders unterlegten Rand der Werbung angebracht ist.
(4) Das vierte Foto zeigt allein die bereits unter II. 2. b) (3) beschriebene Busrückseite, ohne eine Seitenansicht. Auch diese - identische - Gestaltung der Busrückseite verstößt gegen den GlüStV. Auf die Ausführungen unter (3) wird verwiesen.
(5) Auf dem fünften Foto ist die Seitenansicht eines Busses zu sehen mit der Aufschrift „Lotto guter Tipp" vorne und hinten sowie der Aufschrift „Fahrscheine vorn - Spielscheine am Kiosk" in der Mitte. Auch diese Gestaltung verletzt bereits durch die Aufschrift „Lotto guter Tipp" mit der dieser innewohnenden Appellfunktion das Sachlichkeitsgebot des § 5 Abs. 2 GlüStV. Insoweit wird auf die Ausführungen unter II. 2. b) (1) verwiesen. Verstärkt wird diese Appellfunktion durch die Kombination mit der Aufschrift „Fahrscheine vorn - Spielscheine am Kiosk". Denn die Gegenüberstellung von Fahrscheinen und Spielscheinen lässt letztere ebenso wie erstere als Gegenstände des täglichen Bedarfs, also als notwendige und nützliche Gebrauchsgegenstände erscheinen; das Lottospiel erhält hier den Anstrich einer sozialadäquaten Verhaltensweise, welcher - wie vorstehend ausgeführt - in der Werbung für Glücksspiele unzulässig ist. Dass diese Angabe zugleich auf die vermeintlich besonders praktische und unaufwendige Erwerbsmöglichkeit am Kiosk hinweist, unterstützt den Spielanreiz ebenfalls.
(6) Das sechste Foto zeigt die Vorderseite eines Busses mit der Aufschrift „Lotto guter Tipp". Diese Aufschrift stellt - wie bereits dargestellt - eine Aufforderung zur Teilnahme am Glücksspiel dar, der keine sachliche Information oder Aufklärung zu entnehmen ist und die daher das Sachlichkeitsgebot des § 5 Abs. 2 GlüStV verletzt. Auf die Ausführungen dazu unter II. 2. b) (1) wird Bezug genommen.
(7) Auf dem siebten Foto ist eine Teilansicht der Gestaltung einer Busseite zu sehen, die - wie auf dem ersten Foto - die Aufschriften „Lotto guter Tipp" und „Hält zum Glück an fast jedem Kiosk" enthält. Sie verletzt wie die auf dem ersten Foto abgebildete Gestaltung das Sachlichkeitsgebot des § 5 Abs. 2 GlüStV. Auf die Ausführungen dazu unter II. 2. b) (1) wird verwiesen.
(8) Das achte Foto zeigt die Rückansicht eines Busses, wie sie auch auf dem dritten Foto zu sehen ist, und eine Seitenansicht, die ausschnittsweise auf dem siebten Foto bereits zu sehen ist. Da beide Seiten für sich genommen gegen das Sachlichkeitsgebot des § 5 Abs. 2 GlüStV verstoßen, gilt dies auch für die Kombination der beiden Seiten. Auf die Ausführungen unter II. 2. b) (3) und (7) bzw. (1) wird verwiesen.
Die den GlüStV verletzenden Gestaltungen, wie sie in den Fotografien (1) bis (8) wiedergegeben sind, sind auch geeignet, die Interessen der Mitbewerber auf dem Glücksspielmarkt spürbar im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG zu beeinträchtigen. Denn sie fordern nicht nur Personen, die bisher nicht beabsichtigt haben, an einem Glücksspiel teilzunehmen, zur Teilnahme auf, sondern sie sprechen auch diejenigen Personen, die bereits grundsätzlich zu einem - noch nicht näher bestimmten - Glücksspiel entschlossen waren und damit zum potentiellen Kundenkreis der Mitglieder des Klägers gehören, an und lenken sie zu den Angeboten der Beklagten.
Die Wiederholungsgefahr liegt weiterhin vor. Die Beklagte hat keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 92 Abs. 2 Nr. 1 analog, § 269 Abs. 3 ZPO. Soweit der Kläger die Klage bezüglich zwei Fotografien in der Berufungsverhandlung zurückgenommen hat, sind ihm keine Kosten aufzuerlegen, da diese beiden Fotografien Gestaltungen wiedergeben, die sich so der Sache nach identisch auch auf den noch streitgegenständlichen Fotografien Nr. (3) und (5) des Tenors befinden, und daher nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen waren.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4. Die Revision war zuzulassen. Denn die Frage, ob dem Kläger die Geltendmachung seiner Unterlassungsansprüche wegen Rechtsmissbrauchs gemäß § 8 Abs. 4 UWG zu versagen ist, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt (Rechtsmissbrauch verneint: OLG Koblenz, GRUR-RR 2010, 16 und Urteil v. 1.12.2010, BeckRS 2010, 29407; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2010, 301 und GRUR-RR 2011, 14; Rechtsmissbrauch bejaht: OLG Naumburg, Urteil v. 6.11.2009, BeckRS 2010, 20441; OLG Saarbrücken, GRUR-RR 2011, 20; OLG Hamm, GRUR-RR 2011, 17), so dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).