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Wirtschaftsrecht
06.03.2025
Wirtschaftsrecht
OLG Bamberg: Liquidierte GmbH – Einsichtsverlangen, Beschwerdewert und berechtigtes Interesse

OLG Bamberg, Beschluss vom 6.11.2024 – 10 Wx 20/24

Volltext: BB-Online BBL2025-578-6

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

1. Der vermögensrechtliche Wert des Abwehrinteresses eines Liquidators gegenüber dem Einsichtsverlangen des Gläubigers einer gelöschten GmbH ist anhand des damit verbundenen Aufwands an Zeit und Kosten zu beziffern, der allerdings aufgrund der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht (§ 74 Abs. 2 GmbHG) eher gering zu schätzen ist.

2. Für die Einsichtnahme in die Unterlagen des Liquidators einer GmbH ist seitens des Antragstellers kein besonderer Nachweis eines berechtigten Interesses über die behauptete Gläubigerstellung hinaus erforderlich.

GmbHG § 74 Abs. 2, Abs. 3 S. 2

FamFG § 61 Abs. 1

Aus den Gründen

I.

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsgegner) wendet sich gegen eine vom Erstgericht ausgesprochene Ermächtigung zur Einsichtnahme in die Bücher und Schriften einer liquidierten GmbH.

Am 19.09.2023 war eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung aus dem Handelsregister gelöscht worden. Die Antragstellerin beantragte unter Vorlage eines Auftrags aus dem Jahr 2021 sowie einer damit korrespondierenden Rechnung aus dem Jahre 2022 die Einsichtnahme in die Bücher und Schriften des Liquidators und Verwahrers, des Antragsgegners.

Im erstinstanzlichen Verfahren führte dieser aus, dass es zwar Unterlagen über eine Geschäftsbeziehung mit der Antragstellerin gebe, sich hieraus aber die als unerfüllt behauptete Forderung nicht ergebe.

Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 02.05.2024 dem Antrag auf Einsicht stattgegeben und die Antragstellerin insoweit ermächtigt, weil diese ein ausreichendes berechtigtes Interesse geltend gemacht habe.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners in Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens.

Mit Hinweisbeschluss vom 13.08.2024, dem Antragsgegner am 20.08.2024 zugestellt, wies der Senat darauf hin, dass die Beschwerde schon mangels hinreichender Beschwer unzulässig und überdies in jedem Fall unbegründet sein dürfte.

Mit Schriftsatz vom 19.09.2024 teilte der Antragsgegner mit, dass mit der Antragstellerin Vergleichsverhandlungen liefen, weshalb ein Ruhen des Verfahrens beantragt werde. Auf eine diesbezügliche Gelegenheit zur Stellungnahme reagierte die Antragstellerin nicht.

 

II.

Die Beschwerde ist bereits unzulässig (1.) und wäre überdies auch unbegründet (2.).

 

Eine Aussetzung des Verfahrens ist weder geboten noch anderweitig angezeigt (§ 21 Abs. 1 FamFG). Für eine Ruhendstellung in unmittelbarer oder zumindest analoger Anwendung von § 251 Satz 1 ZPO besteht ebenfalls weder Anlass noch Möglichkeit.

 

1. Die Beschwerde ist bereits unzulässig.

 

Die Beschwerde ist statthaft (§ 402 Abs. 1, § 375 Nr. 6 i. V. m. §§ 58 ff. FamFG).

 

Allerdings erreicht sie nicht die notwendige Beschwer (§ 61 Abs. 1 FamFG).

 

Der Beschwerdewert ist aus dem Abwehrinteresse des Antragsgegners und nicht aus dem Interesse des Einsichtsbegehrens der Antragstellerin abzuleiten (vgl. BGH, Beschluss vom 17.09.2024 – II ZR 223/22 –, Rn. 23; BGH, Beschluss vom 27.03.1991 – XII ZB 25/91 –, juris, Rn. 6 f.). Insoweit gilt dem Grunde nach nichts anderes als bei der Abwehr eines Auskunftsanspruchs (vgl. BGH, Beschluss vom 09.10.1989 – II ZB 4/89 –, juris, Rn. 5 ff.).

 

Danach ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte und trotz der allgemeinen Preissteigerungen im Hinblick auf die allgemeine Aufbewahrungspflicht (§ 74 Abs. 2 GmbHG) nur von einem Beschwerdewert in Höhe von höchstens 150,00 € auszugehen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 22.01.2018 – 9 W 8/18 –, juris, Rn. 4, m. w. N.).

 

Gegenteilige Ausführungen hat der Antragsgegner als Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 19.09.2024 nicht unternommen.

 

Eine Zulassung der Beschwerde durch das Erstgericht (§ 61 Abs. 3 Satz 1 FamFG) hat auch nicht stattgefunden.

 

2. Die Beschwerde wäre überdies aber auch unbegründet.

 

Die Antragstellerin hat ein Interesse an der Einsicht ausreichend glaubhaft gemacht (§ 74 Abs. 3 S. 2 GmbHG).

 

Weitergehende Anforderungen bestehen nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13.11.1997 – 3 W 204/97 –, juris, Rn. 5; vgl. Altmeppen, in: Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, § 74 Rn. 17; Koch, in: Bartl/​Bartl/​Beine/​Koch/​Schlarb/​Schmitt, GmbH-Recht, 8. Aufl. 2019, § 74 Rn. 9; Büteröwe, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2024, § 74 Rn. 20; Gesell, in: Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl. 2022, § 74 Rn. 10, m. w. N.; Haas, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl 2022, § 74 Rn. 14; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl. 2023, § 74 Rn. 16; Kolmann/Riedemann, in: Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 74 Rn. 30, m. w. N.; Lorscheider, in: Ziemons/Jaeger/Pöschke, 60. Edition, beckOK-GmbHG, § 74 Rn. 14 f.; Müller, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 74 Rn. 25; Müller, in: MK-GmbHG, 4. Aufl. 2022, § 74 Rn. 24; Passarge, in: Passarge/Torwegge, Die GmbH in der Liquidation, 3. Aufl. 2020, Rn. 749; Taube, in: Henssler, beckGOK, § 74 GmbHG Rn 108; Wicke, in: Wicke, GmbHG, 5. Aufl. 2024, § 74 Rn. 5).

 

Eine Titulierung der geltend gemachten Forderung ist nicht erforderlich (vgl. Eller, Liquidation der GmbH, 4. Aufl. 2021, Rn. 132). Der Antragsgegner bestreitet zudem nicht, dass es jedenfalls eine geschäftliche Beziehung der liquidierten Gesellschaft zur Antragstellerin gegeben hat.

 

Ob tatsächlich unbefriedigt gebliebene Forderungen bestehen und inwieweit diese bei der Liquidation zu berücksichtigen gewesen waren respektive für den Fall einer nachweislich mangelhaften Liquidierung bei deren ordnungsgemäßer Vornahme wenigstens teilweise befriedigt worden wären, kann von vornherein nicht Gegenstand des Einsichtsverfahrens sein.

 

Die bloße Möglichkeit einer rechtsmissbräuchlichen Einsichtnahme ist ebenso wenig ein berücksichtigungsfähiger Belang auf Seiten des Einsichtsgewährenden (vgl. BayObLG, Beschluss vom 05.02.2003 – 3Z BR 8/03 –, juris, Rn. 17 f.; Eller, Liquidation der GmbH, 4. Aufl. 2021, Rn. 133) wie es im hier ohnehin nicht vorliegenden Fall eines liquidierten Kreditinstituts das (frühere) Bankgeheimnis gewesen wäre (hierzu OLG Braunschweig, Beschluss vom 10.08.1992 – 2 W 88/92 –, GmbHR 1993, 509 <510>).

 

Die bloße Behauptung über eine nicht existierende, erloschene oder anderweitig untergegangene Forderung gegen die liquidierte Gesellschaft, die damit nicht (mehr) Schuldnerin der antragstellenden und unstreitig auch in Geschäftsbeziehung zu ihr gestandenen Gläubigerin gewesen sein soll, als es zur Liquidierung der Schuldnerin gekommen ist, kann nicht zu Gunsten des Antragsgegners in die gebotene Interessenabwägung eingestellt werden, da insoweit kein Persönlichkeitsschutz zu erkennen ist (vgl. Haas, in. Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 74 Rn. 14).

 

Selbst eine (zumindest teilweise) Befriedigung von Gläubigern vor der Liquidation stünde einem Einsichtsrecht ebenso wenig entgegen wie eine unterbliebene Meldung zum Liquidationsverfahren (vgl. Gesell, in: Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl. 2022, § 74 Rn. 10) oder eine in Betracht kommende, aber keineswegs evidente oder unbestrittene Verjährung der angeführten Forderung (vgl. LG Köln, Beschluss vom 15.01.1988 – 87 T 27/87 –, ZIP 1988, 1125 <1126>; vgl. insoweit auch LG Berlin, Beschluss vom 25.10.1991 – 98 T 70/91 –, GmbHR 1992, 539, wonach etwaig noch mögliche rechtserhebliche Erklärungen der Gesellschaft selbst unerheblich sind).

 

Ein darüber hinausgehendes Erfordernis, etwa eine Darlegung nicht ordnungsgemäßer Verfolgung von Gesellschaftsansprüchen, sieht der Senat nicht (so lediglich Altmeppen, in: Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, § 74 Rn. 17, und, in Berufung auf diesen, Lorscheider, in: Ziemons/Jaeger/Pöschke, 60. Edition, beckOK-GmbHG, § 74 Rn. 14 f.). Eine solche kann sich, soweit es nicht als bloße Vermutung geäußert werden soll, regelmäßig auch erst nach vorgenommener Einsicht ergeben.

 

Eine gegenständliche oder inhaltliche Beschränkung der Einsichtnahme kommt grundsätzlich ebenfalls nicht in Betracht (vgl. BayObLG, Bes. v. 05.02.2003 – 3Z BR 8/03 –, juris, Rn. 10; OLG Celle, Beschluss vom 22.01.2018 – 9 W 8/18 –, juris, Rn. 7; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13.11.1997 – 3 W 204/97 –, juris, Rn. 7).

 

III.

 

Die Kostentragungspflicht ergibt sich aus § 84 FamFG.

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht angezeigt (§ 70 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 FamFG).

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