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Wirtschaftsrecht
15.05.2014
Wirtschaftsrecht
BGH: Leistungsbestimmung des Insolvenzschuldners nach Verfahrenseröffnung

BGH, Urteil vom 13.3.2014 – IX ZR 147/11

Amtlicher Leitsatz

Eine vom Insolvenzschuldner nach Verfahrenseröffnung vorgenommene Leistungsbestimmung zugunsten eines Dritten ist unwirksam.

§ 81 InsO, § 267 Abs 1 BGB, § 812 BGB

Sachverhalt

Die Klägerin verlangt als Verwalterin im Insolvenzverfahren über das Vermögen des W.     K.   (nachfolgend: Schuldner) die Rückzahlung von 15.000 € zur Insolvenzmasse, die dem beklagten Amt (nachfolgend: Beklagter) über ein Notaranderkonto zur Erfüllung eines notariellen Grundstückskaufvertrages zugeflossen sind.

Dem liegt, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 9. Januar 2008 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt. Am 22. Dezember 2008 schloss der Schuldner mit dem Beklagten namens und in Ausübung einer notariellen Generalvollmacht des R.      L.     vom 11. Dezember 2004 einen notariellen Kaufvertrag über ein Grundstück, wobei er der beurkundenden Notarin sofort einen Betrag von 15.000 € in bar als Anzahlung auf den Kaufpreis von 65.000 € aushändigte, den diese umgehend auf ein von ihr hierfür errichtetes Notaranderkonto einzahlte. Am 19. Februar 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners aufgehoben und die Restschuldbefreiung angekündigt. Auf Antrag der Klägerin wurde mit Beschluss vom 23. Juli 2009 die Nachtragsverteilung wegen der 15.000 € angeordnet und der Vollzug der Klägerin übertragen.

Die Klägerin hat von dem Beklagten in erster Instanz unter anderem Freigabe dieses Geldes auf dem Notaranderkonto verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufung hat die Klägerin - nach Auszahlung des Geldes vom Notaranderkonto an den Beklagten - Zahlung begehrt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Wegen der vom Schuldner übergebenen 15.000 € hat der Senat die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin den Zahlungsanspruch weiter.

Aus den Gründen

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Die Revision führt im Umfang ihrer Zulassung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

 

 

I.

 

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Das Berufungsgericht hat, soweit in der Revision noch von Bedeutung, ausgeführt:

 

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Ein Eigentumsherausgabeanspruch nach § 985 BGB in Verbindung mit § 81 InsO hinsichtlich der Geldscheine scheide aus, weil das Geld auf das Anderkonto eingezahlt worden sei. Ein Anspruch nach § 812 ff BGB stehe der Klägerin ebenfalls nicht zu. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Altern. 1 BGB (Leistungskondiktion) scheitere daran, dass nicht der Beklagte als Empfänger der Leistung anzusehen sei. Hätte nämlich der Schuldner eigenes Geld einbezahlt, liege eine Zahlung auf fremde Schuld gemäß § 267 Abs. 1 BGB vor. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass die Tilgungsbestimmung gemäß § 81 InsO unwirksam sei. Die Tilgungsbestimmung sei keine Verfügung. Maßgebend sei allein, als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver Betrachtung aus der Sicht des Zuwendungsempfängers darstelle. Jedenfalls im Zeitpunkt des Eingangs des Geldes auf dem Notaranderkonto hätten die Vertreter der Beklagten noch nichts von einem angeblichen Missbrauch der Generalvollmacht des Zeugen L.    gewusst. Eine spätere Kenntnis sei unerheblich.

 

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Habe der Schuldner fremdes Geld übergeben, liege eine direkte Leistung des Zeugen L.      an den Beklagten vor. Die Klägerin könne deshalb in jedem Fall nur vom Zeugen L.     eine Rückzahlung verlangen.

 

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Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 2. Altern. BGB komme wegen des Vorrangs der Leistungskondiktion nicht in Betracht. Ein Anspruch aus Insolvenzanfechtung scheide gemäß § 129 Abs. 1 InsO aus, weil die fragliche Handlung nach Eröffnung vorgenommen worden sei. Auch ein solcher Anspruch könne sich zudem nur gegen den Zeugen L.     richten.

 

 

II.

 

10

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

 

11

Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die vom Schuldner an die Notarin übergebenen 15.000 € eigenes Geld des Schuldners oder im Eigentum des Zeugen L.     stehendes Geld war. Dies durfte indessen nicht dahinstehen, weil entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die Klage im Falle, dass es sich um Geld des Schuldners handelte, begründet ist.

 

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1. Zutreffend hat das Berufungsgericht gesehen, dass ein Anspruch der Klägerin ausscheidet, wenn es sich um Geld des Zeugen L.      gehandelt hat. Dann hat der Schuldner als Vertreter des Zeugen gehandelt und für diesen das Geld über die Notarin und die Bank als Leistungsmittler an den Beklagten geleistet. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung an die Masse im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners scheidet dann aus. Das wird von der Revision nicht in Frage gestellt.

 

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2. Handelte es sich dagegen um Geld des Schuldners, ist ein Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten gegeben.

 

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a) Dem steht nicht schon die Auffassung der Revisionserwiderung entgegen, es liege auch in diesem Falle eine Leistung des Zeugen L.    an den Beklagten vor, weil der Schuldner das Geld zunächst durch Insichgeschäft dem Zeugen L.    übereignet habe, bevor er es der Notarin als dessen Vertreter übereignet habe. Dies ist schon deshalb unzutreffend, weil eine solche Übereignung an den Zeugen L.     gemäß § 81 Abs. 1 InsO unwirksam gewesen wäre. Stand das Geld zuvor im Eigentum des Schuldners, war es gemäß § 35 Abs. 1 InsO vom Insolvenzbeschlag erfasst. Anhaltspunkte für eine Unpfändbarkeit liegen nicht vor. Jedenfalls konnten gemäß § 91 InsO weder der Zeuge L.     noch die Notarin Eigentum an den Geldscheinen erwerben.

 

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b) Liegt, wie das Berufungsgericht angenommen hat, eine wirksame (Teil-)Erfüllung des Anspruch des Beklagten gegen den Zeugen L.     aus dem Kaufvertrag vor, hat die Klägerin allerdings nur einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Altern. 1 BGB (Leistungskondiktion) gegen den Zeugen L.    (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1975 - VIII ZR 80/74, WM 1975, 1235; vom 23. Februar 1978 - VI ZR 11/76, BGHZ 70, 389, 396 f; vom 4. November 1997 - VI ZR 348/96, BGHZ 137, 89, 94 f; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. § 267 Rn. 7). Diesem Anspruch kann der Schuldner der befriedigten Forderung auch nicht § 814 BGB entgegenhalten (BGH, je aaO).

 

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Eine derartige Leistung eines Dritten mit Erfüllungswirkung setzt allerdings voraus, dass der Dritte den Willen hat und zum Ausdruck bringt, auf die Verpflichtung des Schuldners zu leisten; maßgeblich ist, als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers darstellt (BGH, Urteil vom 26. September 1994 - II ZR 166/93, NJW 1995, 128, 129; vom 4. November 1997, aaO je mwN).

 

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Allerdings gilt auch hier der allgemeine Grundsatz der Rechtsscheinslehre, dass der gutgläubige Vertragsgegner bei Fehlen der Zurechenbarkeit des Rechtsscheins nicht geschützt werden kann. Der Empfängerhorizont des Zahlungsempfängers kann die fehlende wirksame Tilgungs- und Zweckbestimmung nicht ersetzen (BGH, Urteil vom 20. März 2001 - XI ZR 157/00, BGHZ 147, 145, 151 mwN; vom 21. Januar 2010 - IX ZR 226/08, WM 2010, 473 Rn. 13; vom 21. November 2013 - IX ZR 52/13, WM 2014, 21 Rn. 17).

 

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c) Es liegt danach - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - keine wirksame Schuldtilgung gegenüber dem Beklagten vor. Deshalb besteht der Anspruch des Beklagten aus dem Kaufvertrag weiter. In diesem Fall findet der Bereicherungsausgleich zwischen dem scheinbar Leistenden, hier dem Insolvenzschuldner, und dem Gläubiger statt (BGH, Urteil vom 4. November 1997, aaO S. 95; vom 20. März 2001, aaO S. 149; Palandt/Grüneberg, aaO § 267 Rn. 3; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. November 2013, aaO Rn. 11; MünchKomm-BGB/Krüger, 6. Aufl. § 267 Rn. 23).

 

19

Der Beklagte hat, weil keine Leistung des Schuldners vorliegt, auf sonstige Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Altern. 2 BGB).

 

20

aa) Die Erfüllungshandlung des Schuldners war gemäß § 81 Abs. 1 InsO unwirksam. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens war der Schuldner gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht mehr berechtigt, im Verhältnis zu dem Beklagten eine wirksame Erfüllungszweckbestimmung zu treffen. Bedient sich der Schuldner zur Begleichung einer Verbindlichkeit eines Zahlungsmittlers, hängt die Erfüllung von der konstitutiven Wirksamkeitsvoraussetzung ab, dass er eine entsprechende Tilgungsbestimmung verlautbart. Diese Tilgungsbestimmung hat verfügungsähnliche Wirkung. Sie erfordert deshalb die uneingeschränkte Verfügungsbefugnis des Schuldners (BGH, Urteil vom 21. November 2013, aaO Rn. 21).

 

21

Unwirksam nach § 81 Abs. 1 InsO ist auch eine Leistungsbestimmung im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Senat hat unter Verfügungen in diesem Sinne alle Rechtshandlungen verstanden, die auf das Vermögen des Schuldners unmittelbar einwirken. Daher sind alle Zahlungen des Schuldners sowie die Genehmigung im Einzugsermächtigungsverfahren betroffen (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2007 - IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84 Rn. 19 mwN). Es werden auch verfügungsähnliche Geschäfte erfasst (BGH, Urteil vom 21. November 2013, aaO mwN; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. § 81 Rn. 2 f). Auch die Ermächtigung eines Dritten durch den Schuldner, für ihn eine Leistung entgegenzunehmen, ist nach § 81 InsO unwirksam (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012 - IX ZR 210/11, ZIP 2012, 1565 Rn. 7; vom 12. Juli 2012 - IX ZR 213/11, ZIP 2012, 1517 Rn. 14). Für die Leistungsbestimmung nach § 267 Abs. 1 BGB gilt dasselbe. Auch sie ist eine verfügungsähnliche Handlung. Da somit eine wirksame Leistung durch den Schuldner als Dritten nicht vorliegt, trat durch die Auskehrung an den Beklagten auch keine Erfüllungswirkung ein (BGH, Urteil vom 4. November 1997, aaO S. 95).

 

22

Ob die Klägerin eine Leistungsbestimmung nach § 267 BGB hätte nachholen können (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. Juli 1964 - VI ZR 129/63, NJW 1964, 1898, 1899; vom 15. Mai 1986 - VII ZR 274/85, NJW 1986, 2700; vom 4. November 1997, aaO; Beschluss vom 12. Juli 2012, aaO Rn. 15 f) kann dahinstehen. Eine solche Leistungsbestimmung, die in einer Klage gegen den Zeugen L.    möglicherweise hätte gesehen werden können, ist vorliegend jedenfalls nicht erfolgt.

 

23

bb) Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach Bereicherungsrecht. § 143 InsO ist entgegen der Ansicht der Revision nicht analog anwendbar. Diese Vorschrift gilt nur für das Insolvenzanfechtungsrecht, das hier schon deshalb nicht zur Anwendung kommt, weil es gemäß § 129 Abs. 1 InsO nur Rechtshandlungen betrifft, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind. Im Übrigen fehlt es für die Bemessung der Höhe des Bereicherungsanspruchs an einer Regelungslücke, weil der Umfang des Anspruchs in den §§ 812 ff BGB ausreichend geregelt ist.

 

 

III.

 

24

Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird sie an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dieses wird nunmehr festzustellen haben, ob es sich bei den 15.000 € um eigenes Geld des Schuldners oder um Geld des Zeugen L.    gehandelt hat.

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