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Wirtschaftsrecht
20.02.2020
Wirtschaftsrecht
EuGH: Lehrvertrag zwischen einer Universität und dem sie vertreten-den Rechtsberater steht dessen Unabhängigkeit nicht entgegen

EuGH, Urteil vom 4.2.2020 – verb. Rs. C-515/17 P und C-561/17 P, Uniwersytet Wrocławski unterstützt durch Tschechische Republik gegen Exekutivagentur für die Forschung (REA) und Republik Polen

ECLI:EU:C:2020:73

Volltext: BB-Online BBL2020-449-1

Tenor

1. Der Beschluss des Gerichts der Europäischen Union vom 13. Juni 2017, Uniwersytet Wrocławski/REA (T‑137/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:407), wird aufgehoben.

2. Die Rechtssache T‑137/16 wird an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Aus den Gründen

1          Mit ihren Rechtsmitteln beantragen die Uniwersytet Wrocławski (Universität Wrocław, Polen) und die Republik Polen die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 13. Juni 2017, Uniwersytet Wrocławski/REA (T‑137/16, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtener Beschluss, EU:T:2017:407), mit dem das Gericht die Klage der Universität Wrocław zum einen auf Nichtigerklärung der Entscheidungen der im Auftrag der Europäischen Kommission handelnden Exekutivagentur für die Forschung (REA), die Finanzhilfevereinbarung Cossar (Nr. 252908) zu kündigen und die Universität Wrocław zur Rückzahlung der Beträge von 36 508,37 Euro, von 58 031,38 Euro und von 6 286,68 Euro sowie zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 5 803,14 Euro zu verpflichten, und zum anderen auf Rückerstattung der entsprechenden Beträge durch die REA zuzüglich Zinsen vom Tag der jeweiligen Zahlung bis zum Tag der Rückerstattung als offensichtlich unzulässig abgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

2          Nach Art. 19 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der gemäß Art. 53 Abs. 1 der Satzung auf das Gericht anwendbar ist, gilt:

„Die Mitgliedstaaten sowie die Unionsorgane werden vor dem Gerichtshof durch einen Bevollmächtigten vertreten, der für jede Sache bestellt wird; der Bevollmächtigte kann sich der Hilfe eines Beistands oder eines Anwalts bedienen.

Die Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, die nicht Mitgliedstaaten sind, und die in jenem Abkommen genannte EFTA‑Überwachungsbehörde werden in der gleichen Weise vertreten.

Die anderen Parteien müssen durch einen Anwalt vertreten sein.

Nur ein Anwalt, der berechtigt ist, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum aufzutreten, kann vor dem Gerichtshof als Vertreter oder Beistand einer Partei auftreten.“

3          Art. 51 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts lautet:

„Die Parteien müssen nach Maßgabe des Artikels 19 der Satzung durch einen Bevollmächtigten oder einen Anwalt vertreten sein.“

Polnisches Recht

4          Neben dem Beruf des Rechtsanwalts kennt das polnische Recht den Beruf des Rechtsberaters (radca prawny). Rechtsberater können beantragen, in die Liste der Rechtsberater bei der Rechtsberaterkammer eingetragen zu werden und die Berechtigung zu erhalten, ihre Mandanten vor den polnischen Gerichten zu vertreten.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

5          Die Vorgeschichte des Rechtsstreits kann wie folgt zusammengefasst werden.

6          Im Rahmen eines Programms für Forschungsvorhaben, technologische Entwicklung und Demonstration schloss die REA mit der Universität Wrocław eine Finanzhilfevereinbarung, die u. a. vorsah, dass der im Rahmen der geförderten Tätigkeit in Vollzeit beschäftigte Forscher nicht berechtigt ist, über die Bezahlung für seine Forschungstätigkeit hinaus andere Einkünfte zu erzielen.

7          Es stellte sich jedoch heraus, dass der in Rede stehende Forscher auch für andere Tätigkeiten bezahlt wurde, weshalb die REA die Finanzhilfevereinbarung kündigte, eine Zahlungsaufforderung über 36 508,37 Euro an die Universität Wrocław richtete und dieser außerdem mitteilte, dass sie entsprechend der Finanzhilfevereinbarung unmittelbar aus dem Garantiefonds 6 286,68 Euro abbuchen werde. Die Universität Wrocław beglich den in der Zahlungsaufforderung genannten Betrag.

8          Infolge einer vom Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) durchgeführten Untersuchung richtete die REA an die Universität Wrocław zwei weitere Zahlungsaufforderungen über 58 031,38 Euro für die restlichen noch zurückzufordernden Fördermittel und über 5 803,14 Euro für Schadensersatz gemäß der in der Finanzhilfevereinbarung vorgesehenen Vertragsstrafenklausel. Auch diesen beiden Zahlungsaufforderungen kam die Universität Wrocław nach.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtener Beschluss

9          Mit Klageschrift, die am 25. März 2016 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Universität Wrocław Klage und beantragte zum einen die Nichtigerklärung der Entscheidungen der REA, mit der diese die Finanzhilfevereinbarung gekündigt und einen Teil der entsprechenden Fördermittel zurückgefordert sowie Schadensersatz verlangt hatte, und zum anderen die Rückzahlung der betreffenden Beträge zuzüglich Zinsen vom Tag der jeweiligen Zahlung durch die Universität bis zum Tag der Rückerstattung durch die REA.

10        In ihrer Klagebeantwortung machte die REA die Einrede der Unzulässigkeit dieser Klage geltend, weil der die Universität Wrocław vertretende Rechtsberater bei einem Forschungszentrum der juristischen, verwaltungswissenschaftlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät dieser Universität angestellt sei und somit nicht die von der Satzung geforderte Voraussetzung der Unabhängigkeit erfülle.

11        Die Universität Wrocław trug vor, der Rechtsberater, der sie vor dem Gericht vertrete, sei zwar früher durch einen Arbeitsvertrag mit ihr verbunden gewesen, dies sei aber bei der Klageerhebung nicht mehr der Fall gewesen. Seit dem 3. Oktober 2015 sei dieser Rechtsberater nämlich durch einen zivilrechtlichen Lehrvertrag an sie gebunden. Dieser Vertrag zeichne sich dadurch aus, dass kein Über‑/Unterordnungsverhältnis bestehe; daher könne er einem Arbeitsvertrag nicht gleichgestellt werden.

12        In Rn. 14 des angefochtenen Beschlusses hat das Gericht darauf hingewiesen, dass nach Art. 19 Abs. 3 und 4 der Satzung, der gemäß Art. 53 der Satzung auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar sei, die sogenannten „nicht privilegierten“ Parteien durch einen Anwalt vertreten sein müssten und nur ein Anwalt, der berechtigt sei, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats aufzutreten, vor dem Gerichtshof Vertreter oder Beistand einer solchen Partei sein könne.

13        In den Rn. 16 und 17 des angefochtenen Beschlusses hat das Gericht in Bezug auf diese beiden kumulativen Voraussetzungen ausgeführt, dass für den Begriff des Anwalts anders als für die Berechtigung, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats aufzutreten, nicht ausdrücklich auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten verwiesen werde, um seinen Sinn und seine Bedeutung zu bestimmen. Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass dieser Begriff nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs so weit wie möglich autonom und unter Berücksichtigung des Kontexts der Vorschrift sowie des verfolgten Ziels auszulegen sei, ohne auf das nationale Recht Bezug zu nehmen.

14        Daher hat das Gericht in Rn. 18 des angefochtenen Beschlusses unter Bezugnahme auf die Vorstellung von der Funktion des Anwalts in der Unionsrechtsordnung, die sich aus den gemeinsamen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten ergebe und auf der Art. 19 der Satzung fuße, sowie u. a. auf die Urteile vom 18. Mai 1982, AM & S Europe/Kommission (155/79, EU:C:1982:157, Rn. 24), vom 14. September 2010, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission u. a. (C‑550/07 P, EU:C:2010:512, Rn. 42), und vom 6. September 2012, Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej/Kommission (C‑422/11 P und C‑423/11 P, EU:C:2012:553, Rn. 23), festgestellt, dass die Rolle des Rechtsanwalts die eines Organs der Rechtspflege sei, das in völliger Unabhängigkeit und im höheren Interesse der Rechtspflege die rechtliche Unterstützung zu gewähren habe, die der Mandant benötige.

15        Das Gericht hat daraus in Rn. 19 des angefochtenen Beschlusses geschlossen, dass das Erfordernis der Unabhängigkeit des Anwalts das Fehlen jedes Beschäftigungsverhältnisses zwischen ihm und seinem Mandanten voraussetze, da der Begriff der Unabhängigkeit nicht nur positiv, d. h. unter Bezugnahme auf die berufsständischen Pflichten, sondern auch negativ, d. h. durch das Fehlen eines Beschäftigungsverhältnisses, definiert werde.

16        In Rn. 20 des angefochtenen Beschlusses hat das Gericht ausgeführt, dass diese Erwägungen im vorliegenden Fall anzuwenden seien, also in einer Situation, in der ein Rechtsberater durch einen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen an die Partei gebunden sei, die er vertreten solle, da eine derartige Situation, selbst wenn formal anzunehmen wäre, dass ein solcher Vertrag nicht zu einem Beschäftigungsverhältnis zwischen diesen beiden Vertragsparteien führe, gleichwohl die Gefahr berge, dass die beruflichen Ansichten dieses Rechtsberaters zumindest teilweise von seinem beruflichen Umfeld beeinflusst würden, worauf der Gerichtshof in Rn. 25 seines Urteils vom 6. September 2012, Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej/Kommission (C‑422/11 P und C‑423/11 P, EU:C:2012:553), hingewiesen habe.

17        Daher hat das Gericht in Rn. 21 des angefochtenen Beschlusses entschieden, dass die Klage, da die Klageschrift von einem solchen Rechtsberater unterzeichnet worden sei, nicht von einer Person eingereicht worden sei, die den Anforderungen gemäß Art. 19 Abs. 3 und 4 der Satzung und Art. 51 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts genüge. Infolgedessen hat das Gericht die Klage als offensichtlich unzulässig abgewiesen.

Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien des Rechtsmittelverfahrens

18        Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom 24. November 2017 sind die beiden Rechtsmittel zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

19        Die Tschechische Republik hat am 6. Februar 2018 beantragt, als Streithelferin im Rahmen der verbundenen Rechtsmittel zugelassen zu werden. Mit Entscheidung vom 31. Mai 2018 hat der Präsident des Gerichtshofs diesem Antrag stattgegeben.

20        Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 5. Juli 2018, Uniwersytet Wrocławski und Polen/REA (C‑515/17 P und C‑561/17 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:553), ist die Krajowa Izba Radców Prawnych (Nationale Rechtsberaterkammer, Polen) in der Rechtssache C‑561/17 P als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Republik Polen zugelassen worden.

21        Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 27. Februar 2019, Uniwersytet Wrocławski und Polen/REA (C‑515/17 P und C‑561/17 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:174), ist der Antrag der Association of Corporate Counsel Europe (Vereinigung der Unternehmensjuristen Europas) auf Zulassung als Streithelferin zurückgewiesen worden.

22        Mit ihrem Rechtsmittel in der Rechtssache C‑515/17 P beantragt die Universität Wrocław, unterstützt durch die Tschechische Republik,

– den angefochtenen Beschluss aufzuheben,

– festzustellen, dass die Klage ordnungsgemäß erhoben wurde, und

– der Beklagten sämtliche Kosten aufzuerlegen.

23        Mit ihrem Rechtsmittel in der Rechtssache C‑561/17 P beantragt die Republik Polen, unterstützt durch die Tschechische Republik und die Nationale Rechtsberaterkammer,

– den angefochtenen Beschluss aufzuheben,

– die Rechtssache zur erneuten Prüfung an das Gericht zurückzuverweisen,

– jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen und

– die Rechtssache gemäß Art. 16 Abs. 3 der Satzung an die Große Kammer zu verweisen.

24        Die REA beantragt,

– die Rechtsmittel zurückzuweisen,

– der Universität Wrocław und der Republik Polen die Kosten aufzuerlegen und

– der Tschechischen Republik und der Nationalen Rechtsberaterkammer ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Zu den Rechtsmitteln

25        Die Universität Wrocław stützt ihr Rechtsmittel in der Rechtssache C‑515/17 P auf zwei Gründe, nämlich eine fehlerhafte Auslegung von Art. 19 der Satzung und eine unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses. Die Republik Polen stützt ihr Rechtsmittel in der Rechtssache C‑561/17 P auf drei Gründe, nämlich eine fehlerhafte Auslegung desselben Artikels, eine Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes sowie eine unzureichende Begründung des Beschlusses.

26        In Anbetracht ihres Zusammenhangs sind der jeweils erste Grund beider Rechtsmittel und der zweite Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑561/17 P, also die fehlerhafte Auslegung von Art. 19 der Satzung sowie die Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes, gemeinsam zu prüfen.

Vorbringen der Parteien

27        Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund rügt die Universität Wrocław, das Gericht habe entschieden, dass ein Rechtsberater, der an die von ihm vertretene Partei durch einen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen gebunden sei, der ihn u. a. verpflichte, Vorlesungen zu halten, gegenüber seinem Mandanten nicht die erforderliche Unabhängigkeit habe, um ihn im Rahmen eines Verfahrens vor den Unionsgerichten vertreten zu können.

28        Im ersten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes beruft sich die Universität Wrocław auf die Art und die Hauptmerkmale des in Rede stehenden Vertrags über die Erbringung von Dienstleistungen, die dessen Gleichstellung mit einem Arbeitsvertrag nicht erlaubten, da u. a. das für diesen Vertragstyp charakteristische Über‑/Unterordnungsverhältnis fehle.

29        Im zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes macht die Universität Wrocław geltend, dass die Begründung des angefochtenen Beschlusses, wonach jedes Rechtsverhältnis zwischen einer Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten die Gefahr einer Beeinflussung seiner Rechtsauffassung berge, gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität verstoße, da die Unionsorgane dadurch die ausschließliche Entscheidungsbefugnis darüber erhielten, wer berechtigt sei, vor den Unionsgerichten aufzutreten.

30        Im dritten Teil des Rechtsmittelgrundes rügt die Universität Wrocław, unterstützt durch die Tschechische Republik und die Nationale Rechtsberaterkammer, das Gericht habe die nationalen Rechtsordnungen und insbesondere das polnische Recht, das die Unabhängigkeit und das Fehlen jeder Weisungsgebundenheit des Rechtsberaters gegenüber Dritten garantiere, unberücksichtigt gelassen. Wie auch der Beruf des Rechtsanwalts diene der Beruf des Rechtsberaters sowohl dem Interesse der Rechtspflege als auch dem Interesse der den Anwalt oder Berater mit der Verteidigung ihrer Rechte betrauenden Personen; er genieße öffentliches Vertrauen und unterliege den Regeln des Standesrechts.

31        Im ersten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes macht die Republik Polen erstens geltend, dass die Auslegung von Art. 19 der Satzung durch das Gericht in dem angefochtenen Beschluss weder in der gemeinsamen Rechtstradition der Mitgliedstaaten noch im Unionsrecht eine Grundlage finde. Das Gericht widerspreche sich, da es zwar ausführe, dass sich die Rolle des Anwalts an den gemeinsamen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten orientiere, den Begriff des Anwalts aber ohne Bezugnahme auf das nationale Recht auslege.

32        Zweitens führt die Republik Polen aus, dass die Beurteilung der Unabhängigkeit vom Mandanten nicht ohne Bezugnahme auf die sich aus den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen ergebenden Garantien erfolgen könne.

33        Drittens ist die Republik Polen der Auffassung, dass der Begriff der Unabhängigkeit, wie er in dem angefochtenen Beschluss verwendet werde, der Realität der Ausübung des Anwaltsberufs nicht gerecht werde, da er auf der Prämisse beruhe, dass der Syndikusanwalt, der seinen Beruf im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ausübe, einem stärkeren Druck durch seinen Arbeitgeber ausgesetzt sei als ein nur dem Druck seines Mandanten ausgesetzter externer Anwalt.

34        Viertens macht die Republik Polen geltend, dass die vom Gericht gewählte Lösung, die sich auf die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Vertretung der Parteien vor den Unionsgerichten stütze, ein System zur Folge habe, bei dem auf ein und denselben Anwalt zwei verschiedene Unabhängigkeitsstufen anwendbar seien, nämlich eine vor den nationalen Gerichten und eine andere, strengere, wenn er vor den Unionsgerichten auftrete.

35        Die Tschechische Republik meint in diesem Zusammenhang, dass in Bezug auf das Recht der Anwälte zur Vertretung ihrer Mandanten, wenn kein Beschäftigungsverhältnis zu Letzteren bestehe, jede Beschränkung eng auszulegen sei.

36        Im zweiten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes macht die Republik Polen geltend, dass die Auslegung von Art. 19 der Satzung durch das Gericht über die Grenzen hinausgehe, die von der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Vertretung der Parteien vor den Unionsgerichten gezogen worden seien.

37        Zum einen mache diese Rechtsprechung das Erfordernis der Unabhängigkeit des Anwalts allein von der negativen Voraussetzung abhängig, dass zwischen ihm und seinem Mandanten kein Arbeitsvertrag bestehe. Im vorliegenden Fall habe das Gericht aber in Rn. 20 des angefochtenen Beschlusses selbst festgestellt, dass der Unterzeichner der Klageschrift nicht durch einen Arbeitsvertrag an die Universität Wrocław gebunden sei. Insoweit habe das Gericht auf der Grundlage einer entsprechenden Anwendung des Urteils vom 6. September 2012, Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej/Kommission (C‑422/11 P und C‑423/11 P, EU:C:2012:553), zu Unrecht entschieden, dass das Bestehen eines die Parteien bindenden zivilrechtlichen Vertrags ausreiche, um festzustellen, dass der Prozessbevollmächtigte der Universität die Voraussetzung der Unabhängigkeit nicht erfülle.

38        Zum anderen beanstandet die Republik Polen den angefochtenen Beschluss insofern, als das Gericht lediglich den zwischen dem Rechtsberater und der Universität Wrocław geschlossenen Lehrvertrag berücksichtigt habe, aber die zwischen diesen Vertragsparteien in Bezug auf den erbrachten rechtlichen Beistand bestehenden Verbindungen nicht geprüft habe.

39        Die Nationale Rechtsberaterkammer betont, dass das Gericht unzutreffend angenommen habe, dass es für die völlige Unabhängigkeit des Anwalts erforderlich sei, dass keinerlei Beziehung zwischen ihm und dem beruflichen Umfeld seines Mandanten bestehe. Es sei nämlich schwer vorstellbar, dass ein Bevollmächtigter frei von jeglichem Einfluss durch das unmittelbare berufliche Umfeld seines Mandanten handeln könne.

40        Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Republik Polen geltend, dass der angefochtene Beschluss die Kriterien, anhand deren die nach Auffassung des Gerichts erforderliche Voraussetzung der Unabhängigkeit beurteilt werden könne, nicht genau angebe und daher gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoße. Da die Feststellung der fehlenden Unabhängigkeit des Prozessbevollmächtigten zudem die Abweisung der Klage zur Folge habe, stehe der Klägerin kein wirksamer Rechtsbehelf zur Verfügung und ihr werde ihr Recht auf Zugang zu einem Gericht genommen.

41        Die Tschechische Republik weist darauf hin, dass die anwaltliche Vertretung vor den Gerichten Teil des in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankerten Rechts auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz sei. Verbiete man dem Kläger, eine Vereinbarung über eine gerichtliche Vertretung mit einem Anwalt zu schließen, mit dem im Übrigen eine vertragliche Beziehung bestehe, könnten ihm zusätzliche Kosten entstehen.

42        Die Nationale Rechtsberaterkammer trägt vor, dass das durch Art. 47 der Charta geschützte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor dem Gericht nicht nur dadurch beschränkt werde, dass die Vertretung einer Partei im Sinne von Art. 19 Abs. 3 und 4 der Satzung durch einen vertraglich an diese gebundenen Anwalt verboten werde, sondern auch durch die sich daraus ergebende Situation, nämlich die Abweisung der Klage ohne die Möglichkeit, den angeblichen Verfahrensfehler zu beheben.

43        Die REA macht zunächst geltend, die beiden Rechtsmittel seien unzulässig, soweit sie Vorbringen zur Tatsachenwürdigung enthielten und sich auf bereits vor dem Gericht erörtertes Vorbringen stützten. Zudem sei das Rechtsmittel der Universität Wrocław unzulässig, soweit es auf die Situation des Anwalts betreffende Tatsachen gestützt sei, die vor dem Gericht nicht geltend gemacht worden seien. Schließlich seien die Ausführungen der Tschechischen Republik und der Nationalen Rechtsberaterkammer im Rahmen der Streithilfe unzulässig, soweit sie eine Verletzung von Art. 47 der Charta beträfen, die weder von der Universität Wrocław noch von der Republik Polen geltend gemacht worden sei. Das Vorbringen der Tschechischen Republik sei auch insofern unzulässig, als keine genaue Randnummer des angefochtenen Beschlusses angegeben werde.

44        In der Sache macht die REA geltend, dass das Vorbringen, wonach Art. 19 der Satzung auf der Grundlage der nationalen Rechtsvorschriften auszulegen sei, zur Folge habe, dass diese Bestimmung, die die Vertretung der Parteien vor den Unionsgerichten regele, durch im jeweiligen Einzelfall zu bestimmende nationale Rechtsvorschriften ersetzt werde. Die vom Gericht vorgenommene Auslegung stelle daher keine „Beschränkung“, sondern vielmehr eine Gewährleistung dafür dar, dass alle Anwälte in der Union in Bezug auf die Tätigkeit als Prozessbevollmächtigte vor dem Gerichtshof nach denselben Voraussetzungen behandelt würden.

45        Außerdem sei das Gericht nicht über die auf diesem Gebiet bestehende Rechtsprechung des Gerichtshofs hinausgegangen, die umfassender sei als die Rechtsmittel vermuten ließen; so habe sie bereits das Erfordernis aufgestellt, dass zwischen dem Berater und der von ihm vertretenen Partei ein hinreichender Abstand bestehen müsse.

46        Das auf Art. 47 der Charta gestützte Vorbringen sei jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen, da die Unzulässigkeit der Klage die Universität Wrocław nicht daran hindere, sich durch einen anderen Berater vertreten zu lassen, um nach Art. 272 AEUV erneut vor dem Gericht zu klagen.

Würdigung durch den Gerichtshof

Zur Zulässigkeit

47        Erstens ist, soweit die REA ihre Einreden der Unzulässigkeit darauf stützt, dass die Rechtsmittel Vorbringen zur Tatsachenwürdigung enthielten, darauf hinzuweisen, dass nach Art. 256 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung allein das Gericht dafür zuständig ist, die Tatsachen festzustellen – sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind – und sie zu würdigen. Diese Würdigung stellt, sofern die dem Gericht vorgelegten Beweise nicht verfälscht wurden, keine Rechtsfrage dar, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt. Hat das Gericht die Tatsachen festgestellt oder gewürdigt, so ist der Gerichtshof gemäß Art. 256 AEUV zur Kontrolle der rechtlichen Qualifizierung dieser Tatsachen und der Rechtsfolgen, die das Gericht aus ihnen gezogen hat, befugt.

48        Im vorliegenden Fall hat sich das Gericht bei der Beurteilung der Art und des Inhalts der zwischen der Universität Wrocław und ihrem Prozessbevollmächtigten bestehenden beruflichen Beziehungen auf tatsächliche Gegebenheiten gestützt, deren Qualifikation der Gerichtshof im Hinblick auf Art. 19 der Satzung in dessen korrekter Auslegung überprüfen kann.

49        Zweitens ist, soweit die REA geltend macht, dass sich die Rechtsmittel darauf beschränkten, bereits vor dem Gericht erörterte Argumente geltend zu machen, darauf hinzuweisen, dass im ersten Rechtszug geprüfte Rechtsfragen im Rechtsmittelverfahren erneut aufgeworfen werden können, wenn ein Rechtsmittelführer die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts durch das Gericht beanstandet. Könnte nämlich ein Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel nicht in dieser Weise auf bereits vor dem Gericht geltend gemachte Gründe und Argumente stützen, so würde dem Rechtsmittelverfahren ein Teil seiner Bedeutung genommen (Urteil vom 27. März 2019, Canadian Solar Emea u. a./Rat, C‑236/17 P, EU:C:2019:258, Rn. 124 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50        Drittens genügt in Bezug auf das Vorbringen der REA, die Universität Wrocław habe in ihrem Rechtsmittel neue Tatsachen vorgebracht, die Feststellung, dass diese Tatsachen für den vorliegenden Rechtsstreit jedenfalls nicht entscheidungserheblich sind.

51        Viertens ist in Bezug auf die Streithilfe der Tschechischen Republik und der Nationalen Rechtsberaterkammer darauf hinzuweisen, dass eine Partei, die gemäß Art. 40 der Satzung in einem beim Gerichtshof anhängigen Rechtsstreit als Streithelfer zugelassen wird, den Streitgegenstand, wie er durch die Anträge sowie die Klage- bzw. Rechtsmittel- und Verteidigungsgründe der Hauptparteien umschrieben wird, nicht ändern kann, so dass nur das Vorbringen eines Streithelfers zulässig ist, das sich in dem durch diese Anträge und Gründe festgelegten Rahmen hält (Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat, C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 116).

52        Da aber die Republik Polen u. a. einen Verstoß gegen den in Art. 47 der Charta verankerten Grundsatz des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes geltend macht, wird der Streitgegenstand, wie er durch die Anträge sowie die Rechtsmittelgründe der Republik Polen umschrieben wird, durch das in den Rn. 41 und 42 des vorliegenden Urteils dargestellte Vorbringen der Tschechischen Republik und der Nationalen Rechtsberaterkammer nicht geändert.

53        Fünftens ist zum Vorbringen der REA zur fehlenden Angabe der genauen Randnummern des angefochtenen Beschlusses durch die Tschechische Republik festzustellen, dass die Tschechische Republik, indem sie das Vorbringen der Universität Wrocław und der Republik Polen unterstützt, auf dieselben Randnummern des Beschlusses eingeht, die auch von diesen beiden Parteien angegeben wurden.

54        Die von der REA geltend gemachten Einreden der Unzulässigkeit sind daher zurückzuweisen.

Zur Begründetheit

55        In der Sache, insbesondere zur Frage der Vertretung einer in Art. 19 Abs. 1 und 2 der Satzung nicht genannten Partei vor den Unionsgerichten, hat das Gericht in Rn. 16 des angefochtenen Beschlusses zutreffend ausgeführt, dass dieser Artikel zwei unterschiedliche Voraussetzungen enthält, die kumulativ erfüllt sein müssen. So verlangt die erste, in Abs. 3 dieses Artikels genannte Voraussetzung, dass sich solche Parteien durch einen Anwalt vertreten lassen müssen. Nach der zweiten, im vierten Absatz desselben Artikels genannten Voraussetzung muss der die betreffende Partei vertretende Anwalt berechtigt sein, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaats des EWR-Abkommens aufzutreten (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 20. Februar 2008, Comunidad Autónoma de Valencia/Kommission, C‑363/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:99, Rn. 21).

56        In Bezug auf diese zweite Voraussetzung geht aus dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 4 der Satzung hervor, dass der Sinn und die Bedeutung dieser Voraussetzung unter Bezugnahme auf das betreffende nationale Recht auszulegen sind. Im vorliegenden Fall wurde nicht bestritten, dass der die Universität Wrocław im Rahmen des Klageverfahrens vertretende Rechtsberater diese Voraussetzung erfüllte.

57        Dagegen hat der Gerichtshof in Bezug auf die den Begriff „Anwalt“ betreffende erste Voraussetzung entschieden, dass diese mangels eines Verweises in Art. 19 Abs. 3 der Satzung auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten in der gesamten Union autonom und einheitlich auszulegen ist und dabei nicht nur der Wortlaut dieser Vorschrift, sondern auch ihr Zusammenhang und ihr Ziel zu berücksichtigen sind (vgl. in diesem Sinne u. a. Beschluss vom 20. Februar 2008, Comunidad Autónoma de Valencia/Kommission, C‑363/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:99, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung), wobei jedoch zu betonen ist, dass dieser Begriff im Sinne von Art. 19 der Satzung nichts daran ändert, dass die nach nationalem Recht zur Vertretung einer Partei in einem Rechtsstreit befugten Personen dieselbe Partei im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens vor dem Gerichtshof vertreten können.

58        Insoweit geht aus dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 3 der Satzung und insbesondere aus der Verwendung des Wortes „vertreten“ hervor, dass eine „Partei“ im Sinne dieser Vorschrift unabhängig von ihrer Eigenschaft nicht selbst vor einem Unionsgericht auftreten darf, sondern sich eines Dritten bedienen muss. Auch andere Bestimmungen der Satzung oder der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – wie Art. 21 Abs. 1 der Satzung sowie Art. 44 Abs. 1 Buchst. b, Art. 57 Abs. 1 und Art. 119 Abs. 1 der Verfahrensordnung – bestätigen, dass eine Partei und ihr Vertreter nicht ein und dieselbe Person sein können (Beschlüsse vom 5. Dezember 1996, Lopes/Gerichtshof, C‑174/96 P, EU:C:1996:473, Rn. 11, vom 16. März 2006, Correia de Matos/Kommission, C‑200/05 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2006:187, Rn. 10, und vom 6. April 2017, PITEE/Kommission, C‑464/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:291, Rn. 23).

59        Da weder die Satzung noch die Verfahrensordnungen des Gerichtshofs und des Gerichts bei Klageverfahren eine Abweichung oder Ausnahme von dieser Pflicht vorsehen, kann die Einreichung einer vom Kläger selbst unterzeichneten Klageschrift für die Erhebung einer Klage nicht ausreichen; dies gilt auch dann, wenn der Kläger ein zum Auftreten vor einem nationalen Gericht berechtigter Anwalt ist (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 5. Dezember 1996, Lopes/Gerichtshof, C‑174/96 P, EU:C:1996:473, Rn. 8 und 10, vom 16. März 2006, Correia de Matos/Kommission, C‑200/05 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2006:187, Rn. 11, und vom 6. April 2017, PITEE/Kommission, C‑464/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:291, Rn. 24).

60        Die vorstehenden Ausführungen werden durch den Kontext von Art. 19 Abs. 3 der Satzung bestätigt. Aus dieser Vorschrift geht nämlich ausdrücklich hervor, dass die Vertretung einer nicht in Art. 19 Abs. 1 und 2 genannten Partei nur durch einen Anwalt erfolgen kann, während die in den ersten beiden Absätzen genannten Parteien durch einen Bevollmächtigten vertreten werden können, der sich gegebenenfalls der Hilfe eines Beistands oder eines Anwalts bedienen darf.

61        Diese Erwägung wird durch das Ziel bestätigt, dass damit verfolgt wird, dass sich die nicht in Art. 19 Abs. 1 und 2 der Satzung genannten Parteien durch einen Anwalt vertreten lassen müssen; dieses Ziel besteht darin, zum einen zu verhindern, dass Privatpersonen Rechtsstreitigkeiten selbst führen, ohne einen Vermittler einzuschalten, und zum anderen zu gewährleisten, dass für juristische Personen ein Vertreter auftritt, der von der juristischen Person, die er vertritt, hinreichend unabhängig ist (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 5. September 2013, ClientEarth/Rat, C‑573/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:564, Rn. 14, vom 4. Dezember 2014, ADR Center/Kommission, C‑259/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2417, Rn. 25, und vom 6. April 2017, PITEE/Kommission, C‑464/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:291, Rn. 27).

62        Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 19 Abs. 3 und 4 der Satzung genannte, in der Vertretung einer Partei bestehende Aufgabe eines Anwalts zwar im Interesse einer geordneten Rechtspflege auszuüben ist, dass aber, wie auch der Generalanwalt in Nr. 104 seiner Schlussanträge ausführt, das Ziel dieser Aufgabe vor allem darin besteht, in völliger Unabhängigkeit und unter Beachtung der Berufs- und Standesregeln die Interessen des Mandanten bestmöglich zu schützen und zu verteidigen.

63        Wie das Gericht in Rn. 19 des angefochtenen Beschlusses zutreffend ausgeführt hat, ist das Erfordernis der Unabhängigkeit des Anwalts im spezifischen Kontext von Art. 19 der Satzung nicht nur negativ, d. h. durch das Fehlen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern auch positiv, d. h. unter Bezugnahme auf die berufsständischen Pflichten, zu definieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2012, Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej/Kommission, C‑422/11 P und C‑423/11 P, EU:C:2012:553, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64        In diesem Zusammenhang ist die dem Anwalt obliegende Pflicht zur Unabhängigkeit nicht als das Fehlen jeglicher Verbindung mit seinem Mandanten zu verstehen, sondern als das Fehlen von Verbindungen, die offensichtlich seine Fähigkeit beeinträchtigen, seiner Aufgabe nachzukommen, die in der Verteidigung seines Mandanten durch den bestmöglichen Schutz von dessen Interessen besteht.

65        Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass ein Anwalt dann nicht hinreichend unabhängig von der durch ihn vertretenen juristischen Person ist, wenn er über erhebliche administrative und finanzielle Befugnisse innerhalb dieser juristischen Person verfügt, wodurch er deren höherer Führungsebene zuzurechnen und daher nicht als unabhängiger Dritter anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 29. September 2010, EREF/Kommission, C‑74/10 P und C‑75/10 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2010:557, Rn. 50 und 51), wenn er eine hochrangige Leitungsfunktion innerhalb der von ihm vertretenen juristischen Person ausübt (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 6. April 2017, PITEE/Kommission, C‑464/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:291, Rn. 25) oder wenn er Aktien der von ihm vertretenen Gesellschaft besitzt und Vorsitzender ihres Verwaltungsrats ist (Beschluss vom 4. Dezember 2014, ADR Center/Kommission, C‑259/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2417, Rn. 27).

66        Die Situation in der vorliegenden Rechtssache kann diesen Fallgestaltungen jedoch nicht gleichgestellt werden, da der Rechtsberater hier, wie aus dem angefochtenen Beschluss hervorgeht, nicht nur die Verteidigung der Interessen der Universität Wrocław nicht im Rahmen eines Über‑/Unterordnungsverhältnisses zu dieser wahrgenommen hat, sondern darüber hinaus auch lediglich durch einen Lehrvertrag an die Universität gebunden war.

67        Eine solche Verbindung genügt nämlich nicht für die Annahme, dass der Rechtsberater sich in einer Situation befand, die seine Fähigkeit, die Interessen seines Mandanten bestmöglich und völlig unabhängig zu vertreten, offensichtlich beeinträchtigte.

68        Somit hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen, als es in Rn. 20 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass allein das Bestehen eines zwischen der Universität Wrocław und dem sie im Rahmen des ersten Rechtszugs vertretenden Rechtsberater geschlossenen zivilrechtlichen Lehrvertrags geeignet sei, die Unabhängigkeit des Rechtsberaters zu beeinträchtigen, weil dies die Gefahr berge, dass dadurch die beruflichen Ansichten dieses Rechtsberaters zumindest teilweise von seinem beruflichen Umfeld beeinflusst würden.

69        Folglich ist dem jeweils ersten Rechtsmittelgrund der Universität Wrocław und der Republik Polen stattzugeben. Demnach ist der angefochtene Beschluss aufzuheben, ohne dass es erforderlich wäre, die übrigen im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes in der Rechtssache C‑561/17 P zum Grundsatz der Rechtssicherheit und dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vorgebrachten Argumente oder die weiteren Rechtsmittelgründe zu prüfen.

Zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht

70        Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung kann der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel begründet ist, im Fall einer Aufhebung der Entscheidung des Gerichts den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.

71        Da das Gericht im vorliegenden Fall nicht in der Sache entschieden hat, ist die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen.

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