LG Heidelberg: Lehman-Zertifikate - Pflichtwidrige Kundenberatung durch die Bank
LG Heidelberg, Urteil vom 15.12.2009 - 2 O 141/09, nicht rechtskräftig
Leitsätze
Eine Bank berät ihren als konservativ einzuordnenden Kunden pflichtwidrig, wenn sie beim Erwerb von Lehman-Zertifikaten nicht auf eine fehlende Einlagensicherung und generell auf ihr Umsatzinteresse hinsichtlich einer Gewinnmarge wegen verbilligter Abnahme von der Emittentin hinweist.
Sachverhalt
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung aus übergegangenem Recht.
Die Ehefrau des Klägers, Renata K. (Zedentin), war Kundin bei der Filiale der Beklagten in Heidelberg. Die Beklagte schloss mit der Zedentin am 19.1.2006 einen Rahmenvertrag über die Eröffnung eines Kontos und am 15.2.2006 über ein Wertpapierdepot (Anlagen B 1/2). Bei Kontoeröffnung im Januar 2006 wurde dort ein Guthaben in Höhe von 23.000,00 Euro eingezahlt (Anlage K 10).
In der Filiale der Beklagten kam es am 15.2.2006 zu einem Gespräch zwischen der Ehefrau des Klägers und dem Mitarbeiter der Beklagten T. M.. Dabei wurde ein individuelles Risikoprofil für diese erstellt (Anlage K 1/ B7). Dieses Schriftstück wurde von der Zedentin und dem Kundenberater der Beklagten eigenhändig unterzeichnet. Im Ergebnis wurde die Zedentin dort als konservative Anlegerin eingestuft, deren maximaler Risikoanteil 35% betrage. Die Einstufung als konservativ soll nach den Angaben in dem Schriftstück sowohl durch die Beklagte als auch gemäß Äußerung der Zedentin selbst erfolgt sein.
Die Zedentin beabsichtigte damals u.a. einen Betrag von 3.000,00 Euro anzulegen. Am selben Tag zeichnete die Zedentin sodann einen Kaufauftrag über drei Stück des Zertifikats Allegro Inv. 06/11 ZO MTN (Anlage B 8). Der Kauf wurde mit Datum vom 9.3.2006 mit einer Valuta von 3.090,00 Euro durch die Beklagte abgerechnet (Anlage K 11).
Nach Fälligkeit des Papiers wurde am 19.3.2007 ein Bruttobetrag von 3.285,00 Euro dem Konto der Zedentin durch die Beklagte gutgeschrieben (Anlage K 18).
Zum 27.3.2007 wurde zu Gunsten der Zedentin ein Festgeldbetrag bei der Beklagten in Höhe von 30.075,00 Euro fällig (Anlage K 19). Zum 3. bzw. 15.5.2007 wurden zu Gunsten der Zedentin weitere Festgeldbeträge in Höhe von insgesamt 45.116,96 Euro bei der Beklagten fällig (Anlage K 21).
Am 12.4.2007 kam es zu einem erneuten Gespräch zwischen der Zedentin und dem Kundenberater M.. Der Inhalt dieses Gespräches ist zwischen den Parteien streitig. In der Folge erteilte die Zedentin einen Auftrag zum Erwerb von 10 Zertifikate Lehman Brothers Treasury Kupon NTS 12 (Wertpapier-Order, Anlage K 2). In der Auftragsbestätigung wurde angekreuzt, dass mit dem Kunden die Risiken und Funktionsweise der Anlage besprochen worden seien. Maschinell wurde ein Kreuz bei dem Text vorgegeben, dass die Order auf Kundenwunsch und nicht auf Vorschlag der Beklagten erfolgt sei. Außerdem ist der Text vorgegeben, dass beim Kauf von strukturierten Produkten (Zertifikaten) dem Kunden die detaillierten Produktinformationen ausgehändigt worden seien. Angekreuzt ist auch, dass der Kunde auf die Überlassung des Verkaufsprospekts verzichtet habe.
Als Basiswert ist bei diesem Zertifikat der Dow Jones Euro Stoxx 50 Index festgelegt. Dieser enthält die 50 größten und führenden Unternehmen aus unterschiedlichen Marktsektoren. Nach den Bedingungen des Zertifikats erhält der Anleger jährlich eine sogenannte Kuponzahlung in Höhe von 5,5% des Nominalbetrages, wenn der Schlusskurs des Dow Jones Euro Stoxx 50 Index in den jeweils definierten jährlichen Beobachtungsperioden nie auf oder unter 50% seines Werts vom anfänglichen Bewertungstag liegt. Nur wenn der Index in einem Beobachtungszeitraum diese Schwelle unterschreitet, erhält der Anleger in diesem Jahr keinen Zins, hat aber in den folgenden Beobachtungsperioden jeweils erneut die volle Chance auf eine Kuponzahlung. Am Laufzeitende des Zertifikats erhält der Anleger zusätzlich zu seiner Kuponzahlung in Höhe von 5,5% den Nominalwert des Zertifikats in voller Höhe zurück, wenn der Index über der Sicherheitsschwelle von 50% seines Werts vom anfänglichen Bewertungstag liegt. Ist dies nicht der Fall, erhält der Anleger den angelegten Betrag in dem Verhältnis zurück, wie der Wert des Index am anfänglichen Bewertungstag zum Wert des Index am abschließenden Bewertungstag steht (Prospekt, Anlage B 3).
Im Januar 2008 legte die Zedentin zwei Festgeldbeträge bei der Beklagten in Höhe von insgesamt 23.500,00 Euro an (Anlage K 20).
Mit Wertstellung vom 12.5.2008 erhielt die Zedentin 550,00 Euro als Kuponzahlung auf die Zertifikate.
Der Kursverlauf der genannten Zertifikate entwickelte sich seit Dezember 2007 stetig negativ. Am 30.4.2008 hat der Kurswert nur noch 8.269,40 Euro, am 31.7.2008 nur noch 7.696,70 Euro und am 29.8.2008 nur noch 7.242,00 Euro betragen (Anlage K 3).
Zum 30.9.2008 wurde der Kurswert des Zertifikates nach dem Antrag der Lehman Muttergesellschaft auf Gläubigerschutz (Insolvenzverfahren) mit 0,00 Euro angegeben. Im Depot-Status war "kein Kurs "vermerkt.
Die Zedentin sprach aufgrund des Kursverlaufs mehrfach Mitarbeiter der Beklagten deswegen an. Der genaue Inhalt dieser Gespräche ist zwischen den Parteien ebenfalls streitig.
Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 1.12.2008 ließ die Zedentin die Beklagte auffordern, die Ansprüche auf Schadensersatz bis spätestens 10.12.2008 anzuerkennen (Anlage K 5). Zugleich wurde die Anfechtung der Willenserklärung der Zedentin zum Kauf der Papiere und der Widerruf dieser Erklärung mitgeteilt.
Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 30.12.2008 und erklärte, dass Schadensersatzansprüche der Zedentin gegenüber der Beklagten nicht bestehen würden (Anlage K 6).
Die Beklagte teilte der Zedentin mit Schreiben vom 13.1.2009 (Anlage K 4) mit, welche Möglichkeiten sie hinsichtlich ihrer Forderungsanmeldung im Rahmen der Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers habe.
Die Ehefrau des Klägers hat ihr zustehende Ansprüche gegen die Beklagte an den Kläger mit schriftlicher Vereinbarung vom 28.04.2009 abgetreten (Anlage K 9).
Der Kläger behauptet , das Zertifikat sei von dem Kundenberater M. als risikofrei, insolvenzsicher und konservativ bezeichnet worden. Dieser habe geäußert, dass es sich um eine krisensichere Anlage handeln würde. Das einzige Risiko, worauf die Zedentin hingewiesen worden sei, sei die Möglichkeit, dass der Dow Jones Euro Stoxx 50 Index unter 50% oder sogar auf 0 % fallen könne. Dies sei jedoch als völlig unwahrscheinlich dargestellt worden.
Der Erwerb der Zertifikate sollte der Zedentin zur Alterssicherung dienen. Darüber hinaus habe der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau geplant, eine Wohnung zu kaufen, weshalb eine risikoreiche Anlage nicht in Betracht gekommen sei. Der Kläger und seine Ehefrau hätten aus diesem Grund die Gelder gerade in wenig hoch verzinsten Anlageformen angelegt, die jedoch absolut sicher gewesen seien (Finanzstatus vom 31.1.2007 (Anlage K 16). Bereits zum Januar 2007 seien daher bei der Beklagten Beträge in Höhe von insgesamt über 114.000,00 Euro durch die Zedentin weit überwiegend in risikofreien Anlageformen auf dem Girokonto und als Festgeld angelegt gewesen. 75.000,00 Euro hiervon seien sodann im Februar 2007 für den Erwerb der Wohnung verwendet worden. Im Übrigen habe man den Restbetrag in Höhe von 30.000,00 Euro wieder als Festgeld angelegt (Anlage K 19). Dieser Betrag sollte später der Rückführung des Immobiliendarlehens und der Anschaffung von Möbel dienen. Daraus sei zu ersehen, dass die Zedentin keinerlei risikoträchtige Anlagen tätigen wollte.
Der Zedentin sei im Juli und Ende August 2008 von dem Mitarbeiter der Beklagten F. J. in einem persönlichen Gespräch jeweils dringend empfohlen worden, die Zertifikate nicht wie beabsichtigt zu verkaufen, da es sich um übliche Schwankungen des Kurses handele, die keine Bedeutung hätten. Entscheidend sei, was am Ende herauskomme. Die Anlage sei auf fünf Jahre vorgenommen worden und diese Zeit solle abgewartet werden. Die Zedentin habe auf diesen Rat hin die Zertifikate nicht veräußert. Noch Anfang September 2008 habe Herr J. auf Vorhalt des Auszugs per 29.8.2008 durch die Zedentin die Finanzkrise negiert und dringend von einem Verkauf abgeraten. Zu diesem Zeitpunkt wäre es noch möglich gewesen, wenigstens einen Betrag von 7.242,00 Euro zu retten.
Die Beratung durch die Beklagte sei fehlerhaft gewesen, da nicht zu einer konservativen und krisensicheren Anlage entsprechend dem persönlichen Risikoprofil, sondern zu einem höchst spekulativen Produkt geraten worden sei. Die Risiken seien von dem Mitarbeiter der Beklagten beschönigt bzw. verharmlost worden. Der Zedentin sei dabei nicht bewusst gewesen, dass ein Totalverlust des Anlagebetrages eintreten könne. Dieser Fall sei von dem Berater M. als absolut unwahrscheinlich dargestellt worden. Hätte die Zedentin die tatsächliche Lage gekannt, hätte sie eine Festgeldanlage mit einer Rendite von 4 bis 5% im Jahr vorgenommen.
Die Beklagte habe die Zedentin nicht wie notwendig vor Erwerb des Zertifikats auf ihre erhebliche Gewinnmarge hingewiesen. Für die Zedentin sei daher das erhebliche Eigeninteresse an dem Vertrieb der Lehman-Zertifikate nicht erkennbar gewesen, zumal die damalige Muttergesellschaft der Beklagten in den USA eine Großgläubigerin der Lehman-Brothers Muttergesellschaft gewesen sei.
Der Beklagten sei darüber hinaus die sich abzeichnende Finanzkrise ab Dezember 2007 bekannt gewesen. Sie hätte daher die Zedentin darauf hinweisen müssen, frühzeitig einen Verkauf der Papiere vorzunehmen.
Der Erwerb des Zertifikates im Februar 2006 sei ausschließlich auf Anraten des damaligen Beraters der Beklagten M. erfolgt. Die Zedentin habe deswegen noch keine umfangreichen Kenntnisse im Bereich der Wertpapieranlage gehabt.
Die schriftlichen Informationen der Beklagten, Anlagen B 3, B 5 und B 6 habe die Zedentin nie erhalten.
Der Kläger beantragt :
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.200,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4,5 Prozentpunkten hieraus seit dem 12.4.2008 sowie 837,52 EUR an vorgerichtliche Nebenkosten zu bezahlen.
2. hilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.200,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4,5 Prozentpunkten hieraus seit dem 12.4.2008 Zug um Zug gegen Rückgabe von 10 Lehmann Brothers Treasury Co. B.V.-Zertifikaten (Kupon Notes 04.05.12 DJ DE000A0NMXZ5) sowie 837,52 EUR an vorgerichtliche Nebenkosten zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt
Klagabweisung.
Die Beklagte behauptet , dass die Zedentin bereits beim Erwerb des Allegro Zertifikats im Februar 2006 umfassend über die Risiken und Funktionsweise vergleichbarer Zertifikate informiert und daher, was die allgemeinen Risiken anbelangen würde, gar nicht mehr aufklärungsbedürftig gewesen sei.
Das Lehman Zertifikat habe mehrere entscheidende Vorteile in sich vereint. Es habe die Chance auf eine überdurchschnittliche Rendite von 5,5% pro Jahr sogar bei fallenden Kursen bei hoher Sicherheit geboten. Durch die Kopplung an den Dow Jones Euro Stoxx 50 sei eine große Risikostreuung aus verschiedenen Marktsektoren enthalten gewesen. Bei Zeichnung des Zertifikats zwischen dem 2. und 27.4.2007 habe niemand damit rechnen können, dass der Index unter 50% seines Ausgangswertes sinken würde und damit der eingebaute komfortable Risikopuffer unterschritten werden könnte.
Die Zuordnung des Anlegers bei der Beklagten zu einer Risikoklasse erfolge auf Grund umfangreicher Ermittlungen der Risikofaktoren in dem individuellen Risikoprofil. Das Lehman-Zertifikat habe noch in Risikoklasse 3 eingestuft werden können, während die Zedentin hinsichtlich ihrer Risikobereitschaft nach ihren eigenen Angaben in Klasse 4 eingestuft gewesen sei.
Stets würden auch sämtliche Risiken und die Funktionsweise der jeweils von der Beklagten angebotenen Anlage mit dem Kunden besprochen. Neben den allgemeinen Geschäftsbedingungen und den Sonderbedingungen für das Wertpapiergeschäft (Anlage B 4) erhalte jeder Kunde auch die Broschüre „Informationen zu ihren Wertpapiergeschäften" (Anlage B 5), womit die Beklagte den Anforderungen nach § 31 Abs. 3 WpHG i. V. m. § 5 WpDVerOV genüge. Alle Kunden der Beklagten erhielten auch die Broschüre „Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren" (Anlage B 6). Neukunden erhielten diese Broschüre immer bei Eröffnung des Depots.
Die Zedentin sei in ihrer Anlagestrategie nicht ausschließlich sicherheitsorientiert gewesen. Dies gehe auch aus dem Risikoprofil der Zedentin vom 15.2.2006 hervor. Zwar habe die Zedentin eine tendenziell niedrige Risikoneigung, aber keine absolute Sicherheitsorientierung gehabt. Sie habe in dem Risikoprofil selbst angegeben, notwendige Kenntnisse und Erfahrungen für eine fundierte Anlageentscheidung in den Risikoklassen 0,1,3 und 4 zu haben. Als zukünftige maximale Wertpapierrisikoklasse habe sie selbst die Risikoklasse 4 als für sich geeignet angesehen.
So habe die Zedentin bereits am 15.2.2006 in Kenntnis der Risiken und Funktionsweise ein ganz ähnliches Zertifikat wie das streitgegenständliche erworben.
Die Zedentin habe am 12.4.2007 aufgrund der guten Erfahrungen mit dem zuvor erworbenen Zertifikat erneut ein solches erwerben wollen, worauf der Berater M. das streitgegenständliche Lehman-Zertifikat vorgestellt habe. Es habe sich um einen ausdrücklichen Wunsch der Zedentin gehandelt, sodass diese gar nicht weiter hätte beraten werden müssen. Zeitgleich habe sie zudem eine Festgeldanlage in Höhe von 45.000,00 Euro getätigt und damit gerade nicht ihr gesamtes zur Verfügung stehendes Geld in Zertifikate angelegt.
Der Berater M. habe gegenüber der Zedentin die wesentlichen Produkteigenschaften, insbesondere den Risikopuffer von 50% dargestellt und erläutert. Dies räume der Kläger sogar ein. Der Zedentin sei daher das Risiko eines Verlustes bis hin zum Totalverlust bei einem stark negativen Verlauf des Index` bekannt gewesen. Die behauptete Falschberatung hinsichtlich des Emittentenrisikos könne daher schon nicht ursächlich für die Anlageentscheidung gewesen sein, da die Zedentin auch das andere Risiko des Kursverlaufs nicht gescheut habe.
Der Berater M. sei mit der Zedentin aber auch vor dem Kauf des Wertpapiers die schriftliche Produktinformation (Anlage B 3) genau durchgegangen. Ihr seien anhand dieser Produktinformation sämtliche Risiken genannt worden. Deren Erhalt habe die Zedentin auch schriftlich bestätigt. Auch hinsichtlich des Emittentenrisikos sei die Zedentin durch den Berater M. bei diesem Gespräch ausdrücklich aufgeklärt worden. Der Berater M. habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass das Zertifikat insolvenzsicher, konservativ, risikofrei, krisensicher oder ähnliches sei.
Über das Risiko des Totalverlustes sei gesprochen worden, der Berater M. habe dieses jedoch als unwahrscheinlich bezeichnet. Das Kredit- bzw. Emittentenrisiko sei am 12.4.2007 noch völlig unvorstellbar und eher theoretisch gewesen. Dies sei aber auch in den verschiedenen überlassenen Produktinformationen jeweils beschrieben gewesen.
Auch auf die fehlende Einlagensicherung sowie auf die Vergütung der Beklagten sei die Zedentin umfassend mündlich und schriftlich hingewiesen worden. Dies gehe schon aus der schriftlichen Produktinformation und der Wertpapierorder hervor. Der Ausgabeaufschlag, der von der Kundin zu tragen sei, sei mit 2% angegeben und es werde erläutert, dass daneben mögliche Vertriebsgebühren der Emittentin an die Beklagte gezahlt würden, die nicht vom Kunden zu tragen seien.
Die Beklagte sei nicht zu Hinweisen hinsichtlich des Verlaufs der Zertifikate nach Erwerb durch die Zedentin verpflichtet gewesen. Ein Vermögensverwaltungsvertrag habe zwischen der Zedentin und der Beklagten nicht vorgelegen. Nach der Rechtsprechung treffe eine Bank auch nach einer Anlageentscheidung keine fortdauernde Warn- und Überwachungspflicht. Es sei auch keine konkrete Empfehlung gleich welcher Art weder von dem Berater M. noch von dem Berater J. ausgesprochen worden. Eine Beratung sei diesbezüglich ebenfalls nicht erfolgt. Es sei in den Gesprächen lediglich um Informationen über die Wertentwicklung der einzelnen Anlage und über die allgemeine Marktsituation und allgemein um die Frage, welche Argumente für oder gegen einen Verkauf von Wertpapieren sprechen, gegangen.
Für die Beklagte sei auch nicht ab Dezember 2007 erkennbar gewesen, dass die sich abzeichnende Finanzkrise Auswirkungen auf die Bonität der Emittentin haben würde. Es sei schon gar nicht damit zu rechnen gewesen, dass Lehman Brothers Holdings Inc. am 15.9.2008 Gläubigerschutz nach US-Insolvenzrecht beantragen würde. Niemand habe damit gerechnet.
Die Zedentin sei mithin entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anleger- und objektgerecht beraten worden.
Jedenfalls müsse sich der Kläger die Gewinne aus dem vorhergehenden Zertifikatskauf auf den Anspruch anrechnen lassen.
Die Beklagte ist zudem der Auffassung, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Rückvergütungen bei dem Vertrieb von Investmentfonds nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar sei, da es sich um ein Festpreisgeschäft mit einer Marge der Beklagten handele. Die Beklagte sei auch gegenüber Lehman Brothers keine Mindestabnahmeverpflichtung bzgl. der genannten Zertifikate eingegangen. Ein Provisionsinteresse habe damit nicht vorgelegen.
Die Kammer hat gemäß Verfügung vom 28.9.2009 (As. 155) Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Renata K., M. und J.. Auf die Sitzungsniederschrift vom 4.11.2009 (As. 205) wird Bezug genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen in den Akten Bezug genommen.
Aus den Gründen
Die zulässige Klage ist mit dem Hilfsantrag begründet.
1. Der Kläger hat einen Schadensersatzanspruch in Höhe des Anlagebetrages gegen die Beklagte gemäß § 280 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten aus einem Beratungsvertrag aufgrund der Abtretung durch seine Ehefrau.
Die Beklagte verstieß gegen ihre Verpflichtung, zur Vermeidung von Interessenkonflikten den Kläger im Rahmen ihrer Beratung von sich aus darauf hinzuweisen, dass sie wegen des Vertriebs des streitgegenständlichen Zertifikats im Wege von Festpreisgeschäften eine Gewinnmarge erzielt. Damit entstand ein Interessenkonflikt zwischen der Beratung, die nach der schützenswerten Erwartung der Zedentin ausschließlich und vollständig ihren Interessen zu dienen hatte, und den eigenen wirtschaftlichen Interessen, nämlich dem Umsatzinteresse der Beklagten. Eine Aufklärung der Zedentin hierüber ist nach dem festzustellenden Sachverhalt nicht, jedenfalls nicht ausreichend erfolgt. Die Beklagte hat die Zedentin auch pflichtwidrig nicht auf das Fehlen einer Einlagensicherung bei dem Zertifikat hingewiesen.
Diese Unterlassung war schuldhaft und es gilt die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, wonach davon auszugehen ist, dass die Zedentin in Kenntnis dieser Umstände von dem Erwerb des streitgegenständlichen Zertifikats Abstand genommen hätte.
a) Zwischen der Zedentin und der Beklagten ist ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Ein solcher Vertrag kann formlos, auch durch stillschweigende Willenserklärungen geschlossen werden (BGHZ 123, [126f.] = NJW 1993, 2433; WM 2002, [2281f.]). Vom Abschluss eines stillschweigend abgeschlossenen Beratungsvertrags ist auszugehen, wenn der Rat für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist, er ihn zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will und der Auskunftsgeber über eine spezielle Sachkunde verfügt oder er ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt. Diese Voraussetzungen liegen hier unstreitig vor. Die Zedentin hat nach dem Freiwerden eines gewissen Anlagebetrags aus einer vorherigen Geldanlage die Beklagte um Rat bei der Wiederanlage des Geldes ersucht. Für die Beklagte war dabei erkennbar, dass diese Entscheidung bereits angesichts der Höhe des anzulegenden Geldbetrags für die Zedentin von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung war, und sie verfügte als große deutsche Geschäftsbank über die erforderliche Sachkunde.
b) Die Beklagte hat ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Aufklärung des Kunden aus dem konkludent geschlossenen Beratungsvertrag verletzt.
Aufgrund des Beratungsvertrags war die Beklagte zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet. Die Grundsätze der anleger- und objektgerechten Beratung verlangen, dass die Beratung speziell auf die Bedürfnisse, die Interessen, die Vermögensverhältnisse und das Anlageziel des Kunden zugeschnitten sein muss und sich insbesondere auf die Eigenschaften und Risiken der verschiedenen in Betracht kommenden Anlagen zu erstrecken hat (siehe statt vieler: BGHZ 123 [126].
aa) Der Kläger hat eine Verletzung der Pflicht zur anlegergerechten Beratung nicht nachgewiesen.
Die anlegergerechte Beratung bezieht sich auf die Person und insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse dessen, der die Beratung in Anspruch nimmt. Entscheidend für die Pflichten der Bank sind insoweit die Wünsche und Vorstellungen des Kunden und Beratungsempfängers, ferner sein Informationsstand und Erfahrungshorizont sowie seine objektiven wirtschaftlichen Interessen und seine finanzielle Situation.
Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte mit ihrer Empfehlung des Erwerbs des Lehman-Zertifikats der Zedentin zu etwas geraten hätte, das grundsätzlich nicht zu ihrem zugrunde zu legenden Anlegerprofil passte. Insbesondere spricht dafür, dass die Zedentin in Form einer ähnlichen Anleihe (Allegro) bereits in Zertifikate investiert hatte und dass von den hier zur Neuanlage freigewordenen 30.000,00 Euro nur 10.000,00 Euro in das Zertifikat investiert wurden, während die Zedentin den Restbetrag festverzinslich angelegt hat und damit ihr finanzielles Risiko also gestreut hat. Das empfohlene Produkt passt durchaus zur Zedentin, denn es war kein besonders riskantes Wertpapier. Die einzigen Risiken waren ein Fallen des Basis-Index um 50% oder die Insolvenz der Emittentin - Lehmann Brothers. Die Realisierung der beiden Risiken war aus der Sicht des Jahres 2007 sehr unwahrscheinlich bzw. sogar eher theoretischer Natur. Gleichzeitig bot sich dem Anleger die Möglichkeit zu einer vergleichsweise hohen Rendite unabhängig von der Entwicklung der Kapitalmärkte. Das streitgegenständliche Zertifikat hatte schließlich auch keine überlange Laufzeit, so dass es etwa wegen des Alters der Zedentin nicht in Betracht gekommen wäre. Nach alledem durfte die Beklagte ihr grundsätzlich den Kauf der Zertifikate von Lehman Brothers empfehlen.
bb) Die Beklagte hat jedoch ihre Pflicht zur objektgerechten Beratung verletzt.
Die objektgerechte Beratung bezieht sich auf die konkret gewünschte oder als möglich ins Auge gefasste Anlageform. Hier richten sich die Pflichten der Bank in erster Linie danach, welche Anlageobjekte gewollt und mit welchen Vermögensrisiken sie verbunden sind. Eine objektgerechte Beratung erfordert demnach eine Aufklärung des Kunden über die allgemeinen Risiken (z.B. Konjunkturlage, Entwicklung des Kapitalmarkts) sowie die speziellen Risiken, die sich aus den besonderen Umständen des Anlageobjekts ergeben (BGH, NJW 2006, 2041).
Während eine Aufklärung über diese Umstände richtig und vollständig zu sein hat, muss die Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein. Der Kunde trägt damit das Risiko, dass sich eine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist (BGH, a.a.O.).
Gemessen an diesen Anforderungen ist der Beklagten ein Verstoß gegen die Grundsätze der objektgerechten Beratung vorzuwerfen.
(1) Allerdings hat es die Beklagte insoweit nicht versäumt, die Zedentin über ein für sie zum Zeitpunkt der Beratung am 12.4.2007 erkennbares spezifisches Risiko einer Insolvenz von Lehman Brothers aufzuklären. Zu diesem Zeitpunkt verfügte die Beklagte über keine spezifischen Hinweise auf Zahlungsschwierigkeiten oder gar eine bevorstehende Insolvenz von Lehman Brothers, die sie an ihre Kunden hätte weitergeben müssen. Der Kläger hat solche Umstände nicht dargetan. Er hat allein die theoretische Möglichkeit einer allgemeinen Krise des Systems behauptet, mit der auch die Beklagte hätte rechnen müssen. Dies genügt aber nicht für die Annahme, es hätten Anfang 2007 konkrete Hinweise auf eine mögliche Insolvenz im Herbst 2008 vorgelegen.
Zwischen den Parteien ist auch streitig, ob eine Aufklärung über das allgemeine Emittentenrisiko erfolgt ist.
Grundsätzlich trägt der Anleger beim Erwerb von Zertifikaten, die rechtlich als Inhaberschuldverschreibungen im Sinne der §§ 793 ff. BGB zu qualifizieren sind, neben den Risiken, die sich aus den dem Zertifikat zu Grunde liegenden Basiswerten ergeben, das Bonitätsrisiko des Emittenten. Hinweise auf das allgemein bestehende Emittentenrisiko finden sich sowohl in dem Produktflyer (Anlage B3) als auch in den „Basisinformationen Vermögensanlage in Wertpapieren" der Beklagten (Anlage B6). Der Kläger bestreitet jedoch, dass die Zedentin die schriftlichen Informationen neben dem sog. Flyer erhalten habe. Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben, da die Beklagte ihre Pflicht zur objektgerechten Beratung bereits aus mindestens einem weiteren Grund verletzt hat. Über die Funktionsweise des Zertifikats ist die Zedentin offenbar von dem Berater M. ausreichend informiert worden, da sie dies in ihrer Zeugenaussage bestätigte.
(2) Die Beklagte hat ihre Pflicht zur objektgerechten Beratung dadurch verletzt, dass sie die Zedentin nicht darüber aufgeklärt hat, dass das streitgegenständliche Zertifikat nicht von einem Einlagensicherungssystem gedeckt ist und sie somit von einer „gesicherten" (Festgeld bzw. Giro-Einlage) in eine „ungesicherte" (Lehman-Zertifikat) Anlage wechselt. Hierbei handelt es sich um einen jedenfalls für einen vergleichsweise unerfahrenen Anleger wie die Zedentin für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umstand.
Dies wird im vorliegenden Fall speziell durch die Aussage der Zedentin belegt, dass sie bei Kapitalanlagen stets auf Sicherheit geachtet und sich als konservative Anlegerin übereinstimmend mit der Beklagten gesehen habe. Die Aufklärung über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Sicherungseinrichtung für Einlagen ist auch eine objektiv gebotene Pflicht der Beklagten als Kreditinstitut. Für den Anleger macht es einen erheblichen Unterschied, ob ihm im Fall des finanziellen Zusammenbruchs des Emittenten eine Sicherungseinrichtung zur Verfügung steht oder nicht. Denn aus Sicht eines vernünftigen Anlegers bietet eine Anlage mit Einlagensicherung mehr Sicherheit als eine Anlage ohne ein derartiges Sicherungssystem. Der auf Sicherheit bedachte konservative Anleger wie die Zedentin wird daher eine so gesicherte Anlageform bevorzugen.
Der BGH hat bereits festgestellt, dass die Informationspflichten der Banken nach § 23a KWG Anleger schützende Funktion haben (NJW 2009, 3429). Demnach muss jede Bank Kunden, die nicht Institute sind, vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung in Textform in leicht verständlicher Form über die für die Sicherung geltenden Bestimmungen einschließlich Umfang und Höhe der Sicherung zu informieren.
Der BGH hat in der genannten Entscheidung auch angenommen, dass es im Rahmen eines Beratungsvertrages eine Pflichtverletzung aufseiten der Bank darstellt, wenn sie ein eigenes Produkt empfiehlt, das nicht der Einlagensicherung unterliegt, wenn der Kunde auf Nominalsicherheit Wert legt. Es muss daher umso mehr gelten, wenn der konservative sicherheitsbedachte Anleger Produkte empfohlen bekommt, die nicht von der Bank selbst stammen und schon wegen ihrer Natur einem Sicherungssystem nicht unterfallen.
Ein Hinweis auf die fehlende Einlagensicherung wurde der Zedentin nicht ausreichend in dem Produktflyer Zertifikate (Anlage B3) erteilt. Der äußerst klein gedruckte Hinweis auf der letzten Seite ist für einen durchschnittlichen Leser nicht ohne technische Hilfsmittel ohne weiteres entzifferbar. Er gilt daher nicht als erteilt, so wie zu klein gedruckter und damit nicht lesbarer Vertragstext z.B. in AGB nicht Vertragsbestandteil wird (LG Köln, 18 O 351/08, vom 21.1.2009; BGH NJW-RR 1986, 1311).Zudem lässt der in dem oberhalb gedruckten Kästchen enthaltene Text zur führenden Rolle von Lehman Brothers einen solchen Hinweis im Kleinstgedruckten auch nicht erwarten.
Die gebotene Aufklärung erfolgte auch nicht durch Überreichung der „Basisinformationen über die Vermögensanlage in Wertpapieren" (Anlage B6). Diese Broschüre der Beklagten enthält gerade keinen expliziten und damit verständlichen Hinweis darauf, dass die erworbenen Zertifikate einem deutschen Einlagensicherungssystem nicht unterfallen. Soweit sich aus dem dort auf Seite 28 unter der Überschrift „Sicherheitsmerkmale verzinslicher Wertpapiere in Deutschland" und der Unterüberschrift „Mündelsicherheit" enthaltenen Hinweis, dass zu den mündelsicheren Wertpapieren „sonstige Schuldverschreibungen von Kreditinstituten, die einer für die Anlage ausreichenden Sicherungseinrichtung angehören" gehören, der Schluss ziehen lassen sollte, dass für Produkte ausländischer Emittenten keine derartige Sicherungseinrichtung besteht, reicht dies für eine ordnungsgemäße Aufklärung nicht aus. Der Hinweis ist weder hinreichend deutlich, noch erwartet man an dieser Stelle der Broschüre im Abschnitt über die Sicherheit festverzinslicher Wertpapiere eine Aufklärung über die auch sonst nicht näher erklärten Systeme der Einlagensicherung. Unter der Überschrift „Emittenten/Schuldverschreibungen ausländischer Emittenten" gibt es jedenfalls keinen entsprechenden Hinweis.
Darüber hinaus hat zwar der Kläger zu beweisen, dass die Zedentin das Informationspapier nicht erhalten hat, doch hat die Beklagte hier schon nicht vorgetragen, wann und wie sie der Zedentin dieses übergeben haben will. Sie hat nur pauschal behauptet, alle Kunden würden dies bei der Depot-Eröffnung erhalten, woraus nicht ersichtlich ist, wann und wie die Zedentin es im Jahr 2006 erhalten haben will. Zudem würde eine Übergabe gut ein Jahr vor der Beratung zum streitgegenständlichen Zertifikat nicht mehr ausreichen, wenn die Zedentin nicht ausdrücklich auf dessen Inhalt verwiesen worden wäre. Die Beklagte hat damit auch nicht den Anforderungen nach § 23a KWG genügt (vgl. BGH NJW 2009, 3429).
Eine Aufklärung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Zedentin klar sein musste, dass das Zertifikat nicht der Einlagensicherung der deutschen Banken unterfällt. Dies ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten jedenfalls nicht aus dem Produktflyer (Anlage K3), in dem maßgeblich und ausschließlich auf den Aspekt der Bonität von Lehman Brothers abgestellt wurde. Der von der Beklagten hieraus gezogene Rückschluss, dass es eine Einlagensicherung nicht geben könne, ist nicht zulässig, weil auch ein Anleger, dessen Anlage einem derartigen Einlagensicherungssystem unterfällt, das Insolvenzrisiko des Emittenten trägt und deshalb hierüber aufzuklären ist. Er bekommt nur - möglicherweise aber nicht einmal vollständig - einen Ausgleich im Fall eines Totalverlusts. Die Übernahme eines Bonitätsrisikos des Emittenten ist somit zwangsläufige Voraussetzung eines Eingreifens der Institutssicherung. Ob diese besteht oder nicht, ist jedoch ein weiterer, für die Anlageentscheidung bedeutender Gesichtspunkt, über den die Bank ihren Kunden ausdrücklich aufzuklären hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein Kunde zuvor eine Anlage hatte, die von der Einlagensicherung wie das Festgeld oder das Giro-Konto erfasst war, und er in eine solche Anlage wechselt, die keine derartige Sicherheit bietet, etwa weil es sich um einen ausländischen Emittenten handelt. In diesem Fall ist der Grund für die Aufklärungsbedürftigkeit der Wegfall einer zuvor bestehenden zusätzlichen Sicherheit für den Erhalt des Kapitals. Der alleinige Hinweis auf die Tragung des Emittentenrisikos, ohne dem Anleger zu verdeutlichen, dass er das tatsächliche Totalausfallrisiko selbst trägt, genügt daher nicht.
Die Beklagte hat auch nicht mündlich ausreichend auf die fehlende Einlagensicherung hingewiesen.
Die Beklagte hat schon nur pauschal behauptet, die Zedentin sei auf die fehlende Einlagensicherung hingewiesen worden (Schriftsatz vom 5.8.2009, S. 29, As. 85). Die Beklagte verweist dazu allein auf den Inhalt der angeblich überlassenen schriftlichen Informationen, legt aber nicht dar, wo dazu etwas stehen soll und dass dies der Zedentin auch mündlich durch den Berater M. erläutert worden sein soll.
Der Zeuge M. hat zwar erklärt, er habe im Zusammenhang mit der Erläuterung der Eigenschaft des Zertifikats als Inhaberschuldverschreibung darauf hingewiesen, dass es kein normales Bankprodukt sei und daher nicht unter die Einlagensicherung falle. Die Kammer hat aber an diesem Punkt Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage. Der Zeuge hat auch erklärt, dass bzgl. einer Insolvenz von Lehman Brothers kein Anlass zur Erörterung bestanden habe. Eine Darstellung der Anlageform als insolvenzsicher sei daher absurd. Dass er aber dennoch ausreichend deutlich auf die fehlende Insolvenzsicherung in verständlicher Form hingewiesen haben will, erscheint wenig lebensnah und wahrscheinlich. Es erscheint eher wahrscheinlich, dass das Risiko wegen des Verlaufs des Index, wie auch von der Zeugin K. bestätigt, besprochen wurde, dass aber das Emittentenrisiko und vor allem in der Folge die fehlende Einlagensicherung wie von der Zeugin geschildert nicht angesprochen wurden.
Die Kammer hält es daher für erwiesen, dass eine ausreichende Aufklärung insoweit nicht erfolgt ist, zumal die schriftlichen Informationen der Beklagten hierzu auch schon nicht klar sind.
(3) Die Beklagte hat es ferner pflichtwidrig unterlassen, die Zedentin über die zu erwartende Gewinnmarge aus dem Vertrieb des streitgegenständlichen Zertifikats aufzuklären.
Die Pflicht zur Aufklärung über den zu erwartenden Gewinn folgt aus einer entsprechenden Anwendung der sog. „Kick Back"-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Aufklärungspflicht der Bank über Rückvergütungen an die Bank beim Vertrieb von Fondsanteilen aus dem Ausgabeaufschlag oder anderen Teilen des vom Anleger zu zahlenden Betrags.
Nach dieser vom XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in drei Entscheidungen entwickelten Rechtsprechung (BGHZ 146, 235 = NJW 2001, 962 - „Kick Back I"; BGHZ 170, 226 = NJW 2007, 1876 - „Kick Back II"; BGH, NJW 2009, 1416 - „Kick Back III") besteht eine Pflicht der Bank zur Offenlegung von verdeckten Rückvergütungen aus den Ausgabeaufschlägen und jährlichen Verwaltungsgebühren (sog. „Kick Backs"). Nach dieser Rechtsprechung ist die Aufklärung über die Rückvergütung notwendig, um dem Kunden einen insofern bestehenden Interessenkonflikt der Bank (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) offenzulegen. Erst durch die Aufklärung werde der Kunde in die Lage versetzt, das Umsatzinteresse der Bank selbst einzuschätzen und zu beurteilen, ob die Bank ihm einen bestimmten Titel nur deswegen empfiehlt, weil sie selbst daran verdient. Wenn eine Bank einem Kunden ohne Zwischenschaltung eines Vermögensverwalters berät, Anlageempfehlungen abgibt und dabei an den empfohlenen Fonds durch Rückvergütungen verdient, seien die Kundeninteressen durch die von der Bank erhaltenen Rückvergütungen gefährdet. Es bestehe die konkrete Gefahr, dass die Bank Anlageempfehlungen nicht allein im Kundeninteresse nach den Kriterien anleger- und objektgerechter Beratung abgibt, sondern zumindest auch in ihrem eigenen Interesse, möglichst hohe Rückvergütungen zu erhalten (BGH, NJW 2007, 1876 [1878]). Bei der Offenlegung von Rückvergütungen gehe es um die Frage, ob eine Gefährdungssituation für den Kunden geschaffen werde. Deshalb sei es geboten, den Kunden über etwaige Rückvergütungen aufzuklären und zwar unabhängig von der Rückvergütungshöhe (BGH, NJW 2009, 1416 [1417]).
Diese Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Zwar geht es vorliegend nicht um die Zahlung einer bestimmten Provision durch einen Dritten. Sinn und Zweck der BGH-Rechtsprechung gebieten jedoch eine Ausdehnung der „Kick Back"-Rechtsprechung auf die Aufklärungspflicht einer Bank in Bezug auf eine Gewinnmarge beim Eigenvertrieb von Finanzmarktprodukten (LG Hamburg ZIP 2009, 1311; 2009, 1948; WM 2009, 1511; vgl. LG Frankfurt/M. WM 2008, 1061; LG Chemnitz WM 2009, 1505).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll der Anleger über ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse seines Beraters aufgeklärt werden, um beurteilen zu können, ob die Beratung ausschließlich im Kundeninteresse erfolgte oder ob eigene Interessen des Beraters oder der Bank im Hinblick auf das Umsatzinteresse ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Dieser Gedanke passt auf die Aufklärungspflicht über die Höhe einer Marge in gleicher Weise wie hinsichtlich der Zahlung von Provisionen. Dass es hierbei nicht um eine Zuwendung von Dritten - wie bei der Zahlung verdeckter Innenprovisionen oder Rückvergütungen - geht, sondern nur eine Zweierbeziehung Bank-Kunde vorliegt, steht dem nicht entgegen, weil das Schutzbedürfnis des Kunden das gleiche ist und es wirtschaftlich keinen Unterschied macht, ob die Bank ein Papier schon erworben hat und mit Gewinn weiterveräußert, oder ob dieses erst noch bei einem Drittem zu erwerben ist und dann für die Bank eine Provision fällig wird. Würde man dies anders sehen, wäre eine Umgehung der Grundsätze aus der „Kick Back"-Rechtsprechung des BGH ganz einfach dadurch möglich, dass Provisionen als Margen ausgestaltet würden. Im Übrigen ist der Vertrieb der Lehmann Papiere auch so gestaltet gewesen, dass teilweise Vertriebsprovisionen an die Banken gezahlt wurden, sodass es tatsächlich vom Zufall der Vereinbarung der Bank mit dem Emittenten abhängt, ob der Renditeerwartung der Bank über eine Provision oder eine Marge Rechnung getragen wird (siehe: LG Chemnitz, WM 2009, 1505).
Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten steht § 32d WpHG einer Übertragung der „Kick Back"-Rechtsprechung auf die Gewinnmarge nicht entgegen. Zwar ist eine derartige Aufklärungspflicht aufsichtsrechtlich nicht geregelt. Daraus kann jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass deshalb auch zivilrechtlich eine entsprechende Pflicht nicht besteht. Insoweit gilt nach der Rechtsprechung des BGH unabhängig vom Aufsichtsrecht eine allgemein anerkannte zivilrechtliche Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten (BGH, XI ZR 510/07, ZIP 2009, 455).
Auch ein etwaiges Geheimhaltungsinteresse der Bank an ihrer Gewinnmarge steht einer Aufklärungspflicht gegenüber dem Kläger nicht entgegen. Zwar ist der Beklagten durchaus zuzugeben, dass Gewinnmargen grundsätzlich zu den schutzwürdigen Geschäftsgeheimnissen von Wirtschaftsunternehmen gehören. Das kann für Banken jedoch nicht uneingeschränkt gelten. Insoweit ist zu differenzieren. Hat das Kundengespräch eindeutigen Verkaufscharakter, so dürfte keine Aufklärungspflicht bestehen, da die Bank insoweit ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse in Bezug auf ihre Marge wie jedes andere Unternehmen für sich reklamieren kann. Hat das Gespräch dagegen Beratungscharakter, ist die Bank zur Auskunft über ihre Marge und ein etwaiges Absatzrisiko im Rahmen des Beratungsvertrags verpflichtet, da der Kunde im Beratungsgespräch - anders als beim Verkaufsgespräch - zu Recht eine an seinen objektiven Interessen orientierte Beratung erwartet und deshalb wissen muss, wenn für bestimmte Empfehlungen ein wirtschaftliches Eigeninteresse der Bank maßgeblich war. Da hier zwischen den Vertragsparteien unstreitig ein Beratungsvertrag bestand, stehen die Geheimhaltungsinteressen der Beklagten einer Aufklärungspflicht über ihre Marge nicht entgegen.
Soweit der BGH in der genannten Rechtsprechung darauf abhebt, dass die Rückvergütungen „hinter dem Rücken" des Anlegers gezahlt werden, geht es nach zutreffendem Verständnis nicht um eine irgendwie arglistige Geheimhaltung durch die Bank, sondern allein darum, dass dies ohne Kenntnis des Anlegers geschieht.
Es kann auch nicht danach differenziert werden, ob ein Ausgabeaufschlag oder ein Agio vom Anleger gezahlt wurden und damit eine Art stillschweigende Täuschung über das Anfallen von weichen Kosten vorliegt. Jedenfalls wurde im vorliegenden Fall gerade auch ein Ausgabeaufschlag von 2% erhoben, sodass der Fall auch in dieser Hinsicht mit den vom BGH entschiedenen Fällen beim Vertrieb von Immobilien- oder Medienfonds-Anteilen vergleichbar ist.
Die Argumente der Gegenansicht (OLG Celle ZIP 2009, 2091; OLG Frankfurt ZIP 2009, 1708; OLG Hamburg WM 2009, 2036 zu GM-Anleihen) tragen nach Auffassung der Kammer nicht.
Dass der Bankkunde im Festpreisgeschäft immer damit rechne, dass die Bank nicht umsonst tätig werde und er daher davon ausgehen müsse, dass sie eine Gewinnmarge einkalkuliert habe, da sie das Produkt sonst augenscheinlich nicht anbieten würde, lässt sich nicht in Einklang mit der BGH-Rechtsprechung zu den Rückvergütungen bringen. Der Kunde könnte bei der Beratung zum Erwerb von Fondsanteilen von Drittanbietern ebenso gut davon ausgehen, dass die Bank dies nicht als kostenlosen Service anbietet. Hier müsste noch eher angenommen werden, dass der Kunde wissen müsste, die Bank werde diese Vermittlung von Fremdprodukten nur gegen Vergütung machen. Außerdem ist für den Kunden in Fällen wie dem vorliegenden, in denen ein Ausgabeaufschlag erhoben wird, nicht transparent, dass die Bank hieraus etwas erhält, wie dies auch bei den meisten Fondsprodukten der Fall war.
Auch dass hier ein Eigengeschäft vorliegt, da die Bank das Produkt selbst veräußert, ist kein tragfähiges Kriterium zur Differenzierung, da die Emittentin Lehman Brothers als Dritte jedenfalls wirtschaftlich beteiligt ist und der Kunde gerade kein eigenes Produkt der Beklagten erwirbt. Dabei wäre zu fragen, inwieweit ein Kunde mit den Kenntnissen der Zedentin überhaupt erkennt, dass ein Erwerb von der Beklagten selbst und nicht unmittelbar von der Emittentin erfolgt. Zur Frage der Zufälligkeit der Ausgestaltung als Provisions- oder Gewinnmargenmodell wurde oben bereits ausgeführt. Mit den Argumenten setzt sich die Gegenauffassung nicht auseinander.
Anders als das OLG Celle andeutet, geht es bei dieser Frage auch nicht darum, ob der Wert des erworbenen Papiers dadurch geringer sein könnte, als dem Kunden suggeriert wird. Ausgangspunkt ist die Kenntnis des Beratungskunden vom Umsatzinteresse der Bank, die nach dem Beratungsvertrag zur neutralen interessengerechten Beratung des Kunden verpflichtet ist, und die in diesem Pflichtenkreis durch eigene erhebliche monetäre Interessen beeinflusst sein kann.
Die Beklagte hat auf diese Marge nicht ausreichend hingewiesen.
Dass auf die Gewinnmarge hingewiesen wurde, wird von der Beklagten nicht substantiiert behauptet. Der Hinweis im Produkt-Flyer findet sich nur in dem unleserlich Kleingedruckten und enthält auch nicht den nach dem BGH notwendigen konkreten Hinweis, welcher Betrag tatsächlich der Beklagten durch den Erwerb der Zertifikate zufließt.
c) Die Beklagte hat die vorgenannten Pflichtverletzungen im Sinne des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zu vertreten.
Die Beklagte handelte schuldhaft, denn ihr musste die Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten und zur Mitteilung von zweckdienlichen Informationen gemäß § 32 WpHG bekannt gewesen sein. Danach konnte und musste ihr klar sein, dass sie den latenten Interessenkonflikt zwischen den eigenen Gewinnerzielungsinteressen auf der einen Seite und den Interessen des Kunden auf der anderen Seite am besten dadurch begegnet, dass sie dem Kläger ihre Gewinnmarge und das bestehende Absatzrisiko mitteilt, so dass dieser in die Lage versetzt wird, selbst zu beurteilen, ob die Beklagte ihm das Zertifikat in seinem Interesse oder aus dem eigenen Interesse an der Gewinnmarge empfiehlt. Gleiches gilt für die Nichtaufklärung über das Nichtbestehen einer Einlagensicherung.
Insoweit kann sich die Beklagte nicht auf einen Rechtsirrtum berufen. Dieser wäre jedenfalls nicht unvermeidlich gewesen. Das wäre jedoch erforderlich gewesen, denn eine Fahrlässigkeit der als Aufklärungspflichtige insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten würde nur dann entfallen, wenn der Rechtsirrtum unvermeidlich war. Zum Zeitpunkt des hier streitgegenständlichen Beratungsgesprächs im April 2007 war die erste Entscheidung der BGH zu den Rückvergütungen bereits veröffentlicht. Die Beklagte kann daher nicht behaupten, sie hätte noch nicht wissen können, dass ihr derartige Pflichten von der Rechtsprechung auferlegt werden könnten. Bei der im Bankverkehr gebotenen Sorgfalt hätte die Beklagte die mit dem Vertrieb der streitgegenständlichen Zertifikate befassten Anlageberater daher entsprechend instruieren oder auf andere Weise für eine Unterrichtung der Anleger sorgen müssen (vgl. OLG Karlsruhe, NZG 2009, 1155).
Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 20.01.2009, XI ZR 510/07, (NJW 2009, 1416 [1417]) die Entscheidungserheblichkeit der Pflichtverletzung uneingeschränkt bejaht, obwohl in dem dort zu beurteilenden Fall die Fondsbeteiligung bereits im Mai 2001 und damit jedenfalls lange vor der „Kick Back II"-Entscheidung, in der erstmals die Pflicht zur Offenlegung verdeckter Innenprovisionen postuliert wurde, vermittelt worden war.
d) Dem Kläger ist ein ersatzfähiger Schaden entstanden. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Anleger, der auf Grund einer fehlerhaften Empfehlung eine für ihn nachteilige Kapitalanlage erworben hat, bereits durch deren Erwerb geschädigt (BGH, NJW 2005, 1579 [1580]). Wer durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrags verleitet wird, kann sogar bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung einen Vermögensschaden (§ 249 BGB) dadurch erleiden, dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH, a.a.O.). Der Anleger ist bei der gebotenen wertenden Betrachtung vom Zeitpunkt des Erwerbs eines Wertpapiers an, das mit den von ihm verfolgten Anlagezielen nicht in Einklang steht, nicht nur einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sondern bereits geschädigt (BGH, a.a.O.). Aus diesem Grund kommt es noch nicht einmal darauf an, dass es wegen der Insolvenz der Emittentin Lehman Brothers T. Co. B.V. und der Garantiegeberin Lehman Brothers H. Inc. sehr unwahrscheinlich ist, dass die Zedentin das investierte Kapital in Höhe von 10.000,00 Euro zuzüglich eines Ausgabeaufschlags von 200,00 Euro bei Fälligkeit zurückerhalten wird, was zwischen den Parteien im Übrigen unstreitig ist. Der Kläger hat damit unabhängig von der Höhe einer etwaigen Insolvenzquote einen Schaden in Höhe von 10.200,00 Euro erlitten.
e) Steht wie im vorliegenden Fall eine Aufklärungspflichtverletzung fest, streitet für den Anleger die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, das heißt, dass der Aufklärungspflichtige beweisen muss, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte, er also den unterlassenen Hinweis unbeachtet gelassen hätte. Diese Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens gilt grundsätzlich für alle Aufklärungsfehler eines Anlageberaters, also auch für die unterlassene Aufklärung bezüglich der fehlenden Einlagensicherung und die fehlende Aufklärung über Rückvergütungen (zu letztem ausdrücklich BGH, Urteil vom 12.05.2009, Az. XI ZR 586/07, DB 2009, 1529; zuvor bereits OLG Karlsruhe, a.a.O.).
Diese neueste Rechtsprechung zur Kausalität beim Verschweigen von Rückvergütungen, der das erkennende Gericht im Ergebnis folgt, ist auch auf den Fall der pflichtwidrigen Nichtaufklärung über eine Gewinnmarge zu übertragen (so bereits Landgericht Frankfurt a.M., WM 2008, 1061, Rn. 124ff., für den Fall, dass eine Gewinnmarge durch die beklagte Bank bei SWAP-Geschäften im Prozess nicht offen gelegt wurde); denn in Bezug auf das Verhältnis zwischen Bank und Bankkunde liegt insoweit eine identische Interessenlage vor. Gleiches gilt im Ergebnis auch für die Pflicht zur Aufklärung über die fehlende Einlagensicherung. Zum Zweck einer Aufklärungspflicht gehört unter anderem, dem Berechtigten von vornherein die Möglichkeit zu geben, sich aufgrund der Aufklärung entscheiden zu können, und ihm damit eine später auftretende Beweisnot, wie er sich bei gehöriger Aufklärung verhalten hätte, zu ersparen. Dem Ersatzberechtigten wäre wenig damit gedient, wenn er seinen Vertragspartner zwar an sich aus schuldhafter Verletzung einer solchen Hinweispflicht in Anspruch nehmen könnte, er aber regelmäßig daran scheitern würde, dass er den meist schwer zu führenden Beweis nicht erbringen könnte, wie er auf den Hinweis reagiert hätte, wenn er gegeben worden wäre. Der Aufklärungspflichtige dagegen hätte nicht viel zu befürchten, wenn er bei Verletzung seiner Hinweispflicht sich darauf zurückziehen dürfte, dass kaum zu beweisen sei, was der andere Teil auf den Hinweis getan hätte. Damit würde der mit der Aufklärungspflicht verfolgte Schutzzweck verfehlt (vgl. bereits Landgericht Frankfurt a.M., a.a.O.).
Die Rechtsprechung, wonach es bei der Beweislast für den Ersatzberechtigten bleibt, weil eine ordnungsgemäße Aufklärung mangels einer einzigen Möglichkeit aufklärungsrichtigen Verhaltens nur zu einem Entscheidungskonflikt für ihn geführt hätte (in diese Richtung jüngst wieder in einem Fall zur Steuerberaterhaftung BGH, NJW 2009, 1591) steht dem nicht entgegen. Denn während es in den typischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterhaftungs-Fällen, zu denen die Rechtsprechung die genannte Einschränkung der grundsätzlich auch dort geltenden Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens entwickelt hat, regelmäßig um die Frage geht, ob der Ersatzberechtigte eine bestimmte Maßnahme (z.B. die Vornahme einer Investition mit dem Ziel der Steuerersparnis) überhaupt ergriffen hätte und die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens deshalb nicht greifen kann, wenn es wegen verschiedener sinnvoller Handlungsmöglichkeiten ein aufklärungsrichtiges Verhalten gar nicht gibt, geht es vorliegend um die Frage, ob ein Bankkunde, dem bestimmte, von der Rechtsprechung als für seine Anlageentscheidung als relevant angesehene Informationen nicht erteilt wurden, von dieser Anlage bei gehöriger Aufklärung abgesehen hätte. Auch wenn es insoweit verschiedene vernünftige Anlagealternativen gegeben hätte, so haben diese doch alle gemeinsam, dass es sich hierbei nicht um die tatsächlich gewählte, mit einem Aufklärungsmangel behaftete Anlage handelt. Deshalb ist es richtig, zunächst eine Vermutung zu begründen, wonach der Ersatzberechtigte, dem relevante Informationen verschwiegen wurden, Abstand von der gewählten Anlage genommen hätte und in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die aufklärungspflichtige Bank Umstände darlegen kann, die es als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Kunde die Anlage gleichwohl gewählt hätte. Andernfalls hätte der BGH die Vermutung auch nicht zur Anwendung gelangen lassen dürfen, da immer die theoretische Möglichkeit besteht, dass der Anleger andere Anlageformen gewählt hätte.
Die Beklagte hat die danach gegen sie sprechende Vermutung nicht widerlegen können. Die Nichtaufklärung über die Gewinnmarge und das Herausfallen aus der Einlagensicherung der deutschen Banken sind nach Ansicht des Gerichts in einer Gesamtschau ausreichende Gründe, die es plausibel erscheinen lassen, dass die Zedentin bereits bei insoweit vollständiger Aufklärung das Zertifikat nicht erworben hätte. Hinsichtlich der Gewinnmarge folgt dies insbesondere auch aus dem Empfehlungsanreiz, den die Mitarbeiter der Beklagten - zumindest aus der relevanten Sicht der Zedentin zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung - wegen des Umsatzinteresses der Beklagten haben mussten. Hier erscheint es dem Gericht als wahrscheinlich, dass die Zedentin lebensnah die Empfehlung der Beklagten zumindest stark hinterfragt hätte.
Die Beklagte hat zudem nicht dargetan, wie hoch die Gewinnmarge tatsächlich war. Dass auch schon geringere Höhen bei Rückvergütungen potentiell den Anleger abhalten können, zeigt sich schon an der Kick Back III-Entscheidung des BGH, wonach die Bank über Rückvergütungen unabhängig von der Rückvergütungshöhe aufklären muss (BGH, Beschluss vom 20.01.2009, XI ZR 510/07, NJW 2009, 1416 [1417]).
Kommt dazu noch die fehlende Aufklärung über die nicht vorhandene Einlagensicherung der deutschen Banken, so erscheint es der Kammer als durchaus möglich, dass die Zedentin das Zertifikat im Hinblick auf die weiteren Risiken, insbesondere beim Verlauf des Index, tatsächlich nicht erworben hätte, weil sie ein anderes Produkt mit einem aus ihrer Sicht weniger schlimmen Risikoszenario bevorzugt hätte.
Die Beklagte kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass der Zedentin der Fall des Zusammenbruchs des Weltfinanzsystems als theoretische Möglichkeit erläutert wurde und diese nicht von der Anlage abgehalten wurde. Denn nach der Vorstellung eines durchschnittlich verständigen Anlegers musste eine Anlage, für die es eine Einlagensicherung gibt, gegenüber nicht gesicherten Produkten zumindest sicherer - wenn vielleicht möglicherweise auch nicht hinreichend sicher - erscheinen. Ansonsten wären derartige Sicherungssysteme überflüssig.
Es kann aber auch davon ausgegangen werden, dass schon der fehlende Hinweis auf die Gewinnmarge die auf Sicherheit bedachte konservative Zedentin abgeschreckt hätte, da sie dann lebensnah den betroffenen Teilbetrag mit geringfügig geringeren Zinsen sicher und ohne gesteigertes Umsatzinteresse der Beklagten hätte anlegen können, wie sie es mit dem Restbetrag getan hatte.
2. Der Kläger kann aber Schadensersatz nur Zug-um-Zug gegen Rückübertragung der Anteile des Zertifikats verlangen, da er bzw. die Zedentin sonst besser stünden, als zuvor ohne die fehlerhafte Beratung. Ob Annahmeverzug vorliegt, ist ggf. nur eine Frage der Zwangsvollstreckung.
3. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stehen dem Kläger im tenorierten Umfang als Teil des zugesprochenen Schadensersatzes gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu.
4. Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 249, 252 BGB.
Der Kläger macht in der Sache keine Verzugszinsen, sondern entgangenen Gewinn geltend.
Der Kläger macht geltend, dass die Zedentin ohne weiteres ein festverzinsliches Produkt statt der Zertifikate erworben hätte, das mit 4 bis 5 % p.a. verzinst worden wäre. Die Kammer geht davon aus, dass die Zedentin bei Abstandnahme vom Kauf der Zertifikate weiter wie bisher bei der Beklagten in ein Festgeldkonto investiert hätte.
Dafür spricht, dass die Zedentin bei der Beklagten seit Eröffnung des Kontos und des Depots mit Ausnahme des Allegro Zertifikats nur Giro- oder Festgeldkonten unterhielt. Dass sie bei einer Entscheidung gegen das Lehman Papier ein anderes Zertifikat erworben hätte, ist nicht anzunehmen. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sie ein festverzinsliches Bankprodukt erworben hätte.
Der Kläger hat aber nicht dargetan, welches Produkt konkret erworben worden wäre. Er will allein davon ausgehen, dass eine Festgeldanlage zu 4 bis 5% erworben worden wäre. Dass es eine solche Anlagemöglichkeit bei der Beklagten im April 2007 gegeben hat, ist nicht vorgetragen. Vielmehr liegen Kontoauszüge vor, wonach die Zedentin im fraglichen Zeitraum zwei Festgeldkonten mit 3,1% p.a. eröffnet hatte (Anlage K21). Dass mithin von der Zedentin Festgeldprodukte zu 4 bis 5 % p.a. erworben worden wären, ist nicht ersichtlich. Die Kammer legt daher den Zinssatz der tatsächlichen Anlagen zugrunde. Dies entspricht in der Größenordnung auch der volumengewichteten durchschnittlichen Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank für Einlagen privater Haushalte bei einer Laufzeit über 2 Jahren im Neugeschäft ( www.bundesbank.de/ statistik/statistik_zeitreihen.php).
Entsprechend dem Klagantrag sind die entgangenen Zinsen jedenfalls ab dem 12.4.2008 zu zahlen. Dass der Antrag sich auf die Zahlung der Zinsen bis zur Zahlung des Hauptbetrages beschränkt, ist für das Gericht bindend (§ 308 ZPO), sodass es keiner Entscheidung bedarf, ob diese als entgangener Gewinn auch bis zum Ende der Laufzeit der Zertifikate zum 4.5.2012, ggf. gemindert um den Zinssatz bei einer Neuanlage nach Zahlung des Hauptbetrages, gefordert werden könnten.
Allerdings verlangt der Kläger den vollen Hauptbetrag von 10.200,00 Euro und will die sog. Kuponzahlung vom Mai 2008 in Höhe von 550,00 Euro voll behalten, macht dafür lediglich keine entgangenen Zinsen für das Jahr 2007/2008 Jahr geltend. Der Kläger muss sich aber die Kuponzahlung als Vorteil beim Schaden anrechnen lassen, sodass sich der Hauptbetrag entsprechend reduziert, kann dafür aber entgangene Zinsen bereits ab dem 12.4.2007 verlangen.
Da es sich hierbei nur um eine Berechnungsweise des Schadens handelt, kann das Gericht entsprechend tenorieren, ohne durch § 308 ZPO daran gehindert zu sein. Der Kläger erhält in der Sache jedenfalls nicht mehr oder etwas anderes, als er beantragt.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat das Unterliegen des Klägers insb. bzgl. der Zug-um-Zug Verurteilung mit 5% bewertet. Da die Lehman-Zertifikate keinen messbaren Marktwert mehr haben, kann das Unterliegen nur mit einem geringen Anteil bewertet werden.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709; §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.