BGH: LKW-Kartell III
BGH, Urteil vom 5.12.2023 – KZR 46/21
ECLI:DE:BGH:2023:051223UKZR46.21.0
Volltext: BB-Online BBL2024-2-2
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Amtliche Leitsätze
a) Aus dem zugunsten von Abnehmern eines an einer Kartellabsprache beteiligten Unternehmens streitenden Erfahrungssatz, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten, folgt, dass auch die für kartellbetroffene Produkte von einem Leasingnehmer oder Mietkäufer an eine Finanzierungsgesellschaft zu entrichtenden Entgelte kartellbedingt überhöht sind, wenn die Leasing- oder Mietkaufverträge auf die vollständige Deckung des jeweiligen Anschaffungspreises gerichtet sind.
b) Regressionsanalysen, die einem zeitlichen Vergleichsmarktansatz folgen, können allenfalls eine Annäherung an die Wirklichkeit im Sinne einer Schätzung darstellen; sie hindern für sich allein den Tatrichter nicht, aufgrund einer Gesamtabwägung die für ein Grundurteil hinreichende Überzeugung zu gewinnen, dass jedenfalls ein Schaden in irgendeiner Höhe entstanden ist.
GWB 1999 §§ 1, 33; GWB 2005 §§ 1, 33 Abs. 3, Abs. 5
Sachverhalt
Die Klägerin nimmt die beklagte Daimler AG auf Ersatz kartellbedingten Schadens in Anspruch.
Die Beklagte ist einer der führenden Hersteller von Lastkraftwagen im Europäischen Wirtschaftsraum. Mit Beschluss vom 19. Juli 2016 stellte die Europäische Kommission fest, dass die Beklagte und weitere Hersteller durch Absprachen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen für mittelschwere und schwere Lastkraftwagen sowie über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien für diese Fahrzeuge nach den Abgasnormen EURO 3 bis EURO 6 gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 EWR-Abkommen verstoßen haben (nachfolgend: Kommissionsbeschluss). Für die Zuwiderhandlung, die sich über den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum erstreckte und vom 17. Januar 1997 bis zum 18. Januar 2011 andauerte, verhängte die Kommission gegen die Beklagte ein Bußgeld von gut einer Milliarde Euro. Die Streithelferinnen zu 1 bis 9 sind Konzernunternehmen weiterer kartellbeteiligter Hersteller von Lastkraftwagen, die dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten in erster Instanz (MAN, Streithelferinnen zu 1 bis 3) oder in der Revisionsinstanz (DAF, IVECO, Scania, Streithelferinnen zu 4 bis 9) beigetreten sind.
Die Klägerin ist ein mittelständisches Unternehmen, das im Baustoffhandel tätig ist. Sie nutzte auf der Grundlage von neun Leasingverträgen und drei Mietkaufverträgen im Zeitraum von Februar 2005 bis November 2012 zwölf von der Beklagten sowie dem Konzern der Streithelferinnen zu 1 bis 3 hergestellte mittelschwere und schwere Lastkraftwagen. Dabei handelt es sich um zwei Leasingverträge aus dem Jahr 2005 mit der DaimlerChrysler Services Leasing GmbH (diese nachfolgend Leasingverträge 1 und 2), zwei Leasingverträge aus 2009 und 2012 mit der Mercedes-Benz Leasing GmbH (der Vertrag 2009 nachfolgend Leasingvertrag 3), vier Leasingverträge aus 2010 und 2011 mit der MAN Financial Services GmbH (diese nachfolgend Leasingverträge 4 bis 7), drei Mietkaufverträge aus 2008 mit der S GmbH (diese nachfolgend Mietkaufverträge) und ein Leasingvertrag aus 2010 mit der C GmbH (dieser nachfolgend Leasingvertrag 8).
Auf der Grundlage einer Vergleichsmarktanalyse verlangt die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 51.683,51 €. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Klage wegen der Leasingverträge 1 bis 8 und der Mietkaufverträge (diese zusammen Erwerbsvorgänge) als dem Grunde nach gerechtfertigt erkannt. Wegen des 2012 geschlossenen Leasingvertrags hat es die Klage abgewiesen; insoweit ist das Urteil rechtskräftig. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen und von den Streithelferinnen unterstützten Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Aus den Gründen
5 Die Revision hat keinen Erfolg.
6 I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe eine Rechtsverletzung im Sinn von § 33 GWB begangen. Die Feststellungen im Kommissionsbeschluss entfalteten gemäß § 33 Abs. 4 GWB 2005 Bindungswirkung. Diese erstrecke sich auch auf Zeiträume vor Inkrafttreten der Vorschrift. Danach hätten die Beklagte und die Streithelferinnen zu 1 bis 3 sowie weitere Unternehmen seit 1997 bis zum 20. September 2010 (Streithelferinnen 1 bis 3) sowie 18. Januar 2011 (Beklagte) Bruttolistenpreiserhöhungen für mittelschwere und schwere Lastkraftwagen vereinbart oder miteinander abgestimmt. Damit habe die Kommission massive Beeinträchtigungen des Preiswettbewerbs auf dem europäischen Markt festgestellt. Die tatsächlichen Feststellungen der Kommission ließen den Schluss auf vorsätzliches Handeln der Beklagten zu.
7 Die Erwerbsvorgänge seien vom kartellrechtswidrigen Verhalten betroffen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Klägerin die Fahrzeuge nicht unmittelbar von der Beklagten und den Streithelferinnen zu 1 bis 3 zu Eigentum erworben habe, sondern die Umsatzgeschäfte durch Leasing- und Mietkaufverträge abgewickelt worden seien. Die Eignung des festgestellten Kartellverstoßes für die Entstehung eines kartellbedingten Preishöhenschadens erstrecke sich auf den Markt der hier in Rede stehenden Absatzmittler. Da die Finanzierungsdienstleistungen nicht darauf ausgerichtet gewesen seien, etwaige kartellbedingte Preiseffekte einzuebnen, und die Kunden der Leasinggesellschaften beim Abschluss der Umsatzgeschäfte von dem Preisniveau ausgegangen seien, das sich aus ihrer Sicht und in Unkenntnis des Kartellverstoßes auf dem Lastkraftwagenmarkt dargeboten habe, gelte dies auch für die Weiterwälzung einer kartellbedingten Preiserhöhung. Im Hinblick auf die 2011 geschlossenen Leasingverträge sei auf der Grundlage der Feststellungen im Kommissionsbeschluss davon auszugehen, dass der Kartellverstoß zeitlich noch nachgewirkt habe. Das gelte allerdings nicht für den 2012 geschlossenen Leasingvertrag.
8 Der Klägerin sei mit der für ein Zwischenurteil über den Grund nach § 304 ZPO erforderlichen Wahrscheinlichkeit ein Vermögensschaden entstanden. Sie könne sich für ihre Behauptung eines kartellbedingten Schadens auf eine tatsächliche Vermutung stützen. Die von der Beklagten und den Streithelferinnen vorgetragenen Gegenindizien seien nicht ausreichend, um die Indizwirkung der tatsächlichen Vermutung derart in Frage zu stellen, dass keine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines gleichwohl verbleibenden Kartellschadens mehr bestehe.
9 II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
10 1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass als Anspruchsgrundlage für Schäden aus dem Leasingvertrag 1 § 33 Satz 1, 2. Halbsatz, § 1 GWB in der vom 1. Januar 1999 bis 30. Juni 2005 geltenden Fassung und aus den Mietkaufverträgen sowie den Leasingverträgen 2 bis 8 § 33 Abs. 3 GWB in der vom 1. Juli 2005 bis zum 29. Juni 2013 geltenden Fassung heranzuziehen ist (vgl. BGH, Urteile vom 23. September 2020 - KZR 35/19, BGHZ 227, 84 Rn. 16 mwN - LKW-Kartell I; vom 13. April 2021 - KZR 19/20, WRP 2021, 1588 Rn. 12 - LKW-Kartell II). Danach ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine drittschützende Vorschrift des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder Art. 101, 102 AEUV (vormals Art. 81, 82 EGV) verstößt, zum Ersatz des aus dem Verstoß entstandenen Schadens verpflichtet.
11 2. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht einen vorsätzlichen Verstoß der Beklagten gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV (Art. 81 EGV) sowie § 1 GWB festgestellt. Es hat die Feststellungen im Kommissionsbeschluss zutreffend für bindend erachtet und auf dieser Grundlage angenommen, dass die Beklagte im Zeitraum vom 17. Januar 1997 bis 18. Januar 2011 an einer Koordinierung der Bruttolistenpreise für mittelschwere und schwere Lastkraftwagen beteiligt war (BGH, WRP 2021, 1588 Rn. 13 bis 19 - LKW-Kartell II).
12 3. Das Berufungsgericht hat die Klägerin zu Recht als von der Kartellabsprache betroffen und damit anspruchsberechtigt angesehen.
13 a) Die Kartellbetroffenheit, die Voraussetzung des haftungsbegründenden Tatbestands eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs ist, setzt lediglich voraus, dass das wettbewerbsbeschränkende Verhalten geeignet ist, einen Schaden des Anspruchstellers unmittelbar oder mittelbar zu begründen. Für die Feststellung dieser Voraussetzung gilt der Maßstab des § 286 ZPO. Auf die weitergehende Frage, ob sich die Kartellabsprache auf den in Rede stehenden Beschaffungsvorgang, welchen der Anspruchsteller seinem Schadensersatzbegehren zugrunde legt, tatsächlich ausgewirkt hat und das Geschäft damit in diesem Sinn "kartellbefangen" oder "kartellbetroffen" war, kommt es bei der Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität hingegen nicht an. Es bedarf daher nicht der Feststellung einer konkret-individuellen Betroffenheit (st. Rspr., BGH, WRP 2021, 1588 Rn. 21 - LKW-Kartell II; Urteile vom 28. Juni 2022 - KZR 46/20, WuW 2022, 681 Rn. 24 mwN - Stahl-Strahlmittel; vom 29. November 2022 - KZR 42/20, BGHZ 235, 168 Rn. 29 mwN - Schlecker).
14 b) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind. Die Erwerbsvorgänge waren sachlich und zeitlich von den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen erfasst. Die Klägerin hat über die noch streitgegenständlichen elf Lastkraftwagen auf dem deutschen Markt im Zeitraum von 2005 bis 2011 Leasingverträge und Mietkaufverträge abgeschlossen. Die Verträge bezogen sich sämtlich auf Neufahrzeuge, deren Kaufpreise von der Klägerin mit den Händlergesellschaften der Beklagten und der Streithelferinnen zu 1 bis 3 ausgehandelt wurden.
15 aa) Ebenso wie der unmittelbare oder mittelbare Erwerb eines von der Kartellabsprache betroffenen Fahrzeugs der Beklagten und der Streithelferinnen zu 1 bis 3 ist auch der Abschluss von Leasing- oder Mietkaufverträgen über solche Fahrzeuge geeignet, einen Schaden des Anspruchstellers unmittelbar oder mittelbar zu begründen. Dafür genügt, dass die Fahrzeuge auf den Grundmodellen ("Ecktypen") aufbauten, deren Listenpreise Gegenstand der Absprachen waren, da die durch das Kartell bewirkte Verfälschung der Bedingungen des Marktgeschehens damit jedenfalls geeignet war, sich auf die individuellen Transaktionspreise für Fahrzeuge der Kartellbeteiligten auszuwirken (BGH, WRP 2021, 1588 Rn. 23 - LKW-Kartell II). Die kartellbedingte Preiserhöhung für ein Neufahrzeug ist auch geeignet, die Höhe von Leasing- oder Mietkaufraten zu beeinflussen, weil bei gewerblichen Nutzungs- und Finanzierungsverträgen typischerweise ein Zusammenhang zwischen dem Anschaffungspreis eines Wirtschaftsguts und der Höhe des dafür zu entrichtenden Nutzungsentgelts besteht.
16 bb) In zeitlicher Hinsicht kann eine Betroffenheit der Klägerin für die hier noch in Rede stehenden, nach Ende des Verstoßzeitraums während des Jahres 2011 geschlossenen Leasingverträge nicht verneint werden. Nachwirkungen eines Kartells zählen zu den möglichen Folgen einer Kartellabsprache (BGH, WuW 2022, 681 Rn. 36 mwN - Stahl-Strahlmittel). Darauf, ob sich die Kartellabsprache auf diese Beschaffungsvorgänge tatsächlich ausgewirkt hat, und mithin ein Schaden feststellbar ist, kommt es für die Betroffenheit nicht an.
17 4. Die vom Berufungsgericht gegebene Begründung trägt auch die Feststellung, dass der Klägerin aufgrund der Kartellabsprache zwischen den beteiligten Unternehmen mit der für ein Zwischenurteil über den Grund nach § 304 ZPO erforderlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BGH, Urteile vom 28. Januar 2020 - KZR 24/17, WuW 2020, 202 Rn. 52 mwN - Schienenkartell II; WRP 2021, 1588 Rn. 24 mwN - LKW-Kartell II)ein Schaden entstanden ist.
18 a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Feststellung, ob der von einem am Kartellverstoß beteiligten Unternehmen vereinbarte Preis wegen des Kartells höher war, als er ohne das Kartell gewesen wäre, nur unter Heranziehung derjenigen Umstände getroffen werden kann, die darauf schließen lassen, wie sich das Marktgeschehen ohne das Kartell wahrscheinlich entwickelt hätte (BGHZ 227, 84 Rn. 56 - LKW-Kartell I; BGHZ 235, 168 Rn. 39 - Schlecker).
19 aa) Diese Feststellung hat der im Bereich des § 287 Abs. 1 ZPO besonders freigestellte Tatrichter nach freier Überzeugung vorzunehmen (st. Rspr., BGH, WRP 2021, 1588 Rn. 53 mwN - LKW-Kartell II; BGHZ 235, 168 Rn. 39 bis 41 mwN - Schlecker). Der für den Erlass eines Grundurteils erforderliche Grad der Überzeugung vom Eintritt eines Schadens ist dabei geringer als derjenige, den § 287 Abs. 1 ZPO für den Schadensausspruch im Endurteil voraussetzt. Um die erforderliche Überzeugung von der wahrscheinlichen Schadensentstehung verfahrensfehlerfrei zu gewinnen, muss das Gericht indes auch für die Zwecke des Grundurteils eine Gesamtwürdigung vornehmen und sich umfassend mit den Umständen des Einzelfalls auseinandersetzen (st. Rspr., vgl. nur BGH, WuW 2020, 202 Rn. 52 - Schienenkartell II; BGHZ 227, 84 Rn. 88 - LKW-Kartell I; WRP 2021, 1588 Rn. 53 f. - LKW-Kartell II).
20 bb) Die Gesamtwürdigung hat alle Umstände einzubeziehen, die festgestellt sind, oder für die diejenige Partei, die sich auf einen ihr günstigen Umstand mit indizieller Bedeutung für oder gegen einen Preiseffekt des Kartells beruft, Beweis angeboten hat. Der Tatrichter ist jedoch nicht gezwungen, jeden angebotenen Beweis zu erheben. Weil er bei der Behandlung von Anträgen zum Beweis von Indizien freier gestellt ist als bei sonstigen Beweisanträgen, darf und muss er bei einem Indizienbeweis vor der Beweiserhebung prüfen, ob die vorgetragenen Indizien - ihre Schlüssigkeit unterstellt - ihn von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen. Eine solche tatrichterliche Schlüssigkeitsprüfung unterliegt nur eingeschränkter Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Dieses kann lediglich prüfen, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze gewürdigt worden ist (BGHZ 235, 168 Rn. 41 mwN - Schlecker).
21 b) Nach diesen Grundsätzen ist entgegen der Rüge der Revision zunächst nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht zugunsten der Klägerin als Leasingnehmerin und Mietkäuferin den Erfahrungssatz herangezogen hat, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten (st. Rspr., vgl. nur BGH, WuW 2022, 681 Rn. 42 mwN - Stahl-Strahlmittel mwN; BGHZ 235, 168 Rn. 44 mwN - Schlecker; WRP 2021, 1588 Rn. 36 - LKW-Kartell II).
22 aa) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Anwendung des Erfahrungssatzes im Streitfall nicht deshalb ausscheidet, weil sich die Kartellbeteiligten nicht über die von den Endkunden zu zahlenden Preise, sondern über Listenpreise sowie deren Heraufsetzung verständigt haben.
23 (1) Die Revision rügt den Vortrag der Beklagten als übergangen, aus den Bruttolistenpreiserhöhungen ließen sich generell und auch im konkreten Fall keine belastbaren Schlüsse auf die tatsächlichen Nettopreise ziehen. Der Absatzmittler nehme seine Preissetzung nicht ausgehend vom Bruttolistenpreis vor, sondern auf der Grundlage der Preisvorstellungen des jeweiligen Kunden, wobei es auch beim Geschäftsführer der Klägerin so gewesen sei. Der Kunde habe aufgrund früherer Erwerbsgeschäfte sehr konkrete Vorstellungen davon, was er für einen Lastkraftwagen zu zahlen bereit sei. Die Bruttolistenpreise seien ihm demgegenüber nicht bekannt und auch nicht Gegenstand der Verhandlungen. Der Absatzmittler könne den Erwerb des Kunden auch aus seiner eigenen Marge bezuschussen.
24 (2) Dem ist kein Erfolg beschieden. Es trifft nicht zu, dass ein Einfluss koordinierter Listenpreiserhöhungen auf die Transaktionspreise - wie die Revision meint - ökonomisch nicht plausibel ist. Der Senat hat bereits auf der Grundlage der im Kommissionsbeschluss getroffenen Feststellungen und des auch im vorliegenden Fall von der Beklagten vorgelegten Gutachtens der E.CA Economics GmbH vom 14. November 2018 (Plausibilität von Nettopreissteigerungen infolge von bruttopreisbezogenen Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht, Anlage GL 29) entschieden und ausführlich begründet, dass und aus welchen Gründen bei den von der Beklagten und ihren Streithelferinnen vertriebenen Produkten ein Zusammenhang zwischen Listen- und Marktpreisen bestand. Die Listenpreise bildeten typischerweise den Ausgangspunkt der Preisgestaltung und wirkten sich dadurch notwendig auf die zu zahlenden Transaktionspreise aus (BGH, WRP 2021, 1588 Rn. 39 f. - LKW-Kartell II).
25 (3) Der von der Revision als übergangen gerügte Vortrag ist nicht geeignet, dies in Frage zu stellen. Dass - was zugunsten der Revision unterstellt werden kann - ein Kunde aufgrund früherer Erwerbsgeschäfte konkrete Vorstellungen hat, was er für einen Lastkraftwagen zu zahlen bereit ist, und die Listenpreise bei den individuellen Verhandlungen allgemein und auch hier keine Rolle gespielt haben, schließt den vom Berufungsgericht auf der Grundlage der auch hier getroffenen Feststellungen zu Recht angenommenen Zusammenhang zwischen den Listenpreisen und den Transaktionspreisen nicht aus. Ein solcher Zusammenhang würde nur entfallen, wenn entweder die kartellbeteiligten Hersteller gegenüber der ersten Vertriebsstufe oder diese gegenüber dem Kunden die Listenpreiserhöhung durch höhere Rabatte vollständig wieder ausgeglichen hätten. Der Senat hat indes für das hier gegenständliche Kartell bereits entschieden und ausführlich begründet, dass das in Bezug auf die Großhandelsebene und die nachgelagerten Vertriebsstufen nicht nachvollziehbar ist (BGH, WRP 2021, 1588 Rn. 37 bis 40 - LKW-Kartell II). Zutreffend geht das Berufungsgericht vor diesem Hintergrund davon aus, dass auch bei Gewährung von Rabatten aufgrund intensiver Preisverhandlungen zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem jeweiligen Absatzmittler anzunehmen ist, dass sich die Koordinierung der Bruttolistenpreise auf die Nettopreise ausgewirkt hat, weil der Preis in seinem Ausgangsniveau vom Kartellverstoß beeinflusst war.
26 bb) Das Berufungsgericht hat rechts- und verfahrensfehlerfrei angenommen, dass der Erfahrungssatz auch für die hier gegenständliche Vertriebsform Leasing und Mietkauf gilt und daher anzunehmen ist, dass die Preisüberhöhungen auch an die Klägerin als Leasingnehmerin und Mietkäuferin weitergegeben worden sind.
27 (1) Bei den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Leasingverträgen handelt es sich um typische Fahrzeugleasingverträge mit Kilometerabrechnung und Laufzeiten von 54 Monaten (Leasingvertrag 1) oder 60 Monaten (Leasingverträge 2 bis 7). In einem Fall (Leasingvertrag 8) wurde ein Fahrzeugleasingvertrag mit einer Laufzeit von 60 Monaten und vom Leasingnehmer garantiertem Restwert geschlossen. Solche Finanzierungsverträge sind typischerweise auf Vollamortisation des Leasinggebers gerichtet, die nach Rückgabe des Fahrzeugs ohne erneutes Verleasen an weitere Leasingnehmer durch anschließende Verwertung erlangt wird (st. Rspr., BGH, Urteil vom 11. März 1998 - VIII ZR 205/97, NJW 1998, 1637 [juris Rn. 31] mwN; Koch/Harnos in MünchKommBGB, 9. Auflage, Finanzierungsleasing [Anh § 515] Rn. 1, 6; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 10. Aufl., Rn. 1744, 1936; Stoffels in Staudinger, BGB, Neubearb. 2023, Leasing Rn. 12, 36 bis 37c). Die drei Mietkaufverträge waren ausweislich ihrer jeweiligen Bezeichnung als "gewerblicher Leasingvertrag mit Erwerb unter Eigentumsvorbehalt (...)" auf den Erwerb der Lastkraftwagen nach Ablauf der vereinbarten Mietkaufzeit und damit ebenfalls auf eine Vollamortisation gerichtet (vgl. zum Mietkauf Koch/Harnos in MünchKommBGB, 9. Auflage, Finanzierungsleasing (Anh § 515) Rn. 16 f.; Stoffels in Staudinger, BGB, Neubearb. 2023, Leasing Rn. 41). Die Anschaffungspreise der Lastkraftwagen wurden nach den getroffenen Feststellungen - wie im Finanzierungsleasing generell üblich - zwischen der Klägerin und dem jeweiligen Absatzmittler der Beklagten verhandelt. Der Kauf der Lastkraftwagen durch die jeweilige Leasinggesellschaft erfolgte sodann auf der Grundlage der zwischen der Klägerin und dem Absatzmittler verbindlich ausgehandelten Bedingungen.
28 (2) Auf dieser Sachverhaltsgrundlage streitet zugunsten der Klägerin als mittelbarer Abnehmerin eines an einer Kartellabsprache beteiligten Unternehmens ein Erfahrungssatz dafür, dass die von ihr mit dem Absatzmittler ausgehandelten Kaufpreise im Schnitt über denjenigen lagen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen ergeben hätten. Da die Leasing- und Mietkaufverträge auf die vollständige Deckung des jeweiligen Anschaffungspreises gerichtet waren, folgt daraus zudem, dass auch die von der Klägerin zu zahlenden Leasing- und Mietkaufentgelte kartellbedingt überhöht waren. Es ist im Leasing- sowie Mietkaufgeschäft als einer bedeutenden Vertriebsform für Nutzfahrzeuge (vgl. Hettwer in Reinking/Eggert, Der Autokauf, 15. Aufl., Kap. 39 Rn. 1) ebenso wenig wie auf der Großhandels-Ebene und den nachfolgenden Handels- und Vertriebsstufen (vgl. BGH, WRP 2021, 1588 Rn. 39 f. - LKW-Kartell II) plausibel, dass die Hersteller die Listenpreiserhöhungen gegenüber der ersten Vertriebsstufe wieder "zurücknahmen" oder diese Vertriebsstufe die durch die Erhöhung indizierte Kostensteigerung vollständig "auf die eigene Marge nahm". Für die über die Vertragsdauer von 60 Monaten auf die volle Deckung der Anschaffungskosten und Finanzierungskosten gerichteten Mietkaufverträge stellt die Revision dies zu Recht nicht in Frage. Nichts Anderes gilt für die streitgegenständlichen Leasingverträge. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht den von der Revision als übergangen gerügten Vortrag, der Anschaffungspreis des Fahrzeugs habe für die Höhe der Leasingraten keine Rolle gespielt, weder verfahrensfehlerhaft unberücksichtigt gelassen, noch ist eine weitere Aufklärung der Verhältnisse auf dem Leasingmarkt erforderlich.
29 (a) Soweit die Klägerin Verträge mit vom Leasingnehmer garantiertem Restwert abgeschlossen hat (Leasingvertrag 8), haftet der Leasingnehmer bei einer solchen Vertragsgestaltung dem Leasinggeber wegen der leasingtypischen Pflicht zur Vollamortisation dafür, dass der (überhöhte) Restwert realisiert werden kann. Mithin ist der gesamte, kartellbedingt überhöhte Anschaffungspreis über die Leasingraten und die nachfolgende Verwertung vom Leasingnehmer aufzubringen und die Vermutung - im Sinne eines Erfahrungssatzes - gerechtfertigt, dass die kartellbedingten Preisüberhöhungen über den Leasingvertrag an die Klägerin weitergegeben worden sind.
30 (b) Soweit die Klägerin im Übrigen mit den konzernverbundenen Leasinggesellschaften der am Kartell beteiligten Hersteller Verträge mit Kilometerabrechnung abgeschlossen hat (Leasingverträge 1 bis 7), ist es zwar grundsätzlich möglich, dass Leasinggesellschaften den bei diesen Verträgen von ihnen intern zu kalkulierenden Restwert (vgl. auch Stoffels in Staudinger, BGB, Neubearb. 2023, Leasing Rn. 37) zu ihrem eigenen Nachteil überhöht ansetzen. Allerdings ist schon wegen des im Konzernverbund typischerweise gleichlaufenden Marktverhaltens der Konzernunternehmen davon auszugehen (BGH, WuW 2022, 681 Rn. 46 bis 51 - Stahl-Strahlmittel), dass die Leasinggesellschaften eine solche Kalkulation des Restwerts nicht vorgenommen haben. Zudem macht die Beklagte lediglich geltend, dass diese Möglichkeit bestehe. Sie trägt vor, der Absatzmittler könne Rückvergütungen oder Vergünstigungen gewähren, indem er etwa einen höheren als den von der Hauptverwaltung bestimmten Restwert für das nach Ablauf des Leasingvertrags zurückzugebende Fahrzeug einstelle. Dafür, dass und aus welchen Gründen dies generell und auch - oder jedenfalls - bei den Leasingverträgen 1 bis 7 geschehen sei, ist weder etwas festgestellt noch als übergangen aufgezeigt. Ein solcher Vortrag wäre der Beklagten und den Streithelferinnen zu 1 bis 3 ohne weiteres möglich gewesen, da bei den Leasingverträgen 1 bis 7 die konzernverbundenen Leasinggesellschaften DaimlerChrysler Services Leasing GmbH, Mercedes-Benz Leasing GmbH und MAN Financial Services GmbH Vertragspartnerinnen der Klägerin waren. Da auch Leasingverträge mit Kilometerabrechnung - wie oben ausgeführt - leasingtypisch auf eine vollständige Deckung der Anschaffungs- und Finanzierungskosten gerichtet sind und die Kalkulation des Restwerts im Allgemeinen unter dem tatsächlich zu erzielenden Verkaufserlös liegt (vgl. Stoffels in Staudinger, BGB, Neubearb. 2023, Leasing Rn. 37), erschließt sich schon nicht, welche generellen ökonomischen Anreize ein gewinnmaximierendes Leasingunternehmen haben sollte, den Restwert zum eigenen Nachteil und zu Gunsten des Leasingnehmers zu kalkulieren. Zu Recht hat das Berufungsgericht daher angenommen, dass eine Abkopplung von dem Preisniveau auf dem Absatzmarkt für mittelschwere und schwere LKW- Neufahrzeuge durch mit den Kartellbeteiligten konzernverbundene Leasinggesellschaften äußerst fernliegend ist und für eine systematische Abkopplung konkrete Anhaltspunkte weder vorgetragen noch ersichtlich sind.
31 (c) Entgegen der Ansicht der Revision war eine Aufklärung der Verhältnisse auf dem Leasingmarkt nicht deshalb geboten, weil die Feststellung erforderlich ist, dass die Preiserhöhung gerade auf das Kartellgeschehen und nicht auf andere preisbildende Faktoren zurückgeht (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 46 f. - ORWI; siehe auch BGH, WRP 2021, 1588 Rn. 48 bis 51 - LKW-Kartell II). Nach dem Ausgeführten hat das Berufungsgericht vielmehr zu Recht angenommen, dass die kartellbedingten Preisüberhöhungen über die von der Klägerin an die jeweilige Finanzierungsgesellschaft zu entrichtenden Finanzierungsentgelte an die Klägerin weitergegeben worden sind. Insoweit liegt in Bezug auf die Vertriebsform Leasing schon keine klare wirtschaftliche Trennung verschiedener Marktstufen vor (siehe Inderst/Thomas, NZKart 2018, 158, 160 f., insbes. Fn. 16).
32 c) Das Berufungsgericht hat seine Überzeugung, der Klägerin sei wahrscheinlich ein Schaden entstanden, auch rechts- und verfahrensfehlerfrei auf eine nach den obigen Maßgaben vorgenommene Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls gestützt. Es hat dabei dem Erfahrungssatz zu Recht ein erhebliches indizielles Gewicht beigemessen (vgl. BGH, WRP 2021, 1588 Rn. 52 - LKW-Kartell II). Dass es die Vermutung als widerleglich bezeichnet, steht dem nicht entgegen, da es die von der Beklagten vorgetragenen, gegen einen Schadenseintritt sprechenden Indizien ersichtlich nicht als Einwendungen gegen die feststehende Vermutung eines kausalen Schadens geprüft hat. Vielmehr hat es ausdrücklich aus einer Gesamtschau der für und gegen einen Schadenseintritt sprechenden Umstände einschließlich des Erfahrungssatzes die Schlussfolgerung gezogen, ein Preiseffekt der Kartellabsprache sei wahrscheinlich.
33 aa) Ohne Erfolg bleibt in diesem Zusammenhang die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Einwand der Beklagten übergangen, es habe während des bebußten Zeitraums erhebliche Verschiebungen der Marktanteile der einzelnen Hersteller gegeben.
34 (1) Zwar dürfen erhebliche Marktanteilsverschiebungen bei der Gesamtwürdigung nicht unberücksichtigt bleiben, da sie ein den Erfahrungssatz schwächendes Gegenindiz dahin darstellen können, dass der Wettbewerb durch die Absprachen nicht behindert war. Welches Gewicht dem im Ergebnis zukommt, ist aber eine Frage des Einzelfalls (vgl. BGHZ 227, 84 Rn. 92 - LKW-Kartell I).
35 (2) Danach musste das Berufungsgericht das als übergangen gerügte Vorbringen nicht als erheblich erachten. Die Beklagte und die Streithelferinnen zu 1 bis 3 haben zwar Marktanteilsverschiebungen aufgezeigt (Anlage GL 53, S. 85 ff.; Anlage HM 81 S. 63 ff.). In Deutschland bewegte sich der Marktanteil der Beklagten bei schweren Lastkraftwagen im 14 Jahre dauernden Kartellzeitraum zwischen 44 % und 37 % und bei mittelschweren Lastkraftwagen zwischen 54 % und 43 %. Auch die Marktanteile der weiteren Kartellbeteiligten zeigen Veränderungen (MAN, Marktanteile zwischen 27 % und 30 % sowie 23 % und 29 %; DAF, Marktanteile zwischen 4 % und 12 % sowie 1 % und 3 %; Iveco, Marktanteile zwischen 5 % und 8 % sowie 15 % und 26 %).
36 (3) Das allein reicht indes für die Darlegung eines den Erfahrungssatz schwächenden Gegenindizes nicht aus. Der Marktanteil der Beklagten zeigt zwar gewisse Schwankungen, lag in der 14jährigen Kartellperiode bei mittelschweren Lastkraftwagen aber nahezu konstant um die 50 % und entsprechend bei schweren Lastkraftwagen um die 40 %. Über den Gesamtzeitraum nur geringe Schwankungen zeigen auch die Marktanteile von MAN und - bei schweren Lastkraftwagen - Iveco. Aus dem von der Revision als übergangen gerügten Vorbringen ergibt sich schon nicht, dass der Markt für schwere und mittelschwere LKW im relevanten Zeitraum nur vom Preiswettbewerb und nicht auch von anderen Wettbewerbsparametern geprägt war. Im Gegenteil ergibt sich aus den von der Beklagten und den Streithelferinnen zu 1 bis 3 vorgelegten Privatgutachten, dass Marktanteile auf den Märkten für Lastkraftwagen mit zahlreichen Wettbewerbsparametern gewonnen werden können (vgl. Anlagen HM 81, S. 17; GL 53, S. 26 f.), wie Fahrzeugqualität (etwa Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit, Verbrauch, Instandhaltungsaufwand), Produktverbesserungen und -neuheiten, Werkstattnetz, erweiterten Garantien sowie sonstigen verbesserten Geschäftsbedingungen oder auch gelungenen Werbeaktionen. Im Einklang damit war die vollständige Ausschaltung des Wettbewerbs um Marktanteile weder notwendige noch hinreichende Bedingung für die Wirksamkeit der von den beteiligten Unternehmen bewirkten Wettbewerbsbeschränkung. Es entsprach vielmehr gerade der Wirkungsweise des Kartells, dass der Wettbewerb zwischen den Herstellern nicht vollständig ausgeschaltet, sondern nur gedämpft und aus der Sicht der Kartellbeteiligten idealerweise gemeinsam auf ein sich in den Bruttopreislisten widerspiegelndes suprakompetitives "Einstandskostenniveau" gehoben wurde, das ohne die Verhaltenskoordinierung nicht durchsetzbar gewesen wäre (BGH, WRP 2021, 1588 Rn. 57 - LKW-Kartell II).
37 (4) Vor diesem Hintergrund hätte die für das Gegenindiz darlegungsbelastete Revision übergangenen Vortrag nicht nur in Bezug auf die Marktanteilsverschiebungen, sondern darüber hinaus auch dahin aufzeigen müssen, dass und aus welchen Gründen aufgrund der - nur den Kartellbeteiligten bekannten - Wirkungsweise des Kartells die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Absprachen keine Auswirkungen auf die Preise haben konnten. Denn es zählt zum ökonomischen Erfahrungswissen, dass ein Unternehmen Kenntnisse über beabsichtigtes oder erwogenes Marktverhalten eines Wettbewerbers in der Regel bei der Bestimmung des eigenen Marktverhaltens berücksichtigt. Ein solches Verhalten entspricht wirtschaftlicher Vernunft (BGHZ 235, 168 Rn. 47 mwN - Schlecker). An einem solchen Vortrag fehlt es. Die Vorlage der vor Abschluss der Ermittlungen der Kommission und des Bekanntwerdens der Ausmaße des kartellwidrigen Verhaltens verfassten Kurzmitteilung vom 25. November 2014 (GL 30), wonach sich vier in der Speditionsbranche tätige Unternehmer sowie Geschäftsführer einig seien, dass es 2008 bis 2011 keine Absprachen unter den Herstellern zum Nachteil der Käufer gegeben habe und der Wettbewerb sehr hart gewesen sei, reicht dafür jedenfalls nicht aus.
38 bb) Die Rüge der Revision, zu Unrecht gehe das Berufungsgericht davon aus, dass die von der Beklagten vorgetragenen empirischen Daten zu einer differenzierten Entwicklung von Brutto- und Nettopreisen seine Würdigung bestätigten, weil diese für die Jahre 2004 (nur mittelschwere Lastkraftwagen), 2005, 2006, 2007, 2008 und 2010 und damit im ganz überwiegenden Zeitraum positive Überwälzungsraten bei der Weitergabe von Bruttolistenpreiserhöhungen auf Nettopreise zeigten, greift nicht durch. Entgegen der Revision gibt das Berufungsgericht den im Privatgutachten der Beklagten (Anlage GL 53, S. 83, 84) dargestellten Zusammenhang zwischen Bruttolistenpreis und Nettopreisveränderungen für die Jahre 2004 bis 2009 zutreffend wieder. Soweit es die geringfügig negative Überwälzungsrate 2010 als positiv fehlinterpretiert hat, ist dies nicht geeignet, das Gewicht des Erfahrungssatzes zu schwächen, zumal sich dies - ebenso wie der deutliche Negativbefund 2009 - noch mit den außerordentlich hohen Überwälzungsraten 2008 erklären lässt.
39 cc) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Gesamtwürdigung der für und gegen einen durch das Kartell verursachten Schaden sprechenden Umstände ist entgegen der Revision auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil es dabei die von der Beklagten und den Streithelferinnen zu 1 bis 3 vorgelegten Vergleichsmarktbetrachtungen ohne tragfähige Begründung außer Acht gelassen hätte.
40 (1) Das Berufungsgericht hat bei seiner Gesamtwürdigung dem hier heranzuziehenden Erfahrungssatz aufgrund der Art und Schwere des Kartellverstoßes, insbesondere seines auf die Bruttolistenpreise als bedeutendem Instrument der strategischen Steuerung des Preissetzungsverhaltens am Markt bezogenen Inhalts, der Marktabdeckung der Kartellbeteiligten im Europäischen Wirtschaftsraum von mehr als 90 % und der Aufrechterhaltung des Kartells über 14 Jahre mit steigernder Intensität des wechselseitigen Informationsaustauschs ein ganz erhebliches Gewicht beigemessen. Zutreffend hat es ausgeführt, dass die Gründung und Aufrechterhaltung des Kartells über mindestens 14 Jahre trotz der damit verbundenen erheblichen, auch finanziellen Risiken ohne eine lohnenswerte Kartellrendite nicht nachvollziehbar wäre. Seine Wertung, dass sich dies auch den über eine beträchtliche ökonomische Expertise verfügenden Kartellbeteiligten aufgedrängt haben müsse, deren selbst bekundetes Ziel es gewesen sei, die Preisgestaltung und die üblichen Preisbewegungen für Lastkraftwagen im Europäischen Wirtschaftsraum zu ihren Gunsten zu beeinflussen, ist nicht zu beanstanden und stellt die Revision auch nicht in Frage. Qualitative Gegenindizien, die unter Darlegung des konkreten und individuellen Preissetzungsverhaltens nachvollziehbar erklären, weshalb die Preiskoordinierung trotz ihrer langen Dauer wirkungslos geblieben ist, hat das Berufungsgericht dem Vortrag der Beklagten zu Recht nicht entnehmen können. Es hat die von den Parteien vorgelegten - sich in ihren Ergebnissen (erheblich) widersprechenden - Regressionsanalysen, die einem zeitlichen Vergleichsmarktansatz folgen, gewürdigt und zutreffend angenommen, dass diese allenfalls eine Annäherung an die Wirklichkeit im Sinne einer Schätzung darstellen könnten (Inderst/Thomas, ZWeR 2021, 432, 434, 438 bis 440; Haucap/Heimeshoff, ZWeR 2022, 80, 89 bis 97; Schweizer/Woeste, ZWeR 2022, 46, 57, 66; Hürten, NZKart 2022, 499; vgl. auch zu den im Verfahren vor dem UK Competition Appeal Tribunal [2023] CAT 6 - Royal Mail Group Ltd. v DAF Trucks Ltd and Others in Bezug auf das (auch) hier gegenständliche Kartell bei der Beweisaufnahme hervorgetretenen Erkenntnisgrenzen von Regressionsanalysen Tolkmitt, ZWeR 2023, 309, 314 bis 324; siehe ferner Bornemann/Suderow, NZKart 2023, 478, 483; Dewenter/Klein, WuW 2022, 14). Das Berufungsgericht hat vorbehaltlich einer näheren Prüfung offengelassen, ob die in den von der Beklagten und den Streithelferinnen zu 1 bis 3 vorgelegten Privatgutachten enthaltenen Schlussfolgerungen einer Schätzung (überhaupt) zugrunde gelegt werden können. In der Gesamtabwägung hat es sich aber unter Berücksichtigung aller für und gegen die Entstehung eines Schadens sprechenden Umstände einschließlich der vorgelegten Gutachten die tatrichterliche Überzeugung gebildet, dass die für ein Grundurteil hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadens besteht.
41 (2) Das ist, anders als in der der Entscheidung vom 13. April 2021 (BGH, WRP 2021, 1588 Rn. 62 - LKW-Kartell II) zugrundeliegenden Fallgestaltung, in der das Berufungsgericht im Hinblick auf die vorgelegten Gutachten von unrichtigen Annahmen ausgegangen war, und auch aufgrund der zwischenzeitlich in der rechtswissenschaftlichen Literatur gewonnenen Erkenntnisse über die Funktionsweise und Aussagekraft von Regressionsanalysen in Kartellschadenersatzfällen, nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht stützt seine Überzeugung, dass mit der für ein Grundurteil erforderlichen Wahrscheinlichkeit jedenfalls ein Schaden in irgendeiner Höhe entstanden ist, rechtsfehlerfrei zum einen auf das erhebliche Gewicht des Erfahrungssatzes im vorliegenden Fall und zum anderen darauf, dass Umstände fehlen, die angesichts der damit verbundenen Risiken die langjährige Fortführung des Kartells trotz ausbleibender Kartellrenditen erklären könnten. Gegen seine Würdigung, dass die zu einem insignifikanten Kartelleffekt führenden Regressionsanalysen der Beklagten und der Streithelferinnen zu 1 bis 3 allein nicht geeignet seien, dies in Frage zu stellen, ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Denn die Aussage, ein Effekt sei insignifikant, bedeutet lediglich, dass die Nullhypothese - wonach das Kartell keinen Preiseffekt hatte - nicht mit einer vom Gutachter als notwendig erachteten Sicherheit verworfen werden kann. Sie stellt umgekehrt keinen Nachweis dafür dar, dass ein Preishöheneffekt und damit ein Schaden nicht eingetreten ist (Inderst/Thomas, ZWeR 2021, 432, 455; Hürten, NZKart 2022, 499; vgl. auch Anlage HM 78 Rn. 2.47 bis 2.49). Soweit der Senat ausgeführt hat, dass eine Regressionsanalyse, soweit sie auf einer hinreichend verlässlichen Datengrundlage und methodisch korrekt und mit signifikanten Ergebnissen durchgeführt worden ist, ein relevantes Indiz für oder gegen einen Schaden darstellen kann (BGH, WRP 2021, 1588 Rn. 66 - LKW-Kartell II), ist damit allgemein der Umstand angesprochen, dass die statistische Signifikanz bei der Bewertung ökonometrischer Studien in den Blick zu nehmen ist und je nach den Umständen des Einzelfalls Einfluss auf die Bewertung der Schadensschätzung haben kann (Inderst/Thomas, ZWeR 2021, 432, 435, 452 bis 458). Dabei kann auch ein statistisch insignifikantes Ergebnis bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung einen Beitrag zur Interpretation der vorhandenen Daten und sonstigen qualitativen Indizien und damit zu einer Annäherung an die Wirklichkeit im Sinne einer Schätzung leisten, indem es beispielsweise das Ergebnis einer statistisch signifikanten Schätzung eines Preiseffekts bestätigt (Hürten, NZKart 2022, 499, 502 f.; Inderst/Thomas, ZWeR 2021, 432, 455 bis 458). Entgegen der Ansicht der Revision ist es daher nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht auch darauf hingewiesen hat, das Gutachten der Streithelferinnen zu 1 bis 3 weise rechnerisch einen kartellbedingten Preiseffekt aus, den der Gutachter als nicht signifikant bewertet habe. Umstände, nach denen es im vorliegenden Fall ausgeschlossen ist, einen statistisch insignifikanten Effekt zur Stützung der übrigen Indizien heranzuziehen, lässt die Revision nicht erkennen.
42 d) Soweit die Revision geltend macht, die Beklagte und die Streithelferinnen hätten ausweislich des Tatbestands nicht nur die Höhe der Zahlungen aufgrund der Leasing- und Mietkaufverträge, sondern auch die Zahlungen selbst bestritten, steht dies der Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadens nicht entgegen. Das Berufungsgericht geht ausdrücklich davon aus, dass die Klägerin mit der Zahlung der jeweiligen Raten begonnen hat. Das pauschale Bestreiten jeglicher Zahlung ist angesichts der von der Klägerin vorgelegten und vom Berufungsgericht in Bezug genommenen umfangreichen Anlagen, ausweislich derer die Erwerbsvorgänge vollständig abgewickelt sind, nicht geeignet, diese Würdigung in Frage zu stellen.
43 e) Das Berufungsgericht ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass in zeitlicher Hinsicht und in Bezug auf den Leasingvertrag 7 die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadens besteht.
44 aa) Es stützt dies darauf, dass nach den Feststellungen zum Kartellverstoß im Kommissionsbeschluss von einer erheblichen zeitlichen Nachwirkung auf das Preisniveau auszugehen ist. Das leitet es aus der Dauer des Kartells von vierzehn Jahren, der erheblichen Marktabdeckung der Kartellanten und daraus ab, dass der Informationsaustausch künftige Bruttolistenpreiserhöhungen - so auch bis September 2010 die Referenzwerte für die Bruttolistenpreise 2011 -, Fahrzeugkonfigurationen und Lieferfristen betroffen hat. Zu Recht nimmt es vor diesem Hintergrund an, eine etwaige Abkehr der Kartellanten von den harmonisierten Bruttopreisstrategien habe durch die regionalen Absatzmittler nur mit Verzögerungen erkannt und in ihrer Preisgestaltung umgesetzt werden können. Es hat ferner festgestellt, dass sich aus den von der Beklagten und den Streithelferinnen zu 1 bis 3 vorgelegten Daten keine abrupte Änderung des Preisniveaus ergebe.
45 bb) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den unstreitigen Vortrag der Parteien übergangen, wonach Nachlaufeffekte aufgrund des Preisfindungsmechanismus bei Lastkraftwagen unwahrscheinlich seien und die Preissetzung sehr volatil und wenig stabil gewesen sei, sowie, dass die Streithelferin zu 2 ihre Bruttolistenpreise am 1. Juli 2011 erneut angepasst habe, greift nicht durch. Zu Recht weist die Revisionserwiderung darauf hin, dass das von der Klägerin vorgelegte Privatgutachten der Wertung des Berufungsgerichts nicht entgegensteht. Aus den von der Beklagten in Bezug genommenen Teilen des Gutachtens ergibt sich, dass bei ihr ein kontinuierlicher Rückgang der Preise nach dem Ende des Kartellzeitraums bis in das Jahr 2012 hinein zu beobachten war und dies auch - wenn auch in geringerem Maße - für den Konzern der Streithelferinnen zu 1 bis 3 gilt. Das entspricht der auf der Grundlage der von der Beklagten und den Streithelferinnen zu 1 bis 3 vorgelegten Daten getroffenen Feststellung des Berufungsgerichts, dass sich keine abrupte Änderung des Preisniveaus ergeben habe.
46 5. Nach alledem durfte das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revision ein Grundurteil erlassen, weil alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und die für den Erlass des Grundurteils erforderliche Wahrscheinlichkeit, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe gegeben ist, besteht (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2013 - V ZR 230/12, BGHZ 198, 327 Rn. 25 f.). Besondere Umstände, die dazu führen könnten, dass der Erlass eines Grundurteils - wie die Revision meint - verfahrensfehlerhaft war, liegen nicht vor. Insbesondere hat das Berufungsgericht nicht bereits eine aufwendige Beweisaufnahme durchgeführt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 559/14, NJW 2016, 3244 Rn. 27 bis 33).