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Wirtschaftsrecht
11.04.2024
Wirtschaftsrecht
OLG Bremen: LGA geprüft - Wettbewerbswidrige Irreführung durch Unterlassen bei Werbung mit Prüfzeichen

OLG Bremen, Beschluss vom 24.1.2024 – 2 U 60/23

Volltext: BB-Online BBL2024-834-5

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

1. Ein erhebliches Interesse des Verbrauchers bei Prüfzeichen zu erfahren, anhand welcher Kriterien diese Prüfung erfolgt ist, besteht nicht nur dann, wenn das Prüfzeichen in der Werbung für ein Produkt hervorgehoben dargestellt wird, sondern auch dann, wenn es lediglich in Form eines einfachen Schriftzugs in den Fließtext der Produktbeschreibung eingebettet wird (Anschluss an BGH, Urteil vom 21.7.2016 – I ZR 26/15 [BB 2016, 1921, Ls.; WRP 2016, 1221]).

2. Die Angabe eines Links zu einem Prüfzertifikat genügt nur dann den Anforderungen an eine zulässige Werbung mit einem Prüfergebnis, wenn der Link aufgrund seiner Gestaltung deutlich als solcher erkennbar wird. Daran fehlt es, wenn zu befürchten ist, dass der Verbraucher ihn lediglich als einen Verweis auf die allgemeine Internetseite des Prüfinstituts ansieht.

 

Aus den Gründen

I. Die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die der Berufungsentscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Das Berufungsgericht hat keine Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts. Vielmehr hat das Landgericht aus den von ihm fehlerfrei getroffenen Feststellungen nachvollziehbare Folgerungen gezogen, welche durch das Vorbringen der Beklagten nicht erschüttert werden.

 

1. Der Kläger begehrt von der Beklagten Unterlassung einer Werbung gegenüber Verbrauchern mit dem Hinweis „LGA geprüft“ sowie Zahlung von Abmahnkosten.

 

Der Kläger ist ein Verein zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist seit dem 17.11.2021 in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände gem. § 8b UWG eingetragen.

 

Die Beklagte betreibt die Internetplattform www. .de, auf der sie Betriebs- und Lagerausstattung anbietet. Am 09.08.2022 bewarb die Beklagte dort einen Topstar Fitness-Hocker. In der Produktbeschreibung befand sich die Angabe

 

„Stufenlose Sitzhöhenverstellung mit Toplift (LGA geprüft)“

 

ohne näheren textlichen Hinweis zu den Prüfkriterien oder einer entsprechenden Fundstelle, wo diese auffindbar wären.

 

Der Kläger hat behauptet, der Begriff „LGA“ sei in dem streitgegenständlichen Angebot nicht als Link ausgestaltet gewesen. Die Beklagte hat behauptet, die Buchstaben „LGA“ in der Produktbeschreibung seien in grauer Farbe gestaltet gewesen und der Verbraucher habe bei einem Klick auf diese Buchstabenfolge zu einem Prüfzertifikat mit weiteren Informationen gelangen können.

 

Für die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im Übrigen sowie für die erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil verwiesen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

 

Das Landgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folge aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, §§ 3, 5a UWG. Der Kläger sei im Hinblick auf die seitens des Klägers eingereichten Unterlagen aktivlegitimiert.

 

Die Beklagte habe dem Verbraucher wesentliche Informationen im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG vorenthalten, indem sie mit der Angabe „LGA geprüft“ geworben habe, ohne dem Verbraucher die Prüfkriterien oder zumindest eine Fundstelle, wo er diese nachlesen könnte, mitzuteilen. Die Beklagte richte ihr Angebot jedenfalls auch an Verbraucher. Bei den Prüfkriterien eines beworbenen Tests handle es sich um wesentliche Informationen, die für den Verbraucher von erheblichem Interesse seien, denn er erwarte, dass das mit dem Prüfzeichen versehene Produkt von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft worden sei. Der Verbraucher habe ein Interesse daran, zu erfahren, nach welchen Normen und Kriterien die Prüfung durchgeführt worden sei und ob dabei strengere Anforderungen als in einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen vorgesehen gestellt worden seien. Es rechtfertige auch keine andere Beurteilung, dass die Werbung hier nicht plakativ herausgestellt worden sei, da dennoch erhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs die streitgegenständliche Angabe zur Kenntnis nähmen. Es komme auch nicht darauf an, ob das Wort „LGA“ als Link ausgestaltet gewesen sei, der auf ein Prüfzertifikat verwiesen habe. Es sei nämlich ein Gebot der fachlichen Sorgfalt, mit Testergebnissen nur zu werben, wenn dem Verbraucher dabei die Fundstelle eindeutig und leicht zugänglich angegeben und ihm so eine einfache Möglichkeit eröffnet werde, den Test selbst zur Kenntnis zu nehmen. Das Vorenthalten dieser wesentlichen Informationen sei vorliegend auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung, nämlich zum Kauf des beworbenen Produkts, zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

 

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

 

Gegen dieses Urteil, das den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 21.04.2023 zugestellt worden ist, wendet sich diese mit ihrer Berufung vom 17.05.2023, die am selben Tag bei Gericht eingegangen ist. Die Beklagte hat die Berufung mit Schriftsatz vom 26.06.2023, der am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, innerhalb der verlängerten Frist des § 520 Abs. 2 ZPO begründet.

 

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Der Kläger sei bereits nicht aktivlegitimiert. Der behauptete Mitgliedskreis des Klägers umfasse keine Wettbewerber der Beklagten, weil sie nicht dieselben Kunden ansprächen. Es handle sich um Unternehmen, welche ihre Produkte an Endverbraucher absetzten. Die Beklagte hingegen betreibe eine an Unternehmen und Kaufleute gerichtete Plattform und richte ihr Angebot damit nicht an Verbraucher.

 

Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich bei den Prüfkriterien um wesentliche Informationen handle. Es habe nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem Angebot der Beklagten im wörtlichen Sinne um einen „Profishop“, also eine an Unternehmen, Handwerker, Kaufleute und ähnliche fachmännische Abnehmer gerichtete Plattform handle. Solche kennten die Einstufung „LGA geprüft“ und wüssten, dass das Produkt hiernach eine klassische Sicherheitsprüfung durchlaufen habe und diesbezüglich bestimmten Anforderungen entspreche. Sie bedürften daher auch keiner weiteren Informationen.

 

Das Landgericht habe dies bei der Bestimmung der angesprochenen Verkehrskreise und der Ermittlung des Verkehrsverständnisses übergangen. Die Plattform der Beklagten werde schon nicht in wettbewerbsrechtlich relevantem Umfang von Verbrauchern genutzt. Ohnehin sei aber ein Verbraucher, der sich auf einer entsprechenden Plattform für „Profis“ bewege, nicht mit dem gewöhnlichen Verbraucher gleichzusetzen. Er wisse, dass er sich auf einer Plattform bewege, die gemeinhin von gewerblichen Nutzern und Fachleuten aufgesucht werde und dass sich in den Angeboten eine Vielzahl technischer Informationen befinde, die für gewerbliche Nutzer relevant sein könnten, für ihn aber kaum von Interesse seien. Er werde daher dem Hinweis „LGA geprüft“ keine besondere Bedeutung beimessen. Einem besonders gut informierten Verbraucher wiederum werde die Bedeutung der LGA-Prüfung bekannt sein.

 

Eine Irreführungsgefahr bestehe auch deshalb nicht, weil nicht mit einem Prüfsiegel oder einer sonstigen Hervorhebung des Prüfergebnisses geworben werde, sondern der Hinweis „LGA geprüft“ lediglich im Fließtext des Angebots eingebettet sei. Ein sehr hoher Anteil der angesprochenen Verkehrskreise werde die Aussage daher schon nicht zur Kenntnis nehmen. Verbraucher, die sich regelmäßig im Fachhandel bewegten, würden wiederum die Bedeutung des Begriffs „LGA geprüft“ kennen und bedürften keiner weiteren Informationen; andere Verbraucher würden mangels Siegels oder sonstiger werblicher Effekte der Aussage keine besondere Bedeutung beimessen, insbesondere keine besonderen Qualitätsmerkmale damit verbinden.

 

Ferner sei die höchstrichterliche Rechtsprechung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union uneinheitlich hinsichtlich der Frage, ob weiterführende Informationen bei Produkttests oder Prüfzertifikaten wesentliche Informationen darstellen. Daher sei eine Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union erforderlich.

 

Das Landgericht habe schließlich auch die Frage der geschäftlichen Relevanz der angenommenen Irreführung übergangen. Es habe lediglich festgestellt, der Verbraucher werde hier verleitet, das Produkt zu kaufen, ohne dies aber zu begründen. Diese Annahme sei fernliegend, da der Abnehmer, sofern er die streitgegenständliche Aussage überhaupt zur Kenntnis nehme, dieser entweder keine besondere Bedeutung zumessen werde oder ihm die Prüfkriterien ohnehin bekannt seien.

 

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Bremen vom 19.04.2023 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt unter Verteidigung des angefochtenen Urteils,

die Berufung zurückzuweisen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze verwiesen.

 

2. Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

 

a) Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Kläger gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 8b UWG für den erhobenen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 5a UWG klagebefugt.

 

Der Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 S. 1 UWG steht gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen zu, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eintragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt.

 

Die Bestimmung des § 8 Abs. 3 UWG regelt nicht nur die sachlich-rechtliche Anspruchsberechtigung, sondern auch die prozessuale Klagebefugnis, die als Sachurteilsvoraussetzung im gesamten Verfahren fortbestehen muss. Die Frage, ob die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 UWG vorliegen, ist deshalb in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen im Freibeweisverfahren zu prüfen (vgl. Hanseatisches OLG Bremen, Urteil vom 23.12.2022 – 2 U 103/22 –, Rn. 40, juris m.w.N.).

 

aa) Erforderlich ist zunächst, dass der Kläger als Verband zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen in die vom Bundesamt für Justiz geführte Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b Abs. 1 UWG eingetragen ist. Das Gericht prüft grundsätzlich nur die Eintragung, nicht aber, ob deren sachliche Voraussetzungen (noch) vorliegen (vgl. Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Auflage 2024, § 8 Rn. 3.35). Das ist hier der Fall, denn der Kläger ist seit dem 17.11.2021 in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände gemäß § 8b UWG eingetragen.

 

bb) Darüber hinaus verlangt § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, dass dem Verband eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Diese Voraussetzung muss im konkreten Einzelfall gegeben sein. Erforderlich ist ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Mitgliedsunternehmen und dem Verletzer. Die Mitgliedsunternehmen müssen dem Verletzer auf demselben sachlich und räumlich relevanten Markt als Wettbewerber begegnen (vgl. Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Auflage 2024, § 8 Rn. 3.36). Der Begriff der Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art ist dabei weit auszulegen. Die beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen müssen sich ihrer Art nach so gleichen oder nahestehen, dass der Absatz des einen Unternehmers durch irgendein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann. Es reicht aus, dass eine nicht gänzlich unbedeutende potentielle Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2023 – I ZR 111/22 –, Rn. 25, juris - Mitgliederstruktur, m.w.N.). Bei der Marktabgrenzung ist von der Geschäftstätigkeit des werbenden Unternehmens auszugehen. In sachlicher Hinsicht kommt es dabei nicht auf das Gesamtsortiment, sondern bloß darauf an, auf welche Waren oder Dienstleistungen und dementsprechend auf welchen Branchenbereich sich die beanstandete Werbemaßnahme bezieht. Die Beteiligten müssen auch nicht denselben Kundenkreis haben und müssen nicht derselben Wirtschafts- oder Handelsstufe angehören. Ebenso ist die Vertriebsform unbeachtlich (vgl. Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Auflage 2024, § 8 Rn. 3.40). In räumlicher Hinsicht ist zu fragen, ob die Werbemaßnahmen sich zumindest auch auf den potentiellen Kundenkreis der Mitgliedsunternehmen auswirken können (vgl. Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Auflage 2024, § 8 Rn. 3.42). Die Mitbewerber in diesem Sinne müssen auch nicht unmittelbar dem Verband angehören. Es genügt, dass ein Verband, der dem klagenden Verband entsprechende Wettbewerber der Beklagten als mittelbare Mitglieder vermittelt, von diesen mit der Wahrnehmung ihrer gewerblichen Interessen, gegebenenfalls durch schlüssiges Verhalten, beauftragt worden ist und seinerseits den klagenden Verband durch seinen Beitritt mit der Wahrnehmung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder beauftragen durfte (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2023 – I ZR 111/22 –, Rn. 32, juris – Mitgliederstruktur, m.w.N.). Das Erfordernis der Betroffenheit einer erheblichen Zahl von Mitgliedsunternehmen setzt keine Mindestanzahl voraus. Ausreichend ist, dass Unternehmen auf dem relevanten Markt im Verband nach Anzahl und/oder Größe, Marktbedeutung oder wirtschaftlichem Gewicht repräsentativ vertreten sind, sodass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 05.06.1997 – I ZR 69/95 –, Rn. 35, juris – Unbestimmter Unterlassungsantrag III, m.w.N.).

 

Nach diesen Maßstäben gehört dem Kläger eine erhebliche Zahl von Unternehmen an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Die Mitgliedsunternehmen des Klägers vertreiben Waren gleicher oder verwandter Art. Die beanstandete Werbung ist der Möbelbranche zuzuordnen, denn sie zielt auf den Vertrieb eines Fitness-Hockers. Auf das sonstige Gesamtsortiment der Beklagten kommt es nicht an. Die Mitgliedsunternehmen des Klägers sind ebenfalls in der Möbelbranche tätig. Bereits aus dem eingereichten Mitgliederverzeichnis des Handelsverbands Nordrhein-Westfalen Aachen-Düren-Köln e. V. (Anlage K2), der – wie sich aus den Rechnungen über die Jahresbeiträge für die Mitgliedschaft im Kläger und den belegten Überweisungen zugunsten des Klägers ergibt (Anklage K14) – Mitglied des Klägers ist, ist ersichtlich, dass zumindest 26 Unternehmen der Möbelbranche dem Kläger (mittelbar) angehören. Darunter auch bundesweit auftretende, große Möbelhäuser wie die XX GmbH & Co. KG sowie die YY GmbH & Co. KG. Diese vertreiben auch verschiedene Sitzmöbel, darunter auch Schreibtisch-, Dreh- und sonstige Stühle. Dies ergibt sich aus den überreichten Screenshots der jeweiligen Internetpräsenzen (Anlagen K23 und K25). Nicht notwendig ist, dass diese Unternehmen den gleichen oder überhaupt Fitness-Hocker wie die Beklagte vertreiben. Der Absatz auch der sonstigen Sitzgelegenheiten, die durch die Mitgliedsunternehmen vertrieben werden, kann nämlich durch ein wettbewerbswidriges Handeln der Beklagten beeinträchtigt werden. Wer Sitzmöbel erwerben möchte, wird sich mit der Frage auseinandersetzen, ob er einen Drehstuhl, einen gewöhnlichen Stuhl, einen Fitness-Hocker oder sonstige Sitzmöbel erwerben sollte. Wer sich für den Erwerb eines Fitness-Hockers entscheidet, bedarf sodann keiner weiteren Sitzmöbel, sodass der Absatz der Mitgliedsunternehmen des Klägers beeinträchtigt würde. Die Mitgliedsunternehmen des Klägers und die Beklagte sind auch auf demselben Markt, nämlich bundesweit, tätig. Unabhängig von stationären Ladengeschäften betreiben jedenfalls die oben genannten Möbelhäuser wie auch die Beklagte Internetplattformen, auf denen sie ihre Waren im gesamten Bundesgebiet anbieten. Bereits aufgrund der genannten (mittelbaren) Mitgliedsunternehmen des Klägers ist auch das Erfordernis einer erheblichen Zahl von Mitgliedsunternehmen, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, gegeben. Schon die Beteiligung der oben genannten großen Möbelhäuser verdeutlicht wegen ihrer Größe, Marktbedeutung und ihres wirtschaftlichen Gewichts, dass Unternehmen auf dem relevanten Markt repräsentativ vertreten sind und ein missbräuchliches Vorgehen ausgeschlossen werden kann. Offenbleiben kann an dieser Stelle, ob sich die Beklagte mit ihrem Angebot an Verbraucher richtet oder nicht, da es auf die Handelsstufe, auf der die einzelnen Unternehmen tätig sind, nicht ankommt.

 

Ferner ist erforderlich, dass die Zuwiderhandlung die Interessen der Mitglieder des Klägers berührt. Dabei müssen nicht die Interessen aller Mitglieder betroffen sein, wohl aber die Interessen solcher Mitglieder, die auf demselben sachlich und räumlich relevanten Markt wie der Zuwiderhandelnde tätig sind. Dies ist der Fall, wenn die Mitglieder aufgrund der Zuwiderhandlung einen eigenen Anspruch aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG haben (vgl. Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Auflage 2024, § 8 Rn. 3.50). Diese Voraussetzungen liegen hier für die oben angeführten Unternehmen der Möbelbranche vor.

 

b) Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1, 3 Nr. 2, §§ 3, 5a Abs. 1 UWG zu. Nach § 5a Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer einen Verbraucher irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält, die der Verbraucher nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (Nr. 1) und deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (Nr. 2).

 

aa) Die Beklagte richtet ihr Angebot an Verbraucher. Das ergibt sich zum einen daraus, dass bei Massenartikel und anderen Waren des täglichen Bedarfs sich die Werbung regelmäßig an alle Bevölkerungskreise richtet (vgl. Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Auflage 2023, § 5 Rn. 127). Um solche Waren handelt es sich bei einem Fitness-Hocker. Dabei handelt es sich keineswegs um besondere Betriebs- oder Lagerausstattung, die nur für Fachleute von Interesse ist. In jedem Haushalt finden sich Sitzmöbel verschiedenster Art, wobei auch und gerade ein Hocker für einen Privathaushalt nicht ungewöhnlich ist. Mit der zunehmenden Verbreitung des mobilen Arbeitens setzen sich Verbraucher auch vermehrt mit verschiedenen Sitzmöbeln auseinander, die sich möglicherweise früher bevorzugt in Büroräumen wiedergefunden hätten und stehen vor der Wahl, ob sie einen gewöhnlichen Stuhl, einen speziellen Bürostuhl oder eben einen Fitness-Hocker erwerben wollen. Weiter ist auch zu berücksichtigen, dass hier selbst beim Erwerb durch Fachkreise zu erwarten ist, dass Werbeaussagen an die Letztverbraucher weitergegeben werden und diese damit auch zum angesprochenen Verkehr zählen (vgl. Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Auflage 2023, § 5 Rn. 131). Zum anderen zeigt die Ausgestaltung der Internetplattform der Beklagten, dass ihr Angebot auch an Verbraucher gerichtet ist. Die Beklagte hält eine Widerrufsbelehrung für Verbraucher vor (Anlage K11), in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird gesondert auf Verbraucher eingegangen (Anlage K12) und während des Bestellvorgangs wird zunächst die Option „Ich bin Privatkunde“ (Anlage K13) eingeblendet. Soweit die Beklagte vorträgt, dass ihre Internetplattform dennoch nicht in wettbewerbsrechtlich relevantem Umfang von Verbrauchern genutzt werden, verkennt sie dabei, dass die Anzahl der irregeführten Verbraucher unerheblich ist und bereits die Irreführung nur eines Verbrauchers ausreichend ist (vgl. EuGH, Urteil vom 16.04.2015 – C-388/13, Rn. 41-46 – UPC).

 

bb) Die Beklagte hat dem Verbraucher auch wesentliche Informationen vorenthalten.

 

Die Prüfkriterien eines beworbenen Testergebnisses oder einer sonstigen Prüfung sind wesentliche Informationen im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG. Eine allgemeine Aufklärungspflicht des Werbenden besteht zwar, sofern sie nicht schon aus gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtung oder aus vorangegangenem Tun folgt, im Wettbewerb nicht generell (vgl. Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Auflage 2023, § 5b Rn. 7). Eine Information ist aber dann wesentlich, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen durch den Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zudem ein erhebliches Gewicht zukommt.

 

Ein Prüfzeichen liefert dem Verbraucher in kompakter und vereinfachter Form eine Information zu dem damit gekennzeichneten Produkt. Es ist ein Zeichen dafür, dass ein neutraler Dritter mit entsprechender Kompetenz die beworbene Ware nach objektiven und aussagekräftigen Kriterien geprüft hat. Der Verbraucher erwartet deshalb, dass das mit dem Prüfzeichen versehene Produkt von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft worden ist. Aus der Sicht des Verbrauchers bietet ein Prüfzeichen die Gewähr, dass ein mit ihm gekennzeichnetes Produkt bestimmte, vom Verbraucher für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehene Eigenschaften aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 21.07.2016 – I ZR 26/15 –, Rn. 39, juris – LGA tested).

 

Nichts Anderes kann gelten, wenn statt eines Prüfzeichens bloß mit der Angabe „LGA geprüft“ geworben wird. Die Angabe steht in ihrem Informationsgehalt einem entsprechenden Prüfzeichen nicht nach. Auch wenn dem Verbraucher die konkrete Bedeutung des Begriffs „LGA geprüft“ unbekannt sein sollte, so erkennt er doch anhand des Wortes „geprüft“, dass hier eine Prüfung stattgefunden haben soll. Er geht auch hier davon aus, dass das Produkt von einer neutralen und fachkundigen Stelle geprüft wurde. Genau wie bei einem Prüfzeichen sind auch hier die Prüfkriterien für den Verbraucher von wesentlichem Interesse (vgl. OLG München, Urteil vom 14.11.2019 – 29 U 1507/19 – nicht veröffentlicht).

 

Ebenso spielt es keine Rolle, dass das Testergebnis in der Produktbeschreibung im Fließtext eingebettet wurde, ohne dass es besonders hervorgehoben wurde. Es ist nicht erforderlich, dass ein Testergebnis besonders herausgestellt wird. Es kommt allein darauf an, dass dem betroffenen Verkehr signalisiert wird, dass eine Prüfung stattgefunden hat (vgl. BGH, Urteil vom 15.04.2021 – I ZR 134/20 –, Rn. 15, juris – Testsiegel auf Produktabbildung, m.w.N.). Dies ist aufgrund der Angabe „LGA geprüft“ schon wegen des Wortes „geprüft“ der Fall. Der Verkehr erkennt daran, dass eine Prüfung durch einen Dritten stattgefunden haben soll.

 

Es kann offenbleiben, ob die Buchstabenfolge „LGA“ in der Produktbeschreibung als Link ausgestaltet gewesen ist, der zu einem Prüfzertifikat führe. Die von der Beklagten behauptete Gestaltung gilt jedenfalls als Vorenthalten wesentlicher Informationen. Gemäß § 5a Abs. 2 Nr. 2 UWG gilt als Vorenthalten auch die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise. Unklarheit kann im Hinblick auf die Wahrnehmbarkeit der Information gegeben sein. Dies ist etwa der Fall, wenn die Gefahr besteht, dass der Durchschnittsverbraucher die Information nicht vollständig oder nicht richtig liest oder hört (vgl. Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Auflage 2024, § 5a Rn. 2.32). Diese Gefahr liegt hier vor. Anhand der seitens des Klägers vorgelegten Screenshots, die aus dem Tenor des angefochtenen Urteils ersichtlich sind, ist erkennbar, dass die Buchstabenfolge „LGA“ keine besondere Formatierung aufweist, insbesondere keine Unterstreichung, keinen Fett- und Kursivdruck und auch sonst keine Merkmale, die typischerweise auf das Vorhandensein eines Links schließen lassen. Die Beklagte behauptet zwar, die Buchstabenfolge habe eine abweichende Farbgestaltung – hellere graue Farbe – gehabt, dies ist auf den mit der Klageschrift in Farbe eingereichten Screenshots jedoch nicht erkennbar. Dass es sich bei den vorgelegten Screenshots nicht um eine Aufnahme der Internetseite der Beklagten handelt, wurde von ihr nicht behauptet. Ferner hat die Beklagte auch nicht dargelegt, worauf bereits das Landgericht hingewiesen hat, welche konkreten Informationen zu dem Produkt über den Link erreichbar gewesen wären. Davon abgesehen ist die Kennzeichnung als Link nicht ausreichend, weil auch nach dem Vorbringen der Beklagten nicht von einer ausreichenden Kennzeichnung auszugehen ist. Zum einen handelt es sich um eine bloß geringfügige Farbabweichung, die nicht ausreicht, um die Gefahr zu beseitigen, dass der Durchschnittsverbraucher die Information nicht wahrnimmt, zum anderen ist bei Kennzeichnung nur des Namens „LGA“ zu befürchten, dass ein Verbraucher, selbst wenn er die unterschiedliche Farbgebung erkennen sollte, dies nicht als Link auf das Prüfzertifikat auffassen würde, sondern als Verweis auf eine Internetseite des Prüfinstitutes, auf der lediglich allgemeine Information über das Prüfinstitut zu erlangen sind.

 

cc) Das Vorenthalten der wesentlichen Information ist auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die unzureichende Information kann den Verbraucher zu falschen Vorstellungen über den Umfang der Prüfung des beworbenen Produkts und deshalb zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlassen, die er bei richtiger Information über den Umfang der Prüfung nicht getroffen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 21.07.2016 – I ZR 26/15 –, Rn. 55, juris – LGA tested).

 

II. Der Beschluss beruht auf § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass die fehlende Erfolgsaussicht offensichtlich ist. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt nicht vor.

 

Entgegen der Auffassung der Beklagten begründet der Umstand, dass der OGH aus Österreich eine Pflicht zur Veröffentlichung der Quelle eines zur Werbung herangezogenen Warentests nicht annimmt, nicht die Notwendigkeit, dem EuGH die von der Beklagten formulierte Frage vorzulegen. Vielmehr sind die Maßstäbe zur Auslegung des europäischen Rechts, hier des Art. 7 Abs. 4 lit. a) der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (Richtlinie 2005/29/EG, ABl. 2005 Nr. L 149, S. 22) in der Rechtsprechung des EuGH geklärt. Nach der genannten Richtlinienbestimmung in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 der RL 2005/29/EG sind dem Verbraucher die wesentlichen Merkmale des Produktes in dem für das Medium und das Produkt angemessenem Umfang mitzuteilen. Der EuGH hat bereits klargestellt, dass die Richtlinienbestimmung den Begriff der wesentlichen Merkmale nicht definiert oder die betreffenden Merkmale erschöpfend auflistet (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 – C-122/10 –, juris). Vielmehr ist die Frage, in welchem Umfang ein Gewerbetreibender im Rahmen einer Aufforderung zum Kauf über die wesentlichen Merkmale eines Produkts informieren muss, anhand der Umstände dieser Aufforderung, der Beschaffenheit und der Merkmale des Produkts sowie des verwendeten Kommunikationsmediums zu beurteilen (EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 – C-122/10 –, juris). Die danach erforderliche Beurteilung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles obliegt den nationalen Gerichten (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 – C-122/10 –, juris; siehe auch BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 – I ZR 26/15 –, Rn. 31, juris). Soweit der österreichische OGH einen Einzelfall abweichend beurteilt, stellt dies keinen Umstand dar, der eine Vorlage der Sache an den EuGH gebietet. Hinzu kommt, dass der von dem OGH in Österreich entschiedene Fall anders gelagert ist, da es in jener Entscheidung um den Verweis auf einen allgemeinen Testbericht ging. Hier geht es indessen um ein Prüfzeugnis für ein bestimmtes Produkt. Die Rechtsprechung des BGH stützt sich auf § 5a UWG, der auf der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) beruht, durch die der besondere Tatbestand des Vorenthaltens von wesentlichen Informationen geregelt wurde. Diese Regelung wird in der Entscheidung des OGH nicht in den Blick genommen. Es findet lediglich eine Abgrenzung zur Rechtsprechung des BGH vor Einführung des Tatbestands statt. Da eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BGH unter Berücksichtigung der UGP-Richtlinie nicht vorliegt, fehlt es auch an einer greifbaren Meinungsverschiedenheit zu den relevanten rechtlichen Obersätzen. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

 

III. Aus den dargelegten Gründen regt der Senat an, die Berufung zurückzunehmen und weist vorsorglich darauf hin, dass bei einer eventuellen Rücknahme der Berufung sich die Gebühren nach Nr. 1220, 1222 der Anlage 1 des Gerichtskostengesetzes von vier auf zwei Gebühren ermäßigen.

 

 

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