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Wirtschaftsrecht
14.10.2021
Wirtschaftsrecht
LG Duisburg: Kündigung eines Prämiensparvertrags

LG Duisburg, Hinweisbeschluss vom 21.6.2021 – 7 S 27/21

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2021-2450-1

NICHT AMTLICHER LEITSATZ

Ein als unregelmäßiger Verwahrungsvertrag zu qualifizierender Prämiensparvertrag kann mangels Eingreifens anderweitiger vertraglicher Regelungen gemäß § 700 Abs. 1 S. 3 BGB i.V.m. § 696 BGB jedenfalls nach § 696 BGB wirksam gekündigt werden, wenn und soweit ein sachlicher Grund vorliegt.

Aus den Gründen

Die Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine hiervon abweichende Entscheidung.

Die Beklagte hat die streitgegenständlichen Prämiensparverträge durch ihre im September 2019 erklärten ordentlichen Kündigungen (Anlage A2-A6,·BI. 16·ff. GA) wirksam mit Wirkung zum 30.01.2020, 01.01.2020, 26.01.2020 bzw. 03.01.2020 beendet.

Die zwischen den Parteien abgeschlossenen Prämiensparverträge sind als unregelmäßige Verwahrungsverträge nach § 700 BGB zu qualifizieren (BGH, Urteil vom 14.05.2019 - XIZR 345/18, Rn. 23 ff., zitiert nach juris). Maßgeblich für die rechtliche Einordnung ist insoweit allein das vertraglich vereinbarte Pflichtenprogramm, welches vorliegend dem des § 700 BGB entspricht, da die Kläger nicht in einklagbarer Weise zur monatlichen Einzahlung eines bestimmten Sparbetrages verpflichtet waren (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019·- XI ZR 34.5/18; Rn. 26, zitiert nach juris;_Rn:30, zitiert nach juris).

Es kann dahinstehen, ob – was der Kammer angesichts des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 7.04.2021 (XI ZR 26/20) zweifelhaft erscheint – die Beklagte berechtigt war, ihre Kündigung auf Nr. 26 Ihrer AGB zu stützen. Allerdings würde sich – die nicht wirksame Einbeziehung der Nr. 26 AGB unterstellt – das Kündigungsrecht der Beklagten mangels anderweitiger vertraglicher Vereinbarung jedenfalls aus § 696 BGB ergeben. Wenn – wie im vorliegenden Fall – der Prämiensparvertrag als unselbständiger Verwahrungsvertrag zu qualifizieren ist, richtet sich das Kündigungsrecht des Verwahrers in erster Linie nach den getroffenen Vereinbarungen, im Übrigen nach § 700 Abs. 1 S. 3 BGB i.V.m. § 696 BGB (BGH, Urt. v. 14.05·.2019 - XI ZR 345/18 [BB 2019, 2066-2067 m. BB-Komm. Edelmann]; OLG Dresden, Urt. v. 21.11.2019 - 8 U 1770/18; Henssler in MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2020,·§·700, Rn. 3; Gehrlein in BeckOK­BGB, 58. Ed. Stand 05/2021, § 700, Rn. 5). Demnach ist die Beklagte zu einem jederzeitigen Rücknahmeverlangen berechtigt. sofern eine Zeit für die Aufbewahrung nicht bestimmt ist.

Eben dies war hier der Fall. Die Parteien haben – jedenfalls über das Erreichen der höchsten Prämienstufe hinaus·–·keine festen Laufzeiten vereinbart. Hinsichtlich der Vertragsdauer wurde jeweils nur vereinbart, dass selbige maximal 30 Jahre im Rahmen eines als S-Bonus-Flex geführten Sparkontos betrage bzw. selbige flexibel gestaltbar sei (Anlagen A1, BI. 7 ff. GA). Diese Regelungen sind als Allgemeine Geschäftsbedingung ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht gebildeten Durchschnittskunden nach ihrem objektiven Gehalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden. Ansatzpunkt für die bei einer Formularklausel gebotene objektive Auslegung ist damit in erster Linie ihr Wortlaut. Der tatsächliche Wille der Parteien, individuelle oder einzelfallbezogene Umstände des Vertragsschlusses sind nicht zu berücksichtigen (Schmidt, in BeckOK BGB, 57. Aufl., Stand: 01.02.2021, § 305c, Rn. 46; Basedow, in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2019, § 305c 8GB, Rn. 33 ff. m.w.N.).

Gemessen daran kann den vertraglichen Unterlagen nicht eine Vereinbarung einer Laufzeit von 30 Jahren entnommen werden. Eine Laufzeit bestimmt die Dauer eines Vertragsverhältnisses, mithin die Zeitspanne zwischen Beginn und Beendigung des Vertrags. Während der Vertragsbeginn jeweils eindeutig definiert war (30.06.2003, 01.08.2002, 26.03.2002, 27.02.2001 und 01.07.2000), lässt sich den Verträgen ein verbindlich vereinbartes Vertragsende nicht entnehmen. Hinsichtlich der Dauer heißt es jeweils nur, dass der Vertrag maximal 30 Jahre bestehe. Bereits aus dem Wortlaut dieser Formulierung ergibt sich, dass damit lediglich eine Höchstfrist festgelegt wird, nicht aber ein fester Endzeitpunkt. Das Ende des jeweiligen Vertrags ist gerade nicht bestimmt. So kann der jeweilige Vertrag auch weniger als 30 Jahre laufen, etwa im Fall der Kündigung einer Partei. Die konkrete Vertragslaufzeit sollte damit ersichtlich von der Disposition der Parteien abhängen, wofür auch die Formulierung „flexibel gestaltbar“ bzw. „S·Bonus-Flex“ spricht. Aus Sicht der Kammer ist danach eindeutig; dass die Parteien eine bestimmte Laufzeit nicht vereinbart haben mit der Folge, dass die Voraussetzungen für die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB nicht gegeben sind. Diese greift erst ein, wenn eine Klausel nach Ausschöpfung der Auslegung zwei oder mehr mögliche Bedeutungen hat (Schmidt, in BeckO BGB, 57. Aufl., Stand: 01.0.2021, § 305c, Rn. 60).

Darüber hinaus ist auch eine für die Beklagte abweichende Kündigungsregelung nicht ersichtlich. Die Parteien haben insbesondere – entgegen der Ansicht der Kläger – vorliegend keinen konkludenten Kündigungsverzicht der Beklagten für den Zeitraum von 30 Jahren vereinbart. Zutreffend ist zwar, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 14.05.2019 - IX ZR 345/17 (zitiert nach juris) einen Fall zu entscheiden hatte, in dem die Prämiensparverträge keine zeitliche Begrenzung vorsahen. Allein die Tatsache, dass abweichend davon im vorliegenden Fall jeweils eine Höchstfrist vereinbart war, rechtfertigt aber nicht die Annahme eines grundsätzlich möglichen, konkludenten Kündigungsverzichts. So hat der Bundesgerichthof zwar ausgeführt, dass bei einer beiderseits interessengerechten Auslegung der Sparer nicht erwarten könne, dass ihm eine zeitlich unbegrenzte Sparmöglichkeit eröffnet werde·(BGH, Urteil vom14.05.2019 - XI ZR 345/18 [BB 2019, 2066-2067 m. BB-Komm. Edelmann], Rn 42 zitiert nach juris).·Zudem haben die Kläger zu Recht festgestellt, dass eine solche Möglichkeit vorliegend schon aufgrund der jeweils vereinbarten Höchstfrist nicht gegeben ist. Maßgeblich für die Annahme eines konkludenten Kündigungsverzichts ist aus Sicht der Kammer aber –·worauf auch der Bundesgerichthof in seiner Entscheidung abgestellt hat – dass die Beklagte durch das von ihr angebotene Prämiensparmodell bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe einen besonderen Bonusanreiz gesetzt hat (vgl.·BGH, Urteil vom 14.05.2019 - XI ZR 345/18 [BB 2019, 2066-2067 m. BB-Komm. Edelmann], Rn. 38f.,·zitiert nach juris); Der Sparer darf daher darauf vertrauen, dass er diese Stufe und den angebotenen Bonus auch erreichen kann und der Vertrag insoweit nicht vorzeitig durch die Beklagte gekündigt wird. Dieses Vertrauen ist nach Erreichen der höchsten Prämienstufe nicht mehr in gleicher Weise schutzwürdig. Der Vertragszweck eines Sparvertrages – das langfristige Einlegen und Ansammeln von Vermögen – wird nämlich auch dann erreicht, wenn die Einlagen weniger als 30 Jahre stehen gelassen werden. Der Sparer erhält neben den steigenden Prämien einen variablen Zins, so dass weder dargetan noch ersichtlich ist, dass sich die Einlagen für die Sparer erst lohnen wenn der höchste Prämiensatz erreicht ist und über mehrere Jahre beibehalten wird (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 18.04.2019 - 8 U 52/19, Rn. 49, zitiert nach juris). Dementsprechend besteht auch kein überwiegendes, schutzwürdiges Interesse des Sparers, den Sparvertrag bis zum Erreichen der Höchstfrist fortführen zu dürfen.

Schließlich läge – soweit man dies nach Treu und Glauben, § 242 BGB, für die Sparkasse aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationsform und der damit verbundenen Verpflichtung zur Erfüllung von Aufgaben der Daseinsvorsorge verlangt (vgl. OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.05.2018 - 5 U 29/18, Rn. 65; OLG Dresden, BeckRs 2019, 605, 606) – auch die tatbestandliche Kündigungsvoraussetzung eines sachgerechten Grundes jeweils vor. Ein solcher ist gegeben, wenn die Umstände, die die Sparkasse zur Kündigung veranlassen, derart beschaffen und zu bewerten sind, dass ein unvoreingenommener, vernünftiger Beobachter das Verhalten der Sparkasse für eine nachvollziehbare und der Sachlage nach angemessene Reaktion halten muss (BGH, Urteil vom 14.5.2019 - XI ZR 345/18 [BB 2019, 2066-2067 m. BB-Komm. Edelmann], Rn. 45, zitiert nach juris). Hier ist ein sachlicher Grund jeweils in dem veränderten Zinsumfeld zu sehen, das sich zwar nicht wegen des variablen Zinssatzes negativ auf das Vertragsverhältnis auswirkt, es aber der Beklagten erschwert, die Erträge zu erwirtschaften, die sie benötigt, um die jährlichen Prämienzahlungen aufzubringen (BGH, Urteil vom 14.05.2019 - XI ZR 345/18 [BB 2019, 2066-2067 m. BB-Komm. Edelmann], Rn. 46, zitiert nach juris).

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