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Wirtschaftsrecht
19.07.2012
Wirtschaftsrecht
LG Köln: Kündigung einer Unternehmensanleihe aus wichtigem Grund

LG Köln, Urteil vom 26.1.2012 - 30 O 63/11


LEITSATZ


Eine Unternehmensanleihe kann bei unmittelbar drohender Gefahr der Zahlungs­unfähigkeit des Unternehmens von einem Privatanleger nach § 314 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden.


BGB § 314 Abs. 1


Sachverhalt


Der Kläger begehrt die Rückzahlung von Anleihen nach erklärter Kündigung aus wichtigem Grund.


Er erwarb im Juni 2006 von der Beklagten, die damals noch unter dem Namen T Vermögensverwaltung GmbH firmierte, Hypothekenanleihen der zweiten Tranche im Nennwert von 5 000,00 Euro. Die Teilschuldverschreibungen sollten nach den Anleihebedingungen mit 6 % jährlich verzinst werden. Die Zinsen sollten jeweils am 1.7. eines Jahres fällig werden. Die Anleihe selbst sollte am 30.6.2016 zurückgezahlt werden.


In der Folgezeit geriet die Beklagte in finanzielle Schwierigkeiten. Sie befindet sich seit Juni 2010 aufgrund einer bilanziellen Überschuldung - sie weist voraussichtlich per 31.12.2010 eine nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag i. H. v. ca. 4,2 Mio. Euro aus - in einer Sanierungs- bzw. Restrukturierungsphase. Am 30.6.2010 erklärte die Beklagte in einer Ad-hoc-Mitteilung unter anderem, dass die Geschäftsführung davon ausgehe, dass keine positive Fortführungsprognose bestehe und eine Überschuldung gegeben sei. Sie kündigte ein Restrukturierungskonzept an und teilte mit, dass sie vor diesem Hintergrund Zinszahlungen, die in Bezug auf Anleihen der ersten und zweiten Tranche zum 1.7.2010 fällig würden, aussetze. Mit Ad-hoc-Mitteilung vom 12.8.2010 legt die Beklagte ein Restrukturierungskonzept vor, das eine Reduzierung des Zinssatzes jeder Anleihe auf 1 % p. a. rückwirkend ab dem 1.7.2010 bis einschließlich 30.6.2013 und eine Reduzierung des Nennwerts der Anleihen um 60 % auf 40 % vorsah. Gleichzeitig wies die Beklagte darauf hin, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Insolvenzantrag unausweichlich sei, wenn die Gläubigerversammlungen nicht sämtlich der vorgeschlagenen Reduzierung des Zinssatzes zustimmen würden. Weiter wies die Beklagte darauf hin, dass nach wie vor eine Insolvenzgefahr bestünde.


Am 24.8., 25.8. und am 26.8.2010 berief die Beklagte erstmals - für jede der drei Anleihen gesondert - Gläubigerversammlungen ein. Dabei wollte sie erreichen, dass der Zinssatz der Anleihen wie beschrieben reduziert wird und die Anleihegläubiger für die Zeit bis zum 24.8.2013 auf etwaige Rechte zur Kündigung verzichten. In den Gläubigerversammlungen stimmten zwar die Mehrheit der anwesenden Gläubiger für die Beschlüsse, die Versammlungen waren allerdings nicht beschlussfähig, weil jeweils weniger als 50 % der im Umlauf befindlichen Schuldverschreibungen vertreten waren.


Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.9.2010, zugegangen am 1.10.2010, kündigte der Kläger seine Anleihen gegenüber der Beklagten aus wichtigem Grund und forderte die Beklagte auf, ihm bis zum 8.10.2010 den Anleihebetrag und die offenen Zinsen zurückzuzahlen. Eine Rückzahlung erfolgte nicht.


Im Rahmen einer weiteren Gläubigerversammlung, die am 27.10., 28.10. bzw. 2.11.2010 stattfand, stimmten die Anleihegläubiger den Beschlussvorschlägen über die Ermäßigung des Zinssatzes und dem Ausschluss des Kündigungsrechtes wirksam zu.


Mit Valuta vom 11.11.2010 zahlte die Beklagte die Zinsen für die erste und zweite Anleihe bis zum 30.6.2010. Für die dritte Anleihe zahlte die Beklagte Zinsen i. H. v. 6 % p. a. bis zum 30.6.2010 und 1 % p. a. ab dem 1.7.2010.


Im Hinblick auf die vorgeschlagene Reduzierung des Nennwerts der Anteile führte die Beklagte - wiederum für jede Anleihe gesondert - im Frühjahr 2011 Gläubigerversammlungen durch, die allerdings erneut nicht beschlussfähig waren.


Der Kläger beantragt,


1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5 000,00 Euro nebst Zinsen hieraus i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9.10.2010 zu zahlen [...].


Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.


Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet.


Aus den Gründen


Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 5 000,00 Euro gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB analog in Verbindung mit dem Wertpapierkaufvertrag zu.


Die mit Schreiben vom 10.9.2010 erklärte Kündigung des Klägers aus wichtigem Grund ist gemäß § 314 BGB wirksam.


Ein wichtiger Grund im Sinne des § 314 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.


  • Dem Kläger ist schon wegen der unmittelbar drohenden Zahlungsunfähigkeit der Beklagten eine Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zumutbar

Dabei kann nach Einschätzung der Kammer offen bleiben, ob die Beklagte bereits zum Erwerbszeitpunkt überschuldet und insolvenzreif war oder fehlerhafte Angaben im Emissionsprospekt oder zur Sicherheitenlage gemacht hat. Denn dem Kläger ist schon deshalb eine Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zumutbar, weil die Beklagte in den Pressmitteilungen vom 30.6.2010 und vom 12.8.2010 angekündigt hat, bei unveränderten Vertragsbedingungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einen Insolvenzantrag stellen zu müssen. Damit drohte der Beklagten nach eigener Aussage unmittelbar die Zahlungsunfähigkeit. Auf die Frage, ob die Beklagte damals tatsächlich überschuldet gewesen ist oder nicht, kommt es nicht an. Denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann in der unmittelbar drohenden Gefahr der Zahlungsunfähigkeit selbst dann ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung liegen, wenn die Überschuldung nicht festgestellt ist (BGH, Beschluss vom 10.3.2009 - XI ZR 492/07 und BGH, 20.5.2003 - XI ZR 50/02, BB 2003, 1640 = NJW 2003, 2674 ff.; zitiert nach Juris). Diese von der Rechtsprechung für Darlehensverträge entwickelten Grundsätze sind auf den hier vorliegenden Fall der Kündigung von Hypothekenanleihen zu übertragen. Denn, ähnlich wie bei einem Darlehensvertrag, hat der Kläger der Beklagten für eine bestimmte Zeit Gelder zur Verfügung gestellt, die von dieser am Ende der vereinbarten Laufzeit zurückgezahlt werden müssen. Daneben besteht ein schuldrechtlicher Anspruch des Klägers auf die Zahlung eines zeitabhängigen Entgelts (Zinszahlung). Dabei ist zu beachten, dass nachrangige Hypothekenanleihen bzw. Immobilienanleihen Anleihen an Unternehmen sind, deren Mittelverwendung zwar im Interesse der Anleger erfolgt, die die erworbenen Immobilien aber zu einem bestimmten Teil auch fremd finanzieren. Folglich sind die die Ansprüche der Anleihegläubiger sichernden Grundpfandrechte nicht oder allenfalls nachrangig gegenüber den der Besicherung der Bankkredite dienenden Grundpfandrechten gesichert. Sie unterscheiden sich im Hinblick auf ihre faktische Absicherung letztlich nicht von herkömmlichen Unternehmensanleihen, welche - wie bereits beschrieben -nichts anderes als ein Darlehen an das jeweilige Unternehmen darstellen.


  • Entbehrlichkeit einer vorherigen Abmahnung des Klägers

Eine vorherige Abmahnung des Klägers nach § 314 Abs. 2 S. 1 BGB ist vorliegend nach § 314 Abs. 2 S. 2 BGB in Verbindung mit § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich gewesen. Denn die Beklagte behauptet nach wie vor, dass ein Insolvenzverfahren drohe, wenn nicht die Anleihegläubiger auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichten. Vor diesem Hintergrund wäre ein Abmahnung bloße Förmelei. Die Beklagte ist nämlich ohne Mitwirkung der Anleihegläubiger nach eigenem Vorbringen nicht in der Lage, ihre finanzielle Situation innerhalb einer überschaubaren Frist entscheidend zu verbessern. Im Übrigen liegen auch weitere besondere Umstände vor, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen. Denn die Beklagte hatte mit der zweiten Ad-hoc-Mitteilung angekündigt, dass zeitnah Gläubigerversammlungen durchgeführt werden sollen, in denen das Kündigungsrecht der Anleihegläubiger mittels einer Mehrheitsentscheidung ausgeschlossen werden sollte. Vor diesem Hintergrund war es dem Kläger nicht zuzumuten der Beklagten eine Frist zur Abhilfe zu setzen. Zudem wäre eine Fristsetzung zu der Überschuldung reduzierenden Maßnahmen auch erkennbar aussichtslos gewesen, da die Beklagte nur durch die Zustimmung der Mehrheit der Gläubiger hierzu in der Lage gewesen wäre und daher von dem Verhalten Dritter abhängig war. Der Kläger hat die Kündigung auch innerhalb einer angemessenen Frist gemäß § 314 Abs. 3 BGB erklärt.


  • Kein Ausschluss des Rechtes der Kläger zur Kündigung nach § 242 BGB

Entgegen der Einschätzung der Beklagten ist das Recht der Kläger zur Kündigung auch nicht ausnahmsweise nach § 242 BGB ausgeschlossen.


Zwar ist zutreffend, dass bei der Beurteilung der Frage, ob ein wichtiger Grund zur Kündigung vorliegt, eine Gesamtwürdigung der besonderen Umstände des konkreten Falles und eine Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsteile erforderlich ist. Im vorliegenden Fall kann aber auch unter Berücksichtigung sämtlicher im Rahmen einer Abwicklung relevanter Gesichtspunkte nicht angenommen werden, dass es der Interessenlage der Parteien besser entspreche, den Vertrag bestehen zu lassen. Insbesondere liegt kein Fall vor, bei dem sich die Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers/Emittenten mit einer Kündigung wesentlich bis zur Insolvenz verschlechtern würden. Die Beklagte ist nach eigenem Vorbringen schon unabhängig von der Kündigung des Klägers überschuldet und Insolvenzreif. Sie ist zurzeit nur darum bemüht, durch einen angestrebten Verzicht der Anleihegläubiger auf einen Teil der diesen zustehenden Forderungen eine positive Fortbestehensprognose zu begründen. Die Beklagte ist darüber hinaus nach ihrem eigenen Vorbringen nicht in der Lage, ihren vertraglichen Verpflichtungen, also der Zahlung von jährlich 6 Prozent Zinsen und die vollständige Rückzahlung der Anleihe, zumindest Ratenweise nachzukommen. Für den Fall, dass es bei den ursprünglich vertraglich vereinbarten Pflichten bleiben sollte, hat die Beklagte vielmehr die Stellung eines Insolvenzantrages als äußerst wahrscheinlich angekündigt. Daher ist die Beklagte ja auch darum bemüht, einen erheblichen Verzicht der Anleihegläubiger herbei zu führen. Unter diesen Umständen ist dem Kläger jedoch eine Fortsetzung des Vertrages nicht zuzumuten.


  • Der Kläger hat bereits dann ein Kündigungsrecht, wenn sich die Vermögensverschlechterung sichtbar abzeichnet

Der Kläger muss auch nicht etwa den tatsächlichen Eintritt der wesentlichen Vermögensverschlechterung bei der Beklagten noch abwarten, sondern er hat bereits dann ein Kündigungsrecht, wenn sich die Vermögensverschlechterung und die daraus folgende Gefährdung der Rückzahlung seines Anlagebetrages sichtbar abzeichnen. Für den Darlehensvertrag ist anerkannt, dass anderenfalls der Sinn des außerordentlichen Kündigungsrechtes im Fall von Vermögensverschlechterungen für den Darlehensgeber in vielen Fällen verfehlt würde: Denn diese soll den Darlehensgeber gerade vor einem durch die Insolvenz des Darlehensnehmers eintretenden Vermögensverlust bewahren. Dieses Ziel würde konterkariert, wenn der Darlehensnehmer zunächst den Eintritt der Insolvenz abwarten müsste, da diese gerade den Vermögensverlust herbeiführt, so dass eine danach erklärte Kündigung wirkungslos wäre (BT-Drs. 14/6040, 254 zu § 490 Abs. 1 BGB).


Zwar kann es dem Darlehensgeber im Einzelfall durchaus zumutbar sein, das Darlehen bei dem Darlehensnehmer zu belassen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn sich die Vermögenssituation des Schuldners erst durch die Rückforderung des Darlehensvertrages in einer Summe so sehr verschlechtert, dass er insolvent wird, während ihm bei Belassung des Darlehens jedenfalls eine ratenweise Rückführung möglich wäre. Auch im Falle einer lediglich vorübergehenden Vermögensverschlechterung kann es im Einzelfall dem Darlehensgeber zumutbar sein, dem Darlehensgeber das Darlehen zu belassen (BT-Drs. a. a. O.). Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall der Kündigung von Hypothekenanleihen zwar grundsätzlich anwendbar. Jedoch liegt keiner der genannten Fälle vor, in dem es dem Darlehensgeber zumutbar ist, dem Darlehensnehmer das Darlehen zu belassen. Die Beklagte selbst trägt nicht vor, dass bei ihr nur eine vorübergehende Vermögensverschlechterung vorliegt. Ebenso wenig kann angenommen werden, dass die Rückforderung des Nennbetrages in Höhe von hier insgesamt rund 5.000,00 Euro in einer Summe die Vermögenssituation der Beklagten so sehr verschlechtern würde, dass sie insolvent würde. Zum einen ist die Beklagte nach eigenen Angaben ohne Forderungsverzicht der Anleihegläubiger schon insolvenzreif. Zum anderen würde aber ein Betrag von 5.000,00 Euro an der Vermögenssituation der Beklagten nichts Wesentliches ändern.


Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass auch im Rahmen von § 490 BGB ein wichtiger Kündigungsgrund nach der Valutierung eines Darlehens nach ganz überwiegender Ansicht jedenfalls dann vorliegt, wenn durch weiteres Belassen der Mittel beim Darlehensnehmer die Rückgewehr so stark gefährdet wird, dass unter Preisgabe des Interesses des Schuldners am Behalten bis zum vereinbarten Fälligkeitstermin so schnell wie möglich gerettet werden muss, was zu retten ist; dies setzt eine Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung auch der Belange des Schuldners voraus (BT-Drs. a. a. O.; Mülbert in: Staudinger Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2011, § 490 Rn. 3, 38; Berger in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2008, § 490 Rn. 17 ff.).


  • Bei den Anlegern handelt es sich um Privatanleger, für die es um erhebliche Summen geht

Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich des Klägers vor. Denn wenn er nicht gekündigt hätte, wäre ein Großteil seines Anlagebetrages höchstwahrscheinlich verloren und eine Kündigung aufgrund des anvisierten Gläubigerversammlungsbeschlusses ausgeschlossen gewesen. Auf Seiten der Beklagten ist zwar zu berücksichtigen, dass aufgrund der Kündigung einer Vielzahl von Anlegern nunmehr die Insolvenz kaum mehr zu vermeiden sein wird. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Anlegern nicht um gewerblich handelnde Kreditgeber handelt und es sich deshalb für diese um erhebliche Summen handelt, so dass es diesen nicht zumutbar ist, ihr Geld bei der Beklagten zu belassen.


Ebenso wenig kann angenommen werden, dass der Kläger im Verhältnis zu anderen Anlegern, die ihre Anleihe bislang nicht gekündigt haben, durch die Kündigung einen unzulässigen Sondervorteil anstrebt. Die Kündigung soll den Darlehensgeber gerade vor einem durch die Insolvenz verursachten Gesamtausfall schützen. Insbesondere muss der Darlehensgeber, wie bereits dargelegt, den tatsächlichen Eintritt der wesentlichen Vermögensverschlechterung nicht abwarten. Da der Kläger kein Gesellschafter der Beklagten ist, sondern lediglich Gläubiger, ist eine über die normalen Treuepflichten im Verhältnis Gläubiger-Schuldner hinausgehende, den Treuepflichten eines Gesellschafters vergleichbare Treuepflicht nicht gegeben und der Kläger nicht verpflichtet, mit seinem Verhalten übrige Anleihegläubiger zu schützen bzw. nicht zu schädigen. Insbesondere hatte jeder Gläubiger genauso wie der Kläger die Möglichkeit bis zum Wirksamwerden der Beschlüsse der Gläubigerversammlung und dem Ausschluss des Kündigungsrechts von dem ihm zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Das Bestehen eines Sondervorteils durch bloße Ausübung eines allseits bestehenden Kündigungsrechts kann folglich nicht angenommen werden.


Nichts anderes ergibt sich aus dem auf der Gläubigerversammlung im Oktober 2010 beschlossenen Kündigungsverzicht. Denn dieser ist für die von dem Kläger schon vorher am 10.9.2010 wirksam erklärten Kündigung rechtlich ohne Bedeutung. Insbesondere entfaltete der Beschluss der Gläubigerversammlung im August 2010 keine Wirksamkeit, da zu diesem Zeitpunkt eine Beschlussfähigkeit nicht gegeben war. Soweit die Beklagte dem Kläger vorwirft, er habe sich treuwidrig verhalten, weil er sich Ladungsfristen zunutze gemacht habe, um noch schnell zu kündigen, überzeugt dies nicht. Denn dem Kläger ist es nach keinem rechtlichen Gesichtspunkt verboten gewesen, die Anleihe innerhalb der Ladungsfrist zu kündigen. Auch der Hinweis der Beklagten auf das Ziel des Schuldverschreibungsgesetzes ist nicht überzeugend. Denn die auf den jeweiligen Versammlungen gefassten Beschlüsse sollen auch nach den Vorgaben des Schuldverschreibungsgesetzes keine (Rück-) Wirkung auf bereits gekündigte Altverträge haben.


  • Der Gebrauch des Kündigungrechts eines einzelnen Anlegers hängt nicht von einer Mehrheitsentscheidung der Anleger ab

Darauf, dass diejenigen Anleger, die bis zur Beschlussfassung von ihrem Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht haben, ihre Verträge nun nicht mehr kündigen können, kommt es nicht entscheidend an. Denn es hat jedem Anleger frei gestanden, von dem ihm zustehenden Kündigungsrecht bis zur Gläubigerversammlung Gebrauch zu machen oder nicht. Das Kündigungsrecht des einzelnen Anlegers ist nicht von einer Mehrheitsentscheidung der Anleger abhängig. Vor diesem Hintergrund kann dem Kläger auch nicht mit Erfolg vorgeworfen werden, er erstrebe mit seiner Kündigung ein für ihn günstiges Ergebnis auf Kosten der übrigen Anleihegläubiger. ...

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