OLG Köln: Kündigung des Unterlassungsvertrags
OLG Köln, Urteil vom 4.4.2025 – 6 U 116/24
Volltext: BB-Online BBL2025-1154-6
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Amtlicher Leitsatz
Es stellt einen wichtigen Grund für die Kündigung eines vor 2021 abgeschlossenen Unterlassungsvertrages dar, wenn die Klagebefugnis des Gläubigers nicht mehr besteht, weil er nicht in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG aufgenommen worden ist.
SaChverhalt
Die Parteien streiten im Rahmen einer negativen Feststellungsklage über den Bestand zweier im Oktober 2015 bzw. November 2018 geschlossener Unterlassungsverträge. Die Klägerin hat die Verträge unter dem 06.04.2022 fristlos gekündigt, unter Berufung darauf, dass die Sachbefugnis des Beklagten entfallen sei - der Beklagte ist bislang nicht in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände aufgenommen worden - und die Abmahnungen in den Jahren 2015 bzw. 2018 entsprechend den Feststellungen des Landgerichts Köln im Urteil vom 26.01.2022, 81 O 35/21, rechtsmissbräuchlich gewesen seien. Die Klägerin bestritt, dass dem Beklagten sowohl im September 2015 als auch im Oktober 2018 eine erhebliche Zahl von mit ihr in Konkurrenz stehenden Unternehmen angehörten. Der Beklagte trat der Kündigung entgegen. Die Unterwerfungsverträge bestünden entsprechend der Übergangsregelung in § 15a Abs. 1 UWG fort.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts Köln vom 31.10.2024 Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Verträge seien durch wirksame Kündigung seitens der Klägerin beendet worden. Wie bereits im Verfahren 31 O 118/22 Landgericht Köln mit Urteil vom 27.04.2023 ausgeführt, folge ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung daraus, dass der Beklagte aufgrund der fehlenden Sachbefugnis nicht mehr berechtigt sei, Unterlassungsansprüche geltend zu machen. Selbst wenn - wie nicht - § 15a Abs. 1 UWG anwendbar wäre, könne sich der Beklagte hierauf nicht berufen. Der Beklagte habe nicht dargelegt, dass ihm weiterhin eine ausreichende Anzahl an Unternehmen angehörten, die mit der Klägerin im Wettbewerb stünden. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 13.08.2024 im Verfahren 6 U 97/23 stehe der Klageforderung nicht entgegen, weil dort die Vertragsstrafe bereits vor der Gesetzesänderung angefallen sei. Ob die Abmahnungen in den Jahren 2015 und 2018 rechtsmissbräuchlich gewesen seien, könne offenbleiben, wobei die Klägerin mit ihrer Bezugnahme auf die Entscheidung des Senats vom 21.06.2023 im Verfahren 6 U 147/22 hierfür ausreichende Indizien vorgetragen habe.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Das Landgericht habe weder einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dargestellt noch dargelegt, dass ein Festhalten an den Unterlassungsverträgen für die Klägerin nicht mehr zumutbar sei. Sofern die Kammer die Tatsache, dass er derzeit nicht in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände geführt werde, als wichtigen Grund heranziehe, habe sie verkannt, dass seine Sachbefugnis aufgrund der Neufassung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nicht endgültig entfallen sei, sondern wiederauflebe, sobald er in die vom Bundesamt für Justiz geführte Liste aufgenommen werde. Dies habe sodann eine Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge. Eine solche Unsicherheit hinsichtlich der Rechtslage sei weder den Vertragsparteien zumutbar, noch würde dadurch dem unlauteren Wettbewerb Einhalt geboten. Die vom Landgericht herangezogene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stütze die Rechtsansicht der Kammer nicht, da in jenen Fällen neben der Sachbefugnis auch der materielle Unterlassungsanspruch weggefallen sei. Folgerichtig habe der Bundesgerichtshof argumentiert, dass es nicht im Interesse des Unterlassungsschuldners liegen könne, sich zu einem weiteren Unterlassen zu verpflichten, zu dem nicht auch seine Mitbewerber verpflichtet wären. Hier liege der Sachverhalt jedoch entscheidend anders, da durch die Gesetzesänderung die Sachbefugnis nicht unwiederbringlich und endgültig entfallen, sondern lediglich unter die Bedingung der Eintragung in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände gestellt worden sei. In einem solchen Fall sei dem Schuldner ein Festhalten am Unterwerfungsvertrag nicht schlechterdings unzumutbar. Eine Kündigung komme nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann in Betracht, wenn auch die Möglichkeit einer Vollstreckungsabwehrklage bestünde. Eine solche könnte im Streitfall nicht mit Erfolg erhoben werden. Er leite seine Aktivlegitimation nicht aus § 8 UWG, sondern aus dem Vertrag ab, dessen Geschäftsgrundlage durch die derzeit fehlende Sachbefugnis für die gerichtliche Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nicht tangiert werde. Insoweit sei zudem zu seinen Gunsten die Übergangsvorschrift des § 15a Abs. 1 UWG anzuwenden. Nach wie vor verfüge er über mehr als 300 Mitglieder, die Kraftfahrzeugzubehör, mehr als 130 Mitglieder, die Werkzeug, und mehr als 140 Mitglieder, die Elektronikartikel vertrieben. Gegen ein Kündigungsrecht der Klägerin spreche ferner die durch die Übergangsregelung in § 15a Abs. 2 UWG unangetastete Eigentumsgarantie. Die Alt-Unterlassungsverträge seien im Sinne des Art. 14 GG sein Eigentum. Für eine Enteignung gebe es keine gesetzliche Grundlage, der Gesetzgeber sei im Gegenteil in § 15a Abs. 2 UWG vom Fortbestand der Altverträge ausgegangen. Der Begründung des „Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ lasse sich keinerlei rückwirkende Geltung entnehmen, also auch keine Interpretation in Bezug auf eine Entwertung von Alt-Unterlassungsverträgen. Die Überleitungsvorschrift des § 15a UWG statuiere genau das Gegenteil. Eine Rückwirkung würde gegen das Rechtsstaatsprinzip und den Vertrauensgrundsatz verstoßen. Im Übrigen bleibe anzumerken, dass - wenn er und die Klägerin bei Abschluss des Unterlassungsvertrags die UWG-Novelle im Blick gehabt hätten - sie sich dahingehend geeinigt hätten, dass zunächst einmal der rechtskräftige Abschluss des Verwaltungsverfahrens abzuwarten sei. Alles andere sei sachwidrig und würde zu willkürlichen Ergebnissen führen. Der Beklagte führt weiterhin zur Aktivlegitimation im Vertragsstrafenprozess aus sowie dazu, dass die Eintragung in die Listen nach § 8b UWG nicht Geschäftsgrundlage des Unterlassungsvertrages sei und eine Vielzahl von Gerichten die noch nicht erfolgte Listeneintragung im Vertragsstrafenprozess als rechtlich irrelevant angesehen habe. Außerdem trägt er zum Stand des Verwaltungsverfahrens bezüglich der Listeneintragung vor. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 04.02.2025 Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgericht Köln vom 31.10.2024, Az. 33 O 127/24 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Den erstmals im Berufungsverfahren gehaltenen Vortrag des Beklagten zu seinen Mitgliedern aus einer gleichen Branche wie sie, rügt die Klägerin als verspätet und den angebotenen Zeugenbeweis als unzulässig ausforschend. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 06.03.2025 Bezug genommen.
Aus den Gründen
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die auch nach § 256 ZPO zulässige Feststellungsklage ist begründet. Die Klägerin hat die mit dem Beklagten am 09.10.2015 bzw. 14.11.2018 geschlossenen Unterlassungsverträgen mit Schreiben vom 06.04.2022 wirksam fristlos gekündigt.
a. Die zwischen den Parteien geschlossene Unterlassungsverpflichtungsverträge sind Dauerschuldverhältnisse und als solche nach § 314 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund kündbar. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar ist.
Die Klägerin hat ihre Kündigung auf einen Wegfall der Sachbefugnis des Beklagten seit dem 01.12.2021 sowie Rechtsmissbrauch im Zusammenhang mit den den Unterlassungsverträgen vorausgegangenen Abmahnungen gestützt. Im Rahmen der Ausführungen zum Rechtsmissbrauch hat sie bestritten, dass dem Beklagten in den Jahren 2015 und 2018 eine erhebliche Zahl von mit ihr in Konkurrenz stehenden Unternehmen angehört hatten.
b. Der Klägerin ist allein schon aufgrund des fehlenden Listeneintrags der Beklagten ein Recht zur außerordentlichen Kündigung der Unterlassungsverträge zuzubilligen. Ob sie sich daneben auch auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten bei Abschluss der Verträge berufen könnte, kann dahinstehen.
aa. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist eine Loslösung vom Unterlassungsvertrag nicht nur dann denkbar, wenn die Rechtswidrigkeit der zu unterlassenden Handlung entfällt. Soweit der Beklagte auf die Kommentierung in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 13 Rn. 208 verweist, nach der folgendes gelte:
„Ist durch eine Gesetzesänderung nicht der durch die Unterwerfungserklärung gesicherte Anspruch entfallen, sondern nur die Sachbefugnis des Gläubigers (z.B. eines Wettbewerbsvereins), kann wegen des Fortbestands des gesetzlichen Verbots nicht davon ausgegangen werden, dass dem Schuldner das Festhalten am Unterwerfungsvertrag schlechterdings unzumutbar ist“
zitiert er unvollständig. Der nachfolgende Satz lautete nämlich:
„Dennoch kann dem Schuldner auch in diesem Fall ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nach § 314 BGB zustehen (BGHZ 133, 316 – Altunterwerfung I).“
und ist in der aktuellen Fassung bei Köhler/Feddersen (UWG, 43. Aufl. 2025, § 13 Rn. 208) noch um den weiteren Satz ergänzt:
„Gleiches gilt, wenn die Klagebefugnis eines Verbands mangels Eintragung in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände gem. § 8b entfällt (OLG Hamm WRP 2023, 998 Rn. 37).“
Die dort zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Urteil vom 30.05.2023, 4 U 78/22, juris - untätiger Abmahner) ist zwar vom Bundesgerichtshof zwischenzeitlich aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden, jedoch nur, weil mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht angenommen werden könne, dass dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehe (BGH, Urteil vom 07.03.2024, I ZR 83/23 - Vielfachabmahner II, juris Tz. 6 ff.). Zum Kündigungsrecht hat sich das Oberlandesgericht Hamm obiter dictum geäußert (WRP 2023, 998 ff., Rn. 37, juris Tz. 48):
„Soweit dem Beklagten im Hinblick auf die mangels Eintragung in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG zwischenzeitlich entfallene Befugnis des Klägers zur Geltendmachung in Betracht kommender gesetzlicher Unterlassungsansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG hinsichtlich der vertraglich übernommenen Unterlassungs- und Zahlungsverpflichtung ein außerordentliches Kündigungsrecht zuzubilligen ist, wirkt dieses - ungeachtet dessen, dass es sich insoweit um eine Frage der Begründetheit der Klage handelt - lediglich für die Zukunft (vgl. Büscher/Ahrens, 2. Aufl. 2021, § 15a UWG, Rn. 13; Möller, NJW 2021, 1, Rn. 4; BGH, Urteil vom 26.09.1996 - I ZR 265/95, GRUR 1997, 382, Rn. 16, 24 ff., 38, zit. nach juris [= WRP 1997, 312] - Altunterwerfung I; Urteil vom 06.07.2000 - I ZR 243/97, GRUR 2001, 85, Rn. 16, zit. nach juris [= WRP 2000, 1404] - Altunterwerfung IV, jew. m.w.N.), also frühestens ab Zugang der mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 26.05.2021 hilfsweise erklärten Kündigung der Unterlassungsvereinbarung und mithin zeitlich deutlich nach dem in Rede stehenden Verstoß vom 24.03.2021. Auf die Verwirkung der geltend gemachten Vertragsstrafe konnte die Kündigung danach keinen Einfluss haben.“
bb. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lässt der Umstand, dass der Gläubiger einen aufgrund des beanstandeten Verhaltens in Betracht kommenden gesetzlichen Unterlassungsanspruch mangels Wegfall der Sachbefugnis nicht mehr verfolgen kann, es nach Treu und Glauben grundsätzlich gerechtfertigt erscheinen, dass der Schuldner sich von der vertraglichen Unterlassungs- und Zahlungsverpflichtung lösen kann (BGH, Urteil vom 26.09.1996, I ZR 265/95 - Altunterwerfung I, juris, Tz. 24 ff; Urteil vom 26.09.1996, I ZR 194/95 - Altunterwerfung II, juris, Tz. 28 ff.; Urteil vom 05.03.1998, I ZR 202/95 - Altunterwerfung III, juris, Tz. 20; Urteil vom 06.07.2000, I ZR 243/97 - Altunterwerfung IV, juris, Tz. 19).
Der Bundesgerichtshof hat hinsichtlich der im August 1994 in Kraft getretenen UWG-Änderung (Neufassung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.: Einführung des Merkmals der Wettbewerbsbeeinträchtigung als zusätzliche materiell-rechtliche Voraussetzung für den von einem Wettbewerbsverein geltend gemachten Unterlassungsanspruch; erhebliche Zahl von auf dem einschlägigen Markt tätigen Mitgliedern) entschieden, dass der Wegfall des dem vertraglich vereinbarten Verbot zugrundeliegenden gesetzlichen Unterlassungsanspruchs einen wichtigen Grund bildet, der die Kündigung des Unterlassungsvertrages wegen Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung rechtfertige (BGH, Urteil vom 26.09.1996, I ZR 265/95 – Altunterwerfung I, juris, Tz. 29 ff.):
„aa) Der nachträgliche Wegfall der Sachbefugnis durch das UWG-Änderungsgesetz ist grundsätzlich ein - der Sphäre des Gläubigers zuzurechnender - Umstand, den die Parteien des Unterlassungsvertrages bei Vertragsschluß berücksichtigt hätten, wenn er ihnen bekannt gewesen wäre. Ein wegen eines Wettbewerbsverstoßes abgemahnter Gewerbetreibender verfolgt mit der Unterwerfungserklärung den Zweck, die drohende gerichtliche Durchsetzung des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs zu vermeiden. Dabei kann der durch die Annahme der Erklärung zustandekommende Unterlassungsvertrag den Charakter eines Vergleichs (§ 779 BGB) haben, wenn der Schuldner zwar auf dem Standpunkt steht, sich nicht wettbewerbswidrig verhalten zu haben, gleichwohl eine - kostenintensive - gerichtliche Klärung dieser Streitfrage scheut. Daß dem Abmahnenden bei Bejahung eines Wettbewerbsverstoßes ein Unterlassungsanspruch zusteht, steht dagegen zwischen den Parteien des Unterlassungsvertrags im allgemeinen außer Streit.
bb) Für die Frage der Zumutbarkeit ist ferner zu berücksichtigen, daß der Gläubiger - im Streitfall der klagende Verband - kein schützenswertes Interesse an der Vertragsfortsetzung, insbesondere an der Erfüllung des Vertragsstrafeversprechens, hat. Mit Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, daß der Gesetzgeber mit dem UWG-Änderungsgesetz die Verfolgung von Bagatellverstößen durch Wettbewerbsvereine unterbinden wollte … Diesem Ziel dienen sowohl die neu eingeführte Spürbarkeitsschwelle als auch das Erfordernis, daß ein Verband nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu seinen Mitgliedern eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden zählen muß, die auf demselben Markt (wie der Verletzer) tätig sind. Denn sowohl die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen, die für das Wettbewerbsgeschehen insgesamt oder für einzelne Mitbewerber allenfalls eine marginale Bedeutung haben, als auch das Tätigwerden von Wettbewerbsvereinen in Fällen, in denen Mitgliederinteressen nicht in nennenswertem Umfang berührt werden, hat der Gesetzgeber als einen Mißstand angesehen, den er bekämpfen wollte. Diesem mit der UWG-Novelle 1994 verfolgten Zweck würde es zuwiderlaufen, wenn den Wettbewerbsvereinen die Möglichkeit eingeräumt wäre, mit Hilfe von bestehenden Unterlassungsverträgen Bagatellverstöße oder Verstöße, die jedenfalls die Interessen ihrer Mitglieder nicht nennenswert berühren, in großem Umfang weiterzuverfolgen.
cc) Daß die Vertragsfortsetzung für den Schuldner der Altunterwerfung in Fällen der genannten Art unzumutbar erscheint, gründet sich ferner - worauf das Berufungsgericht ebenfalls mit Recht hinweist - darauf, daß im Falle des Vorliegens eines Unterlassungstitels die Möglichkeit besteht, die Zwangsvollstreckung aus diesem Titel im Wege einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO für unzulässig erklären zu lassen.
Für die Frage, ob die nach einem Wettbewerbsverstoß abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung ausreicht, um die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen, wird mit Recht auf die Parallele zum gerichtlichen Unterlassungstitel verwiesen, den der Gläubiger erstreiten kann, wenn sich der Schuldner nicht unterwirft. Denn die Unterwerfung dient der außergerichtlichen Streiterledigung und soll dem Gläubiger ein Mittel an die Hand geben, das dem Vollstreckungstitel zwar nicht gleichsteht, als Sanktionsmittel aber vergleichbare Wirkungen hat … Daraus folgt, daß der Gläubiger an der Fortsetzung des Unterlassungsvertrages dann kein schützenswertes Interesse haben kann, wenn ein entsprechender Unterlassungstitel mit der Vollstreckungsabwehrklage aus der Welt geschafft werden könnte. Dies ist aber der Fall, wenn das UWG-Änderungsgesetz die Sachbefugnis eines Vollstreckungsgläubigers hat entfallen lassen.
Ohne Erfolg verweist die Revision demgegenüber auf die Ansicht, daß eine nachträgliche Gesetzesänderung die Vollstreckungsabwehrklage nicht begründen könne … Anders als der auf eine einmalige Leistung, etwa auf Zahlung eines bestimmten Betrages, gerichtete Titel wirkt ein Titel auf wiederkehrende Leistungen, namentlich ein Unterlassungstitel, in die Zukunft und kann in dieser Wirkung von einer späteren Gesetzesänderung betroffen sein. Mit Recht wird daher angenommen, daß die Vollstreckung aus einem Unterlassungstitel für unzulässig erklärt werden kann, wenn das dem Titel zugrundeliegende Verbot durch eine Gesetzesänderung weggefallen ist … Entsprechendes muß gelten, wenn durch die Änderung zwar nicht das Verbot, aber die Sachbefugnis eines bestimmten Gläubigers entfällt … Entgegen der Auffassung der Revision ist damit keine Rückwirkung der Gesetzesänderung verbunden; denn die Vollstreckung aus dem bestehenden Titel kann lediglich für die Zeit ab der Gesetzesänderung für unzulässig erklärt werden …
dd) Die Revision wendet weiter ohne Erfolg ein, es könne für den Schuldner nicht unzumutbar sein, ein Verhalten zu unterlassen, das nach wie vor als wettbewerbswidrig anzusehen sei. Dieser Einwand, der auch in der Rechtsprechung und im Schrifttum gegen die Annahme eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage ins Feld geführt wird, ist jedenfalls für die Frage einer Kündigung des Unterlassungsvertrags aus wichtigem Grund nicht begründet.
Das Interesse des Schuldners an einer Auflösung des Vertrages hat zwar in den Fällen noch mehr Gewicht, in denen das der Unterwerfung zugrundeliegende Verbot vom Gesetzgeber vollständig aufgehoben worden ist. So wäre es im Blick auf die (zulässigen) Werbemöglichkeiten seiner Mitbewerber für einen Kaufmann unzumutbar, an einem - vor dem 1. August 1994 begründeten - vertraglichen Verbot der Werbung mit mengenmäßigen Beschränkungen oder an einem Verbot der Eigenpreisgegenüberstellung (§ 6 d und § 6 e UWG a.F.) festgehalten zu werden … Den Änderungen des § 13 Abs. 2 UWG durch das UWG-Änderungsgesetz liegt indessen die Vorstellung zugrunde, das gesetzgeberische Ziel, der gewerblichen Wirtschaft verlorene Freiräume durch Deregulierung wiederzuverschaffen, könne bereits dadurch erreicht werden, daß der als mißbräuchlich angesehenen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen ein Riegel vorgeschoben werde … Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, daß Verstöße, die allenfalls eine marginale Wirkung auf das Wettbewerbsgeschehen haben, häufig nur von Wettbewerbsvereinen, deren Mitglieder durch die fragliche Werbung nicht nennenswert berührt wurden, und von Mitbewerbern verfolgt wurden, die zu den Inanspruchgenommenen in keinem konkreten Wettbewerbsverhältnis standen. Durch die Einschränkung der Sachbefugnis dieser Anspruchsberechtigten wollte der Gesetzgeber eine gewisse Liberalisierung erreichen, ohne die Rechte des unmittelbar betroffenen Wettbewerbers beschneiden zu müssen. Stünde dem Schuldner eines entsprechenden Unterlassungsvertrages nicht die Möglichkeit der Kündigung aus wichtigem Grund offen, käme ihm der durch die Gesetzesänderung - faktisch - geschaffene Freiraum nicht zugute. Er wäre insofern gegenüber seinen lediglich dem Gesetz unterworfenen Mitbewerbern benachteiligt.
ee) Auch der von der Revision und im Schrifttum angeführte Gesichtspunkt der Drittwirkung von Unterwerfungserklärungen läßt die Vertragsfortsetzung nicht zumutbar erscheinen.
Zutreffend ist allerdings, daß die vom Beklagten im Januar 1993 abgegebene Unterwerfungserklärung - nach den damaligen Maßstäben zu urteilen - auch im Verhältnis zu anderen Berechtigten die Wiederholungsgefahr hat entfallen lassen … Maßgeblich hierfür waren allein die Umstände des Einzelfalls; insbesondere war zum damaligen Zeitpunkt zu fragen, ob die Erklärung geeignet erschien, den Versprechenden ernsthaft von Wiederholungen abzuhalten. Auf die Zukunft bezogen bedarf es hierbei immer einer Prognose: Ist zum Beispiel zu erwarten, daß ein Wettbewerber, dem gegenüber sich der Verletzer unterworfen hat, alsbald sein Geschäft einstellt oder daß ein Wettbewerbsverein kaum über die Mittel verfügen wird, seine Tätigkeit über längere Zeit aufrechtzuerhalten, so läßt die Unterwerfungserklärung die Wiederholungsgefahr in der Regel nicht entfallen. Bestehen aber - bezogen auf den Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung - keine derartigen Zweifel, entfällt die Wiederholungsgefahr, auch wenn sich die Prognose später als unrichtig erweisen sollte. Um einen solchen (seltenen) Fall, in dem sich die getroffene Prognoseentscheidung nicht bestätigt, handelt es sich, wenn ein Unterlassungsvertrag im Hinblick auf den gesetzlich geregelten Wegfall der Sachbefugnis des Gläubigers gekündigt wird. Denjenigen Wettbewerbern und anderen Berechtigten, deren Unterlassungsansprüche infolge der Unterwerfung erloschen waren, kann nunmehr entweder ein vorbeugender Unterlassungsanspruch oder - im Falle einer erneuten Verletzungshandlung - ein auf eine neue Wiederholungsgefahr gegründeter Anspruch zustehen … Allein der Umstand, daß sie im Blick auf die vorher abgegebene Altunterwerfung selbst keine Unterwerfung oder keinen Titel erlangen konnten und jetzt neu vorgehen müssen, rechtfertigt es unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten nicht, dem Schuldner die Kündigungsmöglichkeit zu versagen.“
Dem schließt sich der Senat an.
cc. Nach den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen steht der Klägerin ein außerordentliches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund zu.
(1) Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs 2020 enthält – ebenso wie das UWG-Änderungsgesetz von 1994 – keine Regelung darüber, ob derjenige, dessen gesetzlicher Unterlassungsanspruch durch die Änderung entfällt, weiterhin berechtigt ist, aus bestehenden Unterwerfungsverträgen vorzugehen. Entgegen der Ansicht des Beklagten kann aus der Überleitungsvorschrift in § 15a UWG nicht gefolgert werden, dass der Gesetzgeber vom Fortbestand der Alt-Unterlassungsverträge ausgegangen ist. § 15a UWG betrifft nur die Klagebefugnis für Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG bis zur Beendigung bereits anhängiger Rechtsstreitigkeiten sowie die Nichtanwendung der strengen Anforderungen der §§ 13, 13a UWG für Abmahnungen, die noch vor dem 02.12.2020 zugegangen sind. Deshalb kommt es im Streitfall auf die im Zusammenhang mit § 15a UWG angestellten Erwägungen des Landgerichts zur Frage, ob der Beklagte ausreichend zu seiner Mitgliederanzahl in Bezug auf die hier in Rede stehende Branche vorgetragen hat, nicht entscheidend an.
Mangels einer Regelung zu den Altverträgen greift das gesetzliche Kündigungsrecht aus § 314 BGB mit der Wirkung einer Beendigung des Vertrages ex nunc. Um eine Rückwirkung der Gesetzesänderung geht es dabei nicht, auch nicht um einen Eingriff in das Eigentumsrecht des Beklagten ohne gesetzliche Grundlage.
(2) Der Streitfall ist mit den Sachverhalten, die den o.a. Entscheidungen Altunterwerfung I bis IV zur UWG-Novelle im Jahr 1994 zugrunde lagen, vergleichbar. Er unterscheidet sich von der damaligen Situation nur insoweit, als die Gesetzesänderung mit einer in die Zukunft gerichteten tatsächlichen Komponente - Eintragung in die Liste der qualifizierten Einrichtungen - als Voraussetzung des Fortbestandes der Aktivlegitimation verbunden ist. Der Gesetzgeber hat insoweit Übergangsfristen gesetzt, um den interessierten Verbänden und dem für die Eintragung zuständigen Bundesamt für Justiz die dafür erforderliche Zeit einzuräumen. So traten die Änderungen in § 8 Abs. 2 UWG erst ein Jahr nach Verkündung des Gesetzes in Kraft, im Dezember 2020. Nach § 15a Abs. 1 UWG ist § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zudem auf Verfahren, die am 01.09.2021 bereits rechtshängig sind, nicht anzuwenden. Die sich insoweit aufdrängende Frage, ob bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Vertrages innerhalb der Übergangsfrist unzumutbar sein kann, stellt sich vorliegend nicht. Die Klägerin hat den Vertrag erst im April 2022 gekündigt, über ein halbes Jahr nach Ablauf der Übergangsfrist im September 2021.
Dass eine Eintragung in die Liste auch noch nach Ablauf der Übergangsfrist möglich ist, steht einer Kündigung aus wichtigem Grund nicht entgegen. Dass die Sachbefugnis des Beklagten wiederaufleben könnte, macht eine wirksam ausgesprochene Kündigung nicht wieder unwirksam.
(3) Mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs wollte der Gesetzgeber einer missbräuchlichen Anspruchsverfolgung entgegenwirken. Dies kommt insbesondere darin zum Ausdruck, dass ein Wirtschaftsverband nur eintragungsfähig ist, wenn er seine Ansprüche nicht vorwiegend geltend macht, um für sich Einnahmen aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen zu erzielen, und wenn er seinen Mitgliedern keine Zuwendungen und seinen Beschäftigten keine unangemessen hohe Vergütungen gewährt.
Mit dem Ziel des Gesetzes, Rechtsmissbrauch zu verhindern, wäre es unvereinbar, wenn die nicht in die Liste eingetragenen Verbände weiterhin Einnahmen aus Vertragsstrafenvereinbarungen generieren, ohne allgemein zur Förderung des lauteren Wettbewerbs durch die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach § 8 Abs. 1 UWG beitragen zu können. Insoweit hat der Beklagte kein schützenswertes Interesse an einer Fortsetzung des Vertragsverhältnisses, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Klägerin der Nachweis eines Rechtsmissbrauchs durch den Beklagten tatsächlich gelingen könnte. Es geht lediglich darum, ob die gesetzgeberischen Intentionen bei der Neuregelung der Aktivlegitimation durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs mit denjenigen vergleichbar sind, die den Gesetzesänderungen zu Grunde lagen, die Gegenstand der Entscheidungen Altunterwerfung I bis IV waren. Das ist zu bejahen, zumal der Bundesgerichtshof in der Entscheidung Altunterwerfung I gerade betont hat, dass eine Kündigung auch dann möglich sei, wenn das Verhalten des Schuldners sich nach wie vor als materiell wettbewerbswidrig darstelle, aber der Wettbewerbsverein, gegenüber dem die Unterwerfung erklärt worden war, nicht mehr aktivlegitimiert war, weil der damalige Änderungsgesetzgeber bestimmte Praktiken von Wettbewerbsvereinen abstellen wollte (s.o.). Der Bundesgerichtshof hat also dem Interesse des Unterwerfenden, seine faktische Freiheit von der Unterwerfungserklärung gegenüber auch nur einem Gläubiger wiederzuerlangen, höheres Gewicht beigemessen als dem Interesse des nicht mehr sachbefugten Abmahnenden daran, weiterhin aus dem Unterlassungsvertrag vorzugehen.
Auf der anderen Seite hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse, sich von dem Vertrag lösen zu können, den sie geschlossen hat, um eine drohende gerichtliche Durchsetzung des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs zu vermeiden, da dem Beklagten aktuell kein gesetzlicher Unterlassungsanspruch mehr zusteht, insbesondere auch nicht gegenüber den Mitbewerbern der Klägerin. Die Klägerin ist zwar wie jeder Wettbewerber verpflichtet, sich lauterkeitsrechtlich einwandfrei zu verhalten, gleichwohl wäre sie bei einem Fortbestand des Vertrages einem einseitigen und unverhältnismäßig hohen „Beobachtungsdruck“ ausgesetzt, der ihrem berechtigten Interesse widerspricht, sich gleichberechtigt mit den Mitbewerbern auf dem Markt zu bewegen. Dass das streitbefangene Verhalten als solches nach wie vor als wettbewerbswidrig anzusehen ist, steht einer Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB nicht entgegen, auch nicht die von der Unterwerfungserklärung ausgehende Drittwirkung.
Dass der Beklagte bis heute nicht in die Liste der qualifizierten Einrichtungen eingetragen ist, ist ein nicht in der Sphäre der Klägerin liegender Umstand, die sich im Rahmen der Billigkeitsabwägung auf die gesetzliche Regelung berufen kann. Der Ansicht des Beklagten, die Parteien hätten, wenn sie bei Abschluss des Unterlassungsvertrags die UWG-Novelle im Blick gehabt hätten, sich dahingehend geeinigt, zunächst einmal den rechtskräftigen Abschluss des Verwaltungsverfahrens abzuwarten, kann nicht beigetreten werden. Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs geht davon aus, dass die Fristen für die Wettbewerbsverbände ausreichend waren, deren Zielsetzung bei seiner Einführung mit den Vorgaben des UWG bereits in Einklang standen. Von einem generellen Versagen des Systems kann nicht ausgegangen werden. Es ist gerichtsbekannt, dass im Zeitpunkt der Kündigung im April 2022 bereits 20 Verbände in die Liste eingetragen gewesen waren, darunter der Verband Sozialer Wettbewerb e.V., der Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe Köln e.V. und die Zentrale zur Bekämpfung unlautereren Wettbewerbs Frankfurt am Main e.V.; zum Stand 12.03.2024 weist die Liste gemäß der Anlage K5 insgesamt 38 Verbände auf.
Dass die Neuregelung im Einzelfall zu unbilligen Ergebnissen führen kann, etwa bei Verzögerung der Eintragung aus Gründen, die der Verband nicht zu vertreten hat, ist im Interesse der Rechtssicherheit hinzunehmen (Köhler in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl. 2025, § 15a Rn. 3). Insoweit ist ein Abwarten auf die rechtskräftige Entscheidung über eine Aufnahme des Beklagten in die Liste auch von der Klägerin nicht zu verlangen.
(4) Der Klägerin wäre nach den Vorgaben des Bundesgerichtshofs eine Fortsetzung des Vertrages auch insofern unzumutbar, als bei einem fiktiven gerichtlichen Unterlassungstitel anstelle der Unterwerfungsvereinbarung jedenfalls die Möglichkeit einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO eröffnet wäre. Ob eine solche Klage auch tatsächlich Erfolg hätte, kann im Rahmen der Gesamtabwägung dahinstehen.
Der Bundesgerichtshof hat in der o.a. Entscheidung Altunterwerfung I ausgeführt, dass die Vollstreckung aus einem Unterlassungstitel für unzulässig erklärt werden kann, wenn das dem Titel zugrundeliegende Verbot durch eine Gesetzesänderung weggefallen ist, und entsprechendes gelten müsse, wenn durch die Änderung die Sachbefugnis eines bestimmten Gläubigers entfällt. Aus der Entscheidung Altunterwerfung II folgt, dass der Bundesgerichtshof eine Vollstreckungsabwehrklage im Einzelfall auch dann als gegeben ansah, wenn aufgrund der Gesetzesänderung die Sachbefugnis nicht nur bezüglich aller Wettbewerbsvereine (mangels Überschreitung der Spürbarkeitsschwelle) entfallen war, sondern auch nur bezüglich des individuellen Vereins mangels der erforderlichen Zahl von Mitgliedern, die auf demselben Markt wie der Verletzer tätig sind, wobei ausdrücklich offen gelassen wurde, ob das Verhalten auch geeignet gewesen war, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 26.09.1996, I ZR 194/95 – Altunterwerfung II, juris, Tz. 27, 35 ff.; ebenso in der Entscheidung Altunterwerfung III, Urteil vom 05.03.1998, I ZR 202/95, juris, Tz. 19 ff.).
Der der Entscheidung Altunterwerfung II zugrunde liegende Sachverhalt ist dem vorliegenden insoweit vergleichbar, als die Sachbefugnis nicht zwingend „dauerhaft“ entfallen sein muss. Der Gläubiger im Verfahren Aktunterwerfung II hätte seinen Mitgliederbestand nachträglich entsprechend erweitern können, und der Beklagte könnte im vorliegenden Fall immer noch in die Liste der qualifizierten Einrichtungen eingetragen werden.
Aus der vom Beklagten angeführte Entscheidung des Landgericht Koblenz (Urteil vom 11.03.2022, 4 HK O 79/16, Bl. 99 f. d.A.) folgt für § 767 ZPO nichts; sie betrifft ein Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO. Auch die Übergangsvorschrift des § 15a UWG betrifft nicht die Vollstreckungsgegenklage.
c. Gemäß den vom Beklagten nicht angegriffenen Ausführungen in der Klageschrift erfolgte die Kündigung gemäß § 314 Abs. 3 BGB innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntnisnahme von dem Kündigungsgrund.
d. Die außerordentliche Kündigung nach § 314 BGB beseitigt die Unterlassungsverträge mit Wirkung ex nunc. Dem entsprechend hat das Landgericht - antragsgemäß - festgestellt, dass der Unterlassungsvertrag aufgrund der am 15.03.2022 zugegangenen Kündigung der Klägerin beendet wurde und nicht mehr besteht.
2. Der Auffassung des Beklagten, durch die jüngste höchstrichterliche Rechtsprechung sei eine Klärung der Kündigungsmöglichkeit in seinem Sinn erfolgt, kann nicht beigetreten werden. Die von dem Beklagten angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und verschiedener Oberlandesgerichte befassen sich nicht mit der hier entscheidungserheblichen Streitfrage.
a. Im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.03.2024, I ZR 83/23 - Vielfachabmahner II, ging es um die Geltendmachung einer vor der Kündigungserklärung verwirkten Vertragsstrafe. Der Bundesgerichtshof musste sich demzufolge nicht mit der Kündigungsmöglichkeit befassen, die nach allgemeiner Auffassung infolge ihrer ex nunc-Wirkung die einmal verwirkte Vertragsstrafe nicht mehr zu Fall bringen kann, sondern hat nur den vom Oberlandesgericht Hamm bejahten Einwand des Rechtsmissbrauchs gegenüber dem dortigen Kläger und hiesigem Beklagten nicht als durchgreifend erachtet (dies aber auch nicht abschließend, wie die Hinweise für das weitere Verfahren in diesem Urteil belegen, vgl. juris, Tz. 32 ff.).
Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 21.12.2023, I ZB 42/23, verhält sich nur zur zwangsvollstreckungsrechtlichen Frage der Antragsbefugnis aus einer per Abschlusserklärung einem Hauptsachetitel gleichgestellten einstweiligen Verfügung, aber nicht zur Kündigung von Alt-Unterlassungsverträgen. Verwertbare Aussagen für die hier in Rede stehende Fallgestaltung lassen sich dieser Entscheidung nicht entnehmen. Die Frage einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO wegen entfallener Sachbefugnis war für den Bundesgerichtshof nicht entscheidungserheblich und wurde daher konsequent offengelassen (s. juris, Tz. 23):
„Ob und inwieweit die aufgrund der Gesetzesänderung (jedenfalls derzeit) entfallene Sachbefugnis des Gläubigers der Schuldnerin unter Berücksichtigung der Übergangsvorschrift des § 15a Abs. 1 UWG nF die Möglichkeit eröffnet, sich wegen dieser materiellen Einwendung gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Unterlassungstitel zu wenden, bedarf im Streitfall mithin keiner Entscheidung (zur Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO gegen einen Unterlassungstitel nach Wegfall der Sachbefugnis des Vollstreckungsgläubigers aufgrund des UWG-Änderungsgesetzes vom 25. Juli 1995 [BGBl. I S. 1738], das keine dem § 15a Abs. 1 UWG nF vergleichbare Übergangsvorschrift enthielt, vgl. BGHZ 133, 316 [juris Rn. 31 bis 33] - Altunterwerfung I, mwN; BGH, Urteil vom 25. Februar 1999 - I ZR 4/97, GRUR 1999, 762 [juris Rn. 17] = WRP 1999, 845 - Herabgesetzte Schlußverkaufspreise; Engler, NJW 1995, 2185, 2186).“
Dabei verwies der Bundesgerichtshof u.a. auf sein Urteil vom 25.02.1999, I ZR 4/97 - Herabgesetzte Schlussverkaufspreise, juris Tz. 17, wo es ausdrücklich heißt:
„Das BerG ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß der Kl. die Möglichkeit offensteht, die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil des LG Stuttgart vom 18. 11. 1993 im Wege einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO für unzulässig erklären zu lassen, wenn die Sachbefugnis des Bekl. entfallen wäre“.
Zwar hat der Bundesgerichtshof in der o.a. Tz. 23 zweimal erwähnt, dass die dortigen Entscheidungen keine Übergangsvorschriften zum Gegenstand hatten, wie es im Streitfall der Fall ist, woraus man u.U. folgern könnte, dass er diesen Unterschied für relevant hält. Wie aus den obigen Ausführungen betreffend die Zumutbarkeit eines Festhaltens am Unterlassungsvertrag hervorgeht, sprechen die konkreten Umstände des Streitfalls jedoch dagegen, eine zum Zeitpunkt der Kündigung längst verstrichene Übergangsfrist im Zuge der gebotenen Gesamtabwägung entscheidend zu Gunsten des Beklagten wirken zu lassen.
Auch daraus, dass der Bundesgerichtshof im Beschluss vom 21.12.2023, I ZB 42/23, ausgeführt hat (juris, Tz. 19)
„Dem [Unerheblichkeit der Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG für die Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren] steht die Intention des Gesetzgebers, mit der Neufassung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF einer missbräuchlichen Anspruchsverfolgung entgegenzuwirken, nicht entgegen. Ein Missbrauch kann in erster Linie auf der Ebene der prozessualen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch die Einschränkung der Prozessführungsbefugnis wirksam verhindert werden. Für eine Übertragung dieser Einschränkung in das formalisierte Zwangsvollstreckungsverfahren, das sich an der Parteistellung im zu vollstreckenden Titel orientiert (vgl. BGH, NJW 2018, 399 [juris Rn. 13]) besteht kein Bedürfnis.“
kann für die Streitfrage nichts hergeleitet werden.
Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Ansicht vertreten hat, der Bundesgerichtshof habe mit seinem Beschluss vom 21.12.2023, I ZB 42/23, von der Entscheidung Altunterwerfung I Abstand genommen, ist ihm entgegenzuhalten, dass sich für eine Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung keine Anhaltspunkte finden. Der Bundesgerichtshof hat im Gegenteil auch im Beschluss vom 21.12.2023, I ZB 42/23, mehrfach das Urteil vom 26.09.1996, I ZR 265/95, zitiert.
b. Die von dem Beklagten mit der Berufungsbegründung vorgelegten Urteile der Oberlandesgerichte Bamberg (Anlage BK2), Hamm (Anlage BK3) und Brandenburg (Anlage BK5) sowie das Urteil des Landgerichts Ingolstadt (Anl. BK4) betreffen jeweils Fälle, in denen eine Vertragsstrafe geltend gemacht wurde und der Verstoß vor der Kündigung lag bzw. eine Kündigung gar nicht ausgesprochen worden war oder nur auf den Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs gestützt war. Sie stehen daher der vom Senat vertretenen Auffassung nicht entgegen.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28.11.2024, 20 U 107/24 (Anlage BK1) verhält sich nicht unmittelbar zur Kündigung von Unterlassungsvereinbarungen, sondern zu der Frage, ob eine Klage nach § 767 ZPO gegen einen gerichtlichen Hauptsachetitel Erfolg mit der Begründung haben kann, dass die Übergangsfrist des § 15a UWG zwischenzeitlich abgelaufen sei. Diese Frage hat das Oberlandesgericht Düsseldorf verneint und zur Begründung maßgeblich darauf abgestellt, dass § 15a UWG auch dem Verband zugutekomme, der keinen Eintragungsantrag gestellt habe, aber innerhalb der Übergangsfrist einen Titel erstreite. Es könne nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber dem nicht mehr klagebefugten Verband zwar zunächst die Möglichkeit der Erlangung eines Unterlassungstitels zuspreche, das Erlangte aber sofort wieder durch eine Zwangsvollstreckungsgegenklage nehmen wolle. Diese Prämisse erscheint bereits fraglich, denn einer Übergangsvorschrift ist es immanent, dass der von ihr geschaffene Schwebezustand irgendwann enden muss. Dies korrespondiert damit, dass es kein schutzwürdiges Vertrauen eines Verbandes darin geben darf, auf Grundlage einer solchen Übergangsvorschrift einen auf Dauer haltbaren Titel zu erlangen. Vielmehr ist der so erlangte Titel bereits von vornherein mit dem Makel des Vergänglichen behaftet. Deshalb muss sich der Verband darauf einstellen, nach Ablauf der Übergangsfrist den Titel wieder herausgeben zu müssen bzw. sich einer Klage nach § 767 ZPO ausgesetzt zu sehen. Eines Enddatums im Gesetz, wie es das Oberlandesgericht Düsseldorf zur Zerstörung eines solchen Vertrauenstatbestands offenbar für erforderlich hält, bedarf es nicht. Jedenfalls sind die weiteren Ausführungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf zur Auswirkung seiner Rechtsauffassung auf Altunterwerfungen im Kontext der Revisionszulassung ein reines obiter dictum; das Oberlandesgericht Düsseldorf hat sie ausdrücklich als „mittelbar“ bezeichnet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision, § 543 Abs. 2 ZPO, sind nicht erfüllt. Weder hat die Rechtssache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Dass neben dem Beklagten noch andere Verbände in nennenswertem Umfang von der Streitfrage betroffen sind, ist nicht erkennbar. Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und/oder der des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist nicht gegeben.