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Wirtschaftsrecht
07.12.2012
Wirtschaftsrecht
BGH: Kostenprüfung bei einem Netzbetreiber - Gas-Union Transport GmbH & Co. KG

BGH, Beschluss vom 9.10.2012 - EnVR 52/10

Leitsatz

Basiert die Kostenprüfung, die der nach § 6 Abs. 2 ARegV maßgeblichen letzten Genehmigung der Netzentgelte zugrunde liegt, auf der Datengrundlage des Geschäftsjahres 2005, so ist das Ergebnis bei einem Netzbetreiber, der nicht am vereinfachten Verfahren im Sinne von § 24 ARegV teilnimmt, nicht in entsprechender Anwendung von § 34 Abs. 3 Satz 4 ARegV um einen Inflationsfaktor anzupassen.

Aus den Gründen

1          I. Die Betroffene betreibt ein Gasfernleitungsnetz. Die Bundesnetzagentur eröffnete gegen sie von Amts wegen das Verfahren zur Festlegung der Erlösobergrenzen für die Jahre 2009 bis 2012.

2          Mit Beschluss vom 12. Dezember 2008 legte die Bundesnetzagentur die Erlösobergrenzen niedriger als von der Betroffenen begehrt fest. Sie nahm bei der Ermittlung des Ausgangsniveaus nach § 6 ARegV Kürzungen beim Zinssatz für Fremdkapital vor. Abweichend vom Begehren der Betroffenen stellte sie in die Berechnung ferner den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor nach § 9 ARegV ein. Eine Korrektur des - auf den Daten des Geschäftsjahres 2005 beruhenden - Ausgangsniveaus durch Ansatz eines Inflationsfaktors entsprechend § 34 Abs. 3 Satz 3 und 4 ARegV lehnte sie ab.

3          Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Betroffene mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Beteiligten über die Ermittlung des Ausgangsniveaus und den Ansatz des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors eine außergerichtliche Einigung getroffen. Die Betroffene verfolgt seitdem nur noch ihr Begehren auf Ansatz eines Inflationsfaktors weiter. Die Bundesnetzagentur tritt dem Rechtsmittel entgegen.

4          II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist in dem nach der außergerichtlichen Einigung noch anhängigen Umfang unbegründet.

5          1. Das Beschwerdegericht hat hierzu ausgeführt:

6          Eine entsprechende Anwendung von § 34 Abs. 3 Satz 4 ARegV sei schon deshalb nicht möglich, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Der Verordnungsgeber habe den Ansatz eines Inflationsfaktors nur für das vereinfachte Verfahren gemäß § 24 Abs. 1 ARegV vorgesehen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass er eine vergleichbare Regelung für das Regelverfahren irrtümlich vergessen habe. Die hier zu beurteilende Konstellation, dass die für die Bestimmung des Ausgangsniveaus maßgebliche letzte Kostenprüfung auf der Datengrundlage des Geschäftsjahres 2005 stattgefunden habe, sei vielmehr in § 6 Abs. 2 ARegV ausdrücklich geregelt. Von einer atypischen und ausgleichsbedürftigen Situation könne auch nicht im Hinblick auf den Verlauf des der letzten Entgeltgenehmigung zugrunde liegenden Verwaltungsverfahrens die Rede sein.

7          2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.

8          Entgegen der Auffassung der Betroffenen kann der Anreizregulierungsverordnung kein geschlossenes Regelungskonzept des Inhalts entnommen werden, dass das Ausgangsniveau für die Bestimmung der Erlösobergrenzen stets auf der Datengrundlage des Geschäftsjahres 2006 zu bestimmen und Daten aus früheren Geschäftsjahren deshalb in jedem Fall durch Ansatz eines Inflationsfaktors anzupassen seien.

9          Der Verordnungsgeber hat in § 6 Abs. 2 ARegV zwar bestimmt, dass grundsätzlich die Daten des Geschäftsjahrs 2006 maßgeblich sind. Er hat aber ausdrücklich auch den Fall geregelt, dass es in den vorangegangenen Entgeltgenehmigungsverfahren nicht zu einer Kostenprüfung auf der Datengrundlage dieses Geschäftsjahres gekommen ist. Für diese Konstellation hat der Verordnungsgeber die Daten aus einem früheren Geschäftsjahr für maßgeblich erklärt. Den Ansatz eines Inflationsfaktors hat er in diesem Zusammenhang nicht vorgesehen. Für das vereinfachte Verfahren gemäß § 24 ARegV ist in § 34 Abs. 3 Satz 1 und 2 ARegV vorgeschrieben, dass das Ausgangsniveau auf der Datengrundlage eines vor 2006 liegenden Geschäftsjahrs zu bestimmen ist, wenn der Netzbetreiber auf der Datengrundlage des Geschäftsjahrs 2006 keine Erhöhung der Netzentgelte beantragt hat. Nur für die zuletzt genannte Konstellation ist in § 34 Abs. 3 Satz 3 und 4 ARegV der Ansatz eines Inflationsfaktors von 1,7 Prozent für das Jahr 2006 und gegebenenfalls für das Jahr 2005 vorgesehen. Die sich daraus ergebende Konsequenz, dass die Datengrundlage eines vor 2006 liegenden Geschäftsjahres nur im Anwendungsbereich von § 34 Abs. 3 ARegV, nicht aber im Anwendungsbereich von § 6 Abs. 2 ARegV mittels eines Inflationsfaktors zu modifizieren ist, begründet keine Regelungslücke, sondern entspricht der vom Verordnungsgeber vorgenommenen Differenzierung, die auch in den Materialien zu den beiden Vorschriften (BR-Drucksache 417/07, S. 47 und 74) Niederschlag gefunden hat.

10        Der Regelung in § 34 Abs. 3 Satz 3 und 4 ARegV kann kein übergeordnetes Konzept entnommen werden, zu dem die abweichende Regelung in § 6 Abs. 2 ARegV in Widerspruch stünde. Die Übergangsregelung in § 34 Abs. 3 ARegV dient dem Zweck, kleine Netzbetreiber von den umfassenden Datenlieferungspflichten im Rahmen einer erneuten Kostenprüfung zu entlasten, wenn sie sich für das vereinfachte Verfahren entschieden und auf der Datengrundlage des Geschäftsjahres 2006 keine Erhöhung der Netzentgelte beantragt haben (BR-Drucksache 417/07, S. 74). Die Regelung führt auch zu einer Entlastung der Regulierungsbehörde, die von der Durchführung einer erneuten Kostenprüfung befreit wird. Der Verordnungsgeber hat vor diesem Hintergrund in Kauf genommen, dass die als Grundlage für die Bestimmung der Erlösobergrenzen herangezogenen Kosten aufgrund des relativ langen zeitlichen Abstandes nicht in allen Einzelheiten mit der tatsächlichen Kostensituation in der Regulierungsperiode übereinstimmen (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2011 - EnVR 13/10, N&R 2012, 94 Rn. 11 - PVU Energienetze GmbH). Der in § 34 Abs. 3 Satz 3 und 4 ARegV vorgesehene Inflationsausgleich trägt dem Umstand Rechnung, dass die Kosten bei ansonsten unveränderter Situation schon durch die Geldentwertung ansteigen, und bewirkt für den Netzbetreiber einen gewissen Anreiz, den Weg des vereinfachten Verfahrens zu beschreiten, wenn sich bei ihm in den Geschäftsjahren von 2004 bis 2006 neben den Folgen der Geldentwertung keine wesentlichen Kostensteigerungen ergeben haben.

11        Im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 2 ARegV unterliegt es hingegen grundsätzlich nicht der Entscheidung des Netzbetreibers, ob eine erneute Kostenprüfung auf der Datengrundlage des Jahres 2006 vorzunehmen ist. Eine solche Prüfung war im Regelfall durchzuführen und ist nur dann unterblieben, wenn Besonderheiten im Verfahrensablauf aufgetreten sind. Im Streitfall ist es zu Verzögerungen gekommen, nachdem die Betroffene sich zunächst dagegen verwahrt hatte, einen Antrag auf Genehmigung von Netzentgelten gemäß § 23a EnWG zu stellen, weil sie die Netzentgelte gemäß der Sonderregelung in § 3 Abs. 2 GasNEV bilden wollte, und deswegen ein - im Ergebnis erfolgloses (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. November 2007 - 3 Kart 441/06) - Rechtsmittel eingelegt hat. In derartigen Konstellationen ist für einen zusätzlichen Anreiz, eine Kostenprüfung auf der Datengrundlage des Geschäftsjahres 2006 zu vermeiden, kein Raum. Auch vor diesem Hintergrund begründet der Umstand, dass ein Inflationsausgleich nur in § 34 Abs. 3 Satz 3 und 4 ARegV, nicht aber in § 6 Abs. 2 ARegV vorgesehen ist, keine Regelungslücke.

12        III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG.

13        Soweit sich die Beteiligten über Teile des Streitgegenstandes außerge-richtlich geeinigt haben, wurden die Gerichtskosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens antragsgemäß gegeneinander aufgehoben. Dem steht nicht entgegen, dass die Betroffene die Rechtsbeschwerde insoweit zu-rückgenommen hat. Die Rücknahme erfolgte aufgrund der außergerichtlichen Einigung, die im Ergebnis zu einer Abänderung der angefochtenen Regulie-rungsentscheidung geführt hat. Der restliche Teil der Gerichtskosten fällt der Betroffenen zur Last. Eine Erstattung von außergerichtlichen Kosten entspräche im Hinblick auf die außergerichtliche Einigung nicht der Billigkeit.

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