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Wirtschaftsrecht
22.07.2010
Wirtschaftsrecht
Hanseatisches OLG Bremen: Kosten des Kfz-Lieferanten für Nachtests wegen mangelhafter Inspektionsleistungen der Vertragswerkstatt erstattungspflichtig

Hanseatisches OLG Bremen, Urteil vom 23.4.2010 - 2-U-92/09

Sachverhalt

I. Die Beklagte ist Importeurin von x-Kraftfahrzeugen. Der Kläger ist Vertragshändler. Es besteht zwischen den Parteien ein Werkstattvertrag vom 30.10.03. Veranlasst durch negative Presseberichterstattung überx-Werkstätten in der Zeitschrift „Auto-Bild" und angekündigt durch zwei Rundschreiben ließ die Beklagte beim Kläger am 9.11.2006, 21.3.2007 und 30.8.2007 insgesamt drei Werkstatt-Tests mit präparierten Fahrzeugen durchführen. Mit diesen Tests beauftragte sie jeweils die DEKRA, In einem ersten Rundschreiben vom 13.4.2006 hatte die Beklagte ihren Vertragshändlern mitgeteilt:

Sollte ein Servicepartner die Voraussetzungen und Werkstattstandards nicht ... erfolgreich durchgeführt haben, gilt er als abgemahnt, ohne dass er zusätzlich angeschrieben wird. ... Die Kosten für (den) weiteren Werkstatt-Test sind dann von ihm zu tragen. Die x wird ihm die anfallenden Kosten ... in Rechnung stellen."

In einem weiteren Rundschreiben vom 30.5.2006 hieß es über die eventuell notwendige Durchführung eines Folgetests:

„Sollte der Servicepartner auch den weiteren Test nicht bestehen, gilt er ... als abgemahnt.... Durch die jetzige Änderung erfolgt bei „Nicht-Bestehen" im ersten Test keine Abmahnung."

Die Durchführung des zweiten Testdurchlaufs hielt die Beklagte bei dem Kläger für erforderlich, weil dieser im ersten Durchlauf die Vorgaben (80 % der maximal erreichbaren Punktzahl, 100 % Fehlererkennung) nicht erreicht hatte. Auch im zweiten Test erreichte der Kläger kein positives Ergebnis, was zur Folge hatte, dass auch noch ein dritter - und diesmal erfolgreicher - Test durchgeführt wurde. Außerdem wurden dem Kläger für den zweiten und dritten Test jeweils die Kosten der DEKRA von jeweils Euro 718,05 einschließlich Mehrwertsteuer jeweils Euro 114,65) in Rechnung gestellt. Die Beträge wurden bezahlt.

Der Kläger hat die Testergebnisse als solche zwar nicht bestritten, hat aber die in den Rundschreiben angekündigte Abmahnung für rechtswidrig und unwirksam gehalten. Auch hat er die Meinung vertreten, die Zahlung der Kosten von zweimal Euro 718,05 sei rechtsgrundlos erfolgt.

Das Landgericht Bremen - 4. Kammer für Handelssachen - hat mit Urteil vom 19.8.2009 die Beklagte zur Rückzahlung von Euro 1.436.10 nebst Zinsen verurteilt, während es die auf die Feststellung, dass der Kläger wegen Nichtbestehens der Werkstatt-Tests nicht als abgemahnt gelte, gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen hat. Hierzu hat es ausgeführt, die Feststellungsklage sei unzulässig. Gegenstand der vom Kläger begehrten Feststellung sei nicht das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO. Hier gehe es um nichts weiter als um negative Wertungen, die in jedem Prozess, in weichem es auf sie ankommen würde, als Vorfrage selbständig zu prüfen wären. Die für die arbeitsrechtliche Abmahnung ergangene Rechtsprechung könne für den vorliegenden Fall nicht herangezogen werden, da die dafür entwickelten, auf die §§ 242 und 1004 BGB gestützten Argumente hier nicht einschlägig seien.

Beide Parteien haben gegen das Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt und sind den dortigen Ausführungen aus ihrer jeweiligen Sicht entgegentreten. Der Kläger sieht das Feststellungsinteresse gegeben, indem er vor allem auf das Erfordernis einer Abmahnung für eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund hinweist und weiterhin insbesondere im Arbeitsrecht ergangene Rechtsprechung heranzieht.

Die Beklagte sieht - zur Begründung ihrer Zahlungsansprüche - sowohl eine Pflichtverletzung als auch einen adäquat kausalen Schaden als gegeben an.

Der Kläger beantragt,

1. unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils festzustellen, dass der Kläger wegen des Nichtbestehens der im Auftrag der Beklagten durch die DEKRA Consulting GmbH ein am 9.11.2006 und 21.3.2007 durchgeführten Werkstatt-Tests auf der Grundlage der Rundschreiben Nr. 14/2006 vom. 13.4.2006 und 16/2006 vom 30.5.2006 nicht als abgemahnt gilt,

hilfsweise

festzustellen, dass die durch das Nichtbestehen der im Auftrag der Beklagten durch die DEKRA Consulting GmbH am 9.11.2006 und 21.3.2007 durchgeführten Werkstatt-Tests auf der Grundlage der Rundschreiben Nr. 14/2006 vom 13.4.2006 und 16/2006 vom 30.5.2006 von der Beklagten ausgesprochenen Abmahnungen unwirksam sind,

sowie

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von Euro 367,90 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zum Ausgleich für die ihm durch die notwendige vorprozessuale Inanspruchnahme seines Prozessbevollmächtigten zu zahlen,

und des Weiteren

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage im vollen Umfange abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszuge wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsrechtszug wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze vom 12.11.2009, 25.11.2009, 8.1.2010, 8.2.2010 und 11.3.2010 nebst Anlagen Bezug genommen.

Aus den Gründen

II. Die Berufungen sind zulässig. Die Berufung des Klägers ist nur insoweit begründet, als er einen Toll seiner vorprozessualen Rechtsanwaltskosten erstattet verlangen kann; zum überwiegenden Teil ist sie jedoch unbegründet. Die Berufung der Beklagten jst überwiegend begründet.

Berufung des Klägers

1. Die Feststellungsklage ist unzulässig. Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO nicht vorliegen. Es fehlt an einem Klagebegehren, welches sich im Sinne dieser Vorschrift auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses richtet. Ein Rechtsverhältnis ist die Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache, die ein subjektives Recht enthält oder aus der solche Rechte entspringen können, im Gegensatz zu bloßen Tatfragen oder abstrakten Rechtsfragen (siehe Greger in: Zöllen, ZPO, 28. Aufl., Rn. 3 zu § 256) Auch Vorfragen oder einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses können nicht Gegenstand der Klage sein (Zöller/Greger, aaO), So hat die höchstrichterliche Rechtsprechung die Frage nach dem Bestehen des Schuldnerverzuges nicht als ein nach § 256 ZPO feststellungsfähiges Rechtsverhältnis angesehen (BGH, NJW 2000, 2280, 2281; siehe auch BayObLG, NJW-RR 2004, 1020 im Fall der Abmahnung eines Wohnungsverwalters nach WEG). Schließlich ist auch die Wirksamkeit von Rechtshandlungen kein Rechtsverhältnis, das einer Feststellungsklage zugänglich ist (BGHZ 37, 331, 333),

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Zulässigkeit oder Wirksamkeit einer Abmahnung nicht Gegenstand eines Feststellungsbegehrens sein kann; denn dabei handelt es sich um eine bloße Vorfrage und nicht um die rechtliche Beziehung selbst. Es handelt sich um ein Tatbestandselement, das, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, .n jedem Folgeprozess selbständig neu zu prüfen wäre.

Dagegen spricht auch nicht die vom Kläger herangezogene Entscheidung des OLG München vom 18.11.1993 (Az. 7 U 2249/93). Auch das OLG München hält den Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Abmahnung nach § 256 ZPO für unzulässig und verhilft der dortigen Klage nur auf dem Wege zur Zulässigkeit, dass es den Antrag dahingehend auslegt, dass die Feststellung des Nichtvorliegens einer (der Abmahnung zugrunde liegenden) Vertragsverletzung begehrt wird. Damit ist der Fall, welcher der Entscheidung das OLG München zugrunde liegt, dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Hier stellt der Kläger die bei den Werkstatt-Tests festgestellten Mängel als solche nicht .n Abrede.

Soweit der Kläger meint, hier seien - anders als in dem vom Bundesgerichtshof in NJW 2008, 1303 entschiedenen Fall - aufgrund der den Vertrag prägenden „umfangreichen Treue- und Fürsorgepflichten" die arbeitsrechtlichen Grundsätze heranzuziehen, verhelfen auch solche Überlegungen nicht dazu, bloße Tatsachen und Sachverhaltselemente zum Gegenstand einer Feststellungsklage werden zu lassen. Auch im Arbeitsrecht wird eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Abmahnung für unzulässig gehalten, well nach § 256 ZPO nur auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses geklagt werden könne und hier die Feststellung einer Tatsache begehrt werde (Finck, in: Schaub, Hb. d. Arbeitsrechts, 13. Aufl. S. 1426 mit Hinw. auf BAG NZA 90, 193). Soweit die Arbeitsgerichte einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zuerkennen (Finck aaO., S. 1424 f.), handelt es sich um Leistungs-, nicht um Feststellungsanträge. Der dort regelmäßig im Vordergrund stehende Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers (vgl. BAG NZA 80, 227, 228; 02, 965, 966) spielt für den vorliegenden Fall keine Rolle.

2. Aus den vorgenannten Gründen erweist sich auch der in der Berufung gestellte Hilfsantrag, der gleichfalls auf Feststellung gerichtet ist und in der Sache keinen anderen Inhalt aufweist, als unzulässig.

3. Mit Recht weist der Kläger darauf hin, dass ihm die vorprozessualen Rechtsanwaltskosten zustehen, soweit sie ihm als Verzugsschaden (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB) zu erstatten sind. Die Regelung des § 15a RVG, die lediglich die Anrechnung und das Forderungsrecht des Rechtsanwalts klarstellend regelt, steht dem nicht entgegen. Der Höhe nach bemisst sich der Anspruch nach der begründeten Hauptforderung, die - wie nachstehend (Berufung der Beklagten) ausgeführt wird, in Höhe von Euro 229,30 besteht. Die hierauf entfallende Gebühr beträgt Euro 26,00, davon verlangt der Kläger 0,66 %, so dass sich einschließlich 20 % Pauschale (RVG Nr. 7002) und 19 % Umsatzsteuer der zu erstattende Betrag von Euro 24,13 errechnet.

Berufung der Beklagten

Zu Unrecht hat das Landgericht die Beklagte in voller Höhe zur Rückzahlung des vom Kläger verlangten Betrages von Euro 1.436,10 verurteilt.

Dem Kläger stand ein Anspruch auf Rückzahlung der gezahlten Nettorechnungsbeträge von zusammen Euro 1.206,80 nicht aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu, denn er hat diese Zahlung an die Beklagte mit Rechtsgrund geleistet hat. Die Beklagte hatte gegen ihn einen entsprechenden Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB. Lediglich die auf diese Beträge gezahlte Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt Euro 1.229,30 hat die Beklagte dem Kläger zu erstatten.

Der Kläger hatte seine Pflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Werkstattvertrag verletzt, indem er die ihm obliegenden Inspektionsleistungen bei dem ersten und dem zweiten Werkstatt-Test am 9.11.2006 und 21..03.2007 - unstreitig - mangelhaft ausführte. Die Verpflichtung, die Inspektionen ordentlich zu erbringen, besteht für den Kläger nicht nur gegenüber seinen Kunden als Auftraggeber, sondern auch gegenüber der Beklagten. Nach § 5 Ziff. 1 des Werkstattvertrages ist er ihr gegenüber verpflichtet, die Wartungsarbeiten mittels der Checklisten sowie nach Maßgabe der Kundendienstrichlinien, dem von x herausgegebenen Informationsmaterial und den sonstigen Anweisungen vorabzuwickeln. Es entspricht dem Interesse der Beklagten, dass ihre Vertragshändler sich um eine ordentliche Kundenpflege bemühen und in diesem Rahmen auch die Inspektions- und Reparaturaufträge gewissenhaft abwickeln. Jede „schlechte Presse" in einschlägigen Zeitschriften (die, wie der vorliegende Fall der Veröffentlichung in „Auto-Bild" zeigt, sich auch auf den Kundendienst beziehen kann) ist letztlich dem Image der Marke x abträglich und gilt es aus Sicht der Beklagten zu vermeiden.

Der Beklagten ist durch die vom Kläger zu vertretende Pflichtverletzung ein adäquat kausaler Schaden dadurch entstanden, dass eine zweite und dritte Beauftragung der DEKRA zur Durchführung weiterer Werkstatt-Tests erforderlich wurde. Denn die Beklagte durfte abklären lassen, ob es sich bei dem ersten Misserfolg am 9.11.2006 lediglich um einen einmaligen „Ausrutscher" handelte oder ob regelmäßige Nachlässigkeiten zu besorgen waren. Die insoweit getätigten Aufwendungen sind in Höhe der Nettobeträge nach § 249 Abs. 1 BGB ersatzfähig, Die Beklagte durfte, ohne gegen ihre Pflicht zur Schadenminderung zu verstoßen, mit der Vornahme der Tests Insbesondere auch Dritte wie hier die DEKRA - beauftragen, um auf diese Weise auch gegenüber ihren Vertragspartnern Neutralität und Kompetenz zu gewährleisten.

Mehrwertsteuer hatte der Kläger auf die Beträge nicht zu erstatten, da die Beklagte selbst vorsteuerabzugsberechtigt ist und nicht ersichtlich ist, dass sie mit den Umsatzsteuerbeträgen belastet worden ist. Daher besteht für den Kläger der Bereicherungsanspruch in Höhe von Euro 229,30 aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 2, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat folgt nicht der Anregung des Klägers, gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision hinsichtlich der Frage, ob die Feststellungsklage zulässig ist, zuzulassen. Der Senat sieht sich mit seiner zur Übereinstimmung mit der herrschenden Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofes, in der vom Kläger angeführten Entscheidung des OLG Hamburg (Beschluss v. 23.11.2009, 13 U 35/08) wird die Frage der Zulässigkeit nicht weiter problematisiert; die Ausführungen der Vorinstanz (LG Hamburg, Urt. v. 4.8.2008, 419 O 32/08) lassen eine Auseinandersetzung mit den oben zitierten Anforderungen der herrschenden Meinung an ein gemäß §256 Abs. 1 ZPO feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vermissen.

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