OLG München: Konzernverschmelzung - Antragsbefugnis im Spruchverfahren
OLG München, Beschluss vom 26.7.2012 - 31 Wx 250/11
Leitsätze
1. Bei einer Verschmelzung ist die Antragsbefugnis im Spruchverfahren nur dann gegeben, wenn der Antragsteller nicht nur im Zeitpunkt der Verschmelzung an der aufgenommen Gesellschaft beteiligt, sondern auch im Zeitpunkt der Antragstellung im Spruchverfahren noch Aktionär der aufnehmenden Gesellschaft war. Beides ist innerhalb der Antragsfrist darzulegen und ggf. im Spruchverfahren nachzuweisen.
2. Bei einer Konzernverschmelzung kann im Einzelfall der Börsenwert der aufgenommenen Gesellschaft als Untergrenze von deren Wert bei der Ermittlung des Umtauschverhältnisses zu berücksichtigen sein.
3. In diesem Fall kann es sachgerecht sein, auch den Unternehmenswert der aufnehmenden Gesellschaft nach dem Börsenwert zu bemessen.
Sachverhalt
I. Das Verfahren betrifft die Verschmelzung der H. AG auf die S. AG. Die Antragsteller halten das im Verschmelzungsvertrag vom 31.10.2007 festgelegte Umtauschverhältnis von neun Aktien der H. AG zu zwei Aktien der S. AG für zu niedrig und begehren eine bare Zuzahlung. Die H. AG hatte am 21.4.2006 mit der S. Beteiligungs GmbH, einer hundertprozentigen Tochter der S. AG, einen Beherrschungsvertrag abgeschlossen, dem die Hauptversammlung am 21.6.2006 zugestimmt hatte. Die S. Beteiligungs GmbH wurde mit Vertrag vom 17.10.2007 auf die S. AG verschmolzen. Der Beherrschungsvertrag sah einen festen Ausgleich von 0,17 € brutto je Stückaktie für jedes volle Geschäftsjahr vor sowie eine Barabfindung von zunächst 2,43 €, die vor der Beschlussfassung der Hauptversammlung auf 2,55 € erhöht wurde. Insoweit ist ein Spruchverfahren anhängig, in dem noch keine Entscheidung ergangen ist. Die verfahrensgegenständliche Verschmelzung wurde mit Ad-hoc-Mitteilung vom 1.11.2007
angekündigt. Zur Durchführung der Verschmelzung war vorgesehen, das Grundkapital der S. AG aus genehmigtem Kapital durch Ausgabe neuer Aktien zu erhöhen. Die S. AG hielt Ende Oktober 2007 mit 27.081.499 Aktien rund 90,27 % des Grundkapitals und der Stimmrechte der H. AG. Die Hauptversammlung der H. AG stimmte am 17.12.2007 mit einer Mehrheit von 98,721 % des vertretenen Grundkapitals dem Verschmelzungsvertrag vom 31.10.2007 zu. Die Verschmelzung wurde am 24.2.2009 bei der Antragsgegnerin in das Handelsregister eingetragen. Die Bekanntmachung erfolgte am 25.2.2009. Am 4.3.2009 wurden 1.840.785 Aktien der H. AG in Aktien der S. AG umgetauscht. Die gutachtliche Stellungnahme der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft E. GmbH über die Ermittlung der Unternehmenswerte und des Umtauschverhältnisses vom 29.10.2007 (Anlage 1 zum Verschmelzungsbericht vom 30.10.2007) ermittelt den Wert der H. AG mit 66.765 T€, den Wert je Aktie mit 2,23 €. Hinsichtlich der S. AG setzt sie einen Unternehmenswert von 385.729 T€ an, den Wert je Aktie mit 10,44 €. Daraus leitet sie ein rechnerisches Umtauschverhältnis von 1 zu 0,2132 her, also 4,69 Aktien der H. AG für eine Aktie der S. AG. Der sachverständige Prüfer hat das festgelegte Umtauschverhältnis für angemessen erachtet. Die Unternehmenswerte wurden anhand des Ertragwertverfahrens ermittelt, denn Bewerter und sachverständiger Prüfer sahen die Börsenkurse für die Ermittlung des angemessenen Umtauschverhältnisses als nicht geeignet an. Das Verhältnis der Aktienkurse am 19.10.2007 (H.-Aktie 2,72 €, S.-Aktie 8,83 €) ergebe ein rechnerisches Umtauschverhältnis von 1 zu 0,31, gerundet ein Umtauschverhältnis von einer S.-Aktie für drei H.-Aktien. Der Börsenkurs der H.-Aktien sei jedoch geprägt durch die garantierte Abfindung aufgrund des Beherrschungsvertrags, während der Kurs der S.-Aktien im Jahr 2007 durch starke Schwankungen gekennzeichnet sei (Minimum 8,19 €, Maximum 12,79 €). Die Aktien der S. AG sind zum Handel an der Frankfurter Wertpapierbörse zugelassen und werden in den Indices Nemax All Shares und Tecdax geführt. Die Aktien sind im Streubesitz. Die Aktien der H. AG waren zum Handel an der Frankfurter und Stuttgarter Wertpapierbörse zugelassen. Der umsatzgewichtete Durchschnittswert in dem Zeitraum von drei Monaten vor Bekanntgabe der Verschmelzung beträgt für eine Aktie der H. AG 2,72 €, für eine Aktie der S. AG 8,67 €. Das Landgericht hat ergänzende Stellungnahmen der Verschmelzungsprüferin eingeholt und die für die Verschmelzungsprüferin tätigen Wirtschaftsprüfer im Erörterungstermin vom 10.2.2011 angehört. Im Beschluss vom 5.5.2011 hat das Landgericht die Anträge auf Bestimmung einer baren Zuzahlung zurückgewiesen. Dagegen richten sich die Beschwerden der Beteiligten zu 1 bis 5, 9, 13, 16, 17, 26 bis 28, 31 bis 33. Sie sind der Meinung, dass maßgeblich für das Umtauschverhältnis sei die Börsenkursrelation sei. Im Übrigen bilde der Kapitalwert der
Ausgleichszahlung die Untergrenze für den Wert der Aktien der H. AG. Die Ermittlung des Ertragswerts der beiden Gesellschaften sei unzutreffend; die Planung der H. AG sei zu pessimistisch, die der S. AG zu optimistisch. Die Sonderwerte für Grundstücke und nicht betriebsnotwendige Forderungen der H. AG seien zu niedrig angesetzt. II. Die Beschwerden sind zulässig. Sie sind insbesondere alle - teilweise durch Telefax - fristgerecht eingegangen. Maßgeblich für die Wahrung der Frist ist der Eingang per Telefax, nicht der nachfolgende Eingang des Originals. Verfehlt ist deshalb der Einwand der Antragsgegnerin, das Datum des Eingangstempels auf einigen der ihr übermittelten Originalschriftsätze liege nach dem Fristende. A) Die Beschwerde der Antragstellerin zu 33 ist nicht begründet. Das Landgericht hat ihren Antrag zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, denn sie hat keinen Nachweis für ihre Antragsberechtigung erbracht. Auch die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Bestätigung ist nicht geeignet, die Antragsberechtigung zu belegen. 1. Nach § 3 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 1 Nr. 4 SpruchG ist antragsbefugt, wer im Zeitpunkt der Antragstellung Anteilsinhaber des aufnehmenden Rechtsträgers war und zwar mit solchen Anteilen, die er im Zuge der Umwandlung für Anteile des übertragenden Rechtsträgers erhalten hat. Die Voraussetzungen der Antragsbefugnis sind innerhalb der Antragsfrist darzulegen (Simon SpruchG 2007 § 4 Rn. 40). Der Nachweis für die Antragsberechtigung kann auch noch nach Ablauf der Antragsfrist - auch noch im Beschwerdeverfahren - erbracht werden. Er ist ausschließlich durch Urkunden zu führen (§ 3 Satz 3 SpruchG). 2. Die Antragstellerin zu 33 hat zwar im Beschwerdeverfahren eine Bestätigung ihrer depotführenden Bank im Original vorgelegt, wonach sie bis zum Wirksamwerden der Verschmelzung Aktionärin der H. AG gewesen sei. Diese Bestätigung besagt jedoch nichts darüber, dass die Antragstellerin zu 33 auch zum Zeitpunkt der Antragstellung, nämlich am 25.5.2009 Aktionärin der aufnehmenden Gesellschaft war. Das ist im Übrigen auch im Antrag vom 25.5.2009 nicht dargelegt, denn dieser beschränkt sich auf die Aussage: "Die Antragstellerin war bis zum Wirksamwerden der Verschmelzung Aktionärin der H. AG." 3. Unzulässig ist auch der im Beschwerdeverfahren erstmals gestellte Antrag der Beteiligten zu 33 auf Bestimmung eines Anrechnungsbetrages. Diese Frage kann schon nicht Gegenstand eines Spruchverfahrens sein. Es kommt deshalb nicht auf die Frage an, inwieweit im Spruchverfahren eine Antragserweiterung in der Beschwerdeinstanz zulässig ist.
Aus den Gründen
B) Im übrigen sind die Beschwerden begründet. 1. Ohne Erfolg rügt die Antragsgegnerin die Antragsberechtigung der Antragsteller zu 1, 2, 3, 4, 5, 16, 17 und 28. a) Die Antragsteller zu 1 und 2 haben im Antrag vom 20.4.2009 dargelegt, im Zeitpunkt des Antrags Aktionäre der Antragsgegnerin gewesen zu sein. Nicht anders ist die Erläuterung zu verstehen, sie seien langjährige Aktionäre der H. AG gewesen, durch die Verschmelzung aus der übertragenden Gesellschaft ausgeschieden und Aktionäre der übernehmenden Antragsgegnerin geworden. Durch die Ausbuchungsbestätigung vom 4.3.2009 ist für den Senat hinreichend belegt, dass sie bei Wirksamwerden der Verschmelzung Aktionäre der H. AG gewesen sind. Dass sie bei Antragstellung noch Aktionäre der S. AG waren, ist durch die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bankbestätigungen nachgewiesen. b) Die Antragstellerin zu 3 hat in der Antragsschrift vom 13.5.2009, per Telefax bei Gericht eingegangen am 14.5.2009, ausgeführt, sie sei mit fünf Aktien ursprüngliche Aktionärin der H. AG gewesen und habe durch die Verschmelzung ihren Status verloren. Sie hat mit Schriftsatz vom 18.5.2009, bei Gericht eingegangen am 19.5.2009, eine Bestätigung der depotführenden Bank vom 15.5.2009 vorgelegt, wonach sie am 14.5.2009 Aktionärin der S. AG war, nachdem sie bis zum 24.2.2009 Aktionärin der H. AG gewesen sei. Das genügt zum Nachweis der Antragsberechtigung. c) Die Antragstellerin zu 4 hat ihrem Antrag eine Durchführungsanzeige ihrer Depotbank vom 3.3.2009 beigefügt, wonach im Rahmen der Fusion 200 H. Aktien in 44,444 S. Aktien umgetauscht wurden. Mit Schriftsatz vom 1.7.2010 hat sie darüber hinaus eine Depotübersicht zum 24.2.2009 vorgelegt, die 200 Aktien der H. AG ausweist, ferner eine Bankbestätigung für den Umtausch dieser Aktien zum 4.3.2009 sowie einen Depotauszug vom 15.5.2009, der 44 S. Aktien mit Kaufdatum 4.3.2009 auflistet. Mit diesen Unterlagen ist die Antragsberechtigung der Antragstellerin zu 4 zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Die von der Antragsgegnerin bemängelten Schwärzungen in den Depotübersichten betreffen ersichtlich Aktien anderer Gesellschaften, die für das vorliegende Verfahren nicht von Interesse sind. d) Der Antragsteller zu 5 hat in der Antragschrift vom 15.5.2009 vorgetragen, Aktionär der H. AG gewesen und durch Verschmelzung Aktionär der S. AG geworden zu sein. Das beinhaltet jedenfalls konkludent die Aussage, weiterhin Aktionär zu sein. In der Bankbestätigung vom 26.5.2009, bei Gericht eingegangen am 30.5.2009, wird bestätigt, dass der Antragsteller zu 5 bereits vor dem 17.12.2007 mit mindestens einer Aktie Aktionärin der H. AG gewesen ist, durch die Eintragung der Verschmelzung der Gesellschaft auf die S. AG Aktionär der S. AG geworden "und dies seitdem ununterbrochen geblieben ist."
e) Die Antragstellerin zu 16 hat in der Antragsschrift vom 17.5.2009 angegeben, durch die Verschmelzung Aktionärin der S. AG geworden zu sein, und eine Depotinformation beigefügt, die einen Bestand von 2.000 H. Aktien zum 4.3.2009 aufführt, verbunden mit dem Hinwies, dass die Depotinhaberin für jeweils neun Aktien der Gesellschaft zwei Teilrechte der S. AG erhalten habe. Im Beschwerdeverfahren hat sie eine Bankbestätigung vorgelegt, wonach sie mit den ihr aufgrund der Fusion zugeteilten Aktien jedenfalls bis Ende Mai 2009 Aktionärin der S. AG geblieben ist. f) Die Antragstellerin zu 17 hat nicht etwa "keinerlei Nachweise" vorgelegt, wie die Antragsgegnerin meint, sondern bereits in erster Instanz eine Bankbestätigung vom 15.6.2009 eingereicht, per Fax eingegangen am 16.6.2009. Diese besagt, dass sie Aktionärin der H. AG war vom 6.11.2007 bis zur Eintragung der Verschmelzung der H. AG auf die S. AG am 24.2.2009, dass im Zuge der Verschmelzung die Aktien zum 4.3.2009 umgetauscht wurden und die Antragstellerin zu 17 "seitdem bis heute ununterbrochen diese Aktien der S. AG in ihrem Depot" halte. g) Der Antragsteller zu 28 hat in seinem Antrag vom 25.5.2009, per Fax eingegangen am selben Tag, dargelegt, "zum Zeitpunkt der Eintragung des Verschmelzungsvertrages" Aktionärin der H. AG gewesen zu sein und Aktien der Antragsgegnerin nach dem festgelegten Umtauschverhältnis erhalten zu haben. Die beigefügte Bankbestätigung besagt, dass die Aktionärseigenschaft "bis zur Eintragung des Verschmelzungsbeschlusses in das Handelsregister am 25.2.2009" fortbestanden habe. Die Bankbestätigung vom 20.10.2010 enthält zusätzlich die Aussage, der Antragsteller zu 28 habe mit Wirksamkeit der Verschmelzung Anteile der S. AG erworben; die Aktionärseigenschaft habe seitdem ununterbrochen fortbestanden.
2. Bei der Bestimmung des Umtauschverhältnisses kann im vorliegenden Fall der Börsenkurs der Aktien der H. AG nicht außer Acht gelassen werden. a) Nach § 15 Abs. 1 UmwG kann bei einer Verschmelzung durch Aufnahme (§ 2 Nr. 1, §§ 4 ff. UmwG) jeder Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers einen Ausgleich durch bare Zuzahlung verlangen, wenn das Umtauschverhältnis der Anteile (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 UmwG) zu niedrig bemessen ist. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe eine Zuzahlung geschuldet ist, ist anhand des Verhältnisses der Werte der Anteile der beiden Gesellschaften zu bestimmen. Ziel ist nicht die Bestimmung eines exakt richtigen Umtauschverhältnisses, das es als solches nicht gibt. Maßgeblich ist vielmehr, dass die erhaltenen Anteile im Wesentlichen den Wert der hingegebenen Anteile erreichen (BayObLG, Beschluss vom 18.12.2002, BayObLGZ 2002, 400/403 = AG 2003, 569/570; OLG München, Beschluss vom 14.5.2007, AG 2007, 701/702; Lutter/Drygala, UmwG 4. Aufl. 2009, § 5 Rn. 20). Zur Feststellung, ob ein Anspruch auf (weitere) Zuzahlung besteht, sind daher beide Gesellschaften zu bewerten, und zwar auf vergleichbarer Basis (BayObLG aaO). Die Festsetzung einer angemessenen Zuzahlung im Spruchverfahren setzt somit die Feststellung voraus, dass das im Verschmelzungsvertrag vereinbarte Umtauschverhältnis im dargestellten Sinne unangemessen ist. Die dafür maßgeblichen rechtlichen Faktoren hat das Gericht zu bestimmen und auf ihrer Grundlage die maßgeblichen Unternehmenswerte festzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nicht möglich ist, mathematisch einen exakten oder -wahren- Unternehmenswert am Stichtag festzustellen. Jede Bewertung kann nur eine mit Unsicherheiten behaftete Schätzung und keine punktgenaue Messung sein. Wie es für jedes einzelne Unternehmen deshalb eine Bandbreite von Werten gibt, kann auch die Relation der Werte von mehreren Unternehmen nicht mathematisch exakt auf einen allein richtigen Wert festgelegt werden. Aufgabe des Gerichts ist es deshalb, unter Berücksichtigung anerkannter betriebswirtschaftlicher Methoden die Unternehmenswerte der beteiligten Unternehmen im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zu bestimmen und davon ausgehend zu beurteilen, ob das vertraglich festgelegte Umtauschverhältnis der Anteile als angemessen zu bewerten ist. b) Regelmäßig wird der Unternehmenswert anhand der Ertragswertmethode ermittelt. Ob eine Schätzung des Unternehmenswertes auch anhand der Börsenkurse erfolgen kann, wenn beide Unternehmen börsennotiert sind, ist eine Frage des Einzelfalls und abhängig von den individuellen Umständen der zu bewertenden Unternehmen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 3.9.2010, NZG 2010, 1141/1142). Aus Art. 14 Abs. 1 GG ergibt sich nicht, dass eine dieser Methoden vorzugswürdig wäre (BVerfG, Beschluss vom 26.4.2011, NZG 2011, 869/870). c) Für den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages oder die Eingliederung ist zudem anerkannt, dass ein existierender Börsenkurs der beherrschten oder eingegliederten Gesellschaft bei der Barabfindung und bei einer Abfindung durch Aktien Berücksichtigung finden muss (vgl. BVerfGE 100, 289 = NJW 1999, 3769). Denn Art. 14 Abs. 1 GG schützt auch das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum, das im Rahmen seiner gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung durch Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis gekennzeichnet ist und sowohl die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs in der Gesellschaft als auch vermögensrechtliche Ansprüche vermittelt. Verliert der Minderheitsaktionär diese mitgliedschaftliche Stellung oder wird er hierin durch eine Strukturmaßnahme in relevantem Maße eingeschränkt, muss er für den Verlust seiner Rechtsposition und die Beeinträchtigung seiner vermögensrechtlichen Stellung wirtschaftlich voll entschädigt werden. Dabei hat die
Entschädigung den "wahren" Wert des Anteilseigentums wiederzuspiegeln. Der Schutz der Minderheitsaktionäre gebietet es, sicherzustellen, dass sie jedenfalls nicht weniger erhalten, als sie bei einer freien Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt der Maßnahme erhalten hätten. d) Diese Maßgaben gelten, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 26.4.2011 angenommen hat, auch im Fall einer Verschmelzung durch Aufnahme (BVerfG, Beschluss vom 26.4.2011, NZG 2011, 869/870). (1) Es kann offen bleiben, ob diese Grundsätze auf Verschmelzungen aller Art in gleichem Maße anzuwenden sind. Das erscheint fraglich, denn bei Verschmelzungen bislang unabhängiger Unternehmen unterscheidet sich die Interessenlage der Beteiligten grundlegend von derjenigen bei einer Konzernverschmelzung. Bei der Verschmelzung gleichberechtigter Gesellschaften besteht kein Interessengegensatz zwischen Großaktionären und Minderheitsaktionären der jeweiligen Vertragspartei; alle Aktionäre der übertragenden Gesellschaft werden unabhängig vom Umfang ihrer Beteiligung Gesellschafter der aufnehmenden Gesellschaft und erhalten je Aktie der übertragenden Gesellschaft die gleiche Gegenleistung (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18.12.2002, AG 2003, 569/571; OLG Stuttgart, Beschluss vom 8.3.2006, AG 2006, 421/427; OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2010, AG 2011, 49/50; Hüffer AktG 10. Aufl. 2012 § 305 Rn. 24k). (2) Hingegen ist bei der - hier vorliegenden - Verschmelzung konzernverbundener Unternehmen das herrschende Unternehmen in der Lage, das Umtauschverhältnis zu Lasten der außenstehenden Aktionäre der abhängigen Gesellschaft zu verschieben; es besteht der für eine Beherrschungssituation typische Interessengegensatz. Insofern ist die Situation der Minderheitsaktionäre bei einer Konzernverschmelzung vergleichbar mit derjenigen beim Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages oder einer Eingliederung, auch wenn sie durch die Verschmelzung ihre Beteiligung nicht vollständig verlieren, sondern Gesellschafter der aufnehmenden Gesellschaft werden. Auch im Fall einer Verschmelzung muss die gerichtliche Überprüfung des Umtauschverhältnisses, die dessen Korrektur durch Anordnung einer baren Zuzahlung ermöglicht, eine angemessene Entschädigung der Minderheitsaktionäre gewährleisten, die den "wirklichen" oder "wahren" Wert des Anteilseigentums widerspiegelt. Gewährleistet werden soll, dass die Minderheitsaktionäre durch die Verschmelzung keine Beeinträchtigung ihrer vermögensrechtlichen Stellung erleiden, also den Gegenwert ihrer Beteiligung an der übertragenden Gesellschaft erhalten (BVerfG, Beschluss vom 25.7.2003, WM 2003, 1813 zu § 352c Abs. 1 Satz 2 AktG a.F.). Der Aktionär, der in seiner verfassungsrechtlich geschützten Rechtsposition durch eine Verschmelzung nach zuvor abgeschlossenem Unternehmensvertrag eingeschränkt wird, muss für die Beeinträchtigung seiner vermögensrechtlichen Stellung wirtschaftlich voll entschädigt werden
(BVerfG, Beschluss vom 30.5.2007, NJW 2007, 3266/3267). (3) Jedenfalls bei einer Konzernverschmelzung kann es folglich zur Wahrung der Eigentumsrechte der Minderheitsaktionäre geboten sein, den Börsenwert der übertragenden Gesellschaft als Untergrenze für deren Bewertung heranzuziehen (vgl. Lutter/Drygala UmwG 4. Aufl. 2009 § 5 Rn. 28; Widmann/Mayer Umwandlungsrecht <2009> § 5 UmwG Rn. 100.1; Paschos, ZIP 2003, 1017/1024). Dem steht nicht entgegen, dass auch die Anteilsinhaber des aufnehmenden Rechtsträgers den Schutz ihres Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 GG beanspruchen können. Die Eigentumsrechte der Altaktionäre des herrschenden Unternehmens haben insoweit zurückzustehen. Denn das Vorliegen einer Beherrschungssituation rechtfertigt es, denjenigen, in dessen Interesse der Vertrag geschlossen wird, mit dem Risiko einer sachgerechten Bewertung zu belasten und ihm, auch wenn der Ertragswert geringer ist als der Börsenwert, zum Schutz des Eigentums derjenigen Anteilsinhaber, deren Interessen aufgrund der Beherrschungsituation durch die Maßnahme gefährdet sind, eine Abfindung zum Börsenwert im Sinne einer Untergrenze aufzuerlegen (BayObLG, Beschluss vom 18.12.2002, AG 2003, 569/571; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.1.2003, AG 2003, 329/334; Paschos ZIP 2003, 1017/1024). Das gleiche gilt für die von der Antragsgegnerin angeführte Unternehmerfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die unternehmerische Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) des übertragenden Rechtsträgers.
3. Für die Ermittlung des Umtauschverhältnisses ist hier für die H. AG der Börsenwert einzustellen, der den nach dem Ertragswertverfahren ermittelten Schätzwert übersteigt. a) Der Börsenwert ist grundsätzlich aus dem gewichteten Durchschnittskurs innerhalb eines Referenzzeitraums von drei Monaten vor Bekanntgabe der Strukturmaßnahme zu errechnen. Wenn zwischen Bekanntgabe und Beschlussfassung ein längerer Zeitraum liegt, kann der Wert gegeben falls hochzurechnen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 19.7.2010, AG 2010, 629; BGH Beschluss vom 28.6.2011 AG 2011, 590). Hier erfolgte die Ankündigung der Verschmelzung am 1.11.2007, die Beschlussfassung am 17.12.2007. Es besteht deshalb kein Anlass zu einer Korrektur des Durchschnittskurses aus dem Referenzzeitraum, der 2,72 € beträgt. Insoweit führt der Hinweis der Antragstellerin im Schriftsatz vom 29.05.2012 (Bl. 735 d.A.) auf den Tageskurs von 2,78 € am 30.210.2007 nicht weiter. b) Dieser Wert kommt nur dann nicht als Untergrenze für die Ermittlung der Verschmelzungswertrelation in Betracht, wenn über einen längeren Zeitraum mit Aktien der Gesellschaft praktisch kein Handel stattgefunden hat, auf Grund einer Marktenge der einzelne außenstehende Aktionär nicht in der Lage ist, seine Aktien zum Börsenpreis zu veräußern oder der Börsenpreis manipuliert worden ist (BGH, Beschluss vom 12.3.2001, NJW 2001, 2080/2081; OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.3.2010, Juris Rz. 26 ff). Solche Umstände liegen hier nicht vor. Die Aktien der H. AG wurden laufend gehandelt. Es kann auch nicht angenommen werden, dass ein einzelner Aktionär seine Aktien wegen Marktenge nicht hätte veräußern können. Wie die Antragsgegnerin selbst vorträgt, wurden in den drei Monaten vor Bekanntgabe der Verschmelzung täglich im Durchschnitt über 2.300 Stück H. Aktien gehandelt. Nur an drei Handelstagen wurden weniger als 100 Aktien gehandelt, an 27 Handelstagen zwischen 100 und 1.000 Aktien und an 39 Handelstagen zwischen 1.000 und 2.000 Aktien. Auch für eine Manipulation des Börsenkurses fehlen jegliche Anhaltspunkte. Der Berücksichtigung des Börsenkurses der H. AG als Untergrenze für die Entschädigung der Minderheitsaktionäre steht nicht entgegen, dass er wegen des freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebots vom 16.12.2005 zu 2,40 € je Aktie und wegen des Abfindungsangebots aufgrund des Beherrschungsvertrages vom 21.4.2007 in Höhe von 2,43 € bzw. 2,55 € nach unten abgesichert war, während er ab Mitte 2006 Werte von 2,6 € und darüber, von März 2007 bis Ende Juni 2007 von 3 € und darüber erreichte. Das ändert nichts daran, dass bei einer weiteren Strukturmaßnahme - hier der Verschmelzung - nicht außer acht gelassen werden kann, dass die Minderheitsaktionäre zu diesem, ggf. durch vorhergehende Strukturmaßnahmen beeinflussten Kurs ihre Aktien hätten verkaufen können. Insofern liegt der Fall hier nicht anders als bei einem Ausschluss der Minderheitsaktionäre nach vorhergehendem Beherrschungsvertrag. Von der Berücksichtigung des Börsenkurses einer abhängigen Gesellschaft als Untergrenze zu unterscheiden ist die Frage, ob der Börsenwert von vornherein anstelle des Ertragswertverfahrens als Grundlage für die Schätzung des Unternehmenswertes herangezogen werden kann, was bei Verzerrungen des Kurses durch bindende Kauf- oder Umtauschangebote ausscheiden wird. c) Der anteilige Ertragswert der H. AG liegt mit 2,23 € unter dem Börsenwert. Nach der Ertragswertmethode hat das Landgericht den Unternehmenswert der H. AG ebenso wie Bewerter und sachverständiger Prüfer zutreffend auf 66.765 T€ geschätzt. Das ist nicht zu beanstanden. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen. Die Einwendungen der Antragsteller greifen nicht durch. Insbesondere ist die Auffassung verfehlt, das Gericht müsse zunächst eine eigene Planung vornehmen und die Planung der Gesellschaft daran messen. Vielmehr sind nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung die in die Zukunft gerichteten Planungen und Prognosen der Gesellschaft nur einer eingeschränkten Überprüfung dahingehend zu unterziehen, ob sie auf zutreffenden Informationen beruhen und in sich widerspruchsfrei sind (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.4.2011, AG 2011, 832/833 m.w.N.). Auch der Kapitalisierungszinssatz ist nicht zu beanstanden. Das gilt sowohl für den aus Zinsstrukturdaten
ermittelten Basiszinssatz von 4,5 % als auch für den Risikozuschlag von 6 % wie auch für den Wachstumsabschlag von 1,5 %. Im Übrigen würde selbst eine deutliche Herabsetzung des Kapitalisierungszinssatzes nicht zu einem den Börsenwert übersteigenden Ertragswert der H. AG führen. Wie bereits das Landgericht dargelegt hat, ergibt eine Herabsetzung des Basiszinssatzes auf 3 % bei gleichzeitiger Erhöhung des Wachstumsabschlages auf 2,5 % lediglich einen Wert von 2,53 € je H. Aktie. Der Ansatz der Sonderwerte begegnet keinen Bedenken. Das Landgericht war nicht gehalten, ein Sachverständigengutachten zum Wert des Grundstücks in St. einzuholen, denn die Wertermittlung der mit dem Verkauf beauftragten örtlichen Sparkasse war für eine Schätzung ausreichend. Liquide Mittel haben die Vermutung der Betriebsnotwendigkeit für sich (OLG München, Beschluss vom 17.7.2007, AG 2008, 28/32). Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen. d) Der Kapitalwert der Ausgleichszahlung aufgrund des vorangegangenen Beherrschungsvertrages ist schon deshalb nicht als Untergrenze des Wertes der H. AG zu berücksichtigen, weil er mit 1,90 € sowohl unter dem anteiligen Ertragswert als auch unter dem maßgeblichen Börsenkurs der H. Aktie liegt. Entgegen der Auffassung einiger Antragsteller geht es nicht an, für die Kapitalisierung der Ausgleichszahlung einen Risikozuschlag von nur 0,5 % oder 1 % heranzuziehen, wenn für die Herleitung des Ausgleichs ein risikoadjustierter Zinssatz verwendet wurde, der auf einem höheren Risikozuschlag - hier 3 % - basiert. 4. Der Senat hält es im vorliegenden Fall für sachgerecht, auch den Unternehmenswert S. AG anhand des Börsenkurses der Aktie zu bemessen und hierfür den gewichteten Durchschnittskurs aus den drei Monaten vor Bekanntgabe der Maßnahme in Höhe von 8,67 € heranzuziehen. a) Der Grundsatz der Methodengleichheit lässt es regelmäßig angezeigt erscheinen, die Bewertung beider Unternehmen nach einheitlichen Kriterien vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 12.3.2001, NJW 2001, 2080/2083; BayObLG, Beschluss vom 18.12.2002, AG 2003, 569/571; OLG München Beschluss vom 14.5.2007, AG 2007, 704 f.). Der Wertmaßstab der abhängigen Gesellschaft gibt dabei grundsätzlich denjenigen der herrschenden Gesellschaft vor (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.1.2003, AG 2003, 329/334). Es kann offen bleiben, ob die Prämisse der Gleichheit der Bewertungsmethoden dann ihren Sinn verliert, wenn zugunsten der Minderheitsaktionäre anstelle des Ertragswerts auf den höheren Börsenkurs der abhängigen Gesellschaft abgestellt wird (vgl. Hüffer § 305 Rn. 24h; Paschos ZIP 2003, 1017/1021f.), denn nach Überzeugung des Senats ist aufgrund weiterer Umstände der durchschnittliche Börsenkurs der Aktie der S. AG in dem Zeitraum von drei Monaten vor Bekanntgabe der Verschmelzung besser geeignet für die Schätzung des Unternehmenswertes als der aus den Planungen der Gesellschaft abgeleitete Ertragswert. b) Neben der Ertragswertmethode ist auch die marktorientierte Methode eine regelmäßig geeignete und vertretbare Schätzmethode zur Ermittlung des Wertes eines Unternehmens (vgl. ausführlich OLG Frankfurt, Beschluss vom 3.9.2010, AG 2010, 751/752 ff. m.w.N.). Wesentlich für die Eignung des Börsenkurses der Aktie als Schätzgrundlage ist, dass die Börsenkurse aussagekräftig sind, insbesondere weder Marktenge noch Marktmanipulation vorliegen noch auffällige Kursanomalien zu beobachten sind. Auch die Verletzung von Ad-hoc-Mitteilungspflichten durch das zu bewertende Unternehmen und ein daraus folgendes signifikantes Informationsdefizit des Markes kann die marktorientierte Methode ungeeignet erscheinen lassen, ebenso bindende öffentliche Kauf- oder Umtauschangeboten (OLG Frankfurt, aaO, S. 756). c) Solche Beeinträchtigungen der Preisbildung waren hinsichtlich der in den Indices TecDax und im Nemax All Shares geführten Aktie der Antragsgegnerin im fraglichen Zeitraum offensichtlich nicht gegeben. Ihre 36.946.407 Aktien befanden sich im Streubesitz. In den Monaten August, September und Oktober 2007 wurden im Schnitt börsentäglich rund 170.000 Aktien der S. AG gehandelt. Auch ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Aktie der S. AG im fraglichen Zeitraum unterbewertet gewesen wäre, etwa wegen eines schwachen Kapitalmarkts. Vielmehr haben sowohl Dax (bei 7.400 Anfang August, bei 7.900 ab Anfang Oktober) als auch TecDax (bei 900 Anfang August, bei 1.000 bzw. knapp darunter ab Anfang Oktober) im fraglichen Zeitraum eine steigende Tendenz aufgewiesen, während der Kurs der S. Aktie nach leichten Schwankungen ab Mitte Oktober gesunken ist. Diese Tendenz hat sich auch nach Ankündigung der Verschmelzung fortgesetzt; am 14.12.2007 betrug der Schlusskurs 7,13 €. Soweit die Antragsgegnerin auf "starke Schwankungen" verweist, trifft das für den Referenzzeitraum nicht zu. Für diesen beträgt der niedrigste Schlusskurs 7,85 € am 24.10.2007, der höchste Schlusskurs 9,43 € am 6.9.2007 (jeweils Xetra, abrufbar etwa über www.boerse-frankfurt.de). Einen Kurs von 12 € und darüber erreichte die S. Aktie nur an einigen Tagen im ersten Quartal 2007, in dem sich ihr Kurs insgesamt im Bereich zwischen 10 € und 12 € bewegte. Der Heranziehung des Börsenwertes zur Schätzung des Unternehmenswertes steht auch nicht entgegen, dass - wie die Antragsgegnerin hervorhebt - die S. AG "in einer anderen Liga spielt" als die Deutsche Telekom oder die T-Online AG, was die Börsenkapitalisierung, den Umfang des Börsenhandels und die Präsenz in Börsenindices angeht. d) Demgegenüber kommt dem im Ertragswertverfahren ermittelten Unternehmenswert hinsichtlich der S. AG nach Auffassung des Senats keine gesteigerte Richtigkeitsgewähr zu. Das gilt insbesondere deshalb, weil die Ertragsprognosen der S. AG in besonders hohem Maße mit dem Risiko der Fehleinschätzung behaftet waren. Wie der sachverständige Prüfer in der Anhörung vor dem Landgericht ausgeführt hat, war die Planung der S. AG "ambitioniert" und mit der Unsicherheit eines Systemstreits im Geschäftsbereich "Optical Disc" behaftet, der erst Anfang 2008 zugunsten des Systems entschieden wurde, auf das sie gesetzt hatte. Die Planung sah Steigerungen der Bruttoumsatzerlöse von 173.414 T€ (Hochrechnung 2007) auf 327.354 € im Planjahr 2012 vor, sowie 321.743 T€ für 2013 ff. Das Jahresergebnis sollte von -564 T€ (Hochrechnung 2007) auf 35.276 T€ im Planjahr 2012 steigen und für 2013 ff. jährlich 35.757 T€ betragen. Gestützt wurden diese Planungen im Wesentlichen auf Marktanalysen. Für den Bereich "Coating" wurden die Marktdaten etwa abgeleitet aus dem Markt für beschichtete Brillengläser, aus denen wiederum auf den Markt für Anlagen zu deren Herstellung geschlossen wurde. Auf diesem Markt strebte die S. AG für ihre zum Stichtag noch nicht vertriebene Anlage - nach den Ausführungen des sachverständigen Prüfers plausibel - einen Anteil von 15 % an. Der Geschäftsbereich "Optical/Decorative Coating" sollte nach der Planung des Unternehmens für 2012 Bruttoumsatzerlöse von 60.034 T€ und ein operatives Ergebnis von 10.865 T€ beitragen. Im September 2008 wurde der gesamte Bereich eingestellt; die nach den Ausführungen der Antragsgegnerin zum Stichtag nicht vorhersehbaren Gründe lagen in nicht erreichten Qualitätsanforderungen der Abnehmer, der Verkleinerung des Marktes durch ein Konkurrenzprodukt und Produktionsverlagerungen von Kunden nach Asien (vgl. Antragserwiderung S. 77). e) Die Einwände der Antragsgegnerin gegen die Heranziehung des Börsenkurses für die Schätzung des Unternehmenswertes der S. AG greifen nicht durch. Dass es von Verfassungs wegen nicht geboten ist, zugunsten der Minderheitsaktionäre einen gegenüber dem Ertragswert niedrigeren Börsenwert der Obergesellschaft in die Verschmelzungsrelation einzustellen, bedeutet nicht, dass der Börsenwert der Obergesellschaft für deren Bewertung überhaupt nicht herangezogen werden dürfte. Auch ist der Senat bei der Überprüfung des Umtauschverhältnisses nicht an die von den Verschmelzungspartnern gewählte Bewertungsmethode gebunden.
5. Aufgrund der Überprüfung des Umtauschverhältnisses durch den Senat ergibt sich ein rechnerisches Umtauschverhältnis von 1 : 0,31, das deutlich abweicht von dem im Verschmelzungsvertrag festgelegten Umtauschverhältnis von 1 : 0,21. Die Abweichung ist so erheblich, dass auch unter Berücksichtigung der mit der Schätzung verbundenen Ungenauigkeit kein angemessenes Umtauschverhältnis mehr vorliegt. Der Senat setzt deshalb - wie hingewiesen - eine bare Zuzahlung von 0,79 € je Aktie der H. AG fest.
31 Wx 250/11 - Seite 14 -
III. 1. Die Voraussetzungen einer Vorlage an den Bundesgerichtshof nach 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG a.F. i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG sind nicht gegeben. Danach ist die sofortige Beschwerde dem Bundesgerichtshof vorzulegen, wenn das Oberlandesgericht bei der Auslegung einer bundesgesetzlichen Vorschrift von der auf eine sofortige Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Dabei muss die Abweichung ein und dieselbe Rechtsfrage betreffen und deren Beantwortung für beide Entscheidungen erheblich sein, d.h., die Entscheidung, von der abgewichen werden soll, muss auf einer anderen Beurteilung der Rechtsfrage beruhen (Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. 2003 § 28 Rn. 17, 18). Es reicht deshalb entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht aus, dass das Oberlandesgericht Stuttgart mit Beschluss vom 6.7.2007 (AG 2007, 705/712) über eine Verschmelzung zu entscheiden hatte, bei der Börsenkurs der Aktien der Tochtergesellschaft in einem Zeitraum von drei Monaten vor Ankündigung der Maßnahme über dem Ertragswert lag. Notwendig wäre darüber hinaus, dass die Entscheidung auf der Beantwortung der Rechtsfrage beruhte, ob ein über dem Ertragswert liegender Börsenwert die Untergrenze des Wertes der aufgenommenen Gesellschaft bei der Ermittlung des Umtauschverhältnisses darstellt. Diese Frage hat das OLG Stuttgart in seiner Entscheidung vom 6.7.2007 jedoch ausdrücklich offen gelassen, weil sich schon aus tatsächlichen Gründen nicht ergebe, dass ein gegenüber dem Ertragswert "niedrigerer" (richtig wohl: höherer) Börsenwert der aufgenommenen Gesellschaft in die Unternehmenswertrelation einzusetzen sei (vgl. Ziffer II. 2. b der Entscheidungsgründe). Der Sachverständige habe für den Referenzzeitraum von drei Monaten vor der Hauptversammlung, der nach der Rechtsprechung des BGH anzusetzen sei, einen Durchschnittskurs von 57,91 € ermittelt, der unter dem anteiligen Ertragswert von 73,71 € liege (Ziffer II. 2. b aa). Der Durchschnittskurs in den drei Monaten vor der Bekanntgabe der Maßnahme liege zwar mit 79,70 € über dem Ertragswert, "in diesem Sonderfall" sei eine Heranziehung dieses Wertes jedoch nicht geboten, da er nur ein vorübergehend höhere Kursniveau wiedergebe, während langfristig der Börsenwert um den Ertragswert schwanke (Ziffer II. 2. b bb). Die zusätzlichen, nicht tragenden Erwägungen des OLG Stuttgart gegen die Heranziehung des Börsenwerts als Untergrenze (II. 2. c ) können keine Vorlage begründen. Davon zu unterscheiden ist die - für die vorliegende Entscheidung unerhebliche - Frage, ob im Sinne einer Meistbegünstigung eine für die Minderheitsaktionäre günstigere Börsenkursrelation heranzuziehen ist, was das OLG Stuttgart abgelehnt (Ziffer II. 4.) und im Leitsatz hervorgehoben hat. 2. Die bare Zuzahlung ist vom 26.2.2009 bis 31.8.2009 mit 2 % über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB zu verzinsen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 UmwG a.F.), ab 1.9.2009 mit 5 % über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB (§ 15 Abs. 2 Satz 1 UmwG i.d.F. d. ARUG v. 30.7.2009). 3. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 15 Abs. 1 Satz 2-4 SpruchG, die Entscheidung über die Kosten auf § 15 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 SpruchG. 4. Die Festsetzung der Vergütung des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktíonäre beruht auf § 6 Abs. 2 Satz 2 SpruchG, RVG VV Nr. 3500, 702, 708.
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