BGH: Kleinbeteiligtenprivileg und Zusammenrechnung der Beteiligungen der an Finanzierung beteiligten Gesellschafter am Haftkapital
BGH, Urteil vom 26.1.2023 – IX ZR 85/21
ECLI:DE:BGH:2023:260123UIXZR85.21.0
Volltext: BB-Online BBL2023-770-4
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Amtliche Leitsätze
a) Eine Beteiligung am Haftkapital in Höhe von 10 % (und nicht von weniger als 10 %) steht der Anwendung des Kleinbeteiligtenprivilegs nicht entgegen; eine einschränkende Auslegung der Vorschriften über das Kleinbeteiligtenprivileg scheidet aus.
b) Eine koordinierte Finanzierung durch mehrere Gesellschafter kann unabhängig von einer Krise der Gesellschaft und auch außerhalb des Anfechtungszeitraums des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO dazu führen, dass die Beteiligungen der an der Finanzierung beteiligten Gesellschafter am Haftkapital der Gesellschaft zusammenzurechnen sind; maßgeblich ist, ob eine überschießende unternehmerische Verantwortung übernommen wird.
InsO § 39 Abs. 5, § 135 Abs. 4
a) Die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung, die für die Forderung auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder für eine gleichgestellte Forderung Sicherung gewährt hat, setzt nicht voraus, dass die Sicherung dem darlehensgewährenden Gesellschafter oder dem Gläubiger einer gleichgestellten Forderung gewährt wird.
b) Bei dem Regressanspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft aus der Besicherung einer Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber einem Dritten handelt es sich um eine Forderung, die einer Forderung auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens gleichgestellt ist; eine Sicherung des Regressanspruchs durch die Gesellschaft kann daher der Anfechtung unterliegen.
c) Die Besicherung von Forderungen - hier Zinsen und Avalprovisionen -, die neben die Forderung auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder eine gleichgestellte Forderung treten, unterliegt der Anfechtung, wenn die Nebenforderungen im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch offen sind oder erst nach diesem Zeitpunkt anfallen.
InsO § 135 Abs. 1 Nr. 1
Sachverhalt
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 15. Dezember 2015 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. mbH (nachfolgend: Schuldnerin). Die drei Streithelferinnen der Beklagten sind die Gesellschafterinnen der Schuldnerin. Am Stammkapital der Schuldnerin in Höhe von insgesamt 59.900 € ist die Streithelferin zu 1, eine Große Kreisstadt, mit 30.000 € (rund 50 %) beteiligt, die Streithelferin zu 2 mit 5.990 € (10 %) und die Streithelferin zu 3 mit 23.910 € (rund 40 %).
Die Schuldnerin plante die Errichtung einer Umschlaganlage für den kombinierten Schienen- und Straßenverkehr (sog. KV-Terminal). Die Kosten für die Errichtung waren auf etwa 3,8 Millionen Euro veranschlagt. Knapp 3 Millionen Euro waren durch einen der Sache nach nicht rückzahlbaren, aber unter Auflagen und Bedingungen stehenden Baukostenzuschuss des Eisenbahn-Bundesamts gedeckt, die restlichen 800.000 € wurden durch (Gesellschafter-)Darlehen der Streithelferinnen finanziert, die sich zudem in Höhe von insgesamt 3 Millionen Euro gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt verbürgten oder Bürgschaften Dritter stellten. Die Bürgschaften dienten zur Sicherung eines bei Verstoß gegen Auflagen und Bedingungen möglichen Anspruchs auf (teilweise) Rückzahlung des Baukostenzuschusses. Die Streithelferinnen erbrachten die erforderlichen Finanzierungsbeiträge (Darlehen und Bürgschaften) nach dem Verhältnis ihrer Beteiligungen an der Schuldnerin. Die gewährten Darlehen waren mit 4 % jährlich zu verzinsen, für die Bürgschaften schuldete die Schuldnerin Avalprovisionen in Höhe von 1 % jährlich auf die jeweilige Bürgschaftssumme.
Im Rahmen eines Konsortialverhältnisses verpflichteten sich die Streithelferinnen untereinander, die Darlehen und Bürgschaften zu erbringen und aufrechtzuerhalten. Sie bildeten die Beklagte, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in deren Vermögen die Sicherheit für Darlehen und Bürgschaften eingebracht wurde. Bei der Sicherheit handelt es sich um eine verbriefte Eigentümergrundschuld in Höhe von 3,8 Millionen Euro am Betriebsgrundstück, welche die Schuldnerin der Beklagten am 10. August 2010 unter der aufschiebenden Bedingung ihrer Eintragung im Grundbuch abtrat. Die Eintragung der Grundschuld im Grundbuch erfolgte am 19. Juni 2012. Nach dem vereinbarten Sicherungszweck dient die Grundschuld "zur Sicherung aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen", welche die Streithelferinnen in Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder jede für sich gegen die Schuldnerin aus Darlehen oder Bürgschaft haben.
Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin waren die Darlehen erst zum Teil getilgt, auch die Bürgschaften bestanden fort. Der Kläger verlangt Rückabtretung der Grundschuld und Zustimmung zur Herausgabe des vom Notar verwahrten Grundschuldbriefs. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Senat zugelassenen und von der Streithelferin zu 1 eingelegten Revision wird weiterhin die Abweisung der Klage begehrt.
Aus den Gründen
5 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
6 Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob sich der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch auf Rückabtretung der Grundschuld schon aus der (insolvenzbedingten) Erledigung des vereinbarten Sicherungszwecks ergibt. Die Beklagte habe die Grundschuld jedenfalls durch eine gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1, § 129 Abs. 1 InsO anfechtbare Rechtshandlung erlangt, so dass sie nach § 143 Abs. 1 InsO zur Rückgewähr des Erlangten in Form der von dem Kläger begehrten Abtretung der Grundschuld verpflichtet sei.
7 Die Voraussetzungen von § 135 Abs. 1 Nr. 1, § 129 Abs. 1 InsO seien bezogen auf sämtliche mit der Grundschuld abgesicherten Ansprüche der Streithelferinnen erfüllt. Vom Sicherungszweck erfasst seien sowohl die Ansprüche auf Rückzahlung des jeweils gewährten Darlehenskapitals als auch die Aufwendungsersatzansprüche, die sich im Zusammenhang mit den Bürgschaften ergeben könnten, die im Hinblick auf den Baukostenzuschuss des Eisenbahn-Bundesamts übernommen oder gestellt worden seien. Nicht feststellen lasse sich hingegen, dass auch die geschuldeten Darlehenszinsen und Avalprovisionen vom Sicherungszweck der Grundschuld umfasst seien. Der Wortlaut der Sicherungszweckabrede sei nicht eindeutig und daher auslegungsbedürftig. Die Auslegung führe zu dem Ergebnis, dass die Darlehenszinsen und Avalprovisionen nicht vom Sicherungszweck umfasst seien.
8 Die Gewährung der Sicherheit für die Ansprüche der Streithelferinnen auf Rückzahlung des jeweiligen Darlehenskapitals sei nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar. Unerheblich sei, dass die Grundschuld an die von den Streithelferinnen gebildete Beklagte abgetreten worden sei. § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO setze eine Personenidentität zwischen Darlehensgeber und Sicherungsgläubiger nicht voraus. Der Anfechtbarkeit der Sicherung stehe auch nicht entgegen, dass die nicht geschäftsführende Streithelferin zu 2 nur mit 10 % am Kapital der Schuldnerin beteiligt gewesen sei. Mit der Koordinierung der Kreditvergabe werde die dem Kleinbeteiligtenprivileg gemäß § 39 Abs. 5 InsO zugrundeliegende Annahme widerlegt, dass die Darlehensgewährung keinen hinreichenden Zusammenhang mit der Beteiligung als Gesellschafter habe und mit keinem besonderen unternehmerischen Interesse verbunden sei. Der Einordnung der Rückzahlungsforderung der Streithelferin zu 2 als nachrangig im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO stehe auch nicht entgegen, dass die Forderung im Rang von § 38 InsO zur Tabelle festgestellt worden sei. Hinsichtlich der Streithelferin zu 1, einer Großen Kreisstadt, stehe auch Art. 107 Abs. 1 AEUV einer Anfechtbarkeit nicht entgegen. Es fehle an einer Begünstigung der Schuldnerin durch eine verabredungsgemäß gewährte Beihilfe. Dem stehe auch die aus § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO folgende Pflicht zur Rückgewähr der Grundschuld nicht entgegen.
9 Schließlich sei die Gewährung der Sicherheit auch im Hinblick auf die Aufwendungsersatzansprüche der Streithelferinnen im Zusammenhang mit den zu Gunsten des Eisenbahn-Bundesamts übernommenen oder gestellten Bürgschaften anfechtbar. Insbesondere stellten die Aufwendungsersatzansprüche Forderungen aus Rechtshandlungen dar, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprächen.
II.
10 Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Prüfung stand.
11 Im Ergebnis mit Recht hat das Berufungsgericht erkannt, dass die Klägerin einen aus § 143 Abs. 1 InsO in Verbindung mit § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO folgenden Anspruch auf Rückabtretung der Grundschuld und Zustimmung zur Herausgabe des vom Notar verwahrten Grundschuldbriefs gegen die Beklagte hat.
12 Gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO oder für eine gleichgestellte Forderung Sicherung gewährt hat, wenn die Handlung in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist. Diese Voraussetzungen liegen für alle durch die Grundschuld besicherten Forderungen der Streithelferinnen gegen die Schuldnerin vor. Insbesondere handelt es sich sämtlich um Forderungen im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Auch die nach § 129 Abs. 1 InsO stets erforderliche objektive Gläubigerbenachteiligung ist anzunehmen. Das rechtfertigt den vom Berufungsgericht angenommenen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld.
13 1. Die als notwendige weitere Voraussetzung des Anfechtungstatbestands erforderliche Gläubigerbenachteiligung (BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 219/11, BGHZ 198, 64 Rn. 8) hat sich spätestens mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung für die Abtretung der Grundschuld, ihrer Eintragung im Grundbuch, verwirklicht.
14 2. Auch die Voraussetzungen des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind erfüllt.
15 a) Die Besicherung durch die Abtretung der Grundschuld - die angefochtene Rechtshandlung - ist innerhalb der Frist des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO von zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt.
16 b) § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO setzt nicht voraus, dass die Sicherung dem darlehensgewährenden Gesellschafter oder dem Gläubiger einer gleichgestellten Forderung gewährt wird. Maßgeblich ist nach dem Wortlaut, dass die Sicherung für die Forderung auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder für eine gleichgestellte Forderung gewährt wird. Sicherungsnehmer kann folglich auch ein Dritter sein. Deshalb steht es der Anfechtung der Sicherung im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass die Abtretung der Grundschuld an die aus den Streithelferinnen gebildete beklagte Gesellschaft bürgerlichen Rechts erfolgt ist, die weder Gesellschafterin der Schuldnerin noch Gläubigerin einer Forderung ist, die einem Gesellschafterdarlehen gleichsteht. Sie selbst hat keine Finanzierungsbeiträge erbracht.
17 Die Abtretung der Grundschuld an die Beklagte ist der koordinierten Fremdfinanzierung der Schuldnerin durch die Streithelferinnen geschuldet. Die Streithelferinnen haben als Gesellschafterinnen der Schuldnerin jede für sich Darlehen gewährt und sich verbürgt oder Bürgschaften Dritter gestellt. Die Grundschuld dient "zur Sicherung aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen", welche die Streithelferinnen in Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder jede für sich gegen die Schuldnerin aus Darlehen oder Bürgschaft haben. Sie sichert daher eine Mehrzahl von Ansprüchen aus Darlehen und Bürgschaft.
18 c) Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klage vollumfänglich begründet ist, wenn die Sicherung eines jeden Anspruchs anfechtbar ist. Dies ist der Fall. Es kann deshalb offenbleiben, wie zu entscheiden wäre, wenn nur ein Teil der gewährten Sicherungen anfechtbar wäre. Sämtliche Forderungen auf Rückzahlung gewährten Darlehenskapitals sind solche im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Im Blick auf die Rückzahlungsforderung der Streithelferin zu 3 wird dies von der Revision nicht in Zweifel gezogen. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, auch die Sicherung der Forderungen der Streithelferinnen zu 1 und 2 auf Rückzahlung des gewährten Darlehenskapitals sei anfechtbar.
19 aa) Die Sicherung der Forderung der Streithelferin zu 2 ist anfechtbar. Der Anfechtbarkeit steht nicht das Kleinbeteiligtenprivileg des § 39 Abs. 5 InsO (iVm § 135 Abs. 4 InsO) entgegen. Unerheblich ist auch, dass die Forderung zugunsten der Streithelferin zu 2 im Rang des § 38 InsO zur Tabelle festgestellt worden ist.
20 (1) Das Kleinbeteiligtenprivileg steht der Anfechtbarkeit nicht entgegen. § 39 Abs. 5 InsO privilegiert den nicht geschäftsführenden Gesellschafter, der mit 10 % oder weniger am Haftkapital beteiligt ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar betrug die Beteiligung der Streithelferin zu 2 nur 10 %. Wegen der koordinierten Finanzierung der Schuldnerin durch die Streithelferinnen sind aber deren Beteiligungen am Kapital der Schuldnerin zusammenzurechnen.
21 (a) Die Anwendung des Kleinbeteiligtenprivilegs scheitert nicht schon daran, dass die Streithelferin zu 2 mit 10 % und nicht mit weniger als 10 % am Haftkapital der Schuldnerin beteiligt war und ist. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann auch eine Beteiligung von 10 % das Kleinbeteiligtenprivileg rechtfertigen. Das beruht nicht auf einem Irrtum des Gesetzgebers. Eine einschränkende Auslegung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf Beteiligungen unterhalb von 10 % scheidet aus (aA Scholz/Bitter, GmbHG, 13. Aufl., Anhang § 64 Rn. 91; ders., ZIP 2019, 146, 147; Laspeyres, Hybridkapital in Insolvenz und Liquidation der Kapitalgesellschaft, 2014, S. 217 ff).
22 Mit § 39 Abs. 5 InsO hat der Gesetzgeber die Vorgängervorschrift des § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG rechtsformneutral übernommen. Schon § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG bezog eine Beteiligung von 10 % am Haftkapital in das Kleinbeteiligtenprivileg ein ("zehn vom Hundert oder weniger"). Das Privileg war eingefügt worden durch das Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Konzerne an Kapitalmärkten und zur Erleichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen (KapAEG) vom 20. April 1998 (BGBl. I S. 707; fortan: Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz). Schon seinerzeit war die Privilegierung (auch) einer Beteiligung von 10 % mit Hinweis auf gesetzliche Minderheitenrechte Gegenstand umfänglicher Kritik (Hirte, ZInsO 1998, 148, 153; Dauner-Lieb, DStR 1998, 609, 612 f; Pentz, GmbHR 1999, 437, 438). Diese Kritik, die im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) erneut geäußert worden ist (Roth, GmbHR 2008, 1184, 1188; vgl. auch Uhlenbruck/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 39 Rn. 72; Scholz/Bitter, aaO) kann dem Gesetzgeber nicht entgangen sein. Die Materialien, die das Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz betreffen, befassen sich zudem ausdrücklich mit der "Ausnahme-Schwelle", die auf "volle 10 %" festzusetzen sei, um ein steuerliches und eigenkapitalersatzrechtliches Schachtelprivileg zu begründen (BT-Drucks. 13/7141, S. 12; so auch bereits der Referentenentwurf, ZIP 1996, 1362). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Übernahme der Einbeziehung einer Beteiligung von 10 % am Haftkapital in § 39 Abs. 5 InsO eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zugrunde liegt und eine einschränkende Auslegung insoweit ausscheidet.
23 (b) Die Annahme eines unter das Kleinbeteiligtenprivileg gemäß § 39 Abs. 5 InsO fallenden Gesellschafterdarlehens scheidet aus, weil die Schwelle einer Beteiligung von 10 % am Haftkapital überschritten ist. Zwar beträgt die Beteiligung der Streithelferin zu 2 an der Schuldnerin nur 10 %. Die von allen Streithelferinnen koordiniert vorgenommene Fremdfinanzierung der Schuldnerin führt jedoch zu einer Zusammenrechnung der Beteiligungen und damit zu einem Überschreiten der Schwelle.
24 (aa) Der Gesetzgeber hat in § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG mit einer Beteiligung von 10 % oder weniger am Haftkapital eine starre Grenze eingeführt. Diese starre Grenze hat er in § 39 Abs. 5 InsO beibehalten und insbesondere auf Aktiengesellschaften ausgeweitet (vgl. BT-Drucks. 16/6140, S. 57). Trotz der aus Gründen der Rechtssicherheit eingeführten Beteiligungsgrenze (vgl. BT-Drucks. 13/7141, aaO) hat der Gesetzgeber das Kleinbeteiligtenprivileg aber von Anfang an nicht als absolute Regelung verstanden. Schon den Materialien zum Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz ist zu entnehmen, dass die Privilegierung von Kleinbeteiligungen im Zusammenhang mit der Gesamtregelung gesehen werden müsse, die generalklauselartig ein Umgehungsverbot enthalte, mittels dessen Ausweichverhalten zu begegnen sei (vgl. BT-Drucks. 13/7141, aaO; Referentenentwurf, ZIP 1996, 1362, 1363).
25 Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen hat vor diesem Hintergrund der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine im Einzelfall koordinierte Kreditvergabe wie ein entsprechendes koordiniertes Stehenlassen in der Krise einer Anwendung des Kleinbeteiligtenprivilegs nach § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG entgegenstehen könne (BGH, Beschluss vom 19. März 2007 - II ZR 106/06, ZIP 2007, 1407; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Mai 2005 - II ZR 66/03, ZIP 2005, 1316, 1318; Beschluss vom 26. April 2010 - II ZR 60/09, ZIP 2010, 1443 Rn. 5; jeweils zur Beteiligung an einer Aktiengesellschaft). Nach Maßgabe des seinerzeit geltenden Kapitalersatzrechts war allerdings eine koordinierte Fremdfinanzierung für sich genommen nicht ausreichend. Sie musste in der Krise der Gesellschaft erfolgt oder koordiniert stehengelassen worden sein (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 2005, aaO).
26 (bb) Zur Rechtslage nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) hat sich der Bundesgerichtshof noch nicht geäußert. Die Frage ist dahingehend zu beantworten, dass eine koordinierte Fremdfinanzierung der Anwendung des nunmehr in § 39 Abs. 5 InsO geregelten Kleinbeteiligtenprivilegs nach wie vor entgegenstehen kann, wenn in ihr die Übernahme einer über den nominellen Gesellschaftsanteil hinausgehenden unternehmerischen Verantwortung liegt. Gegebenenfalls werden die Gesellschaftsanteile der an der koordinierten Finanzierung beteiligten Gesellschafter zusammengerechnet. Maßgebend bleiben die Umstände des jeweiligen Einzelfalls.
27 Dass eine koordinierte Fremdfinanzierung der Anwendung des Kleinbeteiligtenprivilegs auch nach Maßgabe der neuen Rechtslage entgegenstehen kann, wird auch im Schrifttum ganz überwiegend angenommen (Habersack in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., Anhang § 30 Rn. 101; Haas in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., Anhang § 64 Rn. 53; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 39 Rn. 74; HK-InsO/Ries, 10. Aufl., § 39 Rn. 66; Köhnen in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2022, § 39 Rn. 72). Zum Teil wird dabei daran festgehalten, dass die koordinierte Finanzierung in der Krise der Gesellschaft erfolgt sein müsse (MünchKomm-InsO/Behme, 4. Aufl., § 39 Rn. 69; aA Schmidt/Herchen, InsO, 20. Aufl., § 39 Rn. 43; Görner/Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl., Anhang § 30 Rn. 119). Erwogen wird auch, es könnte erforderlich sein, dass die Koordinierung im "Suspektszeitraum" des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO vorgenommen worden sei (Scholz/Bitter, GmbHG, 12. Aufl., Anhang § 64 Rn. 101). Weder das eine noch das andere ist der Fall. Die koordinierte Fremdfinanzierung kann dem Kleinbeteiligtenprivileg auch dann entgegenstehen, wenn sie außerhalb der Krise oder des Anfechtungszeitraums des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfolgt ist.
28 Durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen ist das Merkmal der Krisenfinanzierung aufgegeben worden. Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Forderungen unterliegen jetzt ohne weiteres dem Nachrang des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO. Vorinsolvenzlich wird der Nachrang durch den Anfechtungstatbestand des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO gesichert. Was für die Regel - den Nachrang des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO - gilt, muss auch für die Beurteilung der Ausnahme - das Kleinbeteiligtenprivileg des § 39 Abs. 5 InsO - gelten. Deshalb ist es anders als nach Maßgabe des alten Eigenkapitalersatzrechts unerheblich, ob die koordinierte Fremdfinanzierung vor oder nach Eintritt der Krise der Gesellschaft vorgenommen worden ist. In einer koordinierten Fremdfinanzierung kann die Übernahme einer über den nominellen Gesellschaftsanteil hinausgehenden unternehmerischen Verantwortung zum Ausdruck kommen. Darin liegt der maßgebliche Grund dafür, eine solche Finanzierung vom Kleinbeteiligtenprivileg auszunehmen (vgl. Schmidt, GmbHR 1999, 1269, 1272; BT-Drucks. 13/7141, S. 11 f; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Mai 2005 - II ZR 66/03, ZIP 2005, 1316, 1317 f). Die überschießende unternehmerische Verantwortung kommt unabhängig davon zum Ausdruck, ob sich die Gesellschaft bereits in einer Krise befindet oder nicht. Entsprechendes gilt für die Anfechtungsfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Dass diese nicht maßgeblich sein kann, zeigt auch der vorliegende Fall der Anfechtung einer Sicherung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO.
29 (cc) Nach diesen Maßstäben scheidet eine Anwendung des Kleinbeteiligtenprivilegs des § 39 Abs. 5 InsO im Blick auf den Darlehensrückzahlungsanspruch der Streithelferin zu 2 aus. Ihre Beteiligung am Haftkapital der Schuldnerin ist mit den Beteiligungen der anderen Streithelferinnen zusammenzurechnen.
30 Die Schuldnerin plante die Errichtung einer Umschlaganlage für den kombinierten Schienen- und Straßenverkehr (sog. KV-Terminal). Es bestand ein Finanzierungsbedarf in Höhe von 3,8 Millionen Euro. Knapp 3 Millionen Euro waren durch einen Baukostenzuschuss des Eisenbahn-Bundesamts gedeckt. Allerdings war der Baukostenzuschuss abhängig von Bürgschaften zur Sicherung eines möglichen Anspruchs auf Rückzahlung des Baukostenzuschusses. Die restlichen 800.000 € waren gänzlich ungedeckt. In dieser Situation entschieden die Streithelferinnen gemeinsam, die notwendigen Finanzierungsbeiträge (Darlehen und Bürgschaften) im Verhältnis ihrer Beteiligungen an der Schuldnerin zu erbringen. Die dem Kleinbeteiligtenprivileg entgegenstehende Koordination kommt nicht nur in der gemeinsamen Entscheidung über die Fremdfinanzierung zum Ausdruck. Sie liegt insbesondere in der eigens getroffenen Konsortialvereinbarung (vgl. Habersack in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., Anhang § 30 Rn. 101; Schmidt, aaO S. 1272; Görner/Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl., Anhang § 30 Rn. 119). In der Konsortialvereinbarung haben sich die Streithelferinnen wechselseitig zur Stellung und Aufrechterhaltung der Finanzierungsbeiträge verpflichtet. Auf diese Weise hat sich die Streithelferin zu 2 einen über ihre nominelle Beteiligung am Haftkapital hinausgehenden (schuldrechtlichen) Einfluss auf die Finanzierung der Schuldnerin gesichert. Darüber hinaus haben die Streithelferinnen einen Innenausgleich vereinbart, der sowohl für eine Inanspruchnahme aus den Bürgschaften galt als auch im Falle der bevorzugten Befriedigung des Darlehensrückzahlungsanspruchs eines Gesellschafters. Auch darin kommt die Übernahme einer über die nominelle Beteiligung hinausgehenden unternehmerischen Verantwortung zum Ausdruck, die sich nicht nur auf die eigenen Finanzierungsbeiträge bezog, sondern auch auf die Beiträge der anderen Gesellschafterinnen. Die koordinierte Finanzierung kommt schließlich auch dadurch zum Ausdruck, dass sich die Streithelferinnen in Gestalt der streitgegenständlichen Grundschuld eine gemeinsame Sicherheit bestellen ließen.
31 (2) Der Anfechtbarkeit der Besicherung der Darlehensrückzahlungsforderung der Streithelferin zu 2 steht nicht entgegen, dass die Forderung zu deren Gunsten im Rang des § 38 InsO zur Tabelle festgestellt worden ist. Entsprechendes folgt insbesondere nicht aus den Rechtskraftwirkungen des § 178 Abs. 3 InsO.
32 (a) Das Berufungsgericht hat die Grenzen der Rechtskraft in doppelter Hinsicht als überschritten angesehen. Zum einen könne nicht davon ausgegangen werden, dass die beklagte Gesellschaft bürgerlichen Rechts Insolvenzgläubigerin der Schuldnerin sei. Zum anderen seien auch die objektiven Grenzen der Rechtskraft überschritten. Diese seien auf das Insolvenzverfahren beschränkt und bezögen sich auch dort nicht auf den Rang der Forderung, bei dem es sich nur um eine Vorfrage handele.
33 (b) Das hält rechtlicher Prüfung im Ergebnis stand. Gute Gründe streiten dafür, dass sich die Rechtskraftwirkungen des § 178 Abs. 3 InsO auf das Insolvenzverfahren beschränken (vgl. Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl., § 178 Rn. 28; MünchKomm-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 178 Rn. 62; Schoppmeyer, ZInsO 2016, 2157 ff; aA Graf-Schlicker, InsO, 6. Aufl., § 178 Rn. 5). Der Senat muss diese Frage nicht entscheiden, weil die subjektiven Grenzen der Rechtskraft überschritten sind. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Beklagte zu dem Personenkreis gehört, der von § 178 Abs. 3 InsO erfasst ist. Dagegen wendet sich die Revision nicht.
34 bb) Der Anspruch der Streithelferin zu 1 auf Rückzahlung des Darlehenskapitals ist eine Forderung im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Die zur Absicherung des Rückzahlungsanspruchs bestellte Sicherheit ist daher auch insoweit anfechtbar. Entgegen der Ansicht der Revision steht dem Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht entgegen.
35 Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist es den nationalen Gerichten verwehrt, die zur Erfüllung des Tatbestands des Art. 107 Abs. 1 AEUV auch erforderliche Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt zu beurteilen. Ausschließlich zuständig ist die Europäische Kommission, die dabei der Kontrolle der Unionsgerichte unterliegt (vgl. EuGH, Urteil vom 21. November 2013 - C-284/12, EuZW 2014, 65 Rn. 28 mwN). Daraus folgt, dass sich der Einzelne nicht vor den nationalen Gerichten auf einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV berufen kann. Das ändert sich erst, wenn ein Beschluss der Kommission nach Art. 108 Abs. 2 AEUV vorliegt (vgl. Schweitzer/Mestmäcker in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl., Die Beihilfenregeln im System des AEUV Rn. 5; Cremer in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl., Art. 107(ex Art. 87 EGV) Rn. 9 f). Dass es einen Beschluss der Kommission gibt, lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen. Auch die Revision zeigt dies nicht auf. Dies gilt auch für andere Gründe, die eine Berücksichtigung des europäischen Beihilferechts erfordern könnten.
36 d) Die in Gestalt der Abtretung einer Eigentümergrundschuld gewährte Sicherung ist auch insoweit nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar, als die Streithelferinnen sich gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt verbürgt oder Bürgschaften Dritter gestellt haben. Besichert sind hier Regressansprüche, die den Streithelferinnen gegen die Schuldnerin zustehen, wenn es zu einer Inanspruchnahme der Bürgschaften durch das Eisenbahn-Bundesamt kommt. Bei diesen Regressansprüchen handelt es sich um Forderungen, die einer Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO gleichstehen.
37 aa) Der Bundesgerichtshof hat zur Rechtslage nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) bereits entschieden, dass der Regressanspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft aus der Besicherung eines Drittdarlehens eine Forderung im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO ist (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - IX ZR 11/11, BGHZ 192, 9 Rn. 9 f; vgl. auch Schmidt, InsO, 20. Aufl., § 44a Rn. 17; MünchKomm-InsO/Bitter, 4. Aufl., § 44a Rn. 28; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 44a Rn. 5; BeckOK-InsO/Prosteder/Dachner, 2021, § 44a Rn. 16; Schmidt, BB 2008, 1966, 1970). Folgende Regelungen gelten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bislang für die rechtliche Behandlung der Sicherheit des Gesellschafters: Ist die Sicherheit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwertet worden, steht die Regressforderung des Gesellschafters im Rang nach den Insolvenzforderungen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO). Hat der Gesellschafter im letzten Jahr vor der Eröffnung nach Verwertung seiner Sicherheit Regress genommen, ist die Leistung der Gesellschaft nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar. Ist die gesicherte Forderung noch offen, kann der Drittgläubiger quotale Befriedigung nur in Höhe des Ausfalls nach Verwertung der Gesellschaftersicherheit verlangen (§ 44a InsO; BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011, aaO Rn. 10). Diese Regeln sind dahingehend zu ergänzen, dass eine Sicherheit, welche die Gesellschaft dem Gesellschafter für seine Regressforderung aus der Besicherung des Drittdarlehens bestellt hat, unter den Voraussetzungen des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar ist. Dies gilt unabhängig davon, ob der Drittgläubiger die Gesellschaftersicherheit in Anspruch genommen hat oder nicht.
38 bb) Maßgeblicher Grund für die Einordnung des Regressanspruchs als Forderung, die einer Forderung auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens wirtschaftlich entspricht (§ 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO), ist, dass die Besicherung eines Drittdarlehens durch den Gesellschafter wirtschaftlich einer Krediteinräumung durch ihn persönlich gleichkommt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1988 - II ZR 378/87, ZIP 1989, 161, 162; vom 27. November 1989 - II ZR 310/88, ZIP 1990, 95, 96). Der Gesellschafter ermöglicht durch die Besicherung der Drittmittel eine Finanzierung der Gesellschaft, die er anderenfalls selbst vorzunehmen hätte - sei es durch Zuführung von Eigenkapital oder durch Gewährung eines Gesellschafterdarlehens. Bei der insoweit gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung macht es auch keinen Unterschied, ob die Besicherung des Drittgläubigers aus Mitteln der Gesellschaft erfolgt, die der Gesellschafter ihr zuvor zugeführt hat, oder durch den Gesellschafter selbst (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1988, aaO). Der Grund für die Gleichstellung von Darlehensrückzahlungs- und Regressanspruch ist demnach in der Regel ein doppelter. Zum einen verschafft der Gesellschafter der Gesellschaft mittelbar die Liquidität des Drittgläubigers, indem er dessen Ansprüche gegen die Gesellschaft besichert. Durch die Gesellschaftersicherheit erhält die Gesellschaft zum anderen die Mittel, die sie sonst selbst zur Besicherung der Drittmittel benötigt hätte.
39 cc) Ausnahmsweise kommt es in Betracht, dass der Gesellschaft die Drittmittel nicht nur auf Zeit (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2020 - IX ZR 231/19, NZI 2021, 90 Rn. 11) verschafft werden. Das zeigt der Streitfall. Der Baukostenzuschuss des Eisenbahn-Bundesamts war der Sache nach nicht rückzahlbar. Die Verschaffung der Drittmittel erfolgte demnach im Ausgangspunkt nicht nur zeitweise. Dementsprechend sicherten die von den Streithelferinnen übernommenen oder gestellten Bürgschaften nicht einen ohne weiteres bestehenden Rückzahlungsanspruch. Der Baukostenzuschuss war indes an Auflagen und Bedingungen gebunden. Ein Verstoß konnte einen Rückzahlungsanspruch begründen. Zur Sicherung eines solchen Rückzahlungsanspruchs dienten die Bürgschaften der Streithelferinnen. Es kann offenbleiben, ob die mögliche Rückzahlungspflicht die Annahme rechtfertigt, der Baukostenzuschuss sei der Schuldnerin nur auf Zeit verschafft worden. Nur zeitweise, nämlich bis zum Wegfall des Sicherungszwecks der Bürgschaften im Verhältnis der Schuldnerin zum Eisenbahn-Bundesamt, haben die Streithelferinnen der Schuldnerin jedenfalls die Mittel zur Besicherung des möglichen Rückzahlungsanspruchs verschafft. Diese hätte anderenfalls die Schuldnerin selbst aufbringen müssen.
40 e) Dem Anspruch aus § 143 Abs. 1 InsO auf Rückgewähr der Grundschuld steht schließlich nicht entgegen, dass sich die Schuldnerin gegenüber den Streithelferinnen zur Entrichtung von Darlehenszinsen und Avalprovisionen verpflichtet hat, die nur bis zur Bestellung der ursprünglichen Verwalterin zur vorläufigen Insolvenzverwalterin entrichtet worden und seitdem offengeblieben sind.
41 aa) Die Auslegung der Sicherungszweckvereinbarung durch das Berufungsgericht, wonach die Vereinbarung Darlehenszinsen und Avalprovisionen nicht umfasse, hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Bezieht sich der Sicherungszweck, wie im Streitfall, ausdrücklich auf alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis, ist bei interessengerechter Auslegung in aller Regel davon auszugehen, dass auch Nebenforderungen wie Zinsen oder Avalprovisionen umfasst sind. Dies ist auch hier der Fall. Der vom Berufungsgericht zuerkannte Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1 InsO besteht gleichwohl. Die Sicherung auch dieser Forderungen, soweit noch offen, durch die Grundschuld ist nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar.
42 bb) Mit Urteil vom 27. Juni 2019 (IX ZR 167/18, BGHZ 222, 283 Rn. 42 ff) hat allerdings der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Bezahlung vertraglich vereinbarter Darlehenszinsen grundsätzlich nicht nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar ist (BGH, Urteil vom 27. Juni 2019, aaO Rn. 43). Dem liegt zugrunde, dass der Darlehenszins das Entgelt für die Überlassung des Darlehenskapitals auf Zeit ist (BGH, Urteil vom 27. Juni 2019, aaO Rn. 44) und ein Entgelt im Grundsatz weder eine Finanzierungshandlung gegenüber der Gesellschaft noch eine Forderung auf Rückführung des geleisteten Finanzierungsbeitrags darstellt (BGH, Urteil vom 27. Juni 2019, aaO Rn. 45). Für die Avalprovision, die das Entgelt für die Übernahme einer Bürgschaft darstellt, kann nichts anderes gelten. Ein weiterer Grund dafür, dass der Zins für ein Gesellschafterdarlehen nicht ohne weiteres als eine Forderung angesehen werden kann, die der Forderung auf Rückgewähr des Darlehens gleichsteht, folgt aus der Gesetzessystematik, die überdies auf den Willen des Gesetzgebers schließen lässt. Fielen die Zinsen ohne weiteres in den Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO, hätte es der Regelung des § 39 Abs. 3 InsO insoweit nicht bedurft.
43 cc) Die Senatsentscheidung vom 27. Juni 2019 (aaO) bezieht sich jedoch auf eine Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO und damit auf die Beurteilung der Frage, ob bezahlte (BGH, Urteil vom 27. Juni 2019, aaO Rn. 45) Zinsen zurückgefordert werden können. Hier geht es um die Anfechtung einer Sicherung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Insoweit ist eine abweichende Betrachtung jedenfalls dann angezeigt, wenn die besicherten Zins- oder Provisionsansprüche im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch offen sind oder erst nach diesem Zeitpunkt anfallen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Ansprüche darlehensgleich gestundet worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2019, aaO Rn. 44) oder begründet wurden, um die in Wirklichkeit beabsichtigte (teilweise) Rückzahlung der ohne weiteres nachrangigen Hauptforderung zu verschleiern (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2019, aaO Rn. 46).
44 Durch die Regelung des § 39 Abs. 3 InsO hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die unbefriedigten Zinsansprüche nachrangiger Insolvenzgläubiger den gleichen Rang haben sollen wie die Forderungen selbst. Anders als im Falle des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO gilt dies nicht nur für die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen, sondern auch für alle bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen und noch offenen Zinsansprüche (Uhlenbruck/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 39 Rn. 57; BeckOK-InsO/Prosteder/Dachner, 2022, § 39 Rn. 127). Die Vorschrift gilt auch für sonstige Nebenforderungen (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2015 - IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rn. 17) und damit auch für Avalprovisionen. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollen demnach auch Verbindlichkeiten, die neben einer Forderung auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder einer gleichgestellten Forderung bestehen, erst im Rang des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO befriedigt werden.
45 § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO steht in engem Zusammenhang mit der Nachrangregel des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO. Ist die Befriedigung aus der Sicherheit nicht schon vorinsolvenzlich erfolgt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 219/11, BGHZ 198, 64), soll eine Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO verhindern, dass der Nachrang des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO durch ein Absonderungsrecht des Forderungsinhabers unterlaufen wird (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 - IX ZR 184/14, BGHZ 212, 272 Rn. 21); die Anfechtung bewirkt, dass die Sicherheit zur Befriedigung der vorrangigen Gläubiger verwendet werden kann. Dies entspricht dem Anliegen, den Gesellschaftern die Möglichkeit zu versagen, der Gesellschaft zur Verfügung gestellte Kreditmittel zu Lasten der Gläubigergesamtheit zu entziehen. Der auf die vorinsolvenzliche Absicherung des Nachrangs angelegte Anfechtungstatbestand ist der maßgebliche Unterschied zu den Nachrangregeln des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 InsO, die eine abgesonderte Befriedigung nicht hindern (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 - IX ZR 132/07, ZInsO 2008, 915 Rn. 8; Beschluss vom 16. Oktober 2008 - IX ZR 46/08, ZInsO 2008, 1324 Rn. 6; Urteil vom 17. Februar 2011 - IX ZR 83/10, ZInsO 2011, 630 Rn. 12).
46 Das Ziel, die für eine Forderung auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder eine gleichgestellte Forderung bestellte Sicherheit der Befriedigung der vorrangigen Gläubiger zuzuführen, wird jedenfalls dann nicht hinreichend verwirklicht, wenn dem Forderungsinhaber eine abgesonderte Befriedigung wegen der gemäß § 39 Abs. 3 InsO ebenfalls nachrangigen Nebenforderungen ermöglicht wird, die im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch offen sind oder erst nach diesem Zeitpunkt anfallen. Insbesondere vertraglich vereinbarte Darlehenszinsen fallen auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an. Dass diese mit der Finanzierungsentscheidung des Gesellschafters untrennbar verbundenen Ansprüche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ebenfalls dem Nachrang des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO unterfallen sollen, ist die Anordnung des § 39 Abs. 3 InsO. Die Anordnung gilt unabhängig davon, ob die Nebenforderungen kreditiert oder darlehensgleich gestundet sind.