EuGH: Klausel-RL – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen
EuGH, Urteil vom 16.3.2023 – C-6/22
ECLI:EU:C:2023:216
Volltext: BB-Online BBL2023-833-1
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Tenor
1. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass es im Fall der Nichtigerklärung eines zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrags wegen Missbräuchlichkeit einer seiner Klauseln Sache der Mitgliedstaaten ist, unter Beachtung des dem Verbraucher von dieser Richtlinie gewährten Schutzes die Folgen dieser Nichtigerklärung durch ihr nationales Recht insbesondere dadurch zu regeln, dass die Wiederherstellung der Sach- und Rechtslage gewährleistet wird, in der sich der Verbraucher ohne die missbräuchliche Klausel befunden hätte.
2. Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sind dahin auszulegen, dass sie das nationale Gericht daran hindern, zum einen außerhalb einer ihm durch das nationale Recht hierzu eingeräumten Befugnis von Amts wegen die finanzielle Lage eines Verbrauchers zu prüfen, der wegen einer missbräuchlichen Klausel, ohne die der Vertrag rechtlich nicht fortbestehen kann, die Nichtigerklärung des Vertrags mit dem Gewerbetreibenden beantragt hat, selbst wenn diese für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen haben kann, und zum anderen, die Nichtigerklärung abzulehnen, wenn der Verbraucher sie ausdrücklich beantragt hat, nachdem er objektiv und umfassend über die rechtlichen sowie die besonders nachteiligen wirtschaftlichen Folgen informiert wurde, die sie für ihn haben kann.
3. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass das nationale Gericht, nachdem es die Missbräuchlichkeit einer Klausel eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags festgestellt hat, gehindert ist, die sich aus der Aufhebung der missbräuchlichen Klausel in diesem Vertrag ergebenden Lücken durch die Anwendung einer nicht dispositiven Vorschrift des nationalen Rechts zu schließen. Es muss allerdings unter Berücksichtigung seines gesamten innerstaatlichen Rechts alle Maßnahmen ergreifen, die erforderlich sind, um den Verbraucher vor den besonders nachteiligen Folgen zu schützen, die die Nichtigerklärung des Vertrags für ihn nach sich ziehen könnte.
Aus den Gründen
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen M. B., U. B. und M. B. auf der einen Seite und der X S.A. auf der anderen Seite über die Folgen der Nichtigerklärung eines zwischen diesen Parteien geschlossenen Hypothekenkreditvertrags.
Rechtlicher Rahmen
3 Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“
4 Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 lautet:
„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
5 Am 4. Juni 2007 schlossen M. B., U. B. und M. B. als Verbraucher mit der Rechtsvorgängerin von X, einer Bank, einen Hypothekendarlehensvertrag über einen Betrag von 339 881,92 polnischen Zloty (PLN) mit einer Laufzeit von 360 Monaten, das an eine Fremdwährung, den Schweizer Franken (CHF), gekoppelt war.
6 Gemäß den vertraglichen Vereinbarungen wurden die monatlichen Raten sowie der geschuldete Restbetrag dieses Darlehens in Schweizer Franken berechnet und gemäß dem auf jede einzelne dieser Raten anwendbaren Verkaufskurs CHF‑PLN in polnischen Zloty gezahlt.
7 Vor dem vorlegenden Gericht machen die Darlehensnehmer geltend, dass die Vertragsklauseln über diesen Koppelungsmechanismus missbräuchlich seien, da in Ermangelung spezifischer Regeln in diesem Vertrag der für die Berechnung der Monatsraten des Darlehens verwendete Wechselkurs von der Bank nach deren freiem Ermessen festgelegt werde.
8 M. B., U. B. und M. B. forderten die Aufhebung dieser Vertragsklauseln und machten geltend, dass die Monatsraten in polnischen Zloty berechnet und zum LIBOR-Satz verzinst werden müssten. Sie erklärten sich mit der Nichtigerklärung des Vertrags durch das vorlegende Gericht einverstanden.
9 Dieses ist der Auffassung, dass die Klauseln über den in Rede stehenden Koppelungsmechanismus wegen Missbräuchlichkeit für nichtig erklärt werden müssten. Da der in Rede stehende Darlehensvertrag nicht ohne diese Klauseln fortbestehen könne, müsse es dem Antrag der Verbraucher auf Nichtigerklärung des Kreditvertrags stattgeben.
10 So sei erstens die Nichtigerklärung des Vertrags trotz der sich daraus für die Verbraucher ergebenden nachteiligen Wirkungen unvermeidlich.
11 Gemäß dem Urteil vom 7. November 2019, Kanyeba u. a. (C‑349/18 bis C‑351/18, EU:C:2019:936), würden die Folgen der Nichtigkeit eines Vertrags nur vom nationalen Recht festgelegt. Im vorliegenden Fall kämen die allgemeinen Vorschriften über das Vertragsrecht zur Anwendung. Allerdings seien die in der Richtlinie 93/13 enthaltenen Erwägungen zum Verbraucherschutz und zur Abschreckung der Gewerbetreibenden, missbräuchliche Klauseln zu verwenden, den anwendbaren nationalen Bestimmungen fremd, nach denen die Vertragsparteien die sich aus seiner Nichtigerklärung ergebenden Verluste zu gleichen Teilen trügen. Die Kläger des Ausgangsverfahrens verlören also den ihnen nach dieser Richtlinie zustehenden Schutz.
12 Zweitens fragt sich das vorlegende Gericht unter Hinweis darauf, dass der Gerichtshof im Urteil vom 29. April 2021, Bank BPH (C‑19/20, EU:C:2021:341), entschieden habe, dass die Nichtigerklärung eines Vertrags wegen missbräuchlicher Klauseln nicht von einem ausdrücklichen entsprechenden Antrag des Verbrauchers abhänge, sondern sich aus einer objektiven Anwendung der im nationalen Recht festgelegten Kriterien durch das nationale Gericht ergebe, ob es die Folgen der Nichtigerklärung des Vertrags für die Situation des Verbrauchers selbst feststellen müsse oder ob es sich insoweit auf die Informationen beschränken müsse, die ihm die Kläger des Ausgangsverfahrens vorgelegt hätten, wie das polnische Verfahrensrecht es ihm vorschreibe.
13 Drittens sei der Rechtsstreit, mit dem es befasst sei, dadurch gekennzeichnet, dass es im nationalen Recht keine relevanten dispositiven Bestimmungen gebe, was zwangsläufig zur Nichtigerklärung des Vertrags führe und nachteilige Folgen für den Verbraucher habe. Egal, wie es entscheide, würde eines der Ziele der Richtlinie 93/13 nicht erreicht. Entweder schließe es die sich aus der Nichtigkeit der missbräuchlichen Klauseln ergebenden Lücken des Vertrags zulasten des Ziels, bei dem Gewerbetreibenden eine abschreckende Wirkung sicherzustellen, oder es erkläre den gesamten Vertrag für nichtig und setze den Verbraucher für ihn nachteiligen Wirkungen aus.
14 Unter diesen Umständen hat der Sąd Rejonowy dla Warszawy-Woli w Warszawie I Wydział Cywilny (Rayongericht Warschau-Wola in Warschau, Erste Abteilung für Zivilsachen, Polen) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist angesichts des Ziels der Richtlinie 93/13, das darin besteht, die Verbraucher vor missbräuchlichen Klauseln in Verträgen mit Gewerbetreibenden zu schützen, eine Auslegung dahin zulässig, dass, wenn ein Gericht einen Vertrag in Anwendung der Bestimmungen dieser Richtlinie für nichtig erklärt, die Anwendung der Richtlinie und damit der Schutz des Verbrauchers enden, so dass die Regeln der Vertragsabwicklung für den Verbraucher und den Gewerbetreibenden in den Vorschriften des nationalen Schuldrechts zu suchen sind, das für die Abwicklung nichtiger Verträge gilt?
2. Wenn das Gericht die Unzulässigkeit einer bestimmten Vertragsklausel feststellt und der Vertrag nach der Entfernung dieser Klausel nicht fortbestehen kann, muss es dann – sofern die Parteien nicht vereinbart haben, die entstandene Lücke durch ihrem Willen entsprechende Bedingungen zu schließen, und es keine dispositiven Bestimmungen gibt (die in Ermangelung einer Vereinbarung zwischen den Parteien auf den Vertrag unmittelbar anwendbar wären) – angesichts der Art. 6 und 7 der Richtlinie 93/13 den Vertrag entsprechend dem Willen des Verbrauchers, der dies beantragt, für nichtig erklären oder aber von Amts wegen über die Anträge der Parteien hinaus die finanzielle Lage des Verbrauchers prüfen, um festzustellen, ob die Nichtigerklärung des Vertrags für ihn besonders nachteilige Folgen hätte?
3. Lässt Art. 6 der Richtlinie 93/13 eine Auslegung dahin zu, dass das Gericht – wenn es zu dem Ergebnis kommt, dass die Nichtigerklärung des Vertrags für den Verbraucher besonders nachteilig wäre, und die Parteien, obwohl sie dazu angeregt wurden, keine Einigung über die Ergänzung des Vertrags erzielen – die durch die Entfernung der missbräuchlichen Klauseln entstandene Vertragslücke im objektiven Interesse des Verbrauchers durch Vorschriften des nationalen Rechts schließen kann, die nicht im Sinne des Urteils vom 3. Oktober 2019, Dziubak (C‑260/18, EU:C:2019:819), dispositiv, d. h. auf die Vertragslücke unmittelbar anwendbar, sind, sondern bei denen es sich um spezifische Vorschriften des nationalen Rechts handelt, die nur entsprechend bzw. analog auf den fraglichen Vertrag angewandt werden können und die geltenden Regelungen des nationalen Schuldrechts widerspiegeln?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
15 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass es im Fall der Nichtigerklärung eines zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrags wegen Missbräuchlichkeit einer seiner Klauseln Sache der Mitgliedstaaten ist, die Folgen dieser Nichtigerklärung durch ihr nationales Recht zu regeln, ungeachtet des Schutzes, der Verbrauchern durch diese Richtlinie gewährt wird.
16 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Auslegung einer unionsrechtlichen Vorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Kontext und die Ziele zu berücksichtigen sind, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 2. Dezember 2021, Vodafone Kabel Deutschland, C‑484/20, EU:C:2021:975, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).
17 Erstens sehen nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 „die Mitgliedstaaten … vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest“.
18 Diese Bestimmung legt nicht selbst die Kriterien fest, nach denen ein Vertrag ohne die missbräuchlichen Klauseln fortbestehen kann, sondern überlässt es der nationalen Rechtsordnung, sie unter Beachtung des Unionsrechts festzulegen. Somit ist es Sache der Mitgliedstaaten, durch ihr nationales Recht die Bedingungen festzulegen, unter denen die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel erfolgt und die konkreten Rechtswirkungen dieser Feststellung eintreten. Eine solche Feststellung muss es jedenfalls ermöglichen, die Sach- und Rechtslage wiederherzustellen, in der sich der Verbraucher ohne diese missbräuchliche Klausel befunden hätte (Urteil vom 29. April 2021, Bank BPH, C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 84).
19 Des Weiteren hängt die Frage, ab wann die Nichtigerklärung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrags ihre Wirkungen entfaltet, ausschließlich vom nationalen Recht ab, wie es im Wesentlichen in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 heißt, sofern der den Verbrauchern durch die Bestimmungen der Richtlinie 93/13 gewährleistete Schutz sichergestellt ist (Urteil vom 29. April 2021, Bank BPH, C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 88).
20 Insbesondere kann durch die Einbettung des den Verbrauchern durch die Richtlinie 93/13 gewährten Schutzes in das nationale Recht nicht die Tragweite und folglich das Wesen dieses Schutzes geändert und somit die Verbesserung des Schutzes durch die Aufstellung einheitlicher Rechtsvorschriften auf dem Gebiet missbräuchlicher Klauseln in Frage gestellt werden (Urteil vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a., C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 65).
21 Zweitens hat der Gerichtshof in Anbetracht des speziellen Kontexts, in den sich Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 einfügt, deren Bestimmungen auf den Schutz der Verbraucher vor der Verwendung missbräuchlicher Klauseln abzielen, entschieden, dass der von dieser Richtlinie verliehene Schutz nicht nur auf die Dauer der Erfüllung des von einem Gewerbetreibenden mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrags beschränkt werden darf, sondern dass er auch nach Erfüllung dieses Vertrags gilt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2020, Raiffeisen Bank und BRD Groupe Société Générale, C‑698/18 und C‑699/18, EU:C:2020:537, Rn. 73).
22 Somit ist es im Fall der Nichtigerklärung des zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrags wegen Missbräuchlichkeit einer seiner Klauseln Sache der Mitgliedstaaten, unter Beachtung des dem Verbraucher von der Richtlinie 93/13 gewährten Schutzes die Folgen dieser Nichtigerklärung durch ihr nationales Recht zu regeln, insbesondere indem die Wiederherstellung der Sach- und Rechtslage gewährleistet wird, in der sich der Verbraucher ohne die missbräuchliche Klausel befunden hätte.
23 Dieses Ergebnis wird drittens durch die von der Richtlinie 93/13 verfolgten Ziele bestätigt.
24 So besteht zum einen das erste und unmittelbare Ziel der Richtlinie darin, den Verbraucher zu schützen und Ausgewogenheit zwischen den Parteien herzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2021, Bank BPH, C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 72).
25 Insbesondere ist eine für missbräuchlich erklärte Vertragsklausel grundsätzlich als von Anfang an nicht existent anzusehen, so dass sie gegenüber dem Verbraucher keine Wirkungen haben kann, was dazu führt, dass die Sach- und Rechtslage wiederhergestellt wird, in der sich der Verbraucher ohne diese Klausel befunden hätte (Urteil vom 14. März 2019, Dunai, C‑118/17, EU:C:2019:207, Rn. 41).
26 Zum anderen verfolgt die Richtlinie 93/13 auch ein zweites Ziel, das in Art. 7 der Richtlinie 93/13 genannt wird, nämlich langfristig der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch Gewerbetreibende ein Ende zu setzen, und die schlichte Nichtanwendung missbräuchlicher Klauseln gegenüber dem Verbraucher hat einen Abschreckungseffekt auf die Gewerbetreibenden, was die Verwendung solcher Klauseln betrifft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2021, Bank BPH, C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 68).
27 Im vorliegenden Fall führt das vorlegende Gericht aus, dass die Vorschriften des nationalen Rechts, die es für die Bestimmung der Folgen der Nichtigerklärung des Vertrags anzuwenden habe, zur Aufteilung der sich aus dieser Nichtigerklärung ergebenden Verluste zu gleichen Teilen zwischen den Klägern des Ausgangsverfahrens und X führen würden.
28 Eine solche Konsequenz liefe allerdings den in den Rn. 23 bis 26 des vorliegenden Urteils genannten Zielen zuwider, da sie den Schutz in Frage stellen würde, der Verbrauchern nach der Nichtigerklärung des Vertrags aufgrund der Richtlinie 93/13 zusteht.
29 Nach den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts würde nämlich die Anwendung der Bestimmungen des nationalen Rechts nicht die Wiederherstellung der Sach- und Rechtslage gewährleisten, in der sich die Verbraucher ohne die missbräuchliche Klausel befunden hätten, wodurch also das von der Richtlinie 93/13 verfolgte Ziel, diese zu schützen, beeinträchtigt würde.
30 Ohne den von der Richtlinie 93/13 gewährleisteten Schutz trüge die Anwendung der Bestimmungen des nationalen Rechts, die eine gleichmäßige Aufteilung der Verluste zwischen den Parteien vorsehen, dazu bei, den Abschreckungseffekt zu beseitigen, der für die Gewerbetreibenden darin besteht, dass solche missbräuchlichen Klauseln gegenüber dem Verbraucher schlicht unangewendet bleiben, da diese Bestimmungen letztendlich den Gewerbetreibenden zugutekommen könnten, indem ihre Pflicht zur Rückerstattung von auf der Grundlage dieser Klauseln zu Unrecht erhaltener Beträge begrenzt würde.
31 Diese Auslegung wird nicht durch das vom vorlegenden Gericht genannte Urteil vom 7. November 2019, Kanyeba u. a. (C‑349/18 bis C‑351/18, EU:C:2019:936), in Frage gestellt.
32 Insofern genügt der Hinweis, dass der Gerichtshof in Rn. 73 dieses Urteils ausgeführt hat, dass die Beurteilung des Sachverhalts im Hinblick auf das Recht der außervertraglichen Haftung nicht anhand der Richtlinie 93/13, sondern anhand des nationalen Rechts zu treffen ist. Im vorliegenden Fall ist der Vorlageentscheidung nicht zu entnehmen, dass der Ausgangsrechtsstreit in den Bereich der außervertraglichen Haftung fällt, da das vorlegende Gericht wissen möchte, ob der von dieser Richtlinie gewährleistete Schutz sich auf die Folgen der Nichtigerklärung eines missbräuchliche Klauseln enthaltenden Vertrags erstreckt.
33 Nach alledem ist Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass es im Fall der Nichtigerklärung eines zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrags wegen Missbräuchlichkeit einer seiner Klauseln Sache der Mitgliedstaaten ist, unter Beachtung des dem Verbraucher von dieser Richtlinie gewährten Schutzes die Folgen dieser Nichtigerklärung durch ihr nationales Recht insbesondere dadurch zu regeln, dass die Wiederherstellung der Sach- und Rechtslage gewährleistet wird, in der sich der Verbraucher ohne die missbräuchliche Klausel befunden hätte.
Zur zweiten Frage
34 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass das nationale Gericht von Amts wegen die finanzielle Lage eines Verbrauchers prüfen kann, der wegen einer missbräuchlichen Klausel, ohne die der Vertrag rechtlich nicht fortbestehen kann, die Nichtigerklärung des Vertrags mit einem Gewerbetreibenden beantragt hat, und ob es den Antrag des Verbrauchers ablehnen kann, wenn die Nichtigerklärung des Vertrags für ihn besonders nachteilige Folgen haben kann.
35 Erstens hat der Gerichtshof im Wesentlichen entschieden, dass sowohl der Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 als auch die Erfordernisse der Rechtssicherheit geschäftlicher Tätigkeiten für einen objektiven Ansatz bei der Auslegung dieser Bestimmung sprechen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2021, Bank BPH, C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 56).
36 Nach Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.
37 Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass das mit der Richtlinie 93/13 geschaffene System zum Schutz des Verbrauchers auf dem Gedanken beruht, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt, was dazu führt, dass er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können (Urteil vom 7. Dezember 2017, Banco Santander, C‑598/15, EU:C:2017:945, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
38 Allerdings kommt dieses Schutzsystem nicht zur Anwendung, wenn sich der Verbraucher dagegen wendet. Es steht ihm frei – nachdem er von dem nationalen Gericht unterrichtet worden ist –, die Missbräuchlichkeit und Unverbindlichkeit einer Klausel nicht geltend zu machen, damit der fraglichen Klausel frei und aufgeklärt zuzustimmen und gleichzeitig die Nichtigerklärung des Vertrags abzuwenden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2021, Bank BPH, C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 95).
39 Damit der Verbraucher frei und aufgeklärt zustimmen kann, hat das nationale Gericht die Parteien im Rahmen der nationalen Verfahrensvorschriften und im Hinblick auf den Grundsatz der Billigkeit in Zivilverfahren objektiv und erschöpfend auf die Rechtsfolgen hinzuweisen, die die Aufhebung der missbräuchlichen Klausel nach sich ziehen kann, und zwar unabhängig davon, ob sie durch einen professionellen Bevollmächtigten vertreten sind oder nicht (Urteil vom 29. April 2021, Bank BPH, C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 97).
40 Eine solche Information ist insbesondere dann umso wichtiger, wenn die Nichtanwendung der missbräuchlichen Klausel zur Nichtigerklärung des gesamten Vertrags führen kann, was den Verbraucher möglicherweise Erstattungsansprüchen aussetzt (Urteil vom 29. April 2021, Bank BPH, C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 98).
41 Gleichwohl hat der Gerichtshof entschieden, dass für die Beurteilung der Folgen für die Situation des Verbrauchers, die sich aus der Feststellung der Unwirksamkeit eines Vertrags als Ganzes ergeben, der vom Verbraucher in dieser Hinsicht zum Ausdruck gebrachte Wille entscheidend ist (Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak, C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 56).
42 Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens die Nichtigerklärung des Darlehensvertrags mit X beantragt haben.
43 Daher kann das vorlegende Gericht, sofern es die Verbraucher objektiv und umfassend über die rechtlichen sowie die besonders nachteiligen wirtschaftlichen Folgen informiert hat, die die Nichtigerklärung des Vertrags für sie haben kann, sich nicht über ihren Verzicht auf den ihnen von dieser Richtlinie verliehenen Schutz hinwegsetzen, nachdem es von ihrem Willen Kenntnis genommen hat, den Vertrag für nichtig erklären zu lassen.
44 Zudem kann in Anbetracht der in den Rn. 38 bis 41 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung das mit der Richtlinie 93/13 verfolgte Ziel des Verbraucherschutzes es dem nationalen Gericht nicht ermöglichen, außerhalb einer ihm durch das nationale Recht hierzu eingeräumten Befugnis von Amts wegen die finanzielle Lage des Verbrauchers zu prüfen, der wegen einer missbräuchlichen Klausel die Nichtigerklärung des Vertrags mit dem Gewerbetreibenden beantragt hat, um zu ermitteln, ob eine solche Nichtigerklärung für ihn besonders nachteilige Folgen haben kann.
45 Nach alledem sind Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass sie das nationale Gericht daran hindern, zum einen außerhalb einer ihm durch das nationale Recht hierzu eingeräumten Befugnis von Amts wegen die finanzielle Lage eines Verbrauchers zu prüfen, der wegen einer missbräuchlichen Klausel, ohne die der Vertrag rechtlich nicht fortbestehen kann, die Nichtigerklärung des Vertrags mit dem Gewerbetreibenden beantragt hat, selbst wenn diese für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen haben kann, und zum anderen, die Nichtigerklärung abzulehnen, wenn der Verbraucher sie ausdrücklich beantragt hat, nachdem er objektiv und umfassend über die rechtlichen sowie die besonders nachteiligen wirtschaftlichen Folgen informiert wurde, die sie für ihn haben kann.
Zur dritten Frage
Zur Zulässigkeit
46 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass das nationale Gericht, nachdem es die Missbräuchlichkeit einer Klausel eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags festgestellt hat, gehindert ist, die sich aus der Aufhebung der missbräuchlichen Klausel in diesem Vertrag ergebenden Lücken durch die Anwendung einer nicht dispositiven Bestimmung des nationalen Rechts zu schließen.
47 Die Europäische Kommission hat Zweifel an der Zulässigkeit dieser Frage, die hypothetischen Charakter habe. Wenn nämlich der Gerichtshof entscheiden sollte, dass, falls die Aufhebung einer missbräuchlichen Klausel zur Nichtigerklärung des Vertrags zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher führe, das nationale Gericht verpflichtet sei, den Verbraucher objektiv und umfassend über die rechtlichen und tatsächlichen Folgen zu informieren, die sich aus dieser Nichtigerklärung ergäben, ohne die finanzielle Lage des Verbrauchers, der sie beantragt habe, von Amts wegen prüfen und sich über den Willen des Verbrauchers hinwegsetzen zu können, den Vertrag für nichtig erklären zu lassen, dann sei die dritte Frage nicht zu beantworten. Außerdem gehe aus der Vorlageentscheidung hervor, dass der Verbraucher der etwaigen Nichtigerklärung des Vertrags in seiner Gesamtheit zugestimmt habe.
48 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt der Zweck eines Vorabentscheidungsersuchens nicht darin, Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben, sondern darin, dem Bedürfnis nach einer tatsächlichen Entscheidung eines Rechtsstreits über das Unionsrecht Genüge zu tun (Urteil vom 31. Mai 2018, Confetra u. a., C‑259/16 und C‑260/16, EU:C:2018:370, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).
49 Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich zwar, dass die Verbraucher im Ausgangsrechtsstreit ihre Zustimmung zur Nichtigerklärung des Vertrags gegeben haben; es wird aber nicht erläutert, ob diese Zustimmung gegeben wurde, nachdem die betreffenden Verbraucher objektiv und umfassend über die rechtlichen sowie die besonders nachteiligen wirtschaftlichen Folgen informiert wurden, die diese Nichtigerklärung für sie haben kann.
50 Da das vorlegende Gericht, u. a. wegen der Fragen zum Umfang der Informationen, die es den Verbrauchern geben muss, noch nicht über den Antrag auf Nichtigerklärung des Vertrags entschieden hat, kann die Frage, ob es für den Fall, dass keine Nichtigerklärung erfolgen sollte, die Lücken, die sich aus der Aufhebung der missbräuchlichen Klauseln ergeben, durch die Anwendung einer nicht dispositiven Bestimmung des nationalen Rechts schließen kann, nicht als hypothetisch angesehen werden.
51 Die dritte Frage ist daher zulässig.
Zur Beantwortung der Frage
52 Gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 obliegt es dem nationalen Gericht, die missbräuchlichen Klauseln für unanwendbar zu erklären, damit sie den Verbraucher nicht binden, sofern der Verbraucher dem nicht widerspricht. Der Vertrag muss jedoch – abgesehen von der Änderung, die sich aus der Aufhebung der missbräuchlichen Klauseln ergibt – grundsätzlich unverändert fortbestehen, soweit dies nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts rechtlich möglich ist (Urteil vom 25. November 2020, Banca B., C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).
53 Folglich kann das nationale Gericht, wenn es die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher feststellt, den Vertrag nicht durch Abänderung des Inhalts dieser Klausel anpassen (Urteil vom 25. November 2020, Banca B., C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).
54 Wie der Gerichtshof festgestellt hat, könnte nämlich, wenn es dem nationalen Gericht freistünde, den Inhalt der missbräuchlichen Klauseln in einem solchen Vertrag abzuändern, eine derartige Befugnis die Verwirklichung des langfristigen Ziels gefährden, das mit Art. 7 der Richtlinie 93/13 verfolgt wird. Diese Befugnis trüge dazu bei, den Abschreckungseffekt zu beseitigen, der für die Gewerbetreibenden darin besteht, dass solche missbräuchlichen Klauseln gegenüber dem Verbraucher schlicht unangewendet bleiben, da diese nämlich versucht blieben, die betreffenden Klauseln zu verwenden, wenn sie wüssten, dass, selbst wenn die Klauseln für unwirksam erklärt werden sollten, der Vertrag gleichwohl im erforderlichen Umfang vom nationalen Gericht angepasst werden könnte, so dass das Interesse der Gewerbetreibenden auf diese Art und Weise gewahrt würde (Urteil vom 25. November 2020, Banca B., C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).
55 Hingegen hindert Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13, wie der Gerichtshof anerkannt hat, das nationale Gericht dann, wenn ein zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossener Vertrag nach Aufhebung einer missbräuchlichen Klausel nicht fortbestehen kann, nicht daran, diese missbräuchliche Klausel wegfallen zu lassen und sie in Anwendung vertragsrechtlicher Grundsätze durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts zu ersetzen, wenn die Ungültigerklärung der missbräuchlichen Klausel das Gericht zwingen würde, den Vertrag insgesamt für nichtig zu erklären, was für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte, so dass dieser dadurch geschädigt würde (Urteil vom 25. November 2020, Banca B., C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).
56 Allerdings steht Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs einer Schließung von Lücken eines Vertrags, die durch den Wegfall der darin enthaltenen missbräuchlichen Klauseln entstanden sind, entgegen, wenn dies allein auf der Grundlage von allgemeinen nationalen Vorschriften geschieht, die nicht Gegenstand einer besonderen Prüfung durch den Gesetzgeber im Hinblick auf die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen allen Rechten und Pflichten der Vertragspartner waren und die daher nicht unter die Vermutung fallen, dass sie nicht missbräuchlich sind, da sie vorsehen, dass sich die in einem Rechtsgeschäft zum Ausdruck gebrachten Wirkungen auch nach den Grundsätzen der Billigkeit oder der Verkehrssitte bestimmen, bei denen es sich weder um dispositive Bestimmungen noch um Vorschriften handelt, die im Fall einer entsprechenden Vereinbarung der Vertragsparteien anwendbar sind (Urteil vom 25. November 2020, Banca B., C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).
57 Im vorliegenden Fall erklärt das vorlegende Gericht, dass die Bestimmungen des nationalen Rechts, die es anzuwenden beabsichtige, keine dispositiven Bestimmungen im Sinne der angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs seien. In Anbetracht des Umstands, dass im Ausgangsrechtsstreit der in Rede stehende Darlehensvertrag ohne die aufgehobenen Klauseln nicht fortbestehen kann, dass es keine dispositiven Bestimmungen des nationalen Rechts gibt und die Nichtigerklärung des Vertrags für die Verbraucher besonders nachteilig wäre, fragt sich das vorlegende Gericht, welchem der Ziele der Richtlinie 93/13 – dem Ziel des Schutzes der Verbraucher vor besonders nachteiligen Folgen der Nichtigerklärung des Vertrags einerseits und dem Ziel, Gewerbetreibende von der Verwendung missbräuchlicher Klauseln abzuschrecken, andererseits – es den Vorrang einräumen muss.
58 Hierzu hat der Gerichtshof in Beantwortung derselben Fragestellung bereits entschieden, dass durch die Richtlinie 93/13 keine einheitlichen Lösungen in Bezug auf die Folgen vorgeschlagen werden sollen, die an die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel zu knüpfen sind. Da also nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 die Anwendung missbräuchlicher Klauseln die Verbraucher nicht zu binden vermag, konnten diese Ziele je nach Fall und nationalem Rechtsrahmen durch die bloße Nichtanwendung der betreffenden missbräuchlichen Klausel gegenüber dem Verbraucher oder, wenn der Vertrag ohne diese Klausel nicht hätte fortbestehen können, durch Ersetzung derselben durch dispositive Bestimmungen des nationalen Rechts erreicht werden (Urteil vom 25. November 2020, Banca B., C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 39).
59 Er hat jedoch in Rn. 40 dieses Urteils darauf hingewiesen, dass diese Folgen der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel nicht abschließend sind.
60 Wenn also das nationale Gericht der Auffassung ist, dass der in Rede stehende Kreditvertrag gemäß dem Vertragsrecht nach dem Wegfall der betreffenden missbräuchlichen Klauseln rechtlich nicht fortbestehen kann, und wenn es im nationalen Recht keine dispositive Bestimmung oder keine Vorschrift gibt, die mit Zustimmung der Parteien auf den Vertrag anwendbar ist und an die Stelle dieser Klauseln treten kann, verlangt – soweit der Verbraucher nicht den Wunsch geäußert hat, an den missbräuchlichen Klauseln festzuhalten, und die Nichtigerklärung des Vertrags für ihn besonders nachteilige Folgen hätte – das hohe Verbraucherschutzniveau, das gemäß der Richtlinie 93/13 zu gewährleisten ist, dass das nationale Gericht zur Wiederherstellung des tatsächlichen Gleichgewichts zwischen den gegenseitigen Rechten und Pflichten der Vertragspartner unter Berücksichtigung seines gesamten innerstaatlichen Rechts alle erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Verbraucher vor den besonders nachteiligen Folgen zu schützen, die die Nichtigerklärung des betreffenden Kreditvertrags nach sich ziehen könnte, u. a. aufgrund des Umstands, dass die Forderung des Gewerbetreibenden gegenüber dem Verbraucher sofort fällig würde (Urteil vom 25. November 2020, Banca B., C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 41).
61 Unter diesen Umständen spricht insbesondere nichts dagegen, dass das nationale Gericht die Parteien zu Verhandlungen auffordert, um die Modalitäten zur Festsetzung des Zinssatzes festzulegen, solange das Gericht den Rahmen für diese Verhandlungen vorgibt und diese darauf abzielen, ein tatsächliches Gleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten der Vertragsparteien herzustellen, das u. a. das der Richtlinie 93/13 zugrunde liegende Ziel des Verbraucherschutzes berücksichtigt (Urteil vom 25. November 2020, Banca B., C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 42).
62 Denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das nationale Gericht verpflichtet, das innerstaatliche Recht nach Möglichkeit so anzuwenden, dass alle Konsequenzen gezogen werden, die sich nach nationalem Recht aus der Feststellung der Missbräuchlichkeit der fraglichen Klausel ergeben, um das in Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie gesetzte Ziel zu erreichen, nämlich dass der Verbraucher nicht durch eine missbräuchliche Klausel gebunden ist. Dasselbe gilt für die Bestimmung der Folgen, die an die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel zu knüpfen sind, um gemäß dem mit dieser Richtlinie verfolgten Ziel ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen (Urteil vom 25. November 2020, Banca B., C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 43).
63 Allerdings dürfen die Befugnisse des Gerichts nicht über das hinausgehen, was unbedingt erforderlich ist, um das vertragliche Gleichgewicht zwischen den Vertragsparteien wiederherzustellen und so den Verbraucher vor den besonders nachteiligen Folgen zu schützen, die die Nichtigerklärung des betreffenden Kreditvertrags nach sich ziehen könnte. Dürfte das Gericht den Inhalt missbräuchlicher Klauseln nämlich frei ändern oder abwandeln, wäre eine solche Befugnis geeignet, die Erreichung aller in den Rn. 24 bis 26 des vorliegenden Urteils angeführten Ziele zu gefährden (Urteil vom 25. November 2020, Banca B., C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 44).
64 Nach alledem ist Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass das nationale Gericht, nachdem es die Missbräuchlichkeit einer Klausel eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags festgestellt hat, gehindert ist, die sich aus der Aufhebung der missbräuchlichen Klausel in diesem Vertrag ergebenden Lücken durch die Anwendung einer nicht dispositiven Vorschrift des nationalen Rechts zu schließen. Es muss allerdings unter Berücksichtigung seines gesamten innerstaatlichen Rechts alle Maßnahmen ergreifen, die erforderlich sind, um den Verbraucher vor den besonders nachteiligen Folgen zu schützen, die die Nichtigerklärung des Vertrags für ihn nach sich ziehen könnte.