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Wirtschaftsrecht
29.10.2009
Wirtschaftsrecht
: Kick Backs bei geschlossenen Fonds - Zur Aufklärungspflichtverletzung durch die Bank

OLG Oldenburg, Urteil vom 11.9.2009 - 11 U 75/08

Leitsätze (der Redaktion)

1. Die Vermutung, dass ein Anleger bei pflichtgemäßer Beratung eine Fondsbeteiligung nicht gezeichnet hätte, gilt auch bei fehlender Aufklärung über Rückvergütungen.

2. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum über die Pflicht zur Offenbarung von Rückvergütungen auch für geschlossene Medienfonds hängt von der Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit der unterlassenen Aufklärung nach dem Stand der Gesetzgebung und Rechtsprechung sowie der Geschäftspraxis zum Zeitpunkt der Beratung und Zeichnung der Beteiligung ab.

BGB §§ 280, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2

Sachverhalt

Der Kläger, der in den Jahren 1992 bis 2000 bereits Fonds im Wert von über 1,9 Millionen DM gezeichnet hatte, macht gegenüber der Beklagten, deren langjähriger Kunde er war, Schadensersatzansprüche aus fehlerhafter Anlageberatung geltend. Er Kläger beteiligte sich mit einem Betrag von 50 000 Euro an dem im Jahr 2001 aufgelegten CFB Commerz Fonds Nr. 140 (CFB 140) zur Beteiligung an einem Medienfonds. Der Kläger trägt vor, bei der Beratung sei der - vermeintliche - Sicherheitsaspekt des Fonds in den Vordergrund gestellt worden. Tatsächlich seien in dem Prospekt unzutreffende Zahlen verwendet worden, so dass real ein höheres Risiko als prospektiert bestanden habe. Zudem sei er über die tatsächliche Höhe der Provisionen, die die Beklagte für den Vertrieb vereinnahmte, nicht aufgeklärt worden. Hätte der Kläger von den Innenprovisionen gewusst, hätte er von der Zeichnung des Fonds abgesehen. Das LG hat der Klage größtenteils stattgegeben; die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.

Aus den Gründen

II. ... Die Beklagte haftet weder unter dem Gesichtspunkt der erweiterten Prospekthaftung noch wegen schuldhafter Verletzung von Pflichten aus einem Anlageberatungsvertrag für den dem Kläger im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an dem CFB - Fonds Nr. 140 entstandenen Schaden ...

            Kein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen unterlassener Aufklärung über Rückvergütungen durch die Beklagte

1. ... 2. Auch ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen unterlassener Information über die der Beklagten für den Fall seiner Beteiligung zugesagte und später auch tatsächlich erhaltene Provision für den Vertrieb des Fonds kommt letztlich nicht in Betracht.

            Vorliegen einer Pflichtverletzung

a) Zwar ist insoweit eine Pflichtverletzung durch die Beklagte zu bejahen.

Der Senat folgt dem Bundesgerichtshof, der durch Beschluss vom 20.1.2009 (XI ZR 510/07 = BB 2009, 459 mit Komm. Lamberti/Stumpf = WM 2009, 405) zu dem hier in Rede stehenden „CFB Medienfonds 140" entschieden hat, dass die „Kick-Back-Rechtsprechung" (Urteil des BGH vom 19.12.2006, WM 2007, 487-490) auch bei einem geschlossenem Fonds anwendbar ist. Die 15 % Grenze (Aufklärungspflicht erst bei einer 15 übersteigenden Provision, BGH III ZR 218/06, WM 2007, 873, 874) gelte lediglich beim Anlagevermittlungs- und Auskunftsvertrag, nicht aber beim Beratungsvertrag, der zu einer Aufklärung über Rückvergütungen entsprechend den Grundsätzen des Senatsurteils vom 19.12.2006 verpflichte. Das Urteil vom 19.12.2006 sei auch auf den Vertrieb von Medien-Fonds durch eine Bank anwendbar. Bei der Offenlegung von Rückvergütungen gehe es um die Frage, ob eine Gefährdungssituation für den Kunden geschaffen werde. Deshalb sei es geboten, den Kunden über etwaige Rückvergütungen aufzuklären und zwar unabhängig von der Rückvergütungshöhe. Dabei mache es keinen Unterschied, ob der Berater Aktienfonds oder Medienfonds vertreibe. Der aufklärungspflichtige Interessenkonflikt sei in beiden Fällen gleich. Der Anwendungsbereich sei nicht auf § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. beschränkt.

Soweit die Beklagte meint, die Entscheidung des BGH sei auf den vorliegenden Fall insoweit nicht anwendbar, als hier keine Rückvergütung, sondern eine Innenprovision in Rede stehe, verfängt dieser Einwand nicht. Der Beschluss des BGH betraf ... den Beitritt zu demselben Fonds und auch insoweit einen gleichgelagerten Fall, als der Beitritt eines in Wertpapiergeschäften erfahrenen Klägers ebenfalls Ende Mai 2001 mit einem Kommanditanteil in Höhe von ebenfalls 50 000 Euro erfolgte.

Aufgrund des Beratungsvertrages war die Beklagte hiernach verpflichtet, den Kläger darüber aufzuklären, dass sie von der CFB für die Vermittlung der Fondsanteile das Agio in voller Höhe bekam. Ebenso wie in dem vom BGH entschiedenen Fall bestand hier für den Berater ein erheblicher Anreiz, Anlegern gerade eine Fondsbeteiligung der CFB zu empfehlen. Darüber und über den damit verbundenen Interessenkonflikt hätte die Beklagte den Kläger informieren müssen, um ihn in die Lage zu versetzen, das Umsatzinteresse der Beklagten einzuschätzen und beurteilen zu können, ob die Beklagte und ihr Berater die Fondsbeteiligung nur deshalb empfahlen, weil sie selbst daran verdienten ...

Der Prospekt enthält Angaben über die der Fondsinitiatorin gewährten Vergütungen, es findet sich aber an keiner Stelle ein Hinweis auf die der Beklagten gewährten Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und Verwaltungskosten. Zwar vermutete der Kläger, dass das Agio der Beklagten zufließen würde, über die genaue Höhe der gewährten Rückvergütungen ist er von der Beklagten aber unstreitig nicht informiert worden und hatte hiervon auch ansonsten keine Kenntnis. Eine Pflichtverletzung scheitert nicht daran, dass der Erwerber nicht aufklärungsbedürftig gewesen ist, weil er über die Rückvergütungen dadurch informiert war, dass ihm ein Teil davon seitens der Beklagten als Bonifikation gutgeschrieben wurde; er bleibt, was die Größenordnung der Rückvergütung angeht, aufklärungsbedürftig (BGH vom 19.12.2006, WM 2007, 487 Tz. 24). Auch wenn der Kläger um ein wirtschaftliches Interesse der Beklagten wusste, konnte er das Ausmaß eines Interessenkonfliktes nur dann realistisch einschätzen, wenn er um die genaue Höhe der Rückvergütungen und die Vereinbarung der Platzierungsgarantie wusste.

            Kausalität des Beratungsfehlers für die Zeichnung der Anlage

b) Der Beratungsfehler ist für die Zeichnung der Anlage auch kausal geworden.

Zwar war die Höhe der anfallenden Provisionen mit 13 % dem Prospekt zu entnehmen. Dass das Agio in Höhe von 5 % der Beklagten zufließen würde, vermutete der Kläger. Er war seit Jahren Kunde der Beklagten und hatte über sie auch bereits Beteiligungen im Wert von 1,9 Mio. DM gezeichnet. Zudem wusste er, dass es sich bei dem Fonds um ein Hausprodukt der Beklagten handelte. Im Hinblick hierauf könnte man davon ausgehen, dass der Kläger sich nicht gegen die Zeichnung der Anlage entschieden hätte, auch wenn ihm der Rückfluss der Provisionen an die Beklagte bekannt gewesen wäre.

Für den Geschädigten gilt aber die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens (BGH vom 16.11.1993, WM 1994, 149). Wer vertraglich oder vorvertraglich Aufklärungspflichten verletzt hat, ist beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten entstanden wäre (Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Auflage, Rdnr. 39 zu § 280). Der Zweck solcher Aufklärungspflichten wird nämlich nur erreicht, wenn Unklarheiten, die durch die Aufklärungspflicht bedingt sind, zu Lasten des Aufklärungspflichtigen gehen, dieser also die Nichtursächlichkeit seiner Pflichtverletzung zu beweisen hat (BGH a.a.O.). Die Vermutung, dass ein Anleger bei pflichtgemäßer Beratung eine Anlage nicht gezeichnet hätte, gilt auch bei fehlender Aufklärung über Rückvergütungen (BGH vom 12.5.2009 - XI ZR 586/07 - BB 2009, 1718 mit Komm. Edelmann, zitiert nach juris). Diese Vermutung hat die Beklagte nicht widerlegt, obwohl hier nicht nur die Möglichkeit bestanden hätte, sich für den Beweis des Gegenteils auf das Zeugnis des Klägers zu berufen, sondern auch der Steuerberater des Klägers als Zeuge zur Verfügung gestanden hätte.

            Kein Verschulden der Beklagten 

c) Für einen Schadensersatzanspruch des Klägers fehlt es aber an einem Verschulden der Beklagten.

§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB (§ 282 BGB a.F.) ordnet die Beweislast dem pflichtverletzenden Schuldner zu. Ein Verschulden der Beklagten ist hier aber durch einen unvermeidbaren Rechtsirrtum ausgeschlossen, da weder die für die Beklagte handelnden Berater noch deren verantwortliche Organe zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung im Mai 2001 die Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens erkannt haben oder hätten erkennen können, nachdem der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 20.1.2009 (XI ZR 510/07 = BB 2009, 459 mit Komm. Lamberti/Stumpf = WM 2009, 405) erstmals eine Pflicht zur Offenbarung von Rückvergütungen unabhängig von deren Höhe auch für einen geschlossenen Medienfonds bejaht hat.

Zwar ist an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums ein strenger Maßstab anzulegen (BGH NJW 1994, 2754; NJW 2007, 428, 430). Der Schuldner muss die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten (BGH NJW 1994, 2754; BGH NJW 2001, 3114/3115). Entschuldigt ist ein Rechtsirrtum nur dann, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlich Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte (BGH NJW 2007, 428, 430).

Ob sich jemand, der der Verletzung einer Aufklärungspflicht unterliegt, vom Vorwurf des Verschuldens entlasten kann (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) ist stets eine Frage des Einzelfalls. Bei der Prüfung ist auf den Zeitpunkt der Pflichtverletzung abzustellen. Verschuldensvorwürfe können immer nur auf den Zeitpunkt der Handlung oder Unterlassung bezogen und nicht rückwirkend konstruiert werden (Reinelt, NJW 2009, 1, 5). Bei der Beurteilung der Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit der unterlassenen Aufklärung über Innenprovisionen ist somit auf den Stand der Gesetzgebung und Rechtsprechung sowie der Geschäftspraxis zum Zeitpunkt der Beratung und Zeichnung der Beteiligung im Mai 2001 abzustellen.

Für die Beklagte war bei Geschäftsabschluss im Frühjahr 2001 das Gebot, über Rückvergütungen aufzuklären, aber selbst bei einer sorgfältigen Prüfung der Rechtslage und Einholung von Rechtsrat nicht erkennbar gewesen. Der Senat folgt insoweit der Entscheidung des OLG Dresden vom 24.7.2009 (8 U 1240/08 Anlage BBK 8), das im einzelnen (Seiten 11 - 23 des Urteils ) dargelegt hat, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung und Literatur sowie der Gesetzeslage zum damaligen Zeitpunkt eine Pflicht zur Aufklärung über jede Innenprovision nicht angenommen werden musste. Einschlägige Urteile zu den Aufklärungspflichten über Kick-Backs beim Vertrieb geschlossener Fonds gab es damals noch nicht. Instanzgerichte verneinten vielmehr in der Folgezeit eine Aufklärungspflicht (OLG Frankfurt vom 14.10.2002 - 8 U 96/02 - zitiert nach juris). Eine Pflicht zur Aufklärung über Vermittlungs- und Bestandsprovisionen war nicht Gegenstand der Diskussion. Selbst im Wertpapierbereich war das Gebot, über Rückvergütungen aufzuklären, vor der „Kick-Back-Entscheidung" des BGH vom 19.12.2006 nicht ohne weiteres erkennbar (vgl. Grys/Geist, BKR 2009, 127 ff).

Soweit das OLG Karlsruhe in dem Urteil vom 3.3.2009 (17 U 149/07, Bd. II Bl. 353 ff.) der Auffassung ist, die „Kick-Back-Entscheidung" des BGH aus 2006 knüpfe an eine Entscheidung des BGH vom 19.12.2000 (BGH NJW 2001, 962, 963) an, in der bereits klargestellt worden sei, dass eine Bank die dem Vermögensverwalter ihres Kunden gewährten Rückvergütungen wegen des damit verbundenen Interessenkonfliktes offen legen muss, ist die dortige Konstellation mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Im dortigen Fall ging es nicht um den Erhalt, sondern um die Gewährung von Rückvergütungen durch die Bank an den Vermögensverwalter des Kunden, wobei dieser davon ausgehen durfte, dass der Vermögensverwalter unabhängig ist und ausschließlich in seinem Interesse tätig wird. Für den Kunden, von dem die Bank für ihre Dienstleistungen kein Entgelt verlangt, ist aber offenkundig, dass die Bank ihre Beratungskosten anderweitig abzudecken versucht (Grys/Geist, BKR 2009, 127, 129). Hinweise auf die spätere Rechtsprechung des BGH zur Aufklärungspflicht über die an den Vermittler oder Berater fließende Rückvergütung enthielt die Entscheidung nicht. Erstmals mit dem Urteil vom 19.12.2006 (a.a.O.) hat der BGH - und das auch nur für den Anwendungsbereich des WpHG - entschieden, dass eine Bank im Rahmen einer Beratung über Innenprovisionen aufklären muss. Banken, die im Bereich des Vertriebs der nicht in den Anwendungsbereich des WpHG fallenden geschlossenen Fonds die Verpflichtung zur Anlageberatung übernommen hatten, konnten bis zum Beschluss des BGH vom 20.01.2009, mit dem dieser eine Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung vollzog, nicht erkennen, dass sie ungefragt über Vergütungen aufklären mussten. Eine Aufklärung über Innenprovisionen war vielmehr nach der bisherigen Rechtsprechung (zuletzt BGH Urteil vom 22.3.2007 - III ZR 218/06, WM 2007, 873 und BGH Urteil vom 25.9.2007 - XI ZR 320/06, BKR 2008, 199) nur dann erforderlich, wenn die Gebühren eine Höhe von 15 % oder mehr betrugen und dies im Prospekt nicht dargestellt wurde oder aber die Innenprovision im Prospekt falsch dargestellt wurde (Grys/Geist, BKR 2009, 127).

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