OLG Hamm: Kfz-Fachwerkstatt muss Rückrufaktion kennen
OLG Hamm, Urteil vom 8.2.2017 – 12 U 101/16
Amtlicher Leitsatz
Eine Kfz-Fachwerkstatt muss auch bei sogenannten „Grauimporten“ Rückrufaktionen eines Herstellers der von ihr betreuten Kfz-Modelle kennen und den Kunden bei beauftragten Inspektionsarbeiten auf eine für die Verkehrssicherheit seines Fahrzeugs bedeutsame Rückrufaktion und die insoweit gebotenen Reparaturen hinweisen. Das hat das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 08.02.2017 entschieden (Az.: 12 U 101/16, BeckRS 2017, 104109).
Sachverhalt
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz aufgrund einer vermeintlichen Pflichtverletzung im Rahmen eines Werkvertrages.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Fahrzeugs Typ D, welches sie am 27.10.2010 erworben hatte. Es handelt sich um ein Importfahrzeug, welches in den USA hergestellt wurde und lediglich im Importweg in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt wird. In Deutschland existierten im streitbefangenen Zeitraum für die Automarke E kein autorisiertes Händlernetz und keine Niederlassungen des Unternehmens.
Die Beklagte betreibt eine Fachwerkstatt für Kraftfahrzeuge und wirbt für sich als autorisierte Fachwerkstatt/Service für Fahrzeuge der Marke E. Die Klägerin ließ bei der Beklagten nach dem Erwerb Reparatur- und Wartungsarbeiten an ihrem Fahrzeug vornehmen.
Ab Februar 2013 fand eine Rückrufaktion des Herstellers E unter der Bezeichnung „Safety Recall N08“ statt, die auch die Baureihe des klägerischen Fahrzeugs betraf. Diese beruhte auf einem Mangel in Gestalt einer nicht ausreichend gesicherten Mutter im Getrieberad der Hinterachse. Die Klägerin erhielt vom Hersteller hierüber keine Mitteilung. Bei weiteren Wartungsarbeiten der Beklagten am Fahrzeug des Klägers am 31.10.2013 wurden die Anweisungen des Herstellers gemäß dem „Safety Recall N08“ nicht umgesetzt.
Im April 2014 erlitt das Fahrzeug der Klägerin aufgrund einer Blockade der Hinterachse während der Fahrt erhebliche Beschädigungen. An der Hinterachse trat ein Totalschaden auf; diese musste vollständig ausgetauscht werden. Wäre entsprechend dem Rückruf die Mutter gesichert worden, wäre der Schaden nicht entstanden.
Nachdem die Klägerin durch eigene Nachforschungen Kenntnis von der Rückrufaktion erlangte hatte, nahm sie die Beklagte auf Schadensbeseitigung in Anspruch. Sie leitete ein selbständiges Beweisverfahren beim Landgericht Bochum ein, in dem der Sachverständige L ein Gutachten nebst Ergänzungsgutachten erstattete. Mit der am 07.09.2015 zugestellten Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags die Erstattung fiktiver Nettoreparaturkosten von 6.058,32 € sowie den Ausgleich eines merkantilen Minderwerts von 2.521,01 €.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe durch einen fehlenden Hinweis auf die Rückrufaktion ihre werkvertraglichen Aufklärungspflichten verletzt. Dazu trägt sie vor, der Rückruf habe der Beklagten als Vertragswerkstatt zwingend bekannt sein müssen; zumindest habe sich die Beklagte diese Kenntnisse verschaffen müssen. Zudem sei die Wartung selbst nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden. Die Beklagte habe den, dem Rückruf zugrunde liegenden Mangel im Rahmen der Wartung am 31.10.2013 erkennen und die Klägerin darauf hinweisen müssen.
Die Beklagte hat behauptet, im Oktober 2013 sei lediglich eine kleine Wartung durchgeführt worden. Sie hat die Ansicht vertreten, die Klägerin müsse sich bei Haftungsfragen sowie wegen der Rückrufaktion N08 an den Händler oder Importeur des Fahrzeugs wenden. Sie habe sich insofern selbst über etwaige Rückrufaktionen des Herstellers informieren müssen. Da es sich bei dem Fahrzeug um ein nicht in Deutschland vertriebenes und nicht durch offizielle Importeure verbrachtes Fahrzeug handele, treffe die Beklagte keine Überprüfungspflichten hinsichtlich etwaiger Rückrufaktionen. Ihrer eigenen Haftung stehe auch entgegen, dass der Hersteller für produktbedingte Mängel nach dem Produkthaftungsgesetz einstehen müsse. Die Rechtslage richte sich nach dem Herstellerland, mithin nach amerikanischem Recht. Eine Niederlassung, Servicestation oder freie Werkstatt sei nicht verpflichtet, Kunden etwaige Rückrufaktionen mitzuteilen.
Das Landgericht hat der Klage nach Anhörung des Sachverständigen L in Höhe von 8.579,33 € nebst Zinsen ab 08.09.2015 stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Der Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch aus §§ 631, 280 Abs. 1, § 249 ff. BGB zu. Die Parteien hätten im Oktober 2013 einen Werkvertrag geschlossen. Im Rahmen dieser Vertragsbeziehung habe der Beklagten eine Vertragspflicht in Form einer Überprüfungspflicht oblegen. Als Inhaberin einer Vertragswerkstatt - wie sie sich selbst bezeichne - habe ihr aufgrund des Wartungsvertrages mit der Klägerin die Verpflichtung oblegen, auf eigene Veranlassung zu überprüfen, ob Fehlerbeseitigungen aufgrund einer Rückrufaktion erforderlich gewesen seien. Diese Verpflichtung habe selbst dann bestanden, wenn das mit einem Herstellungsfehler behaftete Fahrzeug nicht von der Beklagten ausgeliefert worden sei.
Der geschlossene Werkvertrag könne für die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Vertragshändlerin durchaus die Vertragspflicht erzeugen, entweder durch Eingabe der Fahrzeugdaten in den Zentralcomputer des Herstellers bzw. entsprechender zur Verfügung stehender Systeme zu ermitteln, ob der Konstruktionsfehler bereits durch eine andere Werkstatt behoben ist, oder den Halter schlicht danach zu befragen. Dies belaste sie nicht mit handwerklichem Arbeitsaufwand. Zwar setze dies beim Vertragshändler das Wissen voraus, dass das ihm zur Inspektion überlassene Fahrzeug jedenfalls ursprünglich den betroffenen Produktfehler aufgewiesen habe. Diese Kenntnis müsse indes bei dem Vertragshändler in der Regel vorausgesetzt werden. Dieser müsse seine Werkstatt so organisieren, dass Fehlerwarnungen des Herstellers nicht in Vergessenheit gerieten. Etwas anderes möge bei lange zurückliegenden Informationen gelten. Ein Zeitraum von ca. acht Monaten reiche hierfür aber nicht aus. Der zumeist unerfahrene Kunde wende sich mit dem berechtigten Vertrauen an eine sachkundige Werkstatt. (BGH, NJW-RR 2004, S. 1427)
Die Beklagte könne sich der Haftung nicht wegen fehlender Kenntnis vom Rückruf entziehen. Vielmehr habe sie die Kenntnis haben bzw. sich beschaffen können. Sofern die Beklagte angebe, keinen Zugriff auf das Computerprogramm des Herstellers zu haben, wäre es ihr ohne große Umstände möglich gewesen, eine entsprechende Abfrage über die Internetpräsenz des Herstellers zu veranlassen. Das Gericht folge insoweit den Ausführungen des Sachverständigen. Diese seien in jeder Hinsicht schlüssig, nachvollziehbar und überzeugend. Vor diesem Hintergrund könne dahinstehe, ob der Beklagten ein Zugang zum Zentralsystem zur Verfügung stehe oder die Rückrufaktion bereits über die Systeme des Kraftfahrbundesamt abrufbar gewesen seien. Die Verpflichtung zu einem solchen Abruf bestehe insbesondere, da die Beklagte nach außen als besonders qualifizierte Fachwerkstatt für die Marke E auftrete. Dies könne aus der Sicht eines objektiven Empfängers nur so verstanden werden, dass die Beklagte über eine besondere Fachkunde und Expertise bezüglich dieser Marke verfüge. Insofern könne es nicht darauf ankommen, ob es sich bei der Beklagten um eine Vertragswerkstatt oder lediglich um einen autorisierten Servicepunkt handele. Abgesehen davon, dass sie sich selbst als Vertragswerkstatt bezeichne, komme es ausschließlich auf ihren Auftritt und den erzeugten Eindruck nach außen an. Wenn die Beklagte damit werbe, eine autorisierte Fachwerkstatt mit weitreichenden Diagnose- und Wartungsmöglichkeiten zu sein, müsse sie sich als solche behandeln lassen.
Aufgrund dieses Auftretens habe eine gesteigerte Informations- und Nachforschungspflicht bestanden. Aus den Angaben der Beklagten könne vernünftigerweise nur geschlossen werden, dass sie selbst den Anspruch an sich stellt, vollumfänglich über Fahrzeuge der Marke E informiert zu sein. Die Klägerin habe erwarten können, dass die Beklagte nach Maßgabe der Hinweise und Richtlinien des Herstellers handele. Der Rückruf habe der Beklagten vor der streitentscheidenden Wartung am 31.10.2013 bekannt sein können. Der Rückruf stamme vom 13.02.2013. Zur Überzeugung des Gerichts sei davon auszugehen, dass die Rückrufaktion Ende Oktober 2013 auf der Seite des Herstellers veröffentlicht gewesen sei.
Eine andere Beurteilung ergebe sich nicht aus dem Umstand, dass es sich um ein Importfahrzeug gehandelt habe. Dies stehe einer Überprüfungspflicht nicht entgegen. Es sei auch unerheblich, dass Fahrzeuge der Marke E seit 2011 nicht mehr in Deutschland vertrieben und offiziell importiert würden. Die Erwerbsart könne sich nicht auf den Pflichtenumfang im Rahmen eines Werkvertrages auswirken. Die Pflicht zur Überprüfung auf Rückrufaktionen beschränke sich nicht auf solche Fahrzeuge, die auf dem deutschen Markt vertrieben würden; sie sei nicht auf die auf dem deutschen Markt bekannten Informationen begrenzt. Das Fehlen eines Händlernetzes spreche sogar für eine Überprüfungspflicht, da die Beklagte gewissermaßen freiwillig die üblichen Händlerpflichten übernehme.
Es könne der Klägerin nicht angelastet werden, dass sie wegen der Eigenschaft als Importfahrzeug keine Informationen zum Rückruf erhalten habe. Auch wenn die Klägerin die Möglichkeit gehabt habe, sich selbst zu informieren, sei es ihr nicht zuzumuten, ohne jede Veranlassung regelmäßige Recherchen anzustellen. Die Klägerin müsse sich nicht an den Händler oder Importeur verweisen lassen. Die Haftung nach dem Produkthaftungsrecht schließe eine Haftung aus anderen Vorschriften nicht aus.
Die Überprüfungspflicht überspanne die Anforderungen an die vertraglich geschuldete Sorgfalt nicht. Vertragsinhalt sei eine Inspektion gewesen, die jedenfalls auf die Prüfung der Verkehrssicherheit des Fahrzeugs gerichtet gewesen sei und bei der die Klägerin die Berücksichtigung der Rückrufaktion habe erwarten können. Es könne dahinstehen, ob es sich um eine kleine oder große Wartung gehandelt habe. Der Sachverständige habe hierzu ausgeführt, dass sich die Unterschiede aus dem differierenden Arbeitsumfang ergäben. Das Vorhandensein einer Rückrufaktion sei hiervon unabhängig. Die Beklagte sei zur Herstellung des Fahrzeugs der Klägerin in der Weise verpflichtet, dass es nicht mit wert- und tauglichkeitsbeeinträchtigenden Fehlern behaftet gewesen sei. Sie habe dafür Sorge zu tragen gehabt, dass das Fahrzeug für die nächste Zeit gebrauchsfähig und fahrbereit gewesen sei. Zweck eines Inspektionsauftrags sei es einen bestimmten Fahrzeugstand festzustellen, um danach die erforderlichen Reparatur- und Wartungsaufgaben durchzuführen. Dazu gehöre die Prüfung der Notwendigkeit einer Fehlerbehebung aufgrund einer Rückrufaktion. Für die Abfrage aktueller Fahrzeugdaten im Internet, die Aufklärung über den Rückruf und die einfache Möglichkeit der Fehlerbehebung sei nur ein minimaler wirtschaftlicher Aufwand erforderlich gewesen.
Die Klägerin könne die fiktiven Reparaturkosten, die der Sachverständige im selbständigen Beweisverfahren bestätigt habe, ersetzt verlangen. Zudem sei der merkantile Minderwert zu ersetzen.
Der Zinsanspruch folge aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Mit Schreiben vom 13.05.2014 habe die Klägerin die Beklagte zur Mängelbeseitigung aufgefordert. Eine Frist hinsichtlich der konkreten Schadensersatzforderung habe sie nicht gesetzt. Der Klägerin ständen zudem keine Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu, da eine Entgeltforderung nicht vorliege.
Gegen ihre Verurteilung wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Unter einem Rückruf verstehe man eine Aufforderung an den Endabnehmer über den Handel oder die Medien, Produkte vom Hersteller oder einer Vertragswerkstatt untersuchen und ggf. reparieren zu lassen. Es sei dann Sache des Verwenders, das Produkt zum Hersteller oder eine Vertragswerkstatt zu transportieren. Bereits dies sei nicht geschehen. Spätestens im Rahmen des Produktsicherungsgesetzes seien die Ansprüche an der Stelle, aus denen sich die Verpflichtung für Hersteller, Bevollmächtigte oder Importeure ergebe, erledigt. Aus § 6 Abs. 1 ProdHaftG ergebe sich, dass die Haftung für die Beklagte entfalle, da sie nicht Hersteller, Bevollmächtigter oder Importeur sei. Die Argumentation des Landgerichts dehne die Verantwortung aus einem Werkvertrag zu weit aus. Die Beklagte sei nicht für Herstellerfehler haftbar. Die Entscheidung des Klägers, ein Fahrzeug als Grauimport zu erwerben, habe das Risiko beinhaltet, dass das Gefahrenmanagement über das Geräte- und Produktsicherungsgesetz nicht abgesichert sei. Die Klägerin habe sich damit in eine nichtstrukturierte Informationssituation begeben, die zu ihren Lasten gehe. Das Landgericht habe der Beklagten eine Pflicht zum schnelleren Handeln als durch das Kraftfahrtbundesamt auferlegt, welches die Informationen zum Rückruf erst im April 2015 erhalten habe.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 16.06.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Bochum die Klage abzuweisen;
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Berufung zurückzuweisen;
2. das Urteil des Landgerichts Bochum vom 16.06.2016 teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über die bereits titulierte Forderung in Höhe von 8.579,33 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.09.2015 hinaus weitere Zinsen aus 8.579,33 € in Höhe von fünf Prozentpunkten vom 07.05.2014 bis 07.09.2015 zu zahlen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Es komme nicht darauf an, was unter einem Rückruf zu verstehen sei. Der Klägerin sei eine Mitteilung über die Rückrufaktion zu keinem Zeitpunkt zugegangen; die Beklagte habe die Klägerin nicht darauf hingewiesen. Soweit die Beklagte ihrer aus dem Werkvertrag entspringenden Informationspflicht nachgekommen wäre, hätte die Klägerin das Fahrzeug instand setzen lassen können. Die Beklagte habe die Information mit geringem Aufwand feststellen können. Es gehe nicht an, der Klägerin die Informationsverpflichtung aufzuerlegen, obwohl sie den Wagen zur Beklagten gebracht habe. Dies sei geschehen, weil diese erkennbar nach außen damit werbe, die Fachexpertise für Fahrzeuge der Marke E zu haben.
Auf das Kraftfahrtbundesamt komme es nicht an, da die Information beim Hersteller ab dem 13.02.2013 problemlos abzurufen gewesen sei. Auf die Informationen des Herstellers hätten alle Vertragswerkstätten zugreifen können. Es komme auch nicht darauf an, ob es sich um ein Importfahrzeug handele. Der Erwerbsvorgang könne keinen Einfluss auf das Pflichtenprogramm im Rahmen einer Wartung haben. Die Haftung für die Wartungsverträge sei durch das Produkthaftungsgesetz nicht ausgeschlossen.
Mit der Anschlussberufung macht die Klägerin klageerweiternd Zinsen bereits ab dem 07.05.2014 geltend. Die Beklagte habe die Erfüllung der Schadensersatzverpflichtung mit Schreiben vom 06.05.2014 endgültig verweigert, sodass eine Mahnung nicht mehr erforderlich gewesen sei. Jedenfalls habe sie sich aufgrund des Schreibens vom 13.05.2014 ab dem 28.10.2014 in Verzug gefunden.
Die Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Aus den Gründen
B.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
I.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, § 634 Nr. 4, § 633 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu.
1.
Unstreitig hat die Klägerin die Beklagte am 31.10.2013 mit der Inspektion ihres Fahrzeugs Typ D E beauftragt. In der Sache handelt es sich um einen Werkvertrag darauf gerichtet, das Kraftfahrzeug für die nächste Zeit gebrauchs- und fahrbereit zu machen (Sprau in: Palandt, BGB, 73. Auflage, Einf v § 631 Rn. 30).
2.
Die Beklagte hat eine ihr aus dem Werkvertrag obliegende Pflicht verletzt, indem sie es unstreitig unterlassen hat, die Klägerin - nach Überprüfung der Internetseite des Fahrzeugherstellers auf Hinweise über einen Rückruf begründende Mängel - über das Bestehen des „Safety Recall N08“ zu informieren.
a)
Die Beklagte war aufgrund des Wartungsvertrages verpflichtet, sich die zumutbar zu erlangende Kenntnis von derart schwerwiegenden, sicherheitsrelevanten Mängeln zu verschaffen.
Gegenstand des Auftrags vom 31.10.2013 war unstreitig zumindest eine „kleine Inspektion“. Auch wenn der Arbeitsumfang im Verhältnis zu einer „großen Inspektion“ geringer gewesen wäre, hatte aus der berechtigten Sicht des Fahrzeughalters, auf deren Einbeziehung in den Vertrag der Betreiber der Werkstatt sich nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte einlassen musste, eine umfassende Prüfung der Verkehrssicherheit des Fahrzeugs zu erfolgen. Dies beinhaltete auch die Überprüfung zumutbar zur Verfügung stehender Informationsquellen, wie hier die Internetseite des Herstellers, auf verkehrssicherheitsrelevante Rückrufaktionen. Die Klägerin ist nach außen als Fachwerkstatt gerade für Fahrzeuge der Firma E aufgetreten. Die Klägerin konnte daher - wie die übrigen Kunden - in berechtigter Weise annehmen, dass die Beklagte in Bezug auf E-Fahrzeuge eine vollständige Kenntnis über alles Notwendige für die Verkehrs- und Betriebssicherheit hat oder sich - soweit nicht vorhanden - vor Durchführung entsprechender Inspektionsaufträge besorgt.
b)
Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass es sich bei dem Fahrzeug der Klägerin um einen sogenannten „Grauimport“ handelt. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, bewirbt die Beklagte ihr Unternehmen als „autorisierte Service-Vertragswerkstatt“ unter anderem für die Marke E, ohne eine Beschränkung auf in Deutschland vertriebene oder offiziell importierte Fahrzeuge vorzunehmen. Damit war aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Empfängers an der Stelle der Klägerin nicht zu erkennen, dass „grau importierte“ Fahrzeuge einer weniger effektiven Fehlerkontrolle unterlagen als regulär vertriebene oder eingeführte Fahrzeuge.
Vielmehr hätte es der Beklagten gerade im Hinblick auf ein „grau importiertes“ Fahrzeug, hinsichtlich dessen die Beklagte nach eigenen Angaben keinen Zugriff auf Computerprogramme des Herstellers haben will, in denen Rückrufaktionen einzusehen gewesen wären, oblegen, sich über andere ihr zugängliche Quellen zu informieren. Hierzu gehört die Internetseite des Herstellers, auf der die Beklagte nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts durch Eingabe der Fahrgestellnummer eine entsprechende Abfrage hätte durchführen können. Der Beklagten war bekannt, dass es sich bei dem Fahrzeug der Klägerin um einen „Grauimport“ handeln musste und die Klägerin vom Hersteller nicht über Rückrufaktionen informiert wird. Auch aus diesem Grund war es deshalb im Rahmen des geschlossenen Werkvertrages ihre Aufgabe als Fachwerkstatt, sich selbst zu informieren.
c)
Entgegen der Auffassung der Beklagten werden hierdurch die werkvertraglichen Pflichten nicht über Gebühr ausgeweitet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Überprüfung die Beklagte nicht mit handwerklichem Arbeitsaufwand belastet hätte, die Überprüfung auf Rückrufaktionen aber für die Auftraggeber sowohl unter sicherheitsrelevanten Gesichtspunkten als auch bei wirtschaftlicher Betrachtung von besonderer Bedeutung ist.
d)
Es kann dahinstehen, ob das Kraftfahrtbundesamt erst später über die Rückrufaktion „Safety Recall N08“ informiert worden ist. Es oblag der Beklagten, sich selbst aktiv um die notwendigen Informationen zu kümmern und nicht auf die Information Dritter zu warten. Zudem ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Beklagte im Regelfall von einer zeitnahen Veröffentlichung von Rückrufaktion auch bei Grauimporten ausgehen konnte oder ohne Verschulden hiervon ausgegangen ist.
3.
Ein Vertretenmüssen der Beklagten wird vermutet; § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB. Anhaltspunkte für ein fehlendes Verschulden sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
4.
Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung war nicht erforderlich, da bereits ein Schaden am Fahrzeug eingetreten ist, der durch ein Nachholen des pflichtgemäßen Verhaltens nicht beseitigt würde.
5.
Das Landgericht hat festgestellt, dass die fiktiven Mängelbeseitigungskosten 6.058,32 € betragen und auch nach der Reparatur ein merkantiler Minderwert von 2.521,01 € verbleibt. Dies greifen die Parteien im Berufungsverfahren nicht an. Es handelt sich um gemäß § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 BGB ersatzfähigen Schaden. Die Kausalität des unterlassenen Hinweises auf die Rückrufaktion für den eingetretenen Schaden ist zwischen den Parteien nicht (mehr) im Streit.
6.
Ein Anspruchsausschluss folgt nicht aus den Regelungen des Produkthaftungsgesetzes. Die im hiesigen Rechtsstreit geltend gemachten Ansprüche haben mit Produkthaftung im Sinne dieses Gesetzes nichts zu tun. Nach § 15 Abs. 2 ProdHaftG bleibt auch eine Haftung nach anderen Vorschriften ausdrücklich unberührt.
II.
Den zuerkannten Zinsanspruch hat die Beklagte bereits nicht zulässig mit der Berufung angegriffen, da es insoweit an einer den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO genügenden Berufungsbegründung fehlt. Jedenfalls folgt der Anspruch aus § 280 Abs. 1 und 2, § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB und §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
C.
Die zulässige Anschlussberufung der Klägerin ist ebenfalls unbegründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Verzinsung des zuerkannten Betrages vor dem 08.09.2015 nicht zu. Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 280 Abs. 1 und 2, § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich vor dem 08.09.2015 mit dem Ausgleich der Schadensersatzforderung nicht in Zahlungsverzug.
Eine Mahnung der Klägerin im Hinblick auf den geltend gemachten Schadensersatzbetrag kann nicht festgestellt werden. Insbesondere enthalten die Schreiben der Klägerin vom 28.04.2014 und 13.05.2014 keine eindeutige Aufforderung zur Leistung des Schadensersatzbetrages. Vielmehr hat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 28.04.2014 lediglich aufgefordert, die Verpflichtung zum Schadensersatz dem Grunde nach anzuerkennen. Das Schreiben vom 13.05.2014 enthält eine Aufforderung zur Mangelbeseitigung, nicht zur Schadensersatzleistung.
Eine die Mahnung entbehrlich machende ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB) ergibt sich nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 06.05.2014. An das Vorliegen einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen. Die Weigerung muss als letztes Wort aufzufassen sein. Zwar hat die Beklagte in diesem Schreiben ein Anerkenntnis dem Grunde nach sowie Ansprüche sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach abgelehnt. Diese Ablehnung hat sie aber im Wesentlichen damit begründet, dass ihr ein zustehendes Nachbesserungsrecht nicht eingeräumt worden sei. Auch wenn der Beklagten tatsächlich kein Nachbesserungsrecht zustand, da der Schaden durch eine erfolgte Nacherfüllung nicht hätte beseitigt werden können, hat sie durch ihr Verhalten jedenfalls nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie Gewährleistungsansprüche ernsthaft und endgültig ablehnt. Im Hinblick auf den streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch gilt dies umso mehr, als die Klägerin zu diesem Zeitpunkt ihren Schaden noch nicht einmal beziffert hatte.
D.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Klägerin waren im Hinblick auf die erfolglose Anschlussberufung keine Kosten aufzuerlegen, da der Anschlussberufung ein Streitwert nicht zukam, § 4 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht - unter Berücksichtigten der Revisionszulassung - auf § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
E.
Auf den Antrag der Beklagten war die Revision zuzulassen. Der Rechtssache kommt eine grundsätzliche Bedeutung zu und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist wegen der Fortbildung des Rechts erforderlich, § 543 Abs. 2 ZPO. Der Bundesgerichtshof hat bisher lediglich über eine Verpflichtung einer Vertragswerkstatt entschieden, ein zur Wartung übergebenes Fahrzeugs darauf zu überprüfen, ob die Beseitigung eines Fehlers bereits erfolgt ist, der bekannt war oder bekannt hätte sein müssen (vgl. BGH, NJW-RR 2004, S. 1427 ff. Rn. 18 ff.).