BGH: Keine entsprechende Anwendung des § 179a AktG auf Publikumsgesellschaft in Rechtsform der KG
BGH, Urteil vom 8.7.2025 – II ZR 137/23
ECLI:DE:BGH:2025:080725UIIZR137.23.0
Volltext: BB-Online BBL2025-2177-3
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Amtlicher Leitsatz
§ 179a AktG ist auf eine Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft nicht entsprechend anwendbar (Ergänzung von BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232, 375).
AktG § 179a
Sachverhalt
1 Die Beklagte ist eine Immobilien-Publikumskommanditgesellschaft, die als einzige Immobilie das "Finanzzentrum E. ", eine mit einem Bürogebäude bebaute und von ihr vermietete Liegenschaft in E. , hält. Geschäftsführungs- und vertretungsberechtigt sind die Komplementäre. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten (im Folgenden: GV) enthält u.a. folgende Regelungen:
"§ 3 Gegenstand der Gesellschaft
1. Gegenstand der Gesellschaft ist der Erwerb, die Bebauung, Vermietung, Verpachtung und Verwaltung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, insbesondere die Errichtung von Verwaltungsgebäuden in E. im Rahmen einer Miteigentümergemeinschaft nach Wohnungseigentumsgesetz und deren langfristige Vermietung.
2. Die Gesellschaft ist berechtigt, alle Handlungen vorzunehmen, die zur Erreichung des Gesellschaftszwecks erforderlich oder dienlich sind. Sie kann zur Erreichung dieses Zwecks auch Beteiligungen an anderen Gesellschaften erwerben.
§ 10 Geschäftsführung und Vertretung
[…]
4. Zu den folgenden Geschäften bedürfen die persönlich haftenden Gesellschafter der Zustimmung der Gesellschafterversammlung:
[…]
b) Erwerb und Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten;
[…]
f) Eingehen von Rechtsgeschäften und Vornahme von Rechtsgeschäften, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb des Unternehmens hinausgehen oder für die Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind.
§ 11 Gesellschaftsversammlung, Beschlußfassung
[…]
2. Außerordentliche Gesellschafterversammlungen finden auf Antrag von Gesellschaftern, die mindestens 10 % des Gesellschaftskapitals vertreten, oder eines Komplementärs statt.
[…]
7. Die Gesellschafter beschließen über die im Gesetz zwingend vorgesehenen und in diesem Vertrag bestimmten Fälle. Die Gesellschafter sind insbesondere zuständig für folgende Beschlußfassungen:
a) Zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte gemäß § 10 Ziffer 4 dieses Vertrages,
[…]
f) Änderungen des Gesellschaftsvertrages,
g) Änderungen oder Abweichungen vom Investitionsplan,
h) Ausschluss von Gesellschaftern; […]
j) Auflösung der Gesellschaft.
[…]
10. Alle Beschlüsse bedürfen der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen, soweit nicht durch Gesetz oder in diesem Vertrag etwas anderes bestimmt ist. […] Beschlüsse zu § 11 Ziffer 7 f) bis h) und j) bedürfen einer Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen.
[…]
§ 24 Auflösung der Gesellschaft
1. Die Gesellschaft kann durch Beschluß der Gesellschafterversammlung, der einer Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen bedarf, zum Ende eines Geschäftsjahres aufgelöst werden, frühestens jedoch zum 31.12.2017. […]"
2 Unter dem 9. Dezember 2019 übersandte die geschäftsführende Komplementär-GmbH der Beklagten den Gesellschaftern eine Vorlage zur Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren über die Zustimmung zur vorzeitigen Veräußerung sämtlicher Miteigentumsanteile der Beklagten an der Fondsimmobilie mit folgender Rückflussbetrachtung:
"Es ist geplant, den Liquiditätszufluss nach Kaufpreiszahlung in drei Tranchen an die Anleger auszuzahlen. Die erste große Tranche soll zeitnah nach Kaufpreiseingang auf dem Konto der Fondsgesellschaft und Liquidationsbeschluss unter Berücksichtigung der Bildung entsprechender Reserven für Kosten der Liquidation der Fondsgesellschaft ausgezahlt werden (voraussichtlich 2./3. Quartal 2020). Die zweite Tranche erfolgt nach Ablauf aller kaufvertraglichen und sonstigen Haftungen(voraussichtlich im 2. Quartal 2021). Die dritte und letzte Tranche erfolgt nach vollständiger Schlussliquidation der Gesellschaft, einhergehend mit der Löschung aus dem Handelsregister."
3 Der Kläger, der mit über den Zweitmarkt erworbenen Anteilen in Höhe von 102.258,38 € als Kommanditist an der Beklagten beteiligt ist, stimmte gegen den Beschluss. Mit Schreiben vom 16. Januar 2020 teilte die geschäftsführende Komplementär-GmbH mit, dass bei einer Beteiligung von 67,86 % aller Stimmen dem schriftlichen Verfahren 59,31 % der stimmberechtigten Gesellschafter und der vorzeitigen Veräußerung der Fondsimmobilie 79,01 % der abgegebenen Stimmen zugestimmt hätten, weshalb der Beschlussvorschlag angenommen worden sei.
4 Am 24. Januar 2020 wurde ein Grundstückskaufvertrag zwischen der Beklagten und zwei Banken zu einem Kaufpreis von 30,45 Mio. € beurkundet, der u.a. unter der Bedingung eines der Veräußerung zustimmenden Gesellschafterbeschlusses der Beklagten stand.
5 Mit Schreiben vom 19. Februar 2020 übersandte die Beklagte den Gesellschaftern einen weiteren Beschlussantrag über die Zustimmung der Gesellschafter zu dem Kaufvertrag im schriftlichen Umlaufverfahren. Beigefügt war eine Prognoseberechnung der Veräußerung einschließlich der Kosten bis zur Liquidation der Fondsgesellschaft und einer Liquidationsgebühr. Der Kläger stimmte gegen den Beschluss. Mit Schreiben vom 2. April 2020 erklärte die geschäftsführende Komplementär-GmbH, bei einer Beteiligung von 74,46 % aller Stimmen hätten 58,09 % der stimmberechtigten Gesellschafter dem schriftlichen Verfahren und 67,01 % der abgegebenen Stimmen dem Vertrag zur Veräußerung der Fondsimmobilie zugestimmt, womit der Beschlussvorschlag angenommen worden sei.
6 Auf Klage einer anderen Kommanditistin stellte das Landgericht F. mit Urteil vom 5. Februar 2021 ( LG ) die Nichtigkeit der beiden Beschlüsse fest, weil sie nicht im schriftlichen Verfahren hätten gefasst werden dürfen.
7 Mit Schreiben vom 17. März 2021 berief die Beklagte eine Gesellschafterversammlung für den 23. April 2021 ein und stellte die Genehmigung des Verkaufs der Fondsimmobilie zur Abstimmung. Der Beschlussantrag war inhaltsgleich mit dem mit Schreiben vom 19. Februar 2020 übersandten Antrag. Beigefügt waren eine Anlage "Informationen zum Verkauf der Fondsimmobilie", nach der bei einer Zustimmung zum Kaufvertrag über die Immobilie und Nichtanfechtung des Beschlusses mit einer Schlusszahlung von voraussichtlich 41 % bezogen auf das eingesetzte Eigenkapital zu rechnen war, sowie eine aktualisierte Prognoserechnung, in der ebenfalls eine Liquidationsgebühr enthalten war. Der Kläger stimmte in der Gesellschafterversammlung am 23. April 2021 gegen den Beschluss, eine Mehrheit von 67,21 % der Stimmen dafür.
8 Der Kläger ist der Auffassung, dass der Beschluss vom 23. April 2021einer Mehrheit von 75 % der Stimmen bedurft hätte. Er hat deswegen Klage auf Feststellung erhoben, dass der Beschluss vom 23. April 2021 nicht wirksam zustande gekommen, hilfsweise nichtig ist. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision beschränkt auf die Frage, ob § 179a AktG auf eine Publikumskommanditgesellschaft anwendbar ist, wenn die Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag der Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens zustimmen müssen, zugelassen. Der Kläger verfolgt mit der Revision seine Klageanträge weiter.
Aus den Gründen
9 Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
10 A. Die Revision des Klägers ist unbeschränkt zulässig.
11 Die Beschränkung der Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht ist unwirksam. Die Revision ist damit unbeschränkt zugelassen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 - II ZR 187/21, ZIP 2023, 355 Rn. 11 mwN) und die vom Kläger parallel eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde gegenstandslos (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 12;Beschluss vom 16. Dezember 2021 - I ZR 186/20, juris Rn. 12; Urteil vom13. Dezember 2022 - II ZR 14/21, BGHZ 235, 295 Rn. 11).
12 Die Beschränkung der Revisionszulassung auf einzelne Rechtsfragen ist grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahme gilt zwar, wenn die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, sich auf einen rechtlich selbständigen, abtrennbaren Teil des Streitstoffs bezieht, auf den die Zulassungsentscheidung wirksam beschränkt werden könnte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13. Dezember 2022 - II ZR 14/21, BGHZ 235, 295 Rn. 12 mwN).Voraussetzung dafür ist eine Selbständigkeit des von der Zulassungsbeschränkung erfassten Teils des Streitstoffs in dem Sinn, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 - II ZR 187/21, ZIP 2023, 355 Rn. 12 mwN). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.
13 Das Berufungsgericht hat seine Einschränkung damit begründet, dass es sich bei seinem Urteil hinsichtlich der übrigen Gründe, die der Kläger für die Erforderlichkeit eines Quorums von 75 % geltend gemacht habe, um eine Einzelfallentscheidung auf Grundlage des konkreten Gesellschaftsvertrags ohne Zulassungsrelevanz handele. Diese "übrigen Gründe" des Klägers, die das Berufungsgericht in seiner Entscheidung behandelt hat, ergeben sich jedoch aus keinem (anderen) abgrenzbaren Teil des Streitstoffs. Es handelt sich lediglich um weitere rechtliche Argumente des Klägers dafür, dass der angefochtene Beschluss einer Mehrheit von 75 % bedurft habe, denen auch in tatsächlicher Hinsicht kein eigener, abtrennbarer Sachverhalt zugrunde liegt.
14 B. In der Sache hat die Revision Erfolg.
15 I. Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt am Main, ZIP 2023, 2700) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
16 Der Beschluss vom 23. April 2021 sei wirksam mit einfacher Mehrheit gefasst worden. Nach § 11 Nr. 10 Satz 1 GV bedürften Beschlüsse der Gesellschafterversammlung, vorbehaltlich einer anderen Bestimmung durch Gesetz oder den Gesellschaftsvertrag, grundsätzlich der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Davon sehe § 11 Nr. 10 Satz 3 GV eine Ausnahme für Beschlüsse nach § 11 Nr. 7 Satz 2 Buchst. f) bis h) und j) GV vor, woraus im Umkehrschluss folge, dass für Beschlüsse nach § 11 Nr. 7 Satz 2 Buchst. a) bis e) und i) GV und damit auch für die von § 11 Nr. 7 Satz 2 Buchst. a) i.V.m. § 10 Nr. 4 Buchst. b) GV erfasste Zustimmung zum Erwerb und zur Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten die einfache Mehrheit genüge.
17 Selbst wenn man noch eine Auslegung des Gesellschaftsvertrags hinsichtlich des erforderlichen Quorums für erforderlich halte, führe diese zu keinem anderen Ergebnis. Eine der im Gesellschaftsvertrag genannten enumerativen Ausnahmen eines Quorums von 75 % liege nicht vor. Insbesondere sei mit dem Beschluss weder eine Änderung des Gesellschaftsvertrags (§ 11 Nr. 10 Satz 3 i.V.m. § 11 Nr. 7 Satz 2 Buchst. f) GV) noch die Auflösung der Gesellschaft (§ 11 Nr. 10 Satz 3 i.V.m. § 11 Nr. 7 Satz 2 j) GV; § 24 Nr. 1 GV) beschlossen worden. Dass die Veräußerung der einzigen Fondsimmobilie von hervorgehobener Bedeutung für die Beklagte gewesen sei und wirtschaftlich einer Änderung oder Abweichung vom Investitionsplan gleichstehen möge, gebe keinen Anlass zu einer - angesichts der ausdrücklichen enumerativen Auflistung ersichtlich gerade nicht gewollten - Erweiterung der in § 11 Nr. 10 Satz 3 GV genannten Ausnahmen um eine Fallgruppe für Geschäfte von wirtschaftlich, rechtlich oder tatsächlich diesen Ausnahmen gleichstehender Bedeutung.
18 Schließlich sei auch § 179a Abs. 1 Satz 1 AktG i.V.m. § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG auf die Beklagte nicht analog anwendbar. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf Publikumskommanditgesellschaften komme jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die Gesellschafter - wie hier - der Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens zustimmen müssten, weil damit der durch § 179a AktG intendierte materielle Schutz der Gesellschafter vor einer ohne ihre Beteiligung vorgenommenen Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens bereits gesellschaftsvertraglich hinreichend gesichert sei.
19 II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat zwar zu Recht die formelle Wirksamkeit des Beschlusses vom 23. April 2021 bejaht. Es hat aber fehlerhaft keine inhaltliche Prüfung des Beschlusses vorgenommen.
20 1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beschluss vom 23. April 2021 gemäß § 11 Nr. 10 Satz 1 GV wirksam mit einfacher Mehrheit gefasst werden konnte.
21 a) Enthält der Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft, wie hier in § 11 Nr. 10 Satz 1 und 3 GV sowie § 24 Nr. 1 Satz 1 GV, für Beschlussfassungen der Gesellschafterversammlung abweichend von dem gesetzlich grundsätzlich vorgesehenen, aber dispositiven Einstimmigkeitsprinzip (siehe § 709 Abs. 1 und 2 BGB aF, § 119 Abs. 1 und 2, § 161 Abs. 2 HGB aF; jetzt §§ 708, 714 BGB, § 109 Abs. 3 und 4, § 161 Abs. 2 HGB) die Vereinbarung des Mehrheitsprinzips, ist zunächst, gegebenenfalls durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags, zu prüfen, ob der betreffende Beschlussgegenstand einer Mehrheitsentscheidung unterworfen ist (BGH, Urteil vom 11. September 2018 - II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 Rn. 17 mwN).
22 Diese Auslegung richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen. Danach kann sich die Mehrheitsbefugnis aus jeder Vereinbarung der Gesellschafter ergeben, die einer dahingehenden Auslegung zugänglich ist, also von der ausdrücklichen Aufführung des betreffenden Beschlussgegenstands in einem Katalog von Beschlussgegenständen über eine umfassende oder auslegungsfähige Mehrheitsklausel im (schriftlichen) Gesellschaftsvertrag bis hin zu einer konkludenten Vereinbarung der Mehrheitszuständigkeit (BGH, Urteil vom 15. Januar 2007 - II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 Rn. 9 - Otto; Urteil vom 24. November 2008 - II ZR 116/08, BGHZ 179, 13 Rn. 15 - Schutzgemeinschaftsvertrag II; Urteil vom 15. November 2011 - II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 Rn. 16; Urteil vom21. Oktober 2014 - II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 14). Dabei ist der frühere Bestimmtheitsgrundsatz auch nicht in Gestalt einer Auslegungsregel derart zu berücksichtigen, dass allgemeine Mehrheitsklauseln restriktiv auszulegen sind oder Beschlussgegenstände, die die Grundlagen der Gesellschaft betreffen oder ungewöhnliche Geschäfte beinhalten, jedenfalls von allgemeinen Mehrheitsklauseln, die außerhalb eines konkreten Anlasses vereinbart wurden, regelmäßig nicht erfasst werden (BGH, Urteil vom 15. November 2011 - II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 Rn. 16; Urteil vom 11. September 2018 - II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 Rn. 17). Die (formelle) Reichweite allgemeiner Mehrheitsklauseln ist weder durch den Bestimmtheitsgrundsatz noch aus anderen Gründen auf gewöhnliche Geschäfte beschränkt (BGH, Urteil vom 15. November 2011 - II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 Rn. 16; Urteil vom 21. Oktober 2014 - II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 13 ff.; Urteil vom 11. September 2018 - II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 Rn. 17).
23 b) Nach der umfassenden Regelung in § 11 Nr. 10 Satz 1 GV ("alle Beschlüsse") genügt für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten grundsätzlich die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen, soweit nicht durch Gesetz oder in diesem Vertrag etwas anderes bestimmt ist. Beide Ausnahmen hat das Berufungsgericht für den am 23. April 2021 gefassten Beschluss rechtsfehlerfrei verneint.
24 aa) Eine vorrangige gesetzliche Regelung, nach der für den Beschluss vom 23. April 2021 eine qualifizierte Mehrheit oder gar Einstimmigkeit der Gesellschafter zwingend (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 2018 - II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 Rn. 17, 19) vorgeschrieben wäre, existiert nicht. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus einer entsprechenden Anwendung von § 179a Abs. 1 Satz 1 AktG i.V.m. § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG. § 179a AktG ist auf eine Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft nicht entsprechend anwendbar.
25 (1) Der Senat hat bereits entschieden, dass § 179a AktG auf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 - II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rn. 11 ff.) und auf die Kommanditgesellschaft (BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232, 375 Rn. 23 ff. unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung) nicht analog anwendbar ist. Dabei hat er ausdrücklich dahinstehen lassen, ob eine entsprechende Anwendung von § 179a AktG auf die Kommanditgesellschaft auch bei Publikumsgesellschaften ausscheidet, bei denen die Struktur einer Aktiengesellschaft angenähert ist und die Einwirkungsmöglichkeiten des Kommanditisten denjenigen eines Aktionärs vergleichbar gering sind (BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232, 375 Rn. 36).
26 (2) Im Schrifttum ist die analoge Anwendung von § 179a AktG auf eine Publikumskommanditgesellschaft umstritten.
27 (a) Ein Teil des Schrifttums lehnt die analoge Anwendung von § 179a AktG auf Publikumspersonengesellschaften generell, d.h. unabhängig von der inneren Ausgestaltung der Gesellschaft, ab (Ebbinghaus/Metzen, NZG 2022, 697, 701; Keller/Schümmer, DB 2022, 1625, 1628 ff.; Prochnau/Reiff, CB 2022, 387, 391 f.; Reiff, AG 2024, R44-R45; Wagner/Bärenreuther, NotBZ 2022, 338, 340; Wentz, WM 2022, 2262, 2268 f.).
28 Teils wird sowohl die für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke als auch eine vergleichbare Interessenlage verneint (Keller/Schümmer, DB 2022, 1625, 1628 ff.); teils wird zwar eine Regelungslücke(Wagner/Bärenreuther, NotBZ 2022, 338, 340) oder auch noch eine vergleichbare Interessenlage bejaht (Ebbinghaus/Metzen, NZG 2022, 697, 701), eine Analogie aber gleichwohl wegen des überwiegenden Grundsatzes der Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht im Außenverhältnis (§ 126 Abs. 2 HGB aF [jetzt § 124 Abs. 4 Satz 2 und 3 HGB], § 161 Abs. 2 HGB) abgelehnt. Begründet wird dies damit, dass bei Einordnung von Gesamtvermögensgeschäften als außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen und dem, bei Publikumsgesellschaften typischen, Ausschluss von § 116 Abs. 2, § 164 Satz 1 Halbs. 2 HGB aF (jetzt § 116 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2, § 164 Halbs. 2 HGB) zwar durchaus eine der Aktiengesellschaft ähnliche Binnenstruktur gegeben sei, der Grundsatz der Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht im Außenverhältnis aber nicht zwischen einer gesetzestypischen und einer Publikumskommanditgesellschaft unterscheide und wegen der nur eingeschränkten Bilanzpublizität von Personengesellschaften von besonderer Bedeutung sei. Der danach gebotene Schutz des redlichen Rechtsverkehrs könne nicht von den konkreten faktischen Verhältnissen einer Publikumskommanditgesellschaft abhängig gemacht werden, zumal auch § 179a AktG nicht nach der konkreten Struktur der Aktiengesellschaft unterscheide (Prochnau/Reiff, CB 2022, 387, 391 f.).
29 Teils wird die analoge Anwendung von § 179a AktG auf Publikumskommanditgesellschaften auch mit der Begründung verneint, dass es des Schutzes von § 179a AktG gar nicht bedürfe, weil Gesamtvermögensgeschäfte als Grundlagengeschäfte einzuordnen und damit ohnehin der Vertretungsmacht der Geschäftsführung entzogen seien (Wentz, WM 2022, 2262, 2268 f.).
30 (b) Die Gegenauffassung (Markworth, ZPG 2023, 136, 139 ff.;Bachmann/Habighorst, NZG 2024, 157; kritisch auch Heckschen, GWR 2022, 174) hält bereits die Entscheidung des Senats, nach der § 179a AktG auf die Kommanditgesellschaft, die keine Publikumsgesellschaft ist, keine analoge Anwendung findet (BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232, 375 Rn. 23 ff.), für falsch.
31 Es sei wenig verständlich, weswegen Aktionäre einen weitergehenden Schutz vor Alleingängen der Geschäftsführung genießen sollten als GmbH-Gesellschafter und Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft (Heckschen, GWR 2022, 174). § 179a AktG sei generell bei Gesamtvermögensgeschäften einer Personengesellschaft analog anwendbar, weil solche Geschäfte die Grundlagen der Gesellschaft ebenso aushöhlten wie ein Grundlagengeschäft, für das der Geschäftsführung von vorneherein keine Vertretungsmacht zukomme(Markworth, ZPG 2023, 136, 139 ff. unter eingehender Auseinandersetzung mit der Argumentation des Senats). Außerdem wird eingewandt, die Entscheidung des Senats übergehe, dass § 179a AktG nicht irgendeine Mitwirkung der Gesellschafter gebiete, sondern eine solche mit ¾-Mehrheit mit Außenwirkung, weshalb sich sein Zweck nicht nur in irgendeiner internen Kontrolle erschöpfe(Bachmann/Habighorst, NZG 2024, 157). Auch andere Autoren betonen, dass sich ein hinreichender Minderheitenschutz nur durch das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit erreichen lasse (von Prittwitz, DStR 2019, 1265, 1269; Witt, ZGR 2022, 893, 907; Prochnau/Reiff, CB 2022, 387, 390; siehe auch OLG Düsseldorf, NZG 2018, 297, 300 Rn. 35).
32 Schließlich wird unter Verweis auf die Holzmüller-Rechtsprechung des Senats zur Aktiengesellschaft (BGH, Urteil vom 25. Februar 1982 - II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 130 f.) angeregt, § 179a AktG nur im Innenverhältnis analog anzuwenden, im Außenverhältnis aber außerhalb des Anwendungsbereichs des Aktiengesetzes dem Grundsatz der Abstraktheit der Vertretungsmacht Vorrang zu gewähren (so Weitnauer, GWR 2018, 1, 3).
33 (c) Eine vermittelnde Ansicht befürwortet die analoge Anwendung von § 179a AktG jedenfalls auf Publikumspersonengesellschaften.
34 Nach einem Teil dieser Auffassung gilt dies generell wegen der strukturellen Vergleichbarkeit einer Publikumskommanditgesellschaft mit der Aktiengesellschaft (Staub/Habersack, HGB, 6. Aufl., § 124 Rn. 80) bzw. der vergleichbaren Schutzbedürftigkeit von Gesellschaftern einer Publikumspersonengesellschaft und Aktionären, aufgrund derer hier eine Regelungslücke und vergleichbare Interessenlage bestehe (Hitzel, MittBayNot 2023, 163, 170; Tröger, WuB 2022, 247, 250; Witt, ZGR 2022, 893, 908 f.; wohl auch Haas/Mohamed in Koch, PersGesR, § 109 Rn. 54). Nach anderer Auffassung (Oetker/Lieder, HGB, 8. Aufl., § 116 Rn. 16) hängt die analoge Anwendung von § 179a AktG von der konkreten Ausgestaltung im Innenverhältnis der Publikumskommanditgesellschaft ab, weil kein Anlass zu einer Analogie bestehe, wenn sich die Gesellschafter einer Publikumsgesellschaft, wenn auch nur aufgrund einer Mehrheitsentscheidung, an der Entscheidungsfindung über ein (als außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme anzusehendes) Gesamtvermögensgeschäft beteiligen könnten.
35 (3) Die erstgenannte Auffassung ist zutreffend. § 179a AktG ist auf eine Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft unabhängig von ihrer Struktur nicht analog anwendbar.
36 Eine Analogie setzt voraus, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke aufweist und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232, 375 Rn. 25; Urteil vom 3. Dezember 2024 - II ZR 143/23, ZIP 2025, 957 mwN). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
37 (a) Es ist bereits fraglich, ob eine planwidrige Regelungslücke vorliegt.
38 Dagegen spricht, dass der Gesetzgeber im Zuge der Gesetzgebung zum Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) bei Regelung der Investmentkommanditgesellschaften, die zugleich die Merkmale einer Publikumskommanditgesellschaft erfüllen, die Regelungen des Handelsgesetzbuchs für anwendbar erklärt hat (§ 124 Abs. 1, § 149 Abs. 1 KAGB), ohne eine Sondervorschrift zum Schutz der Gesellschafter vor Gesamtvermögensgeschäften zu erlassen. Auch bei seiner umfassenden Neuregelung insbesondere des Beschlussmängelrechts für Personenhandelsgesellschaften durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) hat er keine Vorschriften zum Schutz von Kommanditisten vor Gesamtvermögensgeschäften geschaffen, obwohl ihm in beiden Fällen die Materie der Publikumskommanditgesellschaften und die damit verbundenen Besonderheiten bekannt waren (vgl. Keller/Schümmer, DB 2022, 1625, 1628 f.).
39 Auch wenn man dieses Schweigen der Gesetzgebungsmaterialien zu einer möglichen Regelung nicht für ausreichend hält, um anzunehmen, der Gesetzgeber habe davon bewusst keinen Gebrauch gemacht (vgl. RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts [MoPeG],BT-Drucks. 19/27635, S. 144 f. [zu § 711 Abs. 1 BGB-E], 184 [zu § 736aBGB-E], 228 [zu § 110 HGB-E]; siehe auch Wentz, WM 2022, 2262, 2265), ließe sich gegen eine planwidrige Regelungslücke für Publikumskommanditgesellschaften anführen, dass eine Analogie vom Standpunkt des Gesetzes selbst, d.h. der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht, der mit ihm verfolgten Zwecke und des gesetzgeberischen Plans zu beurteilen ist. Danach ist grundsätzlich allein die dem Gesetz zugrundeliegende typisierende Betrachtung maßgeblich, so dass es, da auch § 179a AktG nicht nach der konkreten Ausgestaltung der Aktiengesellschaft unterscheidet, für die Frage einer gesetzlichen Regelungs-lücke bei der Kommanditgesellschaft auch auf deren konkrete Ausgestaltung nicht ankommen kann (vgl. Meier, DNotZ 2020, 246, 252; Keller/Schümmer, DB 2020, 1625, 1627 [zur GmbH], 1628 [zur KG]). Andernfalls müsste man konsequenterweise auch bei einer personalistischen Kommanditgesellschaft darauf abstellen, inwieweit diese im konkreten Fall tatsächlich gesetzestypisch oder davon abweichend ausgestaltet ist.
40 (b) Jedenfalls fehlt es an der für eine Analogie erforderlichen vergleichbaren Interessenlage. § 179a AktG soll die gesellschaftsinterne Kontrolle der Geschäftsführung bei Gesamtvermögensgeschäften durch die Beteiligung der Gesellschafter gewährleisten. Diesem Interesse wird auch bei einer Publikumskommanditgesellschaft ohne entsprechende Anwendung des § 179a AktG durcheinen gesetzlich verankerten Beschlussvorbehalt hinreichend Rechnung getragen.
41 (aa) Auch bei Publikumspersonengesellschaften gilt im Grundsatz, dass die Geschäftsleitung gemäß § 116 Abs. 2, § 119 Abs. 1, § 161 Abs. 2, § 164 HGB zur Vornahme eines über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehenden Geschäfts, wozu die Verpflichtung zur Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens in aller Regel zu rechnen ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232, 375 Rn. 28 mwN), einen zustimmenden Beschluss sämtlicher Gesellschafter unter Einschluss der Kommanditisten einholen muss, sofern nicht nach dem Gesellschaftsvertrag eine Mehrheitsentscheidung zulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232, 375 Rn. 27 mwN). Die rechtzeitige Beteiligung der Gesellschafter wird dadurch sichergestellt, dass die Geschäftsleitung das Geschäft den Kommanditisten gegenüber vor dem Abschluss offenzulegen und deren Stellungnahme abzuwarten hat (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232, 375 Rn. 27 mwN).
42 Nichts anderes würde gelten, wenn man - wie teilweise in der Literatur vertreten - ein Gesamtvermögensgeschäft als Grundlagengeschäft einordnen würde, da auch ein Grundlagengeschäft einen Beschluss aller Gesellschafter voraussetzt, sofern nicht nach dem Gesellschaftsvertrag eine Mehrheitsentscheidung zulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232, 375 Rn. 29 mwN).
43 Dieses Beschlusserfordernis sichert nicht nur das Kontrollrecht der Gesellschafterversammlung in ihrer Gesamtheit, sondern schützt zudem Minderheitsgesellschafter vor einer unangemessenen Vertragsgestaltung oder einer Selbstbedienung des Mehrheitsgesellschafters. Der Minderheitsgesellschafter kann einen vom Mehrheitsgesellschafter gefassten Beschluss durch Klage gerichtlich überprüfen lassen und versuchen, den Vollzug eines nachteiligen Geschäfts zu verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232, 375 Rn. 30).
44 (bb) Zutreffend ist zwar, dass diese Mitwirkungsrechte der Kommanditisten und damit ihre Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung bei Gesamtvermögensgeschäften bei Publikumskommanditgesellschaften meist durch vertragliche Mehrheitsklauseln und/oder Stimmrechtsbeschränkungen bzw. -ausschlüsse weitgehend eingeschränkt werden. Anders als bei der durch Satzungsstrenge geprägten Aktiengesellschaft (§ 23 Abs. 5 AktG) werden die Beziehungen zwischen den Gesellschaftern bei Personengesellschaften jedoch grundsätzlich maßgeblich durch die individuellen Regelungen des jeweiligen Gesellschaftsvertrags bestimmt. Diesen Regelungen hat der Kommanditist sich mit seinem Beitritt zu einer solchen Gesellschaft und Abschluss des Gesellschaftsvertrags sehenden Auges unterworfen, so dass er - mangels existierender entsprechender gesetzlicher Regelung für die Kommanditgesellschaft - auch keinen § 179a AktG vergleichbaren Schutz vor Gesamtvermögensgeschäften erwarten oder verlangen kann.
45 Überdies wird seinem Schutz bei Gesamtvermögensgeschäften auch bei einer solchen Vertragsgestaltung immer noch dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass er als Minderheitsgesellschafter gegen einen von der Mehrheit gefassten Beschluss gerichtlich vorgehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232, 375 Rn. 30 aE). Die hierdurch eröffnete gerichtliche Beschlusskontrolle umfasst auf der zweiten Stufe eine materielle Überprüfung, insbesondere unter dem Aspekt einer etwaigen Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht der Mehrheit gegenüber der Minderheit (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2007 - II ZR 245/05, BGHZ 170, 283, Rn. 10 - Otto; Urteil vom 24. November 2008 - II ZR 116/08, BGHZ 179, 13 Rn. 16 f. - Schutzgemeinschaftsvertrag II; Urteil vom 21. Oktober 2014 - II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 13 ff.).
46 (cc) Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung zur Kommanditgesellschaft (BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232, 375 Rn. 31 ff.) ausgeführt hat, ergibt sich zudem aus den Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter auf die Geschäftsführung, soweit man diesen Gesichtspunkt nicht ohnehin als nachrangig ansieht (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232, 375 Rn. 31), aufgrund der strukturellen Unterschiede zu der auf Machtbalance der einzelnen Organe abzielenden und die Aktionäre von der unmittelbaren Einflussnahme auf die Geschäftsführung ausschließenden Verfassung der Aktiengesellschaft eine geringere Schutzbedürftigkeit der Kommanditisten als der Aktionäre. Das gilt auch für eine Publikumskommanditgesellschaft. Mit der Neuregelung des § 166 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB durch das MoPeG sind die Informationsrechte des Kommanditisten - auch einer Publikumsgesellschaft - überdies gesetzlich gestärkt worden, indem sein bisher von der Rechtsprechung entwickeltes allgemeines Informationsrecht kodifiziert und gesetzlich zwingend ausgestaltet worden ist (siehe dazu RegE zum MoPeG,BT-Drucks. 19/27635, S. 253 f.; Gummert in Henssler/Strohn, GesR, 6. Aufl., § 166 HGB Rn. 1; Mock in Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 166 Rn. 28 ff.; Oepen in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 166 Rn. 16 ff.; Schanze, ZIP 2025, 747 ff.).
47 (dd) Ein weitergehender Minderheitenschutz dahingehend, dass die Unterschreitung einer 75 %-Mehrheit bei Gesamtvermögensgeschäften stets bereits auf der ersten (formellen) Stufe der Beschlussprüfung die Unwirksamkeit des Beschlusses zur Folge hätte, ist danach auch unter Berücksichtigung der Interessenlage bei einer Publikumspersonengesellschaft nicht geboten. Dass der Gesetzgeber bei der Aktiengesellschaft mit § 179a AktG die ausdrückliche Festlegung eines (formalen) Mindestquorums bei Gesamtvermögensgeschäften für erforderlich gehalten hat, obwohl auch bei der aktienrechtlichen Beschlussmängelprüfung im Rahmen von § 243 Abs. 1 AktG die Verletzung von zwischen den Aktionären bestehenden Treuepflichten geprüft wird (vgl. Drescher in Henssler/ Strohn, GesR, 6. Aufl., § 243 AktG Rn. 22 f.; Koch, AktG, 19. Aufl., § 243 Rn. 5, 21 ff.; § 53a Rn. 14, 16, 20, 21b; MünchKommAktG/Schäfer, 5. Aufl. § 243 Rn. 54, 57; jeweils mwN), gibt keinen Anlass zu einer anderen Bewertung. Die strukturellen Unterschiede zu einer Aktiengesellschaft sind auch bei einer Publikumspersonengesellschaft aufgrund ihrer grundsätzlich personalistischen Konzeption immer noch derart ausgeprägt, dass angesichts des besonderen Gewichts der Treu- und Rücksichtnahmepflichten von Gesellschaftern einer Personengesellschaft, aber auch in Anbetracht der Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter (auch der Kommanditisten) auf die Geschäftsführung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232, 375 Rn. 31 ff.) eine entsprechende Anwendung von § 179a AktG nicht erforderlich ist.
48 (c) Gegen eine Analogie zu § 179a AktG spricht zudem auch bei der Publikumskommanditgesellschaft, dass damit ohne unmittelbare gesetzliche Grundlage ein tragendes Prinzip des Rechts der Handelsgesellschaften gefährdet würde (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232, 375 Rn. 34 f.).
49 (aa) § 126 Abs. 2 HGB aF bzw. § 124 Abs. 4 Satz 2 und 3 HGB, § 161 Abs. 2 HGB, der die Unbeschränktheit und Unbeschränkbarkeit der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers im Außenverhältnis statuiert, ist wie die parallelen Vorschriften § 37 Abs. 2 GmbHG, § 82 Abs. 1 AktG, § 27 Abs. 2 GenG oder § 50 Abs. 1 HGB sowie Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2, Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts (Abl. (EU) L 169/46 [Gesellschaftsrechts-Richtlinie]) Ausdruck des Prinzips, dass der Handelsverkehr auf dem Gebiet der rechtsgeschäftlichen und organschaftlichen Vertretungsbefugnis klare Verhältnisse erfordert. Für den Dritten, der mit einem Vertreter einer Handelsgesellschaft ein Rechtsgeschäft abschließt oder Erklärungen entgegennimmt, ist es, wenn nicht praktisch undurchführbar, so jedenfalls unzumutbar, sich in jedem Einzelfall über den Umfang der Vertretungsbefugnis des anderen Teils zu informieren. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber gerade bei den Handelsgesellschaften den Umfang der organschaftlichen Vertretungsbefugnis zwingend festgelegt (BGH, Urteil vom 20. September 1962 - II ZR 209/61, BGHZ 38, 26, 33; Urteil vom 23. Juni 1997 - II ZR 353/95, ZIP 1997, 1419, 1420; Urteil vom 18. Oktober 2017 - I ZR 6/16, ZIP 2018, 214 Rn. 21 - media control mwN; Urteil vom 8. Januar 2019 - II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rn. 31).
50 (bb) Dieser Gedanke erlangt bei der Kommanditgesellschaft besonderes Gewicht, weil der jeweilige Vertragspartner der Gesellschaft das Vorliegen eines Gesamtvermögensgeschäfts in der Regel nicht zuverlässig beurteilen kann. Eine quantitative Abgrenzung nach dem Wertverhältnis des zu übertragenden und des verbleibenden Vermögens der Gesellschaft ist erschwert, weil die Vermögenssituation der Personengesellschaft und der Wert ihrer Vermögensgegenstände aufgrund der geringeren Bilanzpublizität nur eingeschränkt offengelegt werden. Hinzu kommt, dass der Rechtsverkehr bei den Personengesellschaften typischerweise von einer engeren internen Abstimmung zwischen Geschäftsführern und Gesellschaftern als bei einer Aktiengesellschaft ausgehen kann, was in die Abwägung mit dem Schutzbedürfnis der Gesellschafter einzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232, 375 Rn. 35 mwN). Die in der Literatur dagegen erhobenen Einwände erschöpfen sich im Kern in einer anderen Gewichtung der gegeneinander abzuwägenden Interessen, ohne neue, vom Senat noch nicht berücksichtigte Gesichtspunkte aufzuzeigen.
51 Auch der Einwand des Klägers, dass die Vorschrift des § 179a AktG selbst im Recht der Aktiengesellschaft letztlich systemfremd sei, weil auch die Vertretungsbefugnis des Vorstands nach § 82 Abs. 1 AktG unbeschränkbar sei, gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Dass der Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung nach § 179a AktG nach der Rechtsprechung des Senats und der überwiegenden Auffassung im Schrifttum (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 - II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rn. 10 mwN auch zur Gegenansicht) auch Voraussetzung für die Wirksamkeit des schuldrechtlichen Übertragungsvertrags im Außenverhältnis ist, ist eine Frage der Rechtsfolgen einer Anwendung von § 179a AktG und nicht der hier zu prüfenden, vorgelagerten Frage, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift vorliegen. Maßgeblich ist daher nicht, dass der Senat einen solche "Systemwidrigkeit" bei der Aktiengesellschaft für gerechtfertigt gehalten hat, sondern ob sie (auch) bei der Kommanditgesellschaft gerechtfertigt wäre. Das aber ist - wie oben ausgeführt - nicht der Fall.
52 (cc) Für die Publikumspersonengesellschaft gilt nichts anderes.
53 § 126 Abs. 2 HGB aF bzw. § 124 Abs. 4 Satz 2 und 3 HGB, § 161 Abs. 2 HGB unterscheiden nicht nach der Ausgestaltung der jeweiligen Gesellschaft. Auch bei der Publikumskommanditgesellschaft besteht eine nur eingeschränkte Bilanzpublizität, so dass der demnach auch hier gebotene Schutz des redlichen Rechtsverkehrs nicht von der konkreten Ausgestaltung und den faktischen Verhältnissen der jeweiligen Gesellschaft abhängig gemacht werden kann. Die Folge wäre eine übermäßige Beeinträchtigung des Rechtsverkehrs, weil ein Dritter, der mit der Gesellschaft einen Kauf- und Übertragungsvertrag über einen wesentlichen Vermögensgegenstand der Gesellschaft schließt, bei analoger Anwendung des § 179a AktG nicht nur ermitteln müsste, ob es sich um einen Vertrag über das "ganze Gesellschaftsvermögen" im Sinn von § 179a AktG handelt, sondern auch, ob seine Vertragspartnerin eine Publikumskommanditgesellschaft und/oder ihre Struktur derjenigen einer Aktiengesellschaft angenähert ist. Demgegenüber besteht auch bei einer Publikumspersonengesellschaft im Außenverhältnis ein hinreichender Schutz der Gesellschafter vor Vermögensverlagerungen durch Gesamtvermögensgeschäfte in Form des Missbrauchs der Vertretungsmacht (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 - II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rn. 40 ff. [zur GmbH]; Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232, 375 Rn. 37 ff. zur Kommanditgesellschaft; kritisch Götze, NZG 2019, 695, 696 f.; von Prittwitz, DStR 2019, 1265, 1296 f.; Witt, ZGR 2022, 893, 901 ff.).
54 (d) Aus den oben genannten Gründen ist auch der Auffassung des Klägers nicht zu folgen, dass zumindest die Voraussetzungen für eine auf das Innenverhältnis beschränkte analoge Anwendung von § 179a AktG gegeben seien (siehe dazu Weitnauer, GWR 2018, 1, 3). Auch insoweit fehlt es an der für eine Analogie erforderlichen Vergleichbarkeit der Interessenlage. Die Minderheitsgesellschafter werden entgegen der Ansicht des Klägers ohne Analogie nicht "im Ergebnis rechtlos" gestellt. Ihre Interessen werden hinreichend dadurch gewahrt, dass ihnen mit der Möglichkeit, eine gerichtliche Überprüfung des Beschlusses und in deren Rahmen auch die Ausübung der Mehrheitsmacht im konkreten Fall auf der zweiten (materiellen) Stufe der Beschlussprüfung insbesondere hinsichtlich einer etwaigen Treuwidrigkeit zu veranlassen, ein ausreichender Rechtsschutz zur Verfügung steht.
55 bb) Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht festgestellt, dass auch nach dem Gesellschaftsvertrag der Beklagten für den am 23. April 2021 gefassten Beschluss keine qualifizierte Mehrheit erforderlich war.
56 (1) Nicht zu folgen ist allerdings der Ansicht des Berufungsgerichts, der Gesellschaftsvertrag sei überhaupt nicht auslegungsbedürftig, weil sich im Umkehrschluss aus § 11 Nr. 10 Satz 3 GV eindeutig ergebe, dass die Veräußerung von Grundstücken mit einfacher Mehrheit erfolgen könne. Dass § 11 Nr. 10 Satz 3 GV für die nach § 11 Nr. 7 Satz 2 Buchst. a) i.V.m. § 10 Nr. 4 Buchst. b) GV zustimmungsbedürftige "Veräußerung von Grundstücken" keine Mehrheit von 75 % vorschreibt, schließt nicht aus, dass der Beschluss über die Veräußerung einer Fondsimmobilie von einem der übrigen in § 11 Nr. 7 Satz 2 GV genannten Fälle erfasst wird, für die nach § 11 Nr. 10 Satz 3 GV eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist. Dass ein Beschlussgegenstand ausschließlich einem einzigen der in § 11 Nr. 7 Satz 2 GV genannten Fälle zugeordnet werden könnte, ist dem Gesellschaftsvertrag nicht zu entnehmen.
57 (2) Die vom Berufungsgericht gleichwohl vorgenommene Auslegung des Gesellschaftsvertrags ist jedoch zutreffend.
58 (a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Gesellschaftsvertrag der Beklagten als einer Publikumsgesellschaft grundsätzlich nach seinem objektiven Erklärungsbefund nur anhand des schriftlichen Vertrags auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2007 - II ZR 73/06, ZIP 2007, 812 Rn. 8; Urteil vom 11. Januar 2011 - II ZR 187/09, ZIP 322 Rn. 12; Urteil vom 15. November 2011 - II ZR 266/09, BGHZ 191, 203 Rn. 17; Urteil vom18. September 2012 - II ZR 201/10, ZIP 2012, 2291 Rn. 18; Urteil vom 12. März 2013 - II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 13 f.; Urteil vom 16. Februar 2016 - II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 12 f.; zuletzt Urteil vom 22. Oktober 2024 - II ZR 64/23, juris Rn. 28) und die Angabe im Emissionsprospekt, maßgebliche Beschlüsse wie z.B. Erwerb und Veräußerung von Immobilien bedürften einer Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen, bei der Auslegung mithin nicht zu berücksichtigen ist. Der Emissionsprospekt kann im Rahmen der objektiven Auslegung nur dann zur Auslegung des Gesellschaftsvertrags herangezogen werden, wenn er im Vertrag in Bezug genommen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2005 - II ZR 354/03, ZIP 2005, 1455, 1456 Rn. 27; Urteil vom 9. Juni 2015 - II ZR 420/13, ZIP 2015, 1626 Rn. 31). Das ist hier nicht der Fall.
59 (b) Ausgehend davon hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass mit dem Beschluss nicht gegen den Gesellschaftsvertrag der Beklagten verstoßen wurde, weil die Veräußerung der Fondsimmobilie von dem in § 3 GV definierten Gegenstand der Gesellschaft mit umfasst war. Es kann damit auf sich beruhen, ob anderenfalls in dem Beschluss neben einem Verstoß gegen den Gesellschaftsvertrag zugleich eine (konkludente) Änderung desselben gesehen werden könnte, die nach § 11 Nr. 7 Satz 2 Buchst. f) GV, § 11 Nr. 10 GV eine Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen erfordert hätte.
60 (aa) Die Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten wird bei der Angabe des Gesellschaftsgegenstands in § 3 Abs. 1 GV zwar nicht ausdrücklich genannt, sondern nur der Erwerb, die Bebauung, Vermietung, Verpachtung und Verwaltung von Grundstücken. Das Berufungsgericht hat aber rechtsfehlerfrei angenommen, dass sich die Einbeziehung von Grundstücksveräußerungen in den Gesellschaftsgegenstand aus dem Gesamtkontext der vertraglichen Regelungen, namentlich der Regelung der Geschäftsführung und Vertretung in § 10 Nr. 4 Buchst. b) GV, ergibt. Danach bedarf die Geschäftsführung u.a. für die Veräußerung von Grundstücken und grundstückgleichen Rechten der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Diese Regelung hätte, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch aus Sicht eines - insoweit maßgeblichen - verständigen Publikumspersonengesellschafters keinen Sinn, wenn die Veräußerung eines Grundstücks von vorneherein nicht vom Gegenstand der Gesellschaft umfasst wäre. Hinzu kommt, dass § 3 Nr. 1 GV seinem Wortlaut nach nicht auf ein einzelnes Grundstück/Objekt beschränkt ist, sondern lediglich "insbesondere" die "Errichtung von Verwaltungsgebäuden in E. anführt. Auch das spricht dafür, dass im Rahmen des Gesellschaftsgegenstands nicht nur der Erwerb, die Errichtung und die Verwaltung von Immobilien möglich sein sollte, sondern auch, sofern dies diesem Gesellschaftsgegenstand dienlich war, die Veräußerung von Immobilien, etwa um ein nicht mehr rentables Objekt abzustoßen und den Erlös anderweitig zu investieren.
61 (bb) Der streitgegenständliche Veräußerungsbeschluss ist auch nicht deshalb als Verstoß gegen den Gesellschaftsvertrag anzusehen, weil er die (derzeit) einzige Immobilie der Beklagten betraf. Entgegen der Ansicht des Klägers machte es diese Beschlussfassung nicht faktisch unmöglich, den in § 3 GV definierten Gesellschaftsgegenstand weiter zu verfolgen. Da als Gesellschaftsgegenstand in § 3 Nr. 1 GV lediglich "insbesondere" allgemein die "Errichtung von Verwaltungsgebäuden in E. " angegeben wurde, konnte die Beklagte auch bei Veräußerung ihrer einzigen Immobilie ihrem Gesellschaftsgegenstand entsprechend als werbende Gesellschaft fortbestehen, wenn der aus der Veräußerung erzielte Erlös nicht in Liquidation der Gesellschaft unter den Gesellschaftern verteilt, sondern zum Erwerb einer anderen Immobilie oder grundstückgleicher Rechte eingesetzt wurde. Dass der Emissionsprospekt allein und ausschließlich auf das "Finanzzentrum E. " zugeschnitten gewesen sein mag, ist - wie oben ausgeführt - für die Auslegung der gesellschaftsvertraglichen Regelungen einer Publikumsgesellschaft nicht relevant.
62 (c) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass mit dem Beschluss keine Auflösung der Gesellschaft im Sinn von § 11 Nr. 7 Satz 2 Buchst. j) bzw. § 24 Nr. 1 Satz 1 GV beschlossen wurde, weshalb es der hierfür erforderlichen Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen nicht bedurfte.
63 (aa) Der Beschluss ist nach den für Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften geltenden Grundsätzen, d.h. nach seinem objektiven Erklärungsbefund auszulegen (BGH, Urteil vom 6. März 2018 - II ZR 1/17, ZIP 2018, 929 Rn. 16 f.).
64 (bb) Nach diesen Maßstäben ist die Feststellung des Berufungsgerichts, dass mit dem - seinem Wortlaut nach auf die Genehmigung des notariellen Kaufvertrags beschränkten - Beschluss vom 23. April 2021 nicht konkludent zugleich über die Auflösung der Gesellschaft beschlossen wurde, nicht zu beanstanden.
65 Die Beschlussvorlage und das Stimmformular enthielten nur die Genehmigung des notariellen Kaufvertrags, die Beschlussvorlage zudem den abschließenden Vermerk "Weitere Beschlüsse sind nicht zu fassen". Selbst wenn man die von den Parteien und dem Berufungsgericht herangezogenen weiteren Unterlagen (Einladungsschreiben mit Rückflussbetrachtungen) bei der Auslegung des Beschlusses berücksichtigt, mag sich daraus zwar ergeben, dass die Geschäftsführung der Beklagten nach bzw. mit der Veräußerung der Immobilie die Liquidation der Gesellschaft angestrebt hat. Auch dann stand die beschlossene Veräußerung aber weder rechtlich noch tatsächlich von vorneherein einer Auflösung der Beklagten gleich, weil im Rahmen des Gesellschaftsgegenstands auch nach der Veräußerung eine Fortsetzung der werbenden Gesellschaft durch Re-Investition des erzielten Veräußerungserlöses in ein anderes Objekt noch möglich war. So ergab sich auch aus dem Einladungsschreiben vom9. Dezember 2019, dass die Geschäftsführung der Beklagten selbst noch einen gesonderten "Liquidationsbeschluss" für erforderlich erachtete. Dementsprechend hat auch der Kläger im Revisionsverfahren ausgeführt, dass es sich bei der Veräußerung der einzigen Immobilie nur um ein - wenn auch "unmittelbar" - der "Vorbereitung" der Liquidation der Gesellschaft dienendes Gesamtvermögensgeschäft gehandelt habe. Dass bereits feststand, dass der Erlös zur Bedienung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft aufgebraucht werden würde/sollte und eine Re-Investition damit von vorneherein ausgeschlossen gewesen wäre, wird nicht geltend gemacht und ist nach der den Gesellschaftern avisierten Auszahlung nach Veräußerung auch nicht anzunehmen. Dass für den Erwerb einer neuen Immobilie möglicherweise nach § 353 Abs. 1 KAGB gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen erforderlich sein könnten, hat das Berufungsgericht zu Recht mit Verweis darauf als unerheblich angesehen, dass darüber frühestens mit der Entscheidung über die Verwendung des Verkaufserlöses zu entscheiden gewesen wäre.
66 (d) Schließlich hat das Berufungsgericht zu Recht auch eine erweiternde Auslegung des Gesellschaftsvertrags über die dort enumerativ genannten Fälle einer erforderlichen Mehrheit von 75 % hinaus auf andere Beschlüsse, deren wirtschaftliche, rechtliche oder tatsächliche Bedeutung den ausdrücklich genannten Fällen gleichkommt, abgelehnt.
67 Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die enumerative Auflistung der Ausnahmen von der allgemeinen einfachen Mehrheitsklausel dafür spricht, dass eine Ausweitung dieser Fallgruppen auf ungeschriebene weitere Fälle nicht gewollt war, zumal einer solchen Ausweitung auch die damit verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten entgegenstünden.
68 Für eine erweiternde Auslegung lässt sich auch hier nicht der Rechtsgedanke des § 179a AktG oder die Rechtsprechung des Senats zur Beschlussfassung in der Aktiengesellschaft anführen, nach der bei fundamentalen Strukturmaßnahmen, die an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Aktiengesellschaft zu bestimmen rühren, weil sie Veränderungen nach sich ziehen, die diejenigen zumindest nahekommen, welche allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden können, eine ungeschriebene Mitwirkungsbefugnis der Hauptversammlung besteht, deren Zustimmung wegen der Bedeutung für die Aktionäre einer Dreiviertel-Mehrheit bedarf (BGH, Urteil vom 25. Februar 1982 - II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 130 f. - Holzmüller; Urteil vom 26. April 2004 - II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 44 ff. - Gelatine I; Urteil vom 26. April 2004 - II ZR 154/02, WM 2004, 1085, 1088 f. - Gelatine II; Liebscher in Henssler/ Strohn, GesR, 6. Aufl., § 119 AktG Rn. 12 ff.; Spindler in Schmidt/Lutter, AktG, 5. Aufl., § 119 Rn. 26 ff., 30, 46). Das widerspräche wiederum der ständigen Senatsrechtsprechung zur Prüfung von Mehrheitsbeschlüssen einer Personengesellschaft. Danach ist auf der ersten Stufe nur die formelle Legitimation für Mehrheitsentscheidungen auf der Grundlage einer Mehrheitsklausel zu prüfen, die auch bei außergewöhnlichen und Grundlagengeschäften gegeben sein kann, wenn sich aus der Auslegung des Gesellschaftsvertrags ergibt, dass dieser Beschlussgegenstand einer Mehrheitsentscheidung unterworfen ist (BGH, Urteil vom 15. Januar 2007 - II ZR 245/05, BGHZ 170, 283, Rn. 13 - Otto; Urteil vom 24. November 2008 - II ZR 116/08, BGHZ 179, 13 Rn. 16 f. - Schutzgemeinschaftsvertrag II; Urteil vom 15. November 2011 - II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 Rn. 16; Urteil vom 21. Oktober 2014 - II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 13 ff.; Urteil vom 11. September 2018 - II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 Rn. 17). Die Bedeutung und die Auswirkungen des Beschlusses für die Gesellschafter kommen dagegen erst auf der zweiten, materiellen Stufe der Prüfung zum Tragen.
69 2. Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft im Weiteren keine inhaltliche Prüfung des Beschlusses vorgenommen.
70 a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Wirksamkeit einer Mehrheitsentscheidung bei allen Beschlussgegenständen sowohl eine Prüfung ihrer formellen Legitimation durch eine Mehrheitsklausel auf der ersten Stufe als auch eine inhaltliche Prüfung auf der zweiten Stufe (materielle Legitimation) unter dem Aspekt einer etwaigen Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht der Mehrheit gegenüber der Minderheit voraus (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 11 und 12 mwN). Auf dieser Stufe ist zu prüfen, ob der Beschluss in schlechthin unverzichtbare oder in "relativ unentziehbare", d.h. in nur mit Zustimmung des einzelnen Gesellschafters oder aus wichtigem Grund entziehbare Mitgliedschaftsrechte eingreift. Liegt ein Eingriff in absolut oder relativ unentziehbare Rechte vor, ist regelmäßig eine treupflichtwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht anzunehmen, während in den sonstigen Fällen die Minderheit den Nachweis einer treupflichtwidrigen Mehrheitsentscheidung zu führen hat (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 19 mwN). Bei Eingriffen in "relativ unentziehbare" Rechte, die die individuelle Rechtsstellung des Gesellschafters, d.h. seine rechtliche und vermögensmäßige Position in der Gesellschaft betreffen, kommt es letztlich maßgebend immer darauf an, ob der Eingriff im Interesse der Gesellschaft geboten und dem betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwerten Belange zumutbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 19 mwN).
71 b) Diese Prüfung in inhaltlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft vollständig unterlassen.
72 Soweit die Beklagte meint, zu einer solchen Prüfung habe kein Anlass bestanden, weil keine Tatsachen festgestellt oder vom Kläger vorgetragen seien, die für einen treuwidrigen Missbrauch der Mehrheitsmacht sprechen könnten, trifft das nicht zu. Eine Treuwidrigkeit der Beschlussfassung über die Veräußerung der Fondsimmobilie könnte sich hier daraus ergeben, dass damit in der Absicht, das für einen Auflösungsbeschluss erforderliche qualifizierte Mehrheitserfordernis zu umgehen, mit einfacher Mehrheit bereits Tatsachen geschaffen werden sollten, die die Liquidation der Gesellschaft unumkehrbar einleiteten und in der erst nachträglichen Beschlussfassung über die angestrebte Auflösung das dafür erforderliche Quorum zu erreichen. Ob dies der Fall war, vermag der Senat auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht abschließend zu beurteilen. Dafür könnten einerseits die Einladungsschreiben und Beschlussvorlagen nebst Rückflussbetrachtungen zu den Beschlussfassungen zur Veräußerung der Immobilie sprechen; andererseits hat die Beklagte vorgetragen, dass sie über ein Bankguthaben von rund 18,8 Mio. € verfüge, mit dem sie ihren Gesellschaftsgegenstand unproblematisch weiterverfolgen könne, aufgrund der Rechtsstreite um die Wirksamkeit der Veräußerungsbeschlüsse jedoch aus Gründen kaufmännischer Vorsicht an einer Entscheidung über die weitere Verwendung ihres Vermögens gehindert sei; ob die Gesellschaft fortgesetzt oder aufgelöst werden solle, obliege der Entscheidung der Gesellschafter.
73 III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit dieses unter Berücksichtigung des widerstreitenden Vortrags und ggf. ergänzendem Vorbringen der Parteien die Prüfung der inhaltlichen Wirksamkeit des Beschlusses vom 23. April 2021 nachholen kann.