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Wirtschaftsrecht
22.05.2025
Wirtschaftsrecht
BGH: Keine Wiedereinsetzung von Amts wegen

BGH, Beschluss vom 8.5.2025 – V ZB 44/24

ECLI:DE:BGH:2025:080525BVZB44.24.0

Volltext: BB-Online BBL2025-1217-3

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Amtlicher Leitsatz

Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt nicht in Betracht, wenn die Partei ausdrücklich und unmissverständlich erklärt, die Wiedereinsetzung werde nicht beantragt, und daran nach einem Hinweis des Gerichts festhält.

ZPO § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2

Aus den Gründen

1              I. Die Klägerin hat gegen das ihr am 12. Oktober 2023 zugestellte Urteil des Landgerichts fristgerecht Berufung eingelegt. Auf ihren Antrag ist die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 12. Januar 2024 verlängert worden. Mit Schriftsatz vom 11. Januar 2024 hat der Vertreter des Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Antrag übermittelt, die Berufungsbegründungsfrist erneut bis zum 26. Januar 2024 zu verlängern, weil der Prozessbevollmächtigte als alleiniger Sachbearbeiter erkrankt sei. Die Beklagte hat am selben Tag kurz zuvor einer weiteren Fristverlängerung nicht zugestimmt.

 

2          Die Berufungsbegründungsschrift ist am 25. Januar 2024 bei dem Berufungsgericht eingegangen. Nach dem Hinweis des Vorsitzenden vom 12. Februar 2024, dass eine weitere Verlängerung der Begründungsfrist nicht gewährt worden sei und die Berufung als unzulässig verworfen werden müsse, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 18. März 2024 geltend gemacht, über den Verlängerungsantrag sei noch nicht entschieden worden, weshalb eine Verwerfung der Berufung nicht in Betracht komme. Dem nach Ablehnung der Fristverlängerung zu stellenden Antrag auf Wiedereinsetzung werde stattzugeben sein, da der erkrankungsbedingte Ausfall ihres Prozessbevollmächtigten unvorhersehbar gewesen sei und dieser als Einzelanwalt den grundsätzlich vertretungsbereiten Kollegen nicht in zumutbarer Weise mit der Fertigung der Berufungsbegründung habe beauftragen können. Mit Verfügung vom 15. April 2024 hat der Vorsitzende des Berufungssenats mitgeteilt, es sei bereits deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht gewährt werden könne. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 13. Mai 2024 wiederholt, dass über den Antrag auf Fristverlängerung durch mit Gründen versehenen Beschluss entschieden werden müsse. Demzufolge sei ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand noch nicht angebracht. Für den Fall der Ablehnung der Fristverlängerung hat sie angekündigt darzulegen, dass ihr Prozessbevollmächtigter mit einem grippalen Infekt bis zum 22. Januar 2024 ans Bett gefesselt gewesen sei.

 

3          Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.          II.

 

4          Das Berufungsgericht meint, die Berufung sei unzulässig, da sie nicht fristgerecht begründet worden sei. Die Berufungsbegründungsfrist sei nur bis zum 12. Januar 2024 verlängert worden. Eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sei mit der Verfügung vom 12. Februar 2024 versagt worden. Jedenfalls liege eine ablehnende Entscheidung in der Verfügung vom 15. April 2024, die klargestellt habe, dass die frühere Verfügung als Ablehnung der weiteren Fristverlängerung zu verstehen sei. Die am 25. Januar 2024 eingegangene Berufungsbegründung sei somit verfristet.

 

5          Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist sei nicht zu gewähren. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung könnte frühestens in dem Schriftsatz der Klägerin vom 18. März 2024 gesehen werden. Bei dessen Eingang sei die einmonatige Frist für den Wiedereinsetzungsantrag jedoch bereits verstrichen gewesen. Die Frist habe mit der Gesundung des Prozessbevollmächtigten am 22. Januar 2024 begonnen, weil die Klägerin auf die weitere Fristverlängerung nicht habe vertrauen können. Sie habe die dafür erforderliche Einwilligung des Gegners nicht eingeholt, und ihr sei zudem der Schriftsatz der Beklagten vom 11. Januar 2024, mit der diese die Einwilligung versagt habe, noch am selben Tag übermittelt worden. III.

 

6          Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil es an den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Insbesondere ist der Zugang zur Rechtsmittelinstanz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert worden (vgl. Senat, Beschluss vom 12. November 2020 - V ZB 32/20, NJW-RR 2021, 506 Rn. 4). Die Annahme, dass die Berufungsbegründungsfrist schuldhaft versäumt worden ist, steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die insoweit weder fortzubilden noch zu ergänzen ist. Infolgedessen ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht keine Wiedereinsetzung von Amts wegen nach § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO gewährt hat.

 

7          1. Richtig ist im Ausgangspunkt, dass die Berufungsbegründungsfrist gemäß § 520 Abs. 2 ZPO versäumt worden ist. Die Klägerin hat die Berufung weder binnen der bis zum 12. Dezember 2023 laufenden (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO) noch innerhalb der gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO bis zum 12. Januar 2024 verlängerten Frist begründet. Eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ist nicht erfolgt und wäre mangels Zustimmung des Gegners auch nicht möglich gewesen. Das wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht in Zweifel gezogen.

 

8          2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei der Klägerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt (§ 233 Satz 1 ZPO).

 

9          a) Einen Wiedereinsetzungsantrag hat die Klägerin nicht gestellt. Die Wiedereinsetzungsfrist von einem Monat (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) wurde mit dem Wegfall der eine Erstellung der Berufungsbegründung hindernden Erkrankung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, also mit Ablauf des 22. Januar 2024 in Gang gesetzt (§ 234 Abs. 2 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2011 - VIII ZB 81/10, NJW 2011, 1601 Rn. 9, 11), und endete mit Ablauf des 22. Februar 2024 (§ 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB). Innerhalb dieser Frist hat die Klägerin Wiedereinsetzung nicht beantragt. Das sieht die Rechtsbeschwerde nicht anders.

 

10        b) Das Berufungsgericht war entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht gehalten, der Klägerin von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

 

11        aa) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO von Amts wegen gewährt werden, wenn die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt wird. Weitere Voraussetzung ist, dass die Gründe für die unverschuldete Fristversäumnis innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO offenkundig sind oder nach einem erforderlichen gerichtlichen Hinweis offenkundig geworden wären (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 187/13, NJW-RR 2015, 628 Rn. 12; BGH Beschluss vom 21. Februar 2023 - VIII ZB 17/22, MDR 2023, 861 Rn. 29, jeweils mwN).

 

12        bb) Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt aber nicht in Betracht, wenn die Partei ausdrücklich und unmissverständlich erklärt, die Wiedereinsetzung werde nicht beantragt, und daran nach einem Hinweis des Gerichts festhält. Die Vorschrift des § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO soll lediglich verhindern, dass die Partei einen unverschuldeten Rechtsverlust allein deshalb erleidet, weil sie keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt hat (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17. Januar 2013 - III ZR 168/12, NJW-RR 2013, 692 Rn. 19). Erklärt die Partei, nachdem sie von dem Gericht auf die Fristversäumung hingewiesen worden ist, sie stelle keinen Wiedereinsetzungsantrag, darf ihr über § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Wiedereinsetzung nicht gegen ihren Willen aufgedrängt werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2013 - III ZR 168/12, aaO; MüKoZPO/Stackmann, 7. Aufl., § 236 Rn. 22 mwN). So wäre es hier. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat, auch nach mehreren Hinweisen des Berufungsgerichts auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, erklärt, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (noch) nicht zu stellen. Er hat die Wiedereinsetzung auch nicht vorsorglich oder hilfsweise beantragt. Im Gegenteil hat er auf seiner mit den prozessualen Vorgaben offenkundig unvereinbaren Rechtsauffassung beharrt, das Gericht müsse die Fristverlängerung durch begründeten Beschluss ablehnen und er sei erst im Anschluss daran gehalten, Wiedereinsetzung zu beantragen. Daran muss er sich festhalten lassen und kann nicht mit der Rechtsbeschwerde geltend machen, das Berufungsgericht hätte von Amts wegen Wiedereinsetzung gewähren müssen.       IV.

 

13        1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

14        2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts orientiert sich an der Festsetzung des Berufungsgerichts.

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