OLG Hamm: Keine Veranlassung zur Verfahrenseinleitung bei nicht strafbewehrter Unterlassungserklärung
OLG Hamm, Beschluss vom 6.2.2024 – 4 W 22/23
ECLI:DE:OLGHAM:2024:0206.4W22.23.00
Volltext: BB-Online BBL2024-706-5
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Amtlicher Leitsatz
Wegen § 13a Abs. 2 UWG gibt der Unterlassungsschuldner, der in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt, bei einem Verstoß gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im Sinne von § 13 Abs. 4 UWG (auch) dann keine Veranlassung zur Verfahrenseinleitung, wenn er den Verstoß auf die Abmahnung des Mitbewerbers hin abstellt und eine nicht strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt.
ZPO § 93, § 99 Abs. 2 S. 1, §§ 571 Abs. 2 S. 2, UWG § 13a Abs. 2, § 13 Abs. 4, PAngV § 4 Abs. 1 S. 1
Sachverhalt
I.
Der Antragsteller hat den Antragsgegner als Mitbewerber wegen eines unstreitigen Verstoßes des Antragsgegners gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 Preisangabenverordnung (PAngV) in dem von ihm betriebenen Online-Shop auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Auf die im Zuge dessen vom Antragsteller unter dem 14.11.2022 ausgesprochene Abmahnung stellte der Antragsgegner den gerügten Verstoß ab und gab gegenüber dem Antragsteller am 23.11.2022 (lediglich) eine nicht strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, auf deren Inhalt an dieser Stelle Bezug genommen wird.
Auf den dahingehenden Antrag des Antragstellers vom 08.12.2022 hat das Landgericht ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners mit Beschluss vom 09.12.2022 eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der dem Antragsgegner unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt worden ist, im geschäftlichen Verkehr mit Zubehör für Wasserbetten beim Angebot und/oder der Bewerbung von Waren in Fertigpackungen nicht neben dem Gesamtpreis gemäß § 4 Abs. 1 PAngV auch den Grundpreis unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar anzugeben, wie geschehen in dem Angebot unter der Domain „www.website01.de“ bei dem Produkt „F. Erstbefüllung / Neubefüllung 500ml“ und wie dokumentiert durch die Bildschirmausdrucke des Angebots gemäß Anlage A 3 zum Eilantrag. Zudem hat das Landgericht dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Nach Zustellung der einstweiligen Verfügung erklärte der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller, die Verfügung in der Sache als endgültige Regelung mit Ausnahme der Kostenregelung anzuerkennen. Im Hinblick auf den Kostenausspruch legte er bei dem Landgericht einen beschränkten Widerspruch ein.
Insoweit hat er unter Verweis darauf, dass vorliegend eine erstmalige Abmahnung wegen eines Verstoßes gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr i. S. v. § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG in Rede stehe, für den gemäß § 13a Abs. 2 UWG die Vereinbarung eines Vertragsstrafe ausgeschlossen sei, die Ansicht vertreten, die am 23.11.2022 von ihm abgegebene, nicht strafbewehrte Unterlassungserklärung habe die durch den Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 PAngV begründete Wiederholungsgefahr bereits entfallen lassen. Zudem hat er die Ansicht vertreten, das Landgericht sei mit Blick auf § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG schon nicht örtlich zuständig gewesen und der Antragsteller habe den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung verspätet gestellt, so dass die Sache nicht mehr dringlich gewesen sei.
Der Antragsteller hat die Ansicht vertreten, § 13 Abs. 4 UWG sei schon deshalb nicht anzuwenden, weil der verfahrensgegenständliche Verstoß allein nach Irreführungstatbeständen gemäß § 5a Abs. 2 und 4 UWG und nicht nach § 3a UWG zu beurteilen sei.
Mit dem im schriftlichen Verfahren ergangenen und nunmehr angefochtenen Kosten-Urteil des Landgerichts vom 14.03.2023, das dem Antragsteller am 15.03.2023 zugestellt worden ist, hat das Landgericht die einstweilige Verfügung vom 09.12.2022 im Kostenausspruch aufgehoben und die Kosten dem Antragsteller auferlegt.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Abänderung der Kostengrundentscheidung sei gemäß § 93 ZPO geboten gewesen, weil der Antragsgegner den im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemachten Unterlassungsanspruch durch den auf den Kostenausspruch beschränkten Widerspruch sofort anerkannt und darüber hinaus durch sein vorprozessuales Verhalten keine Veranlassung zur Verfahrenseinleitung gegeben habe. Dabei hat das Landgericht offengelassen, ob die vom Antragsgegner vorprozessual abgegebene, nicht strafbewehrte Unterlassungserklärung die durch den begangenen Kennzeichnungsverstoß begründete Wiederholungsgefahr hat entfallen lassen. Entscheidend sei vielmehr, dass der Antragsteller aufgrund des vorgerichtlichen Verhaltens des Antragsgegners nicht davon habe ausgehen dürfen, nur durch gerichtliche Inanspruchnahme seinen Unterlassungsanspruch durchsetzen zu können. Denn indem der Antragsgegner auf die Abmahnung des Antragstellers den Verstoß abgestellt, in der Sache eine Unterlassungserklärung abgegeben und damit zum Ausdruck gebracht habe, den beanstandeten Verstoß anzuerkennen, habe er alles Getan, was das Gesetz von ihm verlange. Dass er nicht zusätzlich eine Strafbewehrung ausgesprochen hat, könne ihm nach § 13a Abs. 2, § 13 Abs. 4 UWG nicht zum Nachteil gereichen.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner unter dem 20.03.2023 eingelegten sofortigen Beschwerde, mit der er weiterhin geltend macht, Informations- und Kennzeichnungsverstöße i. S. v. § 13 Abs. 4 UWG seien vorliegend nicht einschlägig, da von ihm ausschließlich irreführende Handlungen i. S. d. §§ 5a, 5b UWG geltend gemacht worden seien.
Aus den Gründen
II. Die analog § 99 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte (vgl. etwa Gloy/Loschelder/DanckwertsUWG-HdB, § 105, Rn. 13a, beck-online m.w.N.) und auch im Übrigen zulässige – insbesondere gemäß § 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegte – sofortige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg.
Denn sie ist unbegründet.
Aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die an dieser Stelle zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird und die sich der Senat – sofern sich aus den nachfolgenden Ausführungen nichts Abweichendes ergibt – zu eigen macht, sind die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen gewesen.
1. Dabei kommt es aus Rechtsgründen nicht darauf an, ob das Landgericht für den Erlass der vom Antragsteller beantragten einstweiligen Verfügung örtlich zuständig gewesen ist.
Denn gemäß § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann die Beschwerde nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Daher kann mit der sofortigen Beschwerde nicht angegriffen werden, dass ein unzuständiges Landgericht oder ein unzuständiger Spruchkörper entschieden hat (vgl. Heßler in: Zöller, ZPO, 35. Auflage 2024, § 513 ZPO, Rn. 7).
Unabhängig davon kann der Antragsgegner mit seiner Zuständigkeitsrüge im Beschwerdeverfahren auch deshalb nicht mehr gehört werden, weil er den erstinstanzlichen Ausspruch in der Sache anerkannt hat. Bei dem vom Antragsgegner eingelegten Kostenwiderspruch handelt es sich der Sache nach um ein durch teilweisen Rechtsbehelfsverzicht (vgl. BGH, Beschluss vom 15.08.2013 – I ZB 68/12) erklärtes Anerkenntnis des Verfügungsanspruchs unter Verwahrung gegen die Kostenlast, d. h. verbunden mit dem Einwand, der Antragsteller sei in entsprechender Anwendung des § 93 ZPO zur Tragung der Kosten verpflichtet, weil der Antragsgegner zur Antragstellung keinen Anlass gegeben habe und das Anerkenntnis des Verfügungsanspruchs sofort erfolgt sei. Infolge dieses Anerkenntnisses kann daher im Rahmen der Entscheidung über den Kostenwiderspruch nicht mehr überprüft werden, ob die einstweilige Verfügung zu Recht ergangen ist oder – etwa, weil ein unzuständiges Gericht angerufen worden ist – nicht (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 15. Februar 2011 – 6 U 7/11 –, Rn. 3, juris; Anders/Gehle/Becker, 82. Aufl. 2024, ZPO § 924 Rn. 12 m.w.N.).
2. Aus dem zuletzt genannten Grund kann auch dahinstehen, ob der Antragsteller den Erlass der einstweiligen Verfügung zur Wahrung der Dringlichkeitsvermutung rechtzeitig gestellt hat und ob zum Zeitpunkt der Beantragung der einstweiligen Verfügung noch eine Wiederholungsgefahr bestanden hat, weil die vom Antragsgegner abgegebene nicht strafbewehrte Unterlassungserklärung diese nicht auszuräumen vermochte (in diesem Sinne OLG Nürnberg, Urteil vom 09.05.2023 – 3 U 3524/22, WRP 2023, 1009; a. A. OLG Schleswig, Beschluss vom 03.05.2021 – 6 W 5/21, WRP 2021, 950). Denn auch insoweit handelt es sich um Rechtsfragen, die die Rechtmäßigkeit der vom Landgericht erlassenen einstweiligen Verfügung betreffen, die im Rahmen des aus dem Kostenwiderspruch des Antragsgegners erwachsenen Beschwerdeverfahren nicht zu beantworten sind (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.).
3. Demnach ist – wie das Landgericht zutreffend erkannt hat – für die zu treffende Kostenentscheidung allein maßgeblich, ob der Antragsgegner den im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemachten Unterlassungsanspruch sofort anerkannt und überdies durch sein vorprozessuales Verhalten keine Veranlassung zur Verfahrenseinleitung gegeben hat (§ 93 ZPO analog).
a. Wie zuvor bereits ausgeführt, hat der Antragsgegner den vom Antragsteller gerichtlich geltend gemachten Unterlassungsanspruch sofort anerkannt, indem er auf die ihm zugestellte einstweilige Verfügung, vor deren Erlass er vom Landgericht nicht zur Sache angehört worden ist, lediglich einen auf den Kostenausspruch beschränkten Widerspruch eingelegt hat.
b. Zudem hat er aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung durch sein vorprozessuales Verhalten dem Antragsteller keine Veranlassung zur Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens gegeben.
Zur Anrufung des Gerichts hat der Antragsgegner Veranlassung gegeben, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf Verschulden gegenüber dem Antragsteller so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht zu seinem Recht kommen. Demgemäß ist der Antragsteller zur Antragstellung veranlasst, wenn er davon ausgehen durfte, ohne Klage werde er sein Ziel nicht erreichen (vgl. Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 93 ZPO, Rn. 3 m.w.N.).
Dies kann vorliegend jedoch nicht angenommen werden. Denn nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen war der Antragsteller entgegen seiner Sichtweise nicht berechtigt, von dem Antragsgegner die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu fordern.
Dies folgt unmissverständlich aus § 13a Abs. 2 UWG. Danach ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe nach § 13a Abs. 1 UWG für anspruchsberechtigte Mitbewerber bei einer erstmaligen Abmahnung wegen Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten, die im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangenen wurden, ausgeschlossen, wenn der Abgemahnte – wie hier – in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt. Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Regelung ist nach dem Willen des Gesetzgebers gerade, dass die nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 UWG anspruchsberechtigten Personen, zu denen auch der Antragsteller zählt, von dem Unterlassungsschuldner keine Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mehr verlangen können. Etwas Anderes kann bei verständiger Würdigung des in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willens, wonach die nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 UWG Anspruchsberechtigten – in Abgrenzung zu der Abmahnung durch einen Mitbewerber – weiterhin die Möglichkeit haben sollen, zur Streitbeilegung unmittelbar die Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungserklärung zu verlangen (vgl. Seit 33 f. der BT-Drucksache 19/12084), nicht angenommen werden. Daher hat der Antragsgegner mit dem Abstellen des Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung und der Abgabe der nicht strafbewehrten Unterlassungserklärung – ungeachtet der Frage, ob diese geeignet war, die fraglos begründete Gefahr eines neuerlichen Verstoßes zu beseitigen – dasjenige getan, was das Gesetz von ihm fordert.
Dass die Ausnahmevorschrift des § 13a Abs. 2 UWG – entgegen der Sichtweise des Antragstellers – im vorliegenden Fall zur Anwendung gelangt, steht außer Frage. Denn bei dem vom Antragsgegner begangenen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 PAngV handelt es sich um einen im elektronischen Rechtsverkehr – namentlich in dem von ihm betriebenen Online-Shop – begangenen Verstoß gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten i. S. v. § 13 Abs. 4 UWG. Neben dem insoweit unmissverständlichen Wortlaut von § 13 Abs. 4 UWG folgt dies auch aus der hierzu verfassten Gesetzesbegründung. Darin sind als Beispiele für Kennzeichnungs- und Informationspflichten i. S. d. § 13 Abs. 4 UWG ausdrücklich die Vorschriften der Preisangabenverordnung genannt. Zudem wird darin weiter klargestellt, dass es sich bei Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten i. S. d. § 13 Abs. 4 UWG nicht um Verstöße gegen spezifische Informations- und Kennzeichnungspflichten im Online-Handel oder auf Webseiten handeln muss, sondern dass es bereits ausreichend ist, dass die Verstöße in diesem Bereich auftreten (vgl. Seite 32 der BT-Drucksache 19/12084).
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 07.04.2022 – I ZR 143/19 – Knuspermüsli II, BGHZ 233, 193-215) die Unlauterkeit in Fällen der Verletzung einer Informationspflicht in Bezug auf kommerzielle Kommunikation allein nach § 5a Abs. 2 und 4 UWG und nicht nach § 3a UWG zu beurteilen ist. Denn hierdurch wird die Anwendbarkeit von § 13 Abs. 4 UWG in Fällen der vorliegenden Art nicht ausgeschlossen. Vielmehr ist die (Neu-)Einordnung durch den Bundesgerichtshof (lediglich) vor dem Hintergrund erfolgt, dass durch § 9 Abs. 2 Satz 2 UWG in der seit dem 28.05.2022 geltenden Fassung an eine Verletzung von § 5a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 UWG potentiell weitergehende Rechtsfolgen geknüpft werden als an eine Verletzung von § 3a UWG. Denn anders als nach der zuvor geltenden Rechtslage ist das Schutzniveau nach den beiden Vorschriften bei einer Verletzung einer Informationspflicht in Bezug auf kommerzielle Kommunikation nicht mehr identisch, da eine Unlauterkeit nach § 3a UWG keine Schadensersatzpflicht gegenüber Verbrauchern auslöst. Infolgedessen hat der Bundesgerichtshof wie erkannt entschieden, um einen Widerspruch zu den unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11a der Richtlinie 2005/29/EG zu vermeiden (BGH, Urteil vom 07.04.2022 – I ZR 143/19 –, BGHZ 233, 193-215, Rn. 25 m.w.N.).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist in dem vorliegenden Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen des durch § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO begrenzten Instanzenzugs ausgeschlossen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 10.09.2015 – III ZA 33/15, BeckRS 2015, 16598, beck-online).