AG Plön: Keine „Schufa“-Meldung bestrittener Zahlungsverpflichtungen
AG Plön, Urteil vom 10.12.2007 - 2 C 650/07
Leitsätze:
1. Eine „SCHUFA"-Meldung darf nur bei vertragswidrigem Verhalten des Schuldners und nur nach Abwägung der betroffenen Interessen erfolgen.
2. Dies führt in aller Regel und auch hier dazu, dass bestrittene Zahlungsverpflichtungen nicht gemeldet werden dürfen.
§§ 1004 Abs. 1 BGB analog, 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 1, 2 Abs. 1 GG
aus den gründen:
(unter Verzicht auf den Tatbestand gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO)
Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrte Unterlassung aus §§ 1004 Abs. 1 analog, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1, 2 Abs. 1 GG, den sie gerichtlich durchsetzen kann.
Nach diesen Vorschriften hat die Beklagte es zumindest derzeit zu unterlassen, einen negativen „SCHUFA"-Eintrag und einen Eintrag im „Fraud Prevention Pool" gegen die Klägerin zu veranlassen, denn dies wäre eine unzulässige Datenübermittlung und ein Verstoß gegen den Datenschutz und damit gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin.
Eine „SCHUFA"-Meldung darf nur bei vertragswidrigem Verhalten des Schuldners und nur nach Abwägung der betroffenen Interessen erfolgen. Dies führt in aller Regel und auch hier dazu, dass bestrittene Zahlungsverpflichtungen nicht gemeldet werden dürfen. Die sog. „Schufa"-Meldung stellt einen schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar; sie kann ihn erheblich schädigen, indem sie seine Kreditwürdigkeit beeinträchtigt und ihm dadurch den Zugang zu vielen Bereichen des täglichen Wirtschaftslebens erschwert oder versperrt. Sie darf daher nicht erfolgen, wenn ein Anspruchsgegner seine Zahlungspflicht mit ernst zu nehmenden Argumenten bestreitet.
So liegt der Fall hier. Ob die Klägerin zur fristlosen Kündigung des Vertrages berechtigt war und ob für die Zeit nach der Kündigung noch Zahlungsverpflichtungen bestehen, ist zwischen den Parteien streitig. Die Frage bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung; jedenfalls aber sprechen für die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gute Gründe. Vor diesem Hintergrund kommt eine „SCHUFA"-Meldung gegen die Klägerin gegenwärtig nicht in Betracht. Ebenso verhält es sich mit einer Meldung an den „Fraud Prevention Pool". Zwar resultieren aus einem solchen Eintrag keine so schweren Beeinträchtigungen wie aus einem „Schufa"-Eintrag. Auch hierbei handelt es sich jedoch um eine Datenübermittlung zum Nachteil des Betroffenen in der Telekommunikationsbranche, die nur zur Wahrnehmung berechtigter Interessen zulässig ist, die gegenüber den Interessen des Betroffenen überwiegen müssen. Dies ist hinsichtlich einer mit gewichtigen Argumenten bestrittenen Forderung nicht der Fall.
Die Klägerin musste die Meldungen, deren Unterlassung sie begehrt, seitens der Beklagten auch i.S.d. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB befürchten. Sie wurden ihr mit Schreiben vom 13. November 2006 ausdrücklich angedroht.
Ob es sich dabei, wie die Beklagte in der Klageerwiderung erklärt, „um eine Standardinformation" handelt, vermag der Erklärungsempfänger nicht zu erkennen; im Übrigen ist es unerheblich, denn auch bei eine „standardmäßigen" Androhung muss der Empfänger damit rechnen, dass diese sodann - gewissermaßen ebenfalls „standardmäßig" - die Meldung nach sich zieht. Im Übrigen hat die Beklagte die Androhung mit Schreiben vorn 24. November 2006 ausdrücklich - und nicht standardmäßig, sondern, durch einen individuell auf das Schreiben des Klägervertreters vom 21. November 2006 bezogenen Text - aufrecht erhalten und sogar konkretisiert. Die Formulierung „... Die ... Kreditgefährdung liegt somit im Verantwortungsbereich ihrer Mandantin" kann der Empfänger nur dahin verstehen, dass die Beklagte zur Meldung entschlossen ist, sofern die Forderungen nicht ausgeglichen werden - und zwar unabhängig von dem Bestreiten.
Die vorgerichtlichen Kosten kann die Klägerin aufgrund vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten aus §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB als Kosten zweckentsprechender Rechtsverfolgung ersetzt verlangen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Anmerkung:
Zunehmend befassen sich die Gerichte mit Fragen des Datenschutzes. Für Aufsehen sorgten beispielsweise die jüngste Entscheidung des EuGH (Urt. vom 29.01.2008, Az.: C-275/06) zu der von ihm verneinten Frage, ob der Urheberschutz Mitgliedstaaten verpflichtet, Regelungen über Offenlegung personenbezogener Daten zur Wahrung zivilrechtlicher Belange zu treffen, und das Urteil des LG Berlin Mitte (K&R 2007, 601), mit dem die Unzulässigkeit einer Speicherung von IP-Adressen der Nutzer eines Internetportals durch den Betreiber festgestellt wurde.
Das AG Plön hatte sich auf einer ganz anderen Ebene mit der Reichweite der Persönlichkeitsrechte zu befassen, der Drohung mit einem „Schufa"-Eintrag. Inzwischen ist dies leider regelmäßig zu beobachten, wenn zwischen Vertragsparteien eine ungeklärte Forderung besteht. Schließlich ist bekannt, wie wichtig eine gute „Schufa"-Bewertung für eine Vielzahl von Vertragsschlüssen ist bzw. dass negativen Einträgen im schlimmsten Fall eine stigmatisierende Wirkung als zahlungsunfähig zukommen kann.
Infolge der in den letzten Jahren signifikant verschlechterten Zahlungsmoral gehören „Schufa"-Anfragen bei einer Reihe von Verträgen zum Standardverfahren. Hatte der Einzelne früher möglicherweise nur bei der Eröffnung eines Kontos oder dem Abschluss eines Telefonvertrags Berührung mit der „Schufa", werden inzwischen auch bei Mietverträgen, Ratenvereinbarungen und größeren Vertragsabschlüssen Kontrollanfragen vorgenommen. Deshalb wundert es nicht, dass die Drohung, einen „Schufa"-Eintrag vornehmen zu lassen, mitunter wirksamer ist, als die Ankündigung gerichtlicher Schritte. Häufig weiß der Betroffene, dass er vor Gericht in einer aussichtsreichen Position wäre - also insofern nichts zu befürchten hat. Das ohnehin viel zu undurchsichtige Verfahren der „Schufa" ist hingegen dafür bekannt, dass es kaum Kontrollen unterliegt und die Löschung selbst offensichtlicher Falscheinträge sehr lange Zeit in Anspruch nehmen kann. Zumeist wird es schon an einer Kenntnis des Betroffenen fehlen.
Insofern ist die Entscheidung des AG Plön zu begrüßen. Für Unternehmen sollte die Möglichkeit eines „Schufa"-Eintrags kein standardisiertes Druckmittel, sondern grundsätzlich nur die Folge sein, wenn der Verbraucher seinen Verpflichtungen tatsächlich nicht nachkommt. Anderenfalls wird ein Unwerturteil vorweggenommen, das die Entschließungsfreiheit des Vertragspartners unzulässig beschneidet und so letztlich eine Entscheidungskompetenz suggeriert, die der Judikative zusteht.
Die wünschenswerte Sensibilisierung für datenschutzrechtliche Belange der Unternehmen muss daher auch das Forderungsmanagement erfassen. Versäumen sie eine dementsprechende Anpassung ihrer Geschäftspraktiken, kann dies nicht nur Verfahren wie das Vorliegende hervorrufen, sondern auch Sanktionen nach § 2 UKlaG nach sich ziehen.
Ungeachtet der zutreffenden Wertung des AG Plön muss es aber weiterhin möglich bleiben, offenkundig säumigen Schuldnern, dazu gehören auch solche, die berechtigte Einwände noch nicht vorgebracht haben, mit allem Nachdruck auf mögliche Konsequenzen ihres Handelns aufmerksam machen zu dürfen. Im Sinne der Volkswirtschaft darf der Datenschutz kein Einfallstor sein, um die Verfolgung berechtigter Interessen zu verhindern.