OLG Frankfurt: Keine Offenbarungspflicht über Rückvergütungen bei Unerheblichkeit der Interessenkollision der Bank für den Anleger
OLG Frankfurt, Urteil vom 29.11.2012 - 3 U 300/11
Leitsatz
Ist für die Kapitalanlageentscheidung eines Bankkunden allein die Werthaltigkeit der Anlage von Bedeutung und spielt eine eventuelle Interessenkollision der Bank bei der Beratung für ihn ausdrücklich keine Rolle, so kommt eine Haftung wegen Nichtaufklärung über eine der Bank zugeflossene Rückvergütung (kick-back) nur in Betracht, wenn die von der Rechtsprechung für die Offenlegung einer Innenprovision geforderten Voraussetzungen (Provisionshöhe von 15 % oder Falschangaben über die Innenprovision im Prospekt) vorliegen.
Sachverhalt
I. Der Kläger, von Beruf selbstständiger ..., zeichnete nach Gesprächen mit einem Mitarbeiter der Beklagten zwischen Dezember 2000 und November 2001 Beteiligungen an verschiedenen Windparkfonds. Die Beklagte erhielt mindestens das jeweilige Agio aus den Zeichnungen als Vergütung ohne den Kläger hierauf hinzuweisen.
Der Kläger behauptet, er hätte die Fonds nicht gezeichnet, wenn er gewusst hätte, dass die Beklagte hieran verdiente. Als Schadensersatzverlangt er Zug um Zug gegen Übertragung der Fondsanteile Zahlung des geleisteten Beteiligungskapitals zuzüglich entgangener Zinsen und abzüglich ausgeschütteter Zinsen, insgesamt knapp 328.000,- €. Hilfsweise verlangt er Freistellung von Ansprüchen des Finanzamts und insoweit unbedingt - Freistellung von etwaigen Ansprüchen Dritter aus § 172 Abs. 4 HGB.
Die Beklagte war der Ansicht, es sei kein Beratungsvertrag zustande gekommen, jedenfalls habe sie die ihr zustehenden Provisionen aus den Beteiligungen nicht offen legen müssen.
Das Landgericht hat die Klage nach Anhörung des Klägers durch Urteil vom 11.11.2011, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, abgewiesen. Zwischen den Parteien sei ein Beratungsvertrag zustande gekommen, der für die Beklagte die Pflicht zur Offenlegung umsatzabhängiger Rückvergütungen begründet habe. Hiergegen habe die Beklagte verstoßen. Diese Pflichtverletzung sei für den Erwerb der Beteiligungen indes nicht ursächlich gewesen. Die hierbei regelmäßig geltende Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens sei vorliegend durch die Anhörung des Klägers widerlegt, der bekundet habe, ihm sei es nicht um einen eventuellen Interessenkonflikt der Bank gegangen, sondern nur um die Werthaltigkeit der Anlage.
Gegen dieses ihm am 16.11.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 16.12.2011 eigegangene und - nach Verlängerung der Frist bis zum 16.03.2012 - am 16.03.2012 begründete Berufung des Klägers.
Der Kläger verfolgt seine erstinstanzlichen Ansprüche weiter. Er ist der Ansicht, die zu seinen Gunsten sprechende Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens sei nicht widerlegt. Wegen seines weiteren Vortrags wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 15.03.2012 (Bl. 244 ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte begehrt Zurückweisung des Rechtsmittels, wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das angefochtene Urteil.
Aus den Gründen
II. Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden, hat in der Sache indes keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen dem Berufungsverfahren zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).
Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Entgegen der Ansicht des Klägers steht ihm aus dem Umstand, dass die Beklagte ihn nicht über die Höhe der ihr aus den Beteiligungen zugeflossenen Provisionen aufgeklärt hat, kein Schadensersatzanspruch zu.
Dabei folgt der Senat zunächst der - in der Berufungsinstanz nicht mehr in Frage gestellten - Auffassung des Landgerichts, dass zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist.
Ein solcher Beratungsvertrag verpflichtet die Bank grundsätzlich nicht, den Kunden darüber aufzuklären, ob und in welcher Höhe sie an dem zustande gekommenen Geschäft selbst verdient. Dass Banken grundsätzlich entgeltlich und gewinnorientiert tätig werden, ist allgemein bekannt und bedarf eines besonderen Hinweises nicht. Auch die Höhe eines erzielten Gewinns muss nicht offen gelegt werden. Dies gilt auch und gerade, wenn - wie hier - zwischen Bank und Kunde nur ein Beratungsvertrag geschlossen wurde. Da die Anforderungen an das Zustandekommen eines solchen Vertrags sehr niedrig sind und die Bank für die Beratung selbst kein Entgelt erhält, muss der Kunde ein Eigeninteresse der Bank an dem Absatz des Finanzprodukts einkalkulieren (ständige Rechtsprechung, zuletzt BGH Urt. v. 26.06.2012 - XI ZR 316/11).
Hiervon macht die Rechtsprechung Ausnahmen nur beim Vorliegen besonderer Umstände, die so schwer wiegen, dass sie dem Anleger zu offenbaren sind.
So muss die Bank nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH Urteile vom 01.03.2004 - II ZR 88/02, und vom 12.02.2004 - III ZR 359/02) über Existenz und Höhe von Innenprovisionen dann aufklären, wenn diese Einfluss auf die Werthaltigkeit der vom Anleger erworbenen Anlage haben und deswegen bei ihm insoweit eine Fehlvorstellung hervorrufen können. Unter Innenprovisionen sind dabei nicht ausgewiesene Vertriebsprovisionen zu verstehen, die in Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Kaufobjekts - versteckt - enthalten sind (vgl. BGH vom 9. März 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 22). Auswirkungen auf die Werthaltigkeit der Anlage sind anzunehmen, wenn diese Innenprovision 15% übersteigt (BGH Urteil vom 12.02.2004 - III ZR 359/02). Unabhängig von der Gesamthöhe der Innenprovisionen müssen zudem im Prospekt diesbezügliche Angaben zutreffend sein; eine Irreführungsgefahr darf nicht bestehen.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Anhaltspunkte dafür, dass im Prospekt vorhandene Angaben über Innenprovisionen unzutreffend seien, sind weder ersichtlich noch vom Kläger vorgetragen. Die Höhe des der Beklagten zugeflossenen Agios bleibt deutlich hinter der 15%-Grenze zurück und begründet damit für sich genommen ebenfalls keine Offenlegungspflicht.
Zu einer Offenlegung ihres Eigeninteresses im Rahmen eines Beratungsvertrages ist die Bank daneben auch dann verpflichtet, wenn ihr Rückvergütungen zufließen und der Anleger so über den Interessenkonflikt der Bank dadurch bewusst getäuscht wird, dass diese als Empfängerin offen ausgewiesener Provisionen ungenannt bleibt (Ellenberger in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, 4. Aufl., Rn. 1056; Varadinek/Röh, ZIP 2009, 2383, 2385). Einen dahingehenden Verstoß der Beklagten gegen ihre Offenbarungspflicht hat das Landgericht zutreffend darin gesehen, dass die Beklagte das jeweilige Agio erhielt und hierauf in den Prospekten nicht hingewiesen wurde.
Diese Pflichtverletzung ist für die Anlageentscheidung des Klägers indes nicht ursächlich geworden. Zutreffend hat das Landgericht die insoweit grundsätzlich kausalitätsbegründend wirkende Vermutung beratungsgerechten Verhaltens (BGH Urteil vom 09.03.2011 - XI ZR 191/10) als widerlegt angesehen.
Soweit das Landgericht aufgrund der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung festgestellt hat, dass für seine Anlageentscheidung ein etwaiger Interessenkonflikt der Bank keine Rolle gespielt habe, für ihn die Werthaltigkeit der Anlage entscheiden gewesen sei, hat der Senat dies nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Anhaltspunkte dafür, dass diese tatsächliche Feststellung unvollständig oder unrichtig erfolgte, liegen nicht vor. Die Feststellung beruht auf den Äußerungen, die der Kläger bei seiner Anhörung im Termin am 13.10.2011 gemacht hat und wird vom Inhalt der protokollierten Aussage gedeckt.
Das Landgericht hat diese Feststellung auch rechtlich zutreffend gewürdigt. War für den Kläger die Werthaltigkeit der Anlage ausschlaggebend, so musste über die der Beklagten zufließenden Teile der gezahlten Beträge nur informiert werden, wenn diese 15% überstiegen. Erst dann besteht die Gefahr, dass Wert der erworbenen Anteile außer Verhältnis zur Höhe der gezahlten Anlagebeträge gerät. Eine solche Wertdifferenz war vorliegend nicht gegeben.
Erhält die Bank geringere Anteile des Anlagebetrags, gerät hierdurch die Werthaltigkeit der Anlage grundsätzlich nicht in Gefahr. Möglich ist indes, dass daraus Bedenken an der Qualität der Beratung resultieren, weil die Bank möglicherweise eigene Interessen höher bewertet, als die des Kunden. Diese Gefahr spielte für den Kläger nach den Feststellungen des Landgerichts keine Rolle. Dies ist nachvollziehbar, weil die Beratungsleistung dem Kläger aufgrund seiner Berufserfahrung als Börsenmakler weniger wichtig war, als die Werthaltigkeit des Anlageprodukts.
Der Kläger kann Schadensersatz daher weder in der Form der Hauptanträge noch in Form des Hilfsantrags beanspruchen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist nach § 708 Nr. 10, 711 ZPO ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Die Zulassung der Revision ist nicht möglich, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen.