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Wirtschaftsrecht
18.04.2024
Wirtschaftsrecht
OLG Celle: Keine Irreführung durch Verwendung des Begriffs „Zentrum“ in einer Geschäftsbezeichnung

OLG Celle, Urteil vom 19.12.2023 – 13 U 26/23

ECLI:DE:OLGCE:2023:1219.13U26.23.00

Volltext: BB-Online BBL2024-898-2

unter www.betriebs-berater.de

Amtlicher Leitsatz

Zur Frage der Irreführung im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG durch Verwendung des Begriffs „Zentrum“ in einer Geschäftsbezeichnung, hier: durch einen Augenoptiker und Hörgeräteakustiker mit der Leuchtreklame-Aufschrift "Hörgeräte I Brillen * Zentrum * Hörgeräte I Brillen" und im Internet mit der Bezeichnung "W. [Eigenname] Zentrum fürs Hören und Sehen".

 

Aus den Gründen

I.

Die zulässige Berufung ist begründet.

 

Die Verfügungsbeklagte (nachfolgend als Beklagte bezeichnet) hat ihre Berufung zurückgenommen, soweit sie sich gegen das durch das Landgericht ausgesprochene Verbot einer Werbung mit dem Begriff "Spezialisten" richtete.

 

In Bezug auf das Verbot, die Bezeichnung "Zentrum" in dem Bereich der Dienstleistungen und des Einzelhandels mit Optik- und Hörgeräten zu verwenden, verfolgt die Beklagte ihre Berufung weiter. Insoweit ist die Berufung begründet, weil kein Verfügungsanspruch der Verfügungsklägerin (nachfolgend als Klägerin bezeichnet) besteht.

 

Ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 3 UWG besteht nicht.

 

Hierzu wird Bezug genommen auf die durch den Senat bereits mit der Fristsetzung zur Berufungserwiderung erteilten Hinweise. An dieser Beurteilung wird auch unter Berücksichtigung der beiden Berufungserwiderungen festgehalten.

 

Die Verwendung der Bezeichnung "Zentrum" in den von dem Verfügungsbeklagten gebrauchten Wortfolgen stellt keine Irreführung der angesprochenen Verbraucher im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG dar. Insoweit teilt der Senat nicht die Auffassung des Landgerichts in Bezug auf das Verkehrsverständnis der angesprochenen Verbraucher.

 

Zwar wird der Begriff "Zentrum" nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2012 im Grundsatz noch als Charakterisierung für ein Unternehmen nach Bedeutung und Größe verstanden oder jedenfalls vom Verkehr auf einen entsprechenden Tatsachenkern zurückgeführt (BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 - I ZR 104/10 - Neurologisch/Vaskuläres Zentrum, Rn. 17, juris). Bei der Bewertung ist jedoch auf die jeweiligen Einzelfallumstände abzustellen (aaO). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den die werbliche Darstellung vermittelt (aaO, Rn. 16). Der Kontext kann den Begriff des Zentrums relativieren (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 5 Rn. 4.51).

 

Im Streitfall erhält die Verwendung des Begriffs "Zentrum" in den maßgeblichen konkreten Verletzungsformen ihr spezielles Gepräge durch den hergestellten Bezug zu den beiden Leistungsbereichen eines Augenoptikers und eines Hörakustikers ("Zentrum fürs Hören und Sehen", "Hörgeräte I Brillen * Zentrum * [...]"). Die Bezeichnung "Zentrum" steht unter anderem auch für eine Zusammenfassung einzelner Teileinheiten (https://de.wikipedia.org/wiki/Zentrum). Deshalb ist es aus Sicht der angesprochenen Verbraucher naheliegend, dass die Verwendung des Wortes "Zentrum" in dem konkreten Kontext darauf abstellt, dass in dem Geschäft des Beklagten Leistungen der beiden selbständigen Bereiche "Brillen" und "Hörgeräte" angeboten werden. Für dieses Verständnis spricht auch, dass die angesprochenen Verbraucher von vornherein nicht erwarten, dass die Geschäfte von Optikern und Hörakustikern - zumal in einer kleineren Stadt wie P. - besondere Größenunterschiede aufweisen. Hierin unterscheiden sich Optiker und Hörakustiker deutlich von anderen Geschäftsbereichen, bei denen - wie etwa bei Buchhändlern oder Bekleidungsgeschäften - Geschäfte ganz unterschiedlicher Größen - bis hin zu Kaufhäusern - existieren. Im Ergebnis ist es daher aus Sicht der angesprochenen Verbraucher fernliegend, dass hier mit der Verwendung des Wortes "Zentrum" irgendeine Spitzenstellung beansprucht werden soll. Vielmehr drängt sich das Verständnis auf, dass das Wort verwendet wird, weil es sich um die Zusammenfassung eines Augenoptiker- und eines Hörakustikergeschäfts handelt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Bedeutung des Wortes "Zentrum" zusätzlich in letzter Zeit - wie bereits das Wort "Center" - eine Abschwächung erfahren hat (vgl. für den medizinischen Bereich: BVerfG, Beschluss vom 7. März 2012 - 1 BvR 1209/11).

 

Die von der Klägerin in ihreren Berufungserwiderungen angeführten Gesichtspunkte führen zu keiner anderen Beurteilung.

 

In rechtlicher Hinsicht unzutreffend ist die Ansicht der Klägerin, dass die Verwendung des Begriffs "Zentrum" einen damit für den Verbraucher verbundenen Mehrwert voraussetze. Entscheidend ist allein, ob sich aus der Verwendung des Begriffs "Zentrum" durch die Beklagte im konkreten Einzelfall eine Irreführung der Verbraucher ergibt. Im Übrigen dürfte ein Großteil derjenigen Kunden, die - meist altersbedingt - ein Hörgerät benötigen, auch eine Brille tragen, sodass für sie der Vorteil besteht, bei der Beklagten beide Leistungen aus einer Hand zu erhalten.

 

Soweit die Klägerin meint, bei der Ermittlung des Verkehrsverständnisses sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte den Begriff "Zentrum" in einer Kombination mit dem Begriff "Spezialisten" verwende, trifft dies für das von ihr begehrte Verbot nicht zu. Die Verwendung des Begriffes "Spezialist" ist der Beklagten bereits nach Ziffer I. b) des Tenors des landgerichtlichen Urteils, das insoweit Bestand hat, verboten. In Bezug auf den Begriff "Zentrum" verlangt die Klägerin nicht nur, es zu unterlassen, eine Kombination der beiden Begriffe zu verwenden. Dies wäre der Fall, wenn die Klägerin ihren Antrag auf diese konkrete Verletzungsform ("wenn dies geschieht wie") beschränkt hätte. Vielmehr begehrt sie das generelle Verbot, die Bezeichnung "Zentrum" zur Bezeichnung des Geschäftsbetriebs in dem Bereich der Dienstleistungen und des Einzelhandels mit Optik- und Hörgeräten zu verwenden.

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1, § 516 Abs. 3 ZPO.

 

Dabei hat der Senat zu Grunde gelegt, dass der für beide Instanzen jeweils auf 6.000 € festgesetzte Streitwert überwiegend - zu Zweidritteln - auf das begehrte Verbot der Werbung mit dem Begriff "Zentrum" entfällt, weil insoweit auch die vorhandene Leuchtreklame an dem Geschäftslokal der Beklagten betroffen ist, während sie den Begriff "Spezialisten" bisher nur im Internet verwendet hat. Bei der Kostenentscheidung für die Berufungsinstanz war zusätzlich zu berücksichtigen, dass - nach der teilweisen Rücknahme der Berufung - die anwaltlichen Terminsgebühren nur noch in Bezug auf das begehrte Verbot der Werbung mit dem Begriff "Zentrum" - zu einem Wert von 4.000 € - angefallen und insoweit vollständig von der unterlegenen Klägerin zu tragen sind.

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