OLG Hamm: Keine Hinweispflicht auf das Spektrum der Energieeffizienzklassen bei Produktwerbung im Internet
OLG Hamm, Urteil vom 3.2.2022 – 4 U 89/20
ECLI:DE:OLGHAM:2022:0203.4U89.20.00
Volltext: BB-ONLINE BBL2022-977-1
Leitsatz
Unmittelbar aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 ergibt sich für Lieferanten oder Händler energieverbrauchskennzeichnungsrelevanter Produkte keine Verpflichtung, in ihrer Werbung auf das Spektrum der Energieeffizienzklassen hinzuweisen. Die genannte Norm steht vielmehr unter dem Vorbehalt einer Konkretisierung durch einen delegierten Rechtsakt.
VO (EU) 2017/1369 Art. 6 Unterabs. 1 Buchstabe a)
Sachverhalt
A. Der Kläger ist in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen.
Die Beklagte ist ein zur Unternehmensgruppe „B 1“ gehörendes Unternehmen. Im Dezember 2018 veranstaltete die Beklagte das Gewinnspiel „Bventskalender“ und veröffentlichte im Internet unter der URL „www.Bventskalender.de/1“ Informationen zu diesem Gewinnspiel. Bei dem Gewinnspiel konnten die Teilnehmer an jedem der vierundzwanzig Tage vom 01.12.2018 bis zum 24.12.2018 unterschiedliche Sachpreise gewinnen. An jedem Gewinnspieltag zeigte die Beklagte unter der vorgenannten URL unter der Überschrift „Auf diese tollen Gewinne dürfen Sie sich freuen“ jeweils eine „Kachelansicht“ mit den zukünftigen, d.h. für die nachfolgenden Gewinnspieltage vorgesehenen Sachpreisen. Die einzelnen „Kacheln“ enthielten dabei eine Abbildung des jeweiligen Sachpreises mit einem kurzen Begleittext. Am 07.12.2018 enthielt diese „Kachelansicht“ u.a. eine – für das Berufungsverfahren vor dem Senat nicht relevante – „Kachel“ mit der Abbildung eines „C Ultra HD Smart-TV“-Fernsehgerätes (Screenshot Blatt 12, 40 und 165 der Gerichtsakte) sowie eine „Kachel“ mit der Abbildung einer „A Waschvollautomat“-Haushaltswaschmaschine (Screenshot Blatt 13, 39 und 164 der Gerichtsakte). Neben der Abbildung der Waschmaschine und der Gerätebezeichnung „A Waschvollautomat“ enthielt die „Kachel“ noch den Schriftzug „Gesponsert von Persil“ sowie die Angabe der Energieeffizienzklasse („A+++“) dieses Waschmaschinenmodells. Sonstige Angaben zu diesem Waschmaschinenmodell – insbesondere Angaben zum Spektrum der verfügbaren Effizienzklassen – enthielt die „Kachel“ nicht. Auch an anderer Stelle enthielt der Internetauftritt der Beklagten am 07.12.2018 keine weiteren Informationen zu dem hier in Rede stehenden Waschmaschinenmodell. Erst an einem späteren Tag im Dezember 2018 veröffentlichte die Beklagte in ihrem Internetauftritt weitergehende Informationen zu dem Waschmaschinenmodell (Teil-Screenshots Blatt 150 der Gerichtsakte); diese weitergehenden Informationen enthielten dann auch eine Angabe zum Spektrum der Energieeffizienzklassen („Spektrum A+++ bis D“).
Mit Schreiben vom 07.12.2018 (Anlage K8 = Blatt 71-77 der Gerichtsakte) mahnte der Kläger die Beklagte, gestützt auf das Lauterkeitsrecht, ab. Am 07.12.2018 habe der Internetauftritt der Beklagten weder hinsichtlich des „C Ultra HD Smart-TV“-Fernsehgerätes noch hinsichtlich der „A Waschvollautomat“-Haushaltswaschmaschine eine Angabe zum Spektrum der Energieeffizienzklassen enthalten; hierin liege ein Verstoß gegen Art. 6 der „Verordnung (EU) 2017/1369 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.07.2017 zur Festlegung eines Rahmens für die Energieverbrauchskennzeichnung und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/30/EU“ (im Folgenden: VO (EU) 2017/1369). Der Kläger forderte die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Erstattung von Abmahnkosten (Abmahnkostenpauschale) in Höhe von 229,34 € auf.
Die Beklagte wies die Forderungen des Klägers mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14.12.2018 (Anlage K9 = Blatt 78-80 der Gerichtsakte) zurück. Unmittelbar und allein aus Art. 6 VO (EU) 2017/1369 ergebe sich noch keine Verpflichtung eines Lieferanten oder Händlers zur Angabe des Spektrums der Energieeffizienzklassen. Eine solche Verpflichtung ergebe sich erst, wenn für die spezifische Produktgruppe auf der Grundlage der VO (EU) 2017/1369 ein „Delegierter Rechtsakt“ erlassen worden sei, der Einzelheiten zur Energieverbrauchskennzeichnung für die entsprechende Produktgruppe regele. Für Haushaltswaschmaschinen sei auf der Grundlage der VO (EU) 2017/1369 noch kein entsprechender „Delegierter Rechtsakt“ erlassen worden. Es gebe zwar für Haushaltswaschmaschinen einen aufgrund der Vorgängerregelung der VO (EU) 2017/1369, der „Richtlinie 2010/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.05.2010 über die Angabe des Verbrauchs an Energie und anderen Ressourcen durch energieverbrauchsrelevante Produkte mittels einheitlicher Etiketten und Produktinformationen“, erlassenen Rechtsakt, nämlich die „Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1061/2010 der Kommission vom 28.09.2010 zur Ergänzung der Richtlinie 2010/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Kennzeichnung von Haushaltswaschmaschinen in Bezug auf den Energieverbrauch“ (im Folgenden: VO (EU) 1061/2010); die letztgenannte Verordnung schreibe indes für den vorliegenden Fall – wenn überhaupt – allenfalls die Angabe der Energieeffizienzklasse als solcher, nicht hingegen die Angabe des Spektrums der Energieeffizienzklassen vor.
Der Kläger hat daraufhin mit einer auf den 31.05.2019 datierten, am 31.05.2019 per Telefax beim Landgericht eingegangenen und der Beklagten am 07.06.2019 zugestellten Klageschrift Klage erhoben. Gegenüber dem Landgericht hat der Kläger die sinngemäß bereits in seiner Abmahnung geäußerte Rechtsauffassung, bereits unmittelbar und allein aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 ergebe sich eine Verpflichtung von Lieferanten und Händlern zur Angabe des Spektrums der Energieeffizienzklassen, wiederholt und vertieft, diese Regelung sei auch auf die Präsentation energieverbrauchsrelevanter Produkte durch einen Gewerbetreibenden als Gewinne im Rahmen eines Gewinnspieles anzuwenden. Ob die Beklagte die von ihr als Gewinne präsentierten Produkte auch selbst zum Verkauf anbiete, sei für das Bestehen ihrer Verpflichtung zur Angabe des Spektrums der Energieeffizienzklassen ohne Bedeutung. Er, der Kläger, habe von dem hier in Rede stehenden Gewinnspiel der Beklagten erstmals am 07.12.2018 Kenntnis erlangt.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen
a) (dieser Unterlassungsantrag betraf das Fernsehgerät „C Ultra HD Smart-TV“; von einer Wiedergabe dieses Antrages wird hier abgesehen);
b) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Internet für neue Haushaltswaschmaschinen (gem. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Ziffern 1 und 2 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1061/2010 der Kommission vom 28.09.2010 zur Ergänzung der Richtlinie 2010/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Kennzeichnung von Haushaltswaschmaschinen in Bezug auf den Energieverbrauch) konkreter Gerätemodelle gegenüber dem Endverbraucher zu werben, ohne für diese konkreten Gerätemodelle das Spektrum der auf dem für sie geltenden Etikett gem. Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a) der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1061/2010 der Kommission vom 28.09.2010 verfügbaren Energieeffizienzklassen anzugeben, wenn dies geschieht wie auf dem Internetauftritt der Beklagten unter „https://www.Bventskalender.de/1“ am 07.12.2018 für Haushaltswaschmaschinen des Modells „A“, wiedergegeben wie folgt:
(es folgt die Einblendung des auf Blatt 13, 39 und 164 der Gerichtsakte abgebildeten Screenshots);
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 229,34 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Nachdem das Landgericht den Hinweis erteilt hatte, es halte die Klage mit dem Klageantrag zu 1.a) für unbegründet, weil die „Kachel“ mit der Abbildung des „C Ultra HD Smart-TV“-Fernsehgerätes (Screenshot Blatt 12, 40 und 165 der Gerichtsakte) – wenn auch in relativ kleiner Schriftgröße – die Angabe des Spektrums der Energieeffizienzklassen enthalte, hat der Kläger den Klageantrag zu 1.a) zurückgenommen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Argumentation aus ihrem vorgerichtlichen Schriftsatz vom 14.12.2018 wiederholt und vertieft. Vorsorglich hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
Mit dem angefochtenen, am 28.05.2020 verkündeten Urteil hat die 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen der Klage in dem nach der Teil-Klagerücknahme verbliebenen Umfang stattgegeben. Die Kosten des Rechtsstreits hat das Landgericht wegen der erklärten Teil-Klagerücknahme teilweise dem Kläger auferlegt.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
Unter dem 15.11.2021 hat der Kläger im Berufungsverfahren den Antrag gestellt, den Unterlassungsausspruch dahin neu zu fassen, dass die Beklagte verurteilt wird, es zu unterlassen,
„im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Internet für neue netzbetriebene Haushaltswaschmaschinen (im Sinne der Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Nr. 3 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/2014 der Kommission vom 11.03.2019) gegenüber dem Endverbraucher in visuell wahrnehmbarer Werbung zu werben, ohne für diese konkreten Haushaltswaschmaschinenmodelle gemäß Art. 6 Buchstabe a) der Verordnung (EU) 2017/1369 in Verbindung mit Art. 4 lit. c) der Delegierten Verordnung (EU) 2019/2014 der Kommission vom 11.03.2019 zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2017/1369 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Energieverbrauchskennzeichnung von Haushaltswaschmaschinen und Haushaltswaschtrocknern das Spektrum der für das Label verfügbaren Energieeffizienzklassen gemäß Anhang VII der Delegierten Verordnung (EU) 2019/2014 anzugeben, wenn dies geschieht wie auf dem Internetauftritt der Beklagten unter „https://www.Bventskalender.de/1“ für Haushaltswaschmaschinen des Modells „A“, wiedergegeben wie folgt:
(es folgt die Einblendung des auf Blatt 13, 39 und 164 der Gerichtsakte abgebildeten Screenshots).“
Der Kläger weist hierzu darauf hin, dass die VO (EU) 1061/2010 zwischenzeitlich aufgehoben und durch die „Delegierte Verordnung (EU) 2019/2014 der Kommission vom 11.03.2019 zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2017/1369 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Energieverbrauchskennzeichnung von Haushaltswaschmaschinen und Haushaltswaschtrocknern sowie zur Aufhebung der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1061/2010 der Kommission und der Richtlinie 96/60/EG der Kommission“ ersetzt worden sei. Da es sich bei einem Unterlassungsanspruch um einen in die Zukunft gerichteten Anspruch handele, erfordere diese Änderung der rechtlichen Grundlagen eine Neufassung des Unterlassungsausspruches. Die Beklagte sieht in diesem Begehren des Klägers eine Klageänderung.
Soweit in den Gründen dieses Urteils Fundstellen in der Gerichtsakte angegeben sind, wird wegen der Einzelheiten auf die jeweils dort befindlichen Dokumente verwiesen.
Aus den Gründen
B. Die – zulässige – Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abweisung der Klage. Die – zulässige – Klage ist unbegründet.
I. Keine Klageänderung
In der vom Kläger mit Schriftsatz vom 15.11.2021 beantragten Neufassung des Unterlassungsausspruches liegt keine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO. Der Kläger begehrt nach wie vor ein Verbot von Präsentationen von Waren (Haushaltswaschmaschinen), die mit der streitgegenständlichen Warenpräsentation vom 07.12.2018 identisch oder kerngleich sind. Bei den vom Kläger sowohl in die ursprüngliche Version als auch in die „neue“ Version seines Unterlassungsantrages aufgenommenen Normzitaten handelt es sich lediglich um – in einem Unterlassungsantrag untunliche, daher ohnehin nicht in einen etwaigen Unterlassungsausspruch in einer Urteilsformel aufzunehmende und damit im Ergebnis überflüssige – Hinweise auf die zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung geltenden einschlägigen Rechtsnormen (in der ursprünglichen Version des Unterlassungsantrages) bzw. die aktuell geltenden einschlägigen Rechtsnormen (in der „neuen“ Version des Unterlassungsantrages).
II. Zulässigkeit der Klage
Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG klagebefugt. Der Klageantrag, der auf die konkrete Verletzungsform Bezug nimmt, ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
III. Begründetheit der Klage
Die Klage ist indes unbegründet. Dem Kläger stehen weder der von ihm geltend gemachte Unterlassungsanspruch noch der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten zu.
1. Unterlassungsanspruch
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht nicht. Als Anspruchsgrundlage kommt allein die Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Betracht. Ein Unterlassungsanspruch nach dieser Regelung besteht indes von vornherein nur dann, wenn die vom Kläger beanstandete Präsentation der Haushaltswaschmaschine „A Waschvollautomat“ zum Tatzeitpunkt – also am 07.12.2018 – gegen zu diesem Zeitpunkt – also am 07.12.2018 – geltende Marktverhaltensregelungen verstoßen haben sollte. An einem solchen Verstoß fehlt es hier. Der Kläger beanstandet mit seinem Unterlassungsantrag das Fehlen einer Angabe zum Spektrum der Energieeffizienzklassen in der streitgegenständlichen Warenpräsentation. Die Beklagte war indes zum Tatzeitpunkt – also am 07.12.2018 – nicht verpflichtet, in der streitgegenständlichen Warenpräsentation das Spektrum der Energieeffizienzklassen anzugeben. Eine derartige Verpflichtung ergab sich weder unmittelbar aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 noch aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 in Verbindung mit den Bestimmungen der – zum Tatzeitpunkt geltenden – VO (EU) 1061/2010; andere Grundlagen für eine Verpflichtung zur Angabe des Spektrums der Energieeffizienzklassen sind nicht ersichtlich.
a) Keine Verpflichtung zur Angabe des Spektrums der Energieeffizienzklassen unmittelbar aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369
aa) Art. 6 VO (EU) 2017/1369 hat – soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Bedeutung – folgenden Wortlaut:
„Artikel 6
Weitere Pflichten der Lieferanten und Händler
Der Lieferant und der Händler müssen folgende Anforderungen erfüllen:
a) Sie weisen in visuell wahrnehmbarer Werbung oder in technischem Werbematerial für ein bestimmtes Modell auf die Energieeffizienzklasse des Produkts und das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Effizienzklassen gemäß dem einschlägigen delegierten Rechtsakt hin;
b) (…)
(…)“
Es kann dahinstehen, ob die Beklagte in der hier zu beurteilenden Sachverhaltskonstellation als „Lieferantin“ oder „Händlerin“ im Sinne dieser Bestimmung zu qualifizieren ist oder ob es sich bei der streitgegenständlichen Warenpräsentation vom 07.12.2018 um „Werbung“ im Sinne dieser Bestimmung handelte. Denn unmittelbar aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 ergibt sich für Lieferanten oder Händler keine Verpflichtung, in ihrer Werbung auf das Spektrum der Energieeffizienzklassen hinzuweisen.
bb) In sprachlicher Hinsicht ist für die Auslegung von Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 zunächst zu klären, ob sich die Wortfolge „gemäß dem einschlägigen delegierten Rechtsakt“ auf das unmittelbar vor dieser Wortfolge stehende Substantiv „Effizienzklassen“ oder auf das Verb „hinweisen“ bezieht. Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus der Regelung in Art. 16 Abs. 3 lit. j VO (EU) 2017/1369: Denn nach dieser Regelung müssen die aufgrund der VO (EU) 2017/1369 erlassenen delegierten Rechtsakte insbesondere Vorgaben dazu festlegen, „wie (Hervorhebung durch den Senat) die Energieeffizienzklasse und das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Effizienzklassen in der visuell wahrnehmbaren Werbung und in technischem Werbematerial anzugeben sind, auch hinsichtlich der Lesbarkeit und Sichtbarkeit“. Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 wird mithin durch die entsprechenden delegierten Rechtsakte erst konkretisiert; hieraus ist zu folgern, dass die Wortfolge „gemäß dem einschlägigen delegierten Rechtsakt“ sich auf das Verb „hinweisen“ bezieht, Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 ist also so zu lesen, dass auf das Spektrum der Energieeffizienzklassen „gemäß dem einschlägigen delegierten Rechtsakt hinzuweisen“ ist.
cc) Da die in Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 angesprochene Verpflichtung von Lieferanten und Händlern, auf das Spektrum der Energieeffizienzklassen hinzuweisen, erst noch der Konkretisierung durch einen delegierten Rechtsakt bedarf, ist es nicht überzeugend, bereits unmittelbar und allein aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 eine Verpflichtung zur Angabe des Spektrums der Energieeffizienzklassen herauszulesen. Eine solche „unmittelbare“ Verpflichtung würde auch der Regelungsübung des Unionsgesetzgebers, der gerade im Energieverbrauchskennzeichnungsrecht zu einem besonders hohen Detaillierungsgrad seiner normativen Vorgaben neigt, widersprechen. Zudem würde die Annahme einer unmittelbar und allein aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 folgenden Verpflichtung dazu führen, dass Lieferanten und Händler, solange noch kein delegierter Rechtsakt vorliegt oder sofern ein delegierter Rechtsakt sich als unwirksam erweist, einen gewissen Spielraum hätten, wo und in welcher Weise sie auf das Spektrum der Energieeffizienzklassen hinweisen. Ein solcher Spielraum für Lieferanten und Händler liefe indes dem erklärten Ziel der VO (EU) 2017/1369, dem Kunden vergleichbare Informationen zur Verfügung zu stellen (vgl. Erwägungsgrund (10) zur VO (EU) 2017/1369), zuwider.
dd) Aus Erwägungsgrund (38) Satz 2 zur VO (EU) 2017/1369 ergibt sich nichts anderes: Zwar lässt sich diesem Erwägungsgrund durchaus entnehmen, dass die VO (EU) 2017/1369 auch unmittelbare Verpflichtungen für die Rechtsunterworfenen enthalten kann; speziell für die Auslegung von Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 lässt sich diesem Erwägungsgrund indes nichts entnehmen (anders insoweit das OLG Düsseldorf in seinem – soweit ersichtlich – bislang unveröffentlichten Urteil vom 18.02.2021 – 20 U 149/20 – [Anlage K20 = Blatt 386-389 der Gerichtsakte]). Die in Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 angesprochene Verpflichtung steht vielmehr nach dem eigenen ausdrücklichen Wortlaut der Norm unter dem Vorbehalt einer Konkretisierung der Verpflichtung durch einen delegierten Rechtsakt.
Auch der Hinweis des Klägers auf die Ausführungen in der BGH-Entscheidung „Energieeffizienzklasse III“ (BGH, Urteil vom 07.03.2019 – I ZR 184/17 [BB 2019, 1153 Ls] – [Energieeffizienzklasse III], juris, dort insbesondere Rdnr. 21) bleibt ohne Erfolg: Zu der hier zu beantwortenden Frage hat sich der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung nicht geäußert.
b) Keine Verpflichtung zur Angabe des Spektrums der Energieeffizienzklassen aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 in Verbindung mit den Bestimmungen der VO (EU) 1061/2010
Einschlägig für die im vorliegenden Rechtsstreit zu beurteilende Sachverhaltskonstellation können allenfalls die Regelungen in Art. 4 VO (EU) 1061/2010 sein. Aus keiner der dort geregelten vier Varianten ergab sich indes am Tattag eine Verpflichtung der Beklagten zur Angabe des Spektrums der Energieeffizienzklassen.
Art. 4 lit. a) VO (EU) 1061/2010 regelte die Kennzeichnung von Haushaltswaschmaschinen in einer Verkaufsstelle. Art. 4 lit. b) VO (EU) 1061/2010 betraf den – hier nicht vorliegenden Fall – des Angebots von Haushaltswaschmaschinen „zum Verkauf, zur Vermietung oder zum Ratenkauf“. Art. 4 lit. d) VO (EU) 1061/2010 befasste sich mit der – hier ebenfalls nicht einschlägigen – Frage der Gestaltung von technischem Werbematerial.
Art. 4 lit. c) VO (EU) 1061/2010 befasste sich zwar mit „jeglicher Werbung“ (sofern die hier streitgegenständliche Warenpräsentation am 07.12.2018 als „Werbung“ zu qualifizieren sein sollte), enthielt aber nur eine Verpflichtung zur Angabe der Energieeffizienzklasse, nicht hingegen zur Angabe des Spektrums der Energieeffizienzklassen.
2. Erstattung der Abmahnkosten
Der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang des Vorbringens des Klägers, dass dieser den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten nach der von ihm in der ersten Instanz erklärten Teil-Klagerücknahme nicht mehr auf den in der Abmahnung erhobenen Anspruch im Zusammenhang mit dem Fernsehgerät „C Ultra HD Smart-TV“ stützen will, sondern nur noch auf den vorstehend unter 1. erörterten Unterlassungsanspruch. Da dieser Anspruch nicht besteht, steht dem Kläger auch der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten nicht zu.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 ZPO.