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Wirtschaftsrecht
18.06.2009
Wirtschaftsrecht
: Keine Haftung der Bank nach verlustreichem Zinssatzswap durch kommunales Unternehmen

OLG Bamberg, Urteil vom 11.5.2009 - 4 U 92/08

Leitsätze

1. Auch in der Ausgestaltung der Ziff. 5.1. (hier: 2. Absatz) des sog. Derivat-Erlasses des Bayer. Staatsministeriums des Inneren vom 08.11.1995 genügt das kommunalrechtliche Spekulationsverbot nicht den Bestimmtheitsanforderungen an ein konkretes Verbot im Sinne des § 134 BGB.

2. Auch das (deutliche) Ungleichgewicht der wechselseitigen Chancen und Risiken, wie es durch die Koppelung der Zahlungsstruktur eines sog. CMS-Spread-Ladder (CSL)-Swaps mit einem einseitigen Beendigungsrecht der Bank ohne Ausgleichszahlung bedingt ist, erfüllt nicht die Anforderungen an ein sittenwidriges - auffälliges oder sogar krasses - Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinn des § 138 BGB.

3. Für das Vorliegen einer Individualabrede im Sinn des § 305b BGB über die gesamte vertragliche Zahlungsstruktur reicht es auch bei einem sog. CSL-Swap aus, dass die Bank ihr ursprüngliches Angebot nicht nur hinsichtlich der (bzw. eines der) beiden Festzinssätze für die wechselseitigen „fixen" Zahlungen im ersten Geschäftsjahr, sondern auch bezüglich der ursprünglich vorgegebenen Zahlenwerte für den als „Strike" bezeichneten Parameter in der Berechnungsformel für den variablen Zinssatz nachgebessert hat.

4. Ein Wertpapierdienstleister ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Beratung eines kommunalen Versorgungsunternehmens auch auf das Bestehen eines allgemeinen Spekulationsverbots oder gar auf die Frage einer „möglichen" Unvereinbarkeit des beabsichtigten Geschäfts mit diesem Verbot (bzw. den entsprechenden Verwaltungsvorschriften) zu erstrecken (im Anschluss an OLG Dresden ZIP 2004, 1489 gegen OLG Naumburg WM 2005, 1313).

5. Die Vermutung eines aufklärungsrichtigen Verhaltens ist widerlegt, wenn die Kundenseite behauptet, sie hätte bereits bei Unterrichtung über einen bestimmten Ausschnitt des aufklärungserheblichen Sachverhaltes (hier: das mehrmalige Auftreten einer inversen Zinsstruktur in der Vergangenheit) von dem Geschäft Abstand genommen, sich aber dann entgegen ihrem Vorbringen herausstellt, dass jedenfalls über diesen konkreten Teilaspekt aufgeklärt worden war.

6. Eine Kundenseite, die von einem seit mehreren Jahren (auch) im Derivat-Geschäft tätigen Finanzfachmann (hier: einem diplomierten Betriebswirt und Leiter des „Finanzmanagements" einer kommunalen Konzerns) vertreten wird, muss auch bei Verhandlungen über einen CSL-Swap weder über die Optionsstruktur eines solchen Geschäfts noch über das sog. Marktwertrisiko (einschließlich eines anfänglich negativen Marktwerts) aufgeklärt werden. Sie hat auch keinen Anspruch auf eine Offenlegung der finanzmathematischen und kalkulatorischen Grundlagen, nach denen die Bank den sog. Rückzahlungswert im Fall einer vom Kunden vorzeitig gewünschten Vertragsbeendigung berechnet.

7. In einem solchen Fall besteht auch kein Aufklärungsbedarf bezüglich der Höhe der von der Bank in die Berechnungsformel eingepreisten „Gewinnmarge".

8. Die Rechtssprechungsgrundsätze zum Ausschluss des Mitverschuldenseinwandes der Beraterseite sind von vornherein nicht einschlägig, wenn dem Kunden angelastet wird, nicht nur den hochspekulativen Charakter des schadensträchtigen Geschäfts vollauf erfasst, sondern sich zugleich über zutreffende Hinweise der Beraterseite bzw. über unabhängig vom Verlauf der Beratungsgespräche erkannte Risikofaktoren hinweggesetzt zu haben (im Anschluss an BGH NJW 1980, 1095, 1097).

WpHG a.F. §§ 31ff; WpHG §§ 2 Abs.3a Nr.3; 31a Abs.2 Satz 2 Nr.3; Abs.4; BGB §§ 134, 138, 254 Abs.1; 305b, 307 Abs.1 Satz 2

Sachverhalt

Die klagenden Gesellschaften - eine AG (Klägerin zu 1) sowie eine GmbH (Klägerin zu 2) - nehmen die verklagte Großbank wegen verlustreicher Zinstermingeschäfte jeweils auf Rückerstattung geleisteter Zins- bzw. Ausgleichszahlungen in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1. Beide Klägerinnen (im folgenden auch: „Klägerseite" oder „AG" bzw. „GmbH") gehören als kommunale Versorgungsbetriebe zum konzernmäßig strukturierten Unternehmesverbund der W-GmbH (künftig nur: WVV), einer Holdinggesellschaft, deren Gesamtanteile zu 100 % von der Stadt X. gehalten werden. In den Jahren 2003 bis 2005 verzeichnete die AG Umsätze zwischen rund 177 Millionen Euro und 237 Millionen Euro (bei einem Cash-flow von knapp 24 Millionen Euro im Jahre 2003), während die GmbH im gleichen Zeitraum ihren Umsatz von rund 41,5 Millionen Euro auf knapp 61 Millionen Euro (mit einem Bankguthaben von rund 15,6 Millionen Euro im Jahre 2003) steigern konnte.

Die WVV unterhält eine Abteilung bzw. Organisationseinheit „Finanzmanagement", die seit Anfang 2002 von dem - im Fachgebiet „Finanzwissenschaften" - diplomierten Betriebswirt Sch. geleitet und im August 2004 dem damaligen Bereichsleiter Ma. unmittelbar unterstellt wurde. Sch. gehörte der Abteilung seit 1999 an und war dort für die Sachgebiete „Finanzierung/ Kontakte mit den Banken" und „Bilanzierung" zuständig; die von der Beklagten herausgegebene Broschüre „Basisinformation über Finanzderivate" (Anlage B 8) war ihm bereits Mitte November 1999 ausgehändigt worden.

Ebenfalls ab Herbst 1999 wurden von den Gesellschaften des WVV-Konzerns zahlreiche Zinsswap-Geschäfte abgeschlossen, bei denen als maßgebender Verhandlungsführer auf Konzernseite jeweils bzw. in den meisten Fällen Sch. fungierte, der im Jahre 2001 und sodann erneut im Juni 2003 im Hause der Beklagten an einer Fortbildungsveranstaltung zum Themenkreis „Innovatives Zinsmanagement" bzw. „Bilanzierung von Swapgeschäften" teilnahm. So waren derartige Verträge zwischen den Klägerinnen und der Beklagten jeweils schon im Oktober 1999 und sodann erneut im Oktober 2003 eingegangen worden. Mit anderen Banken kamen bis einschließlich September 2005 mindestens sieben Zinsswap-Geschäfte zustande, darunter zwei jeweils am 16.02.2004 unterzeichnete Verträge zwischen den Klägerinnen und der A-Bank sowie ein weiterer Vertrag zwischen der klagenden AG und der B-Bank vom 02.09.2005.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen K 2, 3, 7 und 9 bzw. B 26 bis 31 sowie auf die Übersichten in der Klage (dort S.19 -25) und in der Klageantwort (dort S.22 - 40 u. 115  = Bl.128 - 146 u. 220 d.A.) verwiesen.

Unter dem 27.03./04.04.2003 schloss die WVV mit der Beklagten einen „„Beratungsvertrag" über „Risk Management Services" (RMS), der die Beklagte zur Analyse von Zinsrisiken der Konzernunternehmen sowie zur Beratung der einzelnen Gesellschaften über die Möglichkeiten zur Verbesserung der Zinsstruktur und zur Senkung der Zinsbelastung verpflichtete (vgl. Anlage K 1). Die als Anhang beigefügte „Produktbeschreibung" lautet auszugsweise:

" 3.1 Zinsrisikomanagement

Die Analyse des Zinsrisikomanagements umfasst die bestehenden und geplanten Positionen. Es werden die Aktiv- und Passivseite betrachtet, die Zinsrisiken analysiert, Optimierungsansätze und Einsparpotentiale ermittelt, sowie die Ergebnisse dokumentiert und präsentiert.

Für das Zinsrisikomanagement sind die Gesellschaften der WVV, STW... HKW.. einzeln zu betrachten und zu bewerten, aber in die Optimierungsmöglichkeiten als Ganzes einzubeziehen.


3.1.3 Optimierungsansätze/Einsparpotentiale

Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse aus den Analysen wird eine Handlungsempfehlung für eine Restrukturierung der Finanzierung und für das künftige Finanzmanagement abgegeben.

Diese Empfehlung berücksichtigt die zuvor mit dem Mandanten abgestimmte Risikostrategie, die Investitionsplanung und den sich hieraus jeweils ergebenden Fremdmittelbedarf ..."

Die ersten Beratungsgespräche zum Thema „Zinsrisikomanagement" zwischen Mitarbeitern der Beklagten und dem Finanzmanagement der WVV fanden am 06.05. sowie - in Anwesenheit der Geschäftsleitung der WVV - am 24.9.2003 statt.


Im Zusammenhang mit den jeweils einen sog. Quanto-Swap betreffenden Verträgen vom 16. bzw. 24. Oktober 2003 hatte jede Klägerin mit der Beklagten zugleich einen eigenständigen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte abgeschlossen (vgl. Anlagen K 6 und 8). Beide Swap-Verträge wurden einvernehmlich zum 11.09.2006 und jeweils mit einem deutlichen Überschuss zugunsten der klagenden Unternehmen beendet.

Bereits wenige Monate nach der Unterzeichnung der Verträge über einen sog. Quanto-Swap verhandelten die Parteien über ein am 15.01.2004 übermitteltes Angebot der Beklagten zu einem EUR-Zinsswap mit Euribor-Koppelung (sog. „Ladder-Swap"). Wie schon im Vorfeld der Verträge vom Oktober 2003 umfassten diese Verhandlungen, die auf Klägerseite im wesentlichen von Sch. geführt wurden, neben zahlreichen Besprechungen und Telefonaten auch einen umfangreichen E-Mail-Verkehr. Hierbei wurden von der Beklagten auch mehrere Präsentationen („Termsheets") übermittelt, in denen Inhalt und Funktionsweise der vorgesehenen Geschäfte erläutert wurden; ferner waren darin u.a. Hinweise auf „Chancen und Risiken" sowie eine Reihe von „Szenarioanalysen" auf der Grundlage alternativer Referenzzinssätze enthalten.

Die Risikohinweise im „Termsheet" vom 13.01.2004 haben auszugsweise den folgenden Wortlaut (vgl. Anlage B 18, dort S.3):

- Bei einem starken Rückgang des 6-Monats-EURIBORS verringert sich Ihre Verbilligung. Ergibt die o.g. Formel unter Einbeziehung des Zinssatzes der vorherigen Periode und des festgestellten 6-Monats-EURIBORS einen Zinssatz von mehr als 3,50%, so schlägt die Strategie zur Zinsverbilligung ins Gegenteil um und Sie zahlen für diese Periode einen höheren Zinssatz, als sie von der E-Bank empfangen...

- „Worst Case": Da die Entwicklung des 6-Monats-EURIBORS nicht voraussehbar ist, kann kein „Worst Case" beziffert werden, d. h. die Strategie ist bei einer für Sie ungünstigen Entwicklung des Referenzzinssatzes mit einem theoretisch unbegrenzten Verlustrisiko verbunden.


- Wenn die E-Bank ihr Beendigungsrecht ausübt, so erlischt der Swap und somit Ihre Zinsverbilligungschance für die Restlaufzeit."

Jeweils am 16.02.2004 schlossen die Klägerinnen mit der Beklagten einen Vertrag über einen sog. Ladder-Swap ab, der sich bei der AG auf einen Nominalbetrag von 4 Millionen Euro und bei der GmbH auf ein Referenzvolumen von 10 Millionen Euro bezog. Beide Verträge hatten eine Laufzeit von 5 Jahren. Während die Beklagte die Zahlung eines festen Zinssatzes von (jährlich) 3,5% schuldete, hatte die jeweilige Klägerseite im ersten Geschäftsjahr 1,85% p.a. zu zahlen, so dass den Klägerinnen für diesen Zeitraum jeweils Gewinne in Höhe von (3,5% - 1,85% =) 1,65% garantiert waren. Ab dem zweiten Geschäftsjahr sollten die Klägerinnen einen variablen Zinssatz zahlen, der nach folgender Formel zu berechnen war (vgl. Anlagen K12 und 13, dort S.3 - 5):

Zinssatz der Vorperiode („Ladder") - 3,0% (bzw. ab dem 2.Geschäftsjahr der für die jeweilige Periode festgesetzte Prozentsatz) + 6-Monats-Euribor"

Nach Ablauf des ersten Geschäftsjahres stand der Beklagten eine einseitige Beendigungsmöglichkeit ohne Ausgleichszahlung zu.

Als sich in der zweiten Jahreshälfte 2004 eine für die Klägerseite günstige Entwicklung der Ladder-Swaps abzeichnete, teilte die Beklagte ihrem Ansprechpartner Sch. Mitte November 2004 mit, dass sie voraussichtlich im kommenden Frühjahr von ihrem einseitigen Kündigungsrecht Gebrauch machen werde. Zugleich unterbreitete sie den Klägerinnen das Angebot, die Verträge jeweils auf die Modalitäten eines sog. CMS-Spread-Ladder-Swaps (im folgenden: CSL-Swap) umzustellen (vgl. Anlagen B 32 u 32.1).

Bei einem CSL-Swap ermittelt sich der für den Umfang der Zahlungsverpflichtung des Kunden maßgebende - variable - Zinssatz anhand der Differenz zwischen dem 10-Jahres -Swapsatz und dem 2-Jahres-Swapsatz, die als „Spread" bezeichnet und durch den Term („CMS 10 - CM S 2") wiedergegeben wird. Diese Swapsätze sind Indikatoren für Zinsen aus Anlagen oder Krediten auf dem Interbankenmarkt mit einer Laufzeit von 10 bzw. 2 Jahren. Der Kunde realisiert Gewinne, wenn der Spread während der Vertragslaufzeit konstant bleibt, größer oder zumindest nicht nennenswert kleiner wird als zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses. Außerdem knüpft die Zinsberechnung jeweils an den Zinssatz der Vorperiode an (sog. „Ladder"-Struktur).

Das von der Beklagten hierzu übermittelte „Termsheet" vom 11.11.2004 war nach dem gleichen Muster wie das erwähnte Erläuterungsschreiben vom 13.01.2004 konzipiert; außerdem enthielt es eine bis in das Jahr 1994 zurückreichende Übersicht über die bisherige Entwicklung relevanter Zinssätze („Histogramm") (Anlage B 32.1, dort S.4,5). Die „Szenarioanalyse" umfasste u.a. die Fallgestaltung eines in jeder Periode kontinuierlich um 0,15% fallenden Spreads und einen damit einhergehenden Anstieg des „vom Kunden zu zahlenden Zinssatzes" bis auf zuletzt 11,82% (Anlage B 32.1, S.4).

Im Abschnitt „Analyse und Fazit" heißt es zu den Geschäftsrisiken (a.a.O., S.3):

- „Nach dem ersten Jahr hängt der von Ihnen ... zu zahlende Zinssatz von der Steilheit der Zinstrukturkurve ab (ausgedrückt durch die Differenz zwischen EUR CMS 10 und EUR CMS 2)...


- Die Höhe ihrer maximalen Zinszahlungen kann im Vorhinein nicht bestimmt werden und ist theoretisch unbegrenzt.


- Ihre maximale Zinsverbilligung beträgt 3% p.a..


- Die E-Bank hat erstmals nach einem Jahr ... und danach alle 6 Monate ein vorzeitiges einseitiges Beendigungsrecht ohne Ausgleichszahlung...


- Der strukturierte Zinsswap besteht unabhängig vom Grundgeschäft. Zahlungen werden separat abgewickelt. Der Swap erlischt nicht, wenn das Grundgeschäft wegfällt. Sollte das Grundgeschäft nicht mehr existieren, verändert sich der Risikocharakter des strukturierten Swaps. In diesem Fall haben Sie eine offene Zins-Position, die mit einem theoretisch unbegrenzten Verlustrisiko verbunden ist. Hierbei spielt die Entwicklung der Differenz zwischen dem 10-Jahres und dem 2-Jahres-EUR CMS-Swapsatzes eine maßgebliche Rolle."

Der Text der Risikobelehrung lautet (Anlage a.a.O., S.4 - Hervorhebung auch i.O.):

- Bei einem starken Rückgang der Differenz zwischen dem 10-Jahres EUR-Swapsatz und dem 2-Jahres EUR-Swapsatz verringert sich Ihre Verbilligung. Ergibt die o.g. Formel unter Einbeziehung des Zinssatzes der vorherigen Periode und der jeweils vor Periodenanfang festgestellten Differenz zwischen dem 10-Jahres EUR-Swapsatz und dem 2-Jahres-Swapsatz einen Zinssatz von mehr als 3,00%, so schlägt die Strategie zur Zinsverbilligung ins Gegenteil um und Sie zahlen für diese Periode einen höheren Zinssatz, als sie von der E-Bank empfangen.

- „Worst Case": Da die Entwicklung der Differenz zwischen dem 10-Jahres EUR-Swapsatz und dem 2-Jahres EUR-Swapsatz nicht voraussehbar ist, kann kein „Worst Case" beziffert werden, d. h. die Strategie ist bei einer für Sie ungünstigen Entwicklung der Referenzzinssätze mit einem theoretisch unbegrenzten Verlustrisiko verbunden.


- Wenn die E-Bank ihr Beendigungsrecht ausübt, so erlischt der Swap und somit Ihre Zinsverbilligungschance für die Restlaufzeit."


Nachdem die Beklagte ihr ursprüngliches Angebot wiederholt nachgebessert hatte, verständigte sich der klägerische Mitarbeiter Sch. mit der Beklagten in einem Telefonat am 04.01.2005 auf eine (optionale) Berechtigung der Bank, zum nächsten Kündigungstermin die bestehenden Verträge nach Maßgabe der in der Präsentation („Termsheet") der Bank von diesem Tage zusammengefassten neuen Konditionen (Anlage B 35) jeweils in die Zahlungsmodalitäten eines sog. CSL-Swaps zu überführen. Im Gegenzug verpflichtete sich die Beklagte zu einer Prämienzahlung von 2.000,00 Euro an die AG bzw. von 5.000,00 Euro an die GmbH. Diese Absprache über eine ausdrücklich als „Wandlungsrecht" bezeichnete (Switch-)Option der Beklagten wurden von den Vertragsparteien jeweils am 31.01.2005 schriftlich bestätigt (Anlagen K 15 und 16).

Das ihr eingeräumte „Wandlungsrecht" ließ die Beklagte gegenüber beiden Klägerinnen jeweils am 02.02.2005 ausüben, so dass - bei gleichbleibenden Bezugsbeträgen - für die wechselseitigen Zahlungsverpflichtungen der jeweiligen Vertragsparteien ab dem 18.4.2005 und für eine Laufzeit von 5 Jahren nunmehr folgende Regelungen galten:

(1) Halbjährliche Verpflichtung der Beklagten zu einer gleichbleibend hohen Zinszahlung von 3% p.a.

(2) Ermäßigte Zinslast der jeweiligen Kundenseite in Höhe von (jährlich) 0,5% in der ersten bzw. von 1,50% in der zweiten (Halbjahres-)Periode

(3) Für die weitere Laufzeit unterlag der Umfang der klägerischen Zahlungsverpflichtungen jeweils einem variablen Zinssatz, der sich nach folgender Formel berechnete:

       „Zinssatz der Vorperiode + 3 x [Strike - ( CMS 10 - CMS 2)]"

Zugleich war vorgegeben, dass die Kundenseite mindestens 0,0% jährlich zu zahlen hatte (sog. Floor). Der - als bloßer Rechenparameter fungierende - Schwellenwert („Strike") galt jeweils für die Dauer von zwei Perioden und sank von zunächst 1% auf 0,9%, dann auf 0,75% und zuletzt auf 0,60%.

Wie schon in den Ausgangsverträgen war der Beklagten jeweils die Berechtigung eingeräumt, das Geschäft zu jedem der halbjährlichen Zahlungstermine - jedoch nicht vor dem Ablauf der zweiten Geschäftsperiode - einseitig und ohne Ausgleichszahlung zu beenden. Demgegenüber stand der Kundenseite die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung des Geschäfts nur gegen eine Ausgleichszahlung des aktuellen Markt(verkaufs-)wertes der Zinsderivate offen.

Wegen der weiteren inhaltlichen Einzelheiten wird auf die als Anlage B 35 vorgelegte Präsentation sowie die Bestätigungsschreiben vom 31.1.05 (Anlagen K 15 u. 16) Bezug genommen.

Seit Herbst 2005 nahm der relevante Zinsspread, also die Differenz zwischen Kapital- und Geldmarktzins (= CMS 10 - CMS 2), fortlaufend ab. Kurz vor Jahresende  wurde die Geschäftsleitung der WVV von dem für den Konzern als Wirtschaftsprüfer tätigen Unternehmen R. mit Schreiben vom 21.12.2005 (Anlage K 17) darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der zwei im September 2005 mit anderen Banken abgeschlossenen Swap-Verträge die Voraussetzungen für eine handelsrechtliche Bewertungseinheit nicht erfüllt seien. Dieses Schreiben wurde von der (neuen) Geschäftsleitung der WVV als Aufforderung verstanden, „in den Jahresabschlüssen der WVV-Unternehmen für die negativen Marktwerte der einzelnen Swaps Rückstellungen wegen drohender Verluste aus schwebenden Geschäften ... (zu bilden), wenn nicht im Einzelfall ein konkretes Swap-Geschäft mit einem konkreten ... Kreditgeschäft eine sogenannte Bewertungseinheit bildet." (S.35 d. Klage). Zugleich nahm die (neue) Konzernspitze die eingetretene Entwicklung zum Anlass, „die gesamten Vorgänge um die Swap-Geschäfte der WVV-Unternehmen von den zuständigen Aufsichtsgremien näher untersuchen (zu lassen)." Außerdem „wurde beschlossen, dass den Aufsichtgremien fortlaufend zeitnah über die Entwicklung der Marktwerte berichtet werden sollte ..." (S.36 d. Klage).

Vor diesem Hintergrund verhandelten die Vertragsparteien ab Mitte Januar 2006 über eine von Ihnen so bezeichnete „Restrukturierung" der Anfang Januar/Februar 2005 geschlossenen Vereinbarungen. Das der ersten Besprechung am 24.01.2006 zugrundeliegende Diskussionspapier der Beklagten von diesem Tage (Anlage B 41) wurde entsprechend dem weiteren Verhandlungsverlauf zunächst durch die Präsentationen der Beklagten vom 25. und 30. Januar, schließlich durch die erneut modifizierten Angebote der Bank vom 09. (bzw. 10.) und 24. Februar 2006 abgelöst (Anlagen B 44 - 46). Noch in der ersten Verhandlungsphase war der wiederum vorrangig von ihrem Mitarbeiter Sch. vertretenen Klägerseite sowohl eine Übersicht über verschiedene „Spreadszenarien" als auch ein „Szenariorechner" überlassen worden (vgl. Anlagen B 42 und 43). Die vorgenannten Erläuterungsschreiben enthielten im Abschnitt „Risiken" nunmehr auch Hinweise zum Stichwort „Marktwertrisiko", deren Fassung auszugsweise lautet (vgl. Anlagen B 44.1 und 2, B 45.2 und 46.1 und 2, dort jeweils S.4 - Hervorhebung auch i.O.):

Marktwertrisiko": Durch die Koppelung ihrer zu leistenden Zinszahlungen an die Entwicklung des 2-Jahres-EUR-Swapsatzes unterliegt dieser strukturierte Swap Marktwertschwankungen ...

In den Marktwert fließen alle unter momentanen Marktbedingungen zukünftig zu leistenden Zahlungen des Geschäfts bis zu dessen Laufzeitende mit ihrem Barwert ein. Obwohl Sie aus diesem Geschäft anfänglich einen garantierten Zinsvorteil erhalten, kann der Marktwert des Geschäfts zur gleichen Zeit für Sie negativ sein, falls der Barwert aller Ihrer in der Zukunft liegenden Zahlungsverpflichtungen den Barwert der an Sie fließenden Zahlungen übersteigt. Aus diesem Grunde kann während der Laufzeit des Geschäftes im Falle einer von Ihnen gewünschten vorzeitigen Auflösung ein hoher von Ihnen zu leistender Ausgleichsbetrag entstehen. Zusätzlich besteht das Risiko, während der Laufzeit des Geschäfts einen erheblichen negativen Marktwert bilanziell ausweisen zu müssen."

Im abschließenden Telefonat vom 24.02.2006 verständigte sich der klägerische Mitarbeiter Sch. mit der Beklagten u.a. auf folgende - jeweils mit Bankschreiben vom 08.03.2006 (Anlagen K 18 und 19) bestätigte - Abänderungen der vertraglichen Konditionen:

(1) Verlängerung der Laufzeiten um ein Jahr sowie Verlegung der Termine für die variablen Zinszahlungen


(2) Heraufsetzung des Multiplikators („Hebels") von 3,0 auf 3,5 einerseits sowie Absenkung des „Strikes" auf durchgehend 0,665% andererseits


(3) Wegfall des einseitigen Kündigungsrechts der Bank

Wegen der näheren Einzelheiten des Verhandlungsablaufs wird auf die Schilderung in der Klageerwiderung (dort S.66 ff. = Bl.171ff. d.A.) Bezug genommen.

Nachdem der Zinsspread - nach vorübergehender Erholung - ab Juli 2006 erneut stark abgesunken war, wurden die beiden „restrukturierten" Swap-Verträge auf Wunsch der Klägerinnen jeweils zum 10.08.2006 beendet. Die hierfür von der Klägerseite erbrachten Ausgleichszahlungen beliefen sich auf 903.000,00 Euro (AG) bzw. auf 2.258.000,00 Euro (GmbH). Bis dahin hatten die Klägerinnen aus den seit Februar 2004 abgeschlossenen Geschäften Gewinne in Höhe von insgesamt rund (147.433,00 + 368.583,00 =) 516.016,00 Euro erzielt.


2. Die klagenden Unternehmen, die jeweils mit vorgerichtlichem Anwaltsschreiben vom 02.11.2006 „die Anfechtung der Swap-Geschäfte in der Fassung der ursprünglichen Vereinbarung vom 16.02.2004, einschließlich der Änderungsvereinbarungen vom 18.02.2005 und vom 09.03.2006" erklären ließen (Anlage K 22, sowie S.40 der Klage), verlangen nunmehr - unter (teilweiser) Anrechnung der von der Beklagten ausgekehrten Überschüsse - Rückerstattung ihrer seit dem Abschluss der Ausgangsverträge vom 16.02.2004 geleisteten Zahlungen. Dieses Begehren stützen die Klägerinnen zum einen auf bereicherungsrechtliche (Rückabwicklungs-)Ansprüche  wegen anfänglicher Unwirksamkeit bzw. anfechtungsbedingter Nichtigkeit sämtlicher Verträge, sodann und vor allem auf eine angebliche Verletzung der der Beklagten obliegenden Beratungs- bzw. (vorvertraglichen) Aufklärungspflichten und schließlich auch auf eine Haftung der verklagten Bank nach Deliktsgrundsätzen.

Die Klägerseite hat daher in erster Instanz beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 755.566,65 Euro an die AG bzw. von 1.889.416,67 Euro an die GmbH - zuzüglich jeweils Verzugszinsen seit dem 18.11.2006 - zu verurteilen.

Die Beklagte tritt den Klagen nach Grund und Höhe entgegen und hat im Wege der Hilfswiderklage - nämlich für den Fall der Nichtigkeit der gegenständlichen Verträge - die Rückerstattung der von den Klägerinnen vereinnahmten Gewinne aus den Quanto-Swap-Geschäften vom 16. bzw. 24. Oktober 2003 in Höhe von 51.412,37 Euro (AG) bzw. in Höhe von 21.765,36 Euro (GmbH) verlangt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des streitigen Vorbringens der Parteien sowie des Verfahrensgangs in erster Instanz wird auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen (§ 540 I, 1 Nr.1 ZPO).

Nach Beweisaufnahme hat das Landgericht unter Klageabweisung im übrigen die Beklagte verurteilt, an die klagende AG 273.555,55 Euro und an die GmbH 684.055,55 Euro, jeweils samt Verzugszinsen seit dem 18.11.2006 zu zahlen. Dieses Ergebnis hat die Kammer unter Annahme „einer Haftungsquote von einem Drittel" im wesentlichen wie folgt begründet:

- Soweit sich die Klage auf die Nichtigkeit der gegenständlichen Swap-Verträge stütze, seien die geltend gemachten Ansprüche offensichtlich unbegründet.

 Die von der Klägerseite bemühte „ultra-vires-Lehre" gelte von vornherein nicht für privatrechtlich organisierte Unternehmen wie die Klägerinnen. Ebensowenig sei mit dem Abschluss der vorliegenden Swap-Geschäfte gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB verstoßen worden. Bei dem allgemeinen Spekulationsverbot handle es sich bereits nicht um ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. Abgesehen davon würden juristische Personen des Privatrechts auch nicht zu den Normadressaten zählen und erst recht nicht die hier verklagte Bank. Damit fehle es zugleich an dem Erfordernis, dass von dem Verbotsgesetz beide Seiten betroffen seien.

- Den Klägerinnen stehe aber jeweils ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten der Beklagten zu.

So habe es die Beklagte zunächst versäumt, die Klägerseite vollständig über die Entwicklung des Spreads in der Vergangenheit aufzuklären. Eine dahingehende Aufklärung hätte es nämlich erfordert, bis in das Jahr 1967 zurückzugehen, nachdem es in den vergangenen 40 Jahren in insgesamt vier Fällen zum Auftreten einer inversen Zinsstruktur gekommen sei. Demgegenüber würden die vorliegenden Übersichten der Beklagten nur bis in das Jahr 1994 zurückreichen.

Des weiteren habe es die Beklagte pflichtwidrig unterlassen, die Klägerseite auf eine mögliche Unvereinbarkeit der gegenständlichen „Spread-Ladder-Swaps" mit den kommunalrechtlichen Bindungen der klagenden Unternehmen hinzuweisen. Eine solche Hinweispflicht folge daraus, dass nach dem Inhalt des hier maßgebenden Derivate-Erlasses „erhebliche Zweifel" an der Vereinbarkeit der „Spread-Ladder-Swap-Geschäfte" mit dem allgemeinen Spekulationsverbot bestünden. Denn bei diesen Geschäften handle es sich „um wesentlich spekulativere und riskantere Geschäfte" als bei den ersten seit dem Jahr 1999 zwischen den Parteien abgeschlossenen Swap-Verträgen. In diesem Zusammenhang müsse sich die Beklagte entgegenhalten lassen, dass in einer von ihr herausgegebenen Broschüre ausdrücklich das allgemeine Spekulationsverbot und dessen Relevanz für Zinsderivatgeschäfte thematisiert würden. Der sich daraus ergebenden Hinweispflicht seien die Verhandlungsführer der Bank jedoch zu keinem Zeitpunkt nachgekommen, wie die Beweisaufnahme ergeben habe.

Entsprechend der Vermutung für ein aufklärungsrichtiges Verhalten der Kundenseite seien die beiden aufgezeigten Pflichtverstöße auch jeweils kausal für die Entschlüsse der Klägerseite zur Eingehung der Spread-Ladder-Swap-Verträge geworden.

- Die sonstigen Vorwürfe einer Verletzung der der Beklagten obliegenden Aufklärungs- und Informationspflichten seien dagegen nicht begründet.

Die Formulierung eines „theoretisch unbegrenzten Risikos" habe zu keiner Verharmlosung dieses Faktors geführt, zumal in den Beispielsrechnungen über nachteilige Szenarien die praktische Relevanz eines etwaigen negativen Geschäftsverlaufs ausreichend veranschaulicht worden sei. Ebensowenig habe sich der Vorwurf bestätigt, der Beklagten sei im Vorfeld der Vertragsschlüsse vom Januar/Februar 2005 bekannt gewesen, dass andere Marktteilnehmer mit einer baldigen Verengung des Spreads gerechnet hätten. Schließlich bestehe auch kein Zweifel daran, dass die Spread-Ladder-Swap-Geschäfte bei einer Entwicklung des Spreads, wie sie von der Klägerseite bei Vertragsschluss erwartet worden sei, dem damit verfolgten Zweck einer Minimierung der Zinslasten in vollem Umfang gerecht geworden wären.

- Etwaige aus dem RMS-Vertrag abzuleitende Beratungspflichten würden nicht weiter reichen als die sich aus § 31 II Nr.2 WpHG ergebenden Aufklärungspflichten.

- Soweit die Klägerseite weitere aufklärungspflichtige Umstände ins Feld führe, wie etwa die angebliche - in der besonderen Risikostruktur angelegte - Unausgewogenheit der Verträge, das Erfordernis einer „Risikoklassifizierung" oder die Höhe der von der Beklagten einkalkulierten Gewinnmarge, könne das Vorliegen diesbezüglicher Aufklärungsmängel dahinstehen, weil insoweit jedenfalls die Vermutung eines aufklärungsgerechten Verhaltens widerlegt sei.

So hätten die maßgebenden Verhandlungsführer der Klägerseite bzw. jedenfalls der Zeuge Sch. die unterschiedliche Chancen- und Risikoverteilung erkannt und seien „von einem höheren Risiko der Klägerseite gegenüber demjenigen der Beklagten (ausgegangen)"; beiden Zeugen sei auch bewusst gewesen, dass es sich um „hochspekulative Verträge gehandelt" habe. Der Zeuge Sch. habe zudem bestätigt, dass man auf Klägerseite von einer Gewinnmarge der Beklagten ausgegangen sei.

- Der den Klägerinnen infolge der dargelegten Pflichtverletzungen der Beklagtenseite zustehende Schadensersatz müsse jedoch wegen überwiegenden Eigenverschuldens auf je ein Drittel reduziert werden:

So habe jedenfalls bei dem Zeugen Sch. eine ausgeprägte Sachkenntnis bezüglich sämtlicher beurteilungserheblichen „Rahmenfaktoren" vorgelegen. Ihm sei auch das Auftreten einer inversen Zinsstruktur im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung bekannt gewesen. Darüber hinaus sei den Entscheidungsträgern der Klägerseite anzulasten, die sich aus dem Derivate-Erlass ergebende Problematik nicht geprüft oder erörtert zu haben. Den klägerischen Verursachungsbeiträgen sei daher größeres Gewicht als denjenigen der Beklagten beizulegen.

3. Hiergegen wenden sich sowohl die Klägerinnen wie auch die Beklagtenseite mit der Berufung. Während die Beklagte eine vollständige Abweisung der Klage anstrebt, verfolgt die Klägerseite mit ihrem Rechtsmittel nunmehr weitergehende Zahlungsansprüche.

Die Beklagte, die ihre Berufung weitgehend auf Rechtsausführungen stützt, beantragt,

das Endurteil des Landgerichts vom 31.03.2008 abzuändern und die Klage -unter Zurückweisung der klägerischen Berufungen - insgesamt abzuweisen.

Die Klägerseite, die das gegnerische Rechtsmittel zurückgewiesen haben möchte, stellt zu ihrer eigenen Berufung den Antrag, unter Abänderung des Ersturteils die Beklagte nunmehr zu verurteilen,

an die Klägerin zu 1)  820.666,66 Euro und

 an die Klägerin zu 2)  2.250.166,66 Euro

zuzüglich jeweils Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 18.11.2006

zu zahlen.

In tatsächlicher Hinsicht vermisst die klägerische Berufung zunächst „Feststellungen" zu der in einem Parallelprozess vor dem Landgericht Frankfurt aufgeworfenen Frage, ob es sich bei der Formel zur Berechnung des variablen Zinssatzes um AGB der Bankseite handelt. Des weiteren rügt die Klägerseite, dass ihrem Antrag auf Sachverständigenbeweis zur Höhe der „einstrukturierten Gewinnmarge" der Beklagten und den „eingepreisten Kosten" nicht nachgegangen wurde. Außerdem wendet sie sich gegen die Feststellung der Kammer, die Verhandlungsführer der Klägerseite seien sich des hochspekulativen Charakters der Verträge bewusst gewesen.

Ihre Rechtsausführungen und den dazu unterbreiteten Sachvortrag konzentriert die klägerische Berufung vor allem auf folgende - teilweise mit der Berufungsbegründung nachgeschobene - Standpunkte, wobei die Klägerseite auch ihr bisheriges Vorbringen ergänzen und ausweiten lässt:

(1) Da auch privatrechtlich organisierte Versorgungsbetriebe einer Kommune in den  Schutzbereich des Spekulationsverbots einbezogen seien, folge daraus zwingend die Unwirksamkeit der vorliegenden Geschäftsabschlüsse.

(2) Die Verträge seien zudem wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 I, 2 BGB unwirksam.

(3) Außerdem folge ihre Nichtigkeit aus einer sittenwidrigen Verschiebung des Verhältnisses von Chancen und Risiken zugunsten der Beklagten.

(4) Wie das Landgericht schon im Ansatz verkannt habe, hätten der Beklagten in erster Linie nicht (vorvertragliche) Aufklärungspflichten, sondern echte Beratungspflichten oblegen. Denn der RMS-Vertrag habe den Umfang dessen erhöht, was der Beklagten hinsichtlich des Anlegerprofils der Klägerinnen an Prüfung und Aufklärung oblegen habe.

(5) Auch kommunale Tochterunternehmen seien mittelbar, weil „reflexartig" an das kommunale Spekulationsgebot „angebunden", so dass sich hieraus von selbst eine Einschränkung ihres Risikoprofils ergebe. Diesem „so gesetzlich definierten Risikoprofil" hätten die gegenständlichen Swaps von vornherein nicht entsprochen und daher schon im Hinblick auf den RMS-Vertrag erst gar nicht angeboten werden dürfen.

(6) Das für CSL-Swaps vorausgesetzte Risikoprofil der Klasse 5 entspreche nicht der tatsächlich von Klägerseite bekundeten Bereitschaft zur Eingehung eines „gewissen" Risikos.

(7) Die Beratung hätte sich mit Blick auf das sog. Marktwertrisiko auf das Bestehen eines schon anfänglich negativen Merkwerts sowie auf die für die Berechnung des sog. Marktwerts maßgebenden Faktoren der erstrecken müssen.

(8) Auch und insbesondere unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Interessenkonflikts der Beklagten habe die Kammer die gesetzlichen Anforderungen an das der Bankseite geschuldete Maß an Aufklärung verkannt. Es hätte insoweit insbesondere über die Höhe der einstrukturierten Gewinnmarge sowie der eingepreisten Gebühren aufgeklärt werden müssen.

Entsprechendes gelte für die Unausgewogenheit der gegenständlichen Verträge aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Chancen-Risiken-Verteilung.

(9) Ein weiteres grundlegendes Beratungsdefizit ergebe sich daraus, dass die Klägerinnen im Vorfeld der Vereinbarung über eine Switch-Option der Beklagten nicht ausreichend über die für die Entwicklung der Zinsstrukturkurve maßgeblichen Umstände aufgeklärt worden seien.

Das ihre erstinstanzlichen Anträge übersteigende Zahlungsbegehren der Klägerseite beruht darauf, dass sich die Klägerinnen auf ihre Rückerstattungsansprüche nicht mehr wie bisher auch die Überschüsse anrechnen lassen, die ihnen aus den beiden Ausgangsverträgen vom 16.02.2004 zugeflossen sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschriften vom 27. Oktober 2008 und 12. Januar 2009, den Senatsbeschluss vom 10.11.2008 (Bl.1211ff. d.A.) sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze einschließlich der vorgelegten Urkunden und sonstigen Anlagen Bezug genommen.

aus den gründen

Beide Berufungen sind statthaft und auch sonst zulässig (§§ 511ff. ZPO). Während das Rechtsmittel der Klägerseite ohne Erfolg bleibt, führt die Berufung der Beklagten zur Abänderung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage in vollem Umfang.

Zu Recht und auch mit zutreffender Begründung hat das Landgericht das Bestehen eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs auf Rückabwicklung der vorliegenden Swap-Verträge verneint. Was die klägerische Berufung dagegen vorbringt, ist nur bezüglich der von ihr neu aufgeworfenen Streitfragen vertiefungsbedürftig (vgl. dazu Abschnitt A.).

Aber auch die in erster Linie geltend gemachten Schadensersatzansprüche stehen der Klägerseite weder unter dem Blickwinkel des RMS-Vertrages zwischen der WVV und der Beklagten noch aus einem der zwischen den Vertragsparteien im Vorfeld der einzelnen Geschäftsabschlüsse jeweils konkludent zustande gekommenen Beratungsverträge noch unter deliktsrechtlichen Gesichtspunkten (§ 823 II BGB i. V. m. §§ 31ff. WpHG a.F.) zu. Auf der Grundlage der von ihr ohne Erfolg beanstandeten Feststellungen der Kammer zeigt auch die klägerische Berufung keine Umstände auf, aus denen sich ein Beratungsfehler oder ein Aufklärungsversäumnis der Beklagten erschließt (vgl. dazu B. I-III). Demgegenüber erweist sich das Rechtsmittel der Beklagten bereits in den beiden Punkten, in denen das Landgericht jeweils zur Annahme eines Beratungsversäumnisses der Bank gelangt ist, als begründet (B. II. 1 und III. 2).

Erst recht nicht lässt der klägerische Sachvortag konkrete Anhaltspunkte für eine arglistige Täuschung der Bankseite erkennen (B. IV).

Unabhängig davon scheitert eine Einstandspflicht der Beklagten wegen des ihr angelasteten Beratungsverschuldens jedenfalls daran, dass sich die Klägerinnen nicht auf die Vermutung eines beratungsgemäßen bzw. aufklärungsrichtigen Verhaltens berufen können (dazu B. V). Schließlich muss die Berufung der Beklagten auch mit dem Einwand durchdringen, dass in jedem Fall aufgrund einer weit überwiegenden (Mit-)Verantwortlichkeit der Klägerinnen für die Schadensentstehung (§ 254 I BGB) eine lediglich quotenmäßige Anspruchskürzung nicht in Betracht kommt (vgl. B. VI).

A. Ansprüche auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung der Verträge

    (nur Berufung der Klägerseite)

I. Wirksamkeitshindernisse

1. Verstoß gegen das kommunalrechtliche Spekulationsverbot

Da das Berufungsvorbringen insoweit über eine Bekräftigung der klägerischen Rechtsstandpunkte nicht hinausgelangt ist, sind hierzu lediglich folgende Anmerkungen veranlasst (§ 540 I, 1 Nr.2 ZPO):

a) Auch in der Ausgestaltung des hier maßgebenden Derivate-Erlasses des Bayer. Staatsministeriums des Inneren vom 08.11.1995 (Anlage K 24) ist das Spekulationsverbot zu unbestimmt, um den Anforderungen an ein konkretes Verbot im Sinne des § 134 BGB zu genügen. Das entspricht im übrigen auch nicht dem Regelungszweck des Erlasses, der nach Aufbau und Inhalt im Sinne einer allgemein gehaltenen Richtlinie abgefasst ist und sich allein an die „Rechtsaufsichtsbehörden" wendet. Es überrascht deshalb nicht, dass auch die Klägerseite, wie sie mit ihren Zweifeln über die Einordnung der Swapgeschäfte vom Oktober 2003 zu erkennen gegeben hat (vgl. S.40 d. Klage), sich offenbar selbst nicht in der Lage sieht, die Abgrenzung zwischen (ihrer Ansicht) noch zulässigen und verbotswidrigen Geschäften mit der erforderlichen Sicherheit vorzunehmen.

b)  Dem Landgericht ist auch darin zu folgen, dass die sich aus dem Spekulationsverbot ergebenden Restriktionen ausschließlich nur für die jeweilige Gemeinde selbst gelten, also auch ihre privatrechtlich organisierten Tochtergesellschaften von vornherein nicht zu den Normadressaten zählen. Das entspricht seit jeher der ganz überwiegenden Meinung (vgl. etwa OLG Naumburg, WM 2005, 1313, Rdnr.53ff. m. w.N.; Roller/Elster/Knappe ZBB 2007, 345, 363; Schwintek EWiR 2005, 661, 662; Knappe BKR 2008, 170; Weber EWiR 2008, 421; Bausch WuB I G 1 Anlageberatung 3.08).

c) Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner abschließenden Beantwortung der Frage, ob der in Ziff. 5.1. des Erlasses umschriebene Verbotstatbestand („...losgelöst von konkret zugrundeliegenden Kreditgeschäften...") nur solche Geschäfte im Auge hat, die ohne jeden sachbezogenen Zusammenhang mit bestehenden bzw. geplanten Kreditverbindlichkeiten abgeschlossen werden. Immerhin lässt sich für dieses Verständnis anführen, dass in den anschließenden Erläuterungen der Ziff. 5.1. - dritter Absatz - des Erlasses der zulässige Bereich auf Abschlüsse im Vorfeld zukünftiger („neu einzugehender") Verbindlichkeiten sowie auf Verträge erweitert wird, die die „Zinsbelastungen mehrerer Kreditverträge" zum Bezugsgegenstand haben. Danach könnten auch solche Vertragsgestaltungen als (noch) erlasskonform anzusehen sein, die - wenn auch unterhalb der Schwellenanforderungen für eine handelsrechtliche Bewertungseinheit bzw. eines sonstigen konnexen Zusammenhangs - nach den von der Beklagten dargelegten Kriterien für eine „Portfoliooptimierung" wenigstens einen gewissen Grundbezug zu den Kreditverbindlichkeiten der Kundenseite aufweisen. Nach diesen Vorgaben (vgl. S.110f. d. Klageantwort = I/215f. d.A. sowie S.35f. der Duplik = II/466 d.A.: Währungs- sowie (relative) Betrags- und Laufzeitkongruenz) lässt sich die vorliegende Konstellation jedenfalls der zweiten Alternative der erwähnten „Öffnungsklausel" zuordnen.

2.  § 138 BGB

Abgesehen davon, dass es schon im Ansatz an einem klägerischen Sachvortrag zu den subjektiven Tatbestandsmerkmalen einer Ausbeutung i.S.d. § 138 II BGB bzw. eines wucherähnlichen Geschäfts nach § 138 I BGB fehlt, sind auch keine zureichenden Anhaltspunkte für eine objektiv sittenwidrige Verschiebung des Chancen-Risiko-Verhältnisses zu Lasten der Klägerseite dargetan. Zwar ist auch im Streitfall am Vorliegen eines signifikanten Ungleichgewichts zu Lasten der Kundenseite nicht zu rütteln. Diese Disparität erreicht aber bei weitem nicht das Ausmaß eines erheblichen oder gar groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, wie es für ein objektives Unwerturteil im Sinn des § 138 BGB vorausgesetzt wird.

a) Die ungleiche Verteilung der Risiken ist zunächst in der Struktur der Zinsformel eines CMS-Spread-Ladder-Swaps (im folgenden: CSL-Swap) selbst angelegt (vgl. dazu Roller u.a. ZBB 2007, 345, 347f.):

Zunächst in dem „Ladder-Prinzip", wodurch jeder Zinsfeststellung der jeweilige „Zinssatz der Vorperiode" vorgegeben ist; so kommt der Kundenseite eine ihr günstige Entwicklung des Spreads unter Umständen erst dann zugute, wenn dadurch auch der zuvor aufgebaute hohe Zinssatz ausgeglichen werden kann. Dieser („Memory-)Effekt wirkt sich jedoch erst ab der vierten Periode aus, da im ersten Geschäftsjahr keine Anpassung stattfindet und in der dritten Periode der Ausgangszinssatz ebenfalls bereits in Höhe des für die zweite Periode vereinbarten Festzinses feststeht.

Dem Ladder-Effekt wirkt allerdings entgegen, dass der „Strike" innerhalb der Laufzeit sinkt und damit die Chancen auf einen den Schwellenwert überschreitenden „Spread" steigen. Das zweite in die Zinsformel einstrukturierte Ungleichgewicht hängt mit den Hebelwirkungen zusammen.

Des weiteren wird die Symmetrie zum Nachteil des Kunden durch die Vorgabe verschoben, dass der Mindestzinssatz für die Zahlung der Kundenseite auf minimal Null sinken kann (sog. „Floor"), wodurch eine negative Zinszahlungspflicht des Kunden  (und eine entsprechende Ausweitung der Zahlungslast der Bank) verhindert wird. Sein maximaler Gewinn kann 3% des Nominalbetrages jährlich nicht überschreiten, während die Bank umgekehrt einen theoretisch unbegrenzten Überschuss zu erzielen vermag, wenn sich der Spread entsprechend entwickelt. Eine weitere Reduzierung der Chancen des Kunden ist bei einer Konstellation wie hier mit der einseitigen und halbjährlichen (optionalen) Berechtigung der Bank verbunden, den Vertrag vorzeitig ohne Ausgleichszahlung zu beenden.

Der Kunde befindet sich aufgrund des einseitigen Beendigungsrechts der Bankseite in einer sog. Stillhalterposition, in der sich eine für viele Finanzierungsinstrumente typische Optionsstruktur widerspiegelt (vgl. etwa Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, 2006, S.67ff.). Hieraus folgt notwendig eine asymmetrische Risikoverteilung, die also keine spezielle Eigenschaft des CSL-Swaps darstellt, sondern auch viele andere auf den Kapitalmärkten gängige Derivate kennzeichnet (Rudolph a.a.O., S.68 sowie die von Beklagtenseite als Anlagen B 52 und 62 vorgelegten Privatgutachten vom 26.02.2008 = PGA III, dort S.10f. bzw. vom 16.03.2008 = PGA IV, dort S.12f.).

b) Diesen Nachteilen steht zwar nur ein „begrenztes" Gewinnpotential des Kunden gegenüber. Seine Ertragschancen haben jedoch nicht nur, wie die Klägerseite behauptet, die Qualität einer Ausgleichsprämie für die eingenommene „Stillhalterposition". Denn das vorliegende Austauschmodell beinhaltet zum einen den besonderen Vorzug einer Aussicht, ohne jeden Einsatz von Eigenkapital auf längere Sicht Gewinne erzielen zu können; darüber hinaus sind für die ersten beiden Geschäftsperioden Überschüsse in einer bestimmten und keineswegs unbeachtlichen Größenordnung „garantiert", mit denen also „fest" geplant werden kann.


aa) Im Streitfall kommt die - von der Klägerseite übrigens auch sonst ausgeblendete - Besonderheit hinzu, dass die Klägerinnen vor Abschluss der ihrer Ansicht nach schadensträchtigen CSL-Swaps aus den vorzeitig beendeten Ausgangsverträgen vom 16.02.2004 garantierte Überschüsse von zusammengenommen (1,65% aus 14 Millionen Euro =) 231.000,00 Euro vereinnahmt hatten. Im unmittelbaren Anschluss daran war ihnen aus den neu konditionierten Verträgen vom 04./31. Januar 2005 für eine weitere Laufzeit von zwei (halbjährlichen) Geschäftsperioden ein noch höherer Zinsgewinn in der Gesamthöhe von [(2,5 + 1,5 =) 4% aus 14 Millionen Euro : 2 =] 280.000,00 Euro garantiert.

Ungeachtet dessen, dass diese garantierten Zahlungsflüsse über insgesamt vier Geschäftsperioden nicht von den Ertragschancen der Klägerseite beim Abschluss der Ausgangsverträge umfasst werden, gehören sie mit zu dem Bezugsrahmen, innerhalb dessen das mit der jeweiligen Umstellung auf einen CSL-Swap verknüpfte Verhältnis der wechselseitigen Chancen und Risiken zu bewerten ist. Denn es handelt sich, was die hier zu gewichtende Gegenleistung der Bank angeht, um eine wirtschaftliche Bewertungseinheit innerhalb eines laufenden Vertragsverhältnisses.

Infolgedessen lässt sich für eine sachgerechte Bewertung an die Ergebnisse des als Anlage K 33 vorliegenden Privatgutachtens der CSA vom 31.1.08 (Übersetzung: III/474ff. d.A.) von vornherein nicht anknüpfen, weil die Begutachtung auf einer verkürzten Bemessungsgrundlage aufbaut. Sie eignet sich daher lediglich für folgende Kontrollerwägung: Sofern nach der - ausgerechnet insoweit nicht näher begründeten - Einschätzung der CSA eine „faire" Bepreisung der „Stillhalterposition" eine Anhebung des für die Bankzahlungen maßgebenden Zinssatzes von 3,0% auf 4,15% erfordert hätte (vgl. S.26 d. Übersetzung = III/499 d.A.), wäre diese Vorgabe nach dem dargelegten Gesamtumfang garantierter Überschüsse aus vier Perioden nicht nur eingehalten, sondern sogar deutlich übertroffen: Dem Ergebnis einer angeblich „fairen" Bepreisung [(4,15 - 0,5) + (4,15 - 1,5) = 6,3% : 2 = 3,15% aus 14 Millionen = ] in Höhe von „nur" 441.000 Euro stehen nämlich tatsächlich vereinnahmte Festbeträge in der Gesamthöhe von (231.000 + 280.000=)  511.000,00 Euro gegenüber.

bb) Schließlich spricht gegen die Annahme von Sittenwidrigkeit auch folgende Erwägung: Selbst im Bereich der sog. Verbraucherverträge dürfen auch risikoreiche Geschäfte abgeschlossen werden, die nur unter besonders günstigen Umständen erfüllt werden können (vgl. BGHZ 107, 92, zustimmend etwa Medicus ZIP 1989, 817). Das muss erst recht gelten, wenn es - wie hier - um einen Vertragsgegner der Bank geht, der inzwischen vom Gesetzgeber als sog. „geeignete Gegenpartei" eingestuft und damit der Kundenklasse mit dem niedrigsten Schutzniveau zugewiesen wird (vgl. § 31a IV, 1 mit § 31a II, 2 Nr.3 WpHG n. F.).

3. Transparenzgebot des § 307 I, 2 BGB

Die vorliegenden Swap-Geschäfte sind auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 I, 2 (iVm § 307 III, 2) BGB für Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam.

a) Bei dem hierzu unterbreiteten Sachvortrag handelt es sich um neues Vorbringen, dessen verspätete Einführung unentschuldigt geblieben ist und daher bereits an der Zulassungsschranke des § 531 II, 1, Nr. 3 ZPO scheitert. Soweit es die Berufung dem Landgericht als Verletzung seiner Hinweispflicht nach § 139 ZPO anlastet, dass mit den Parteien nicht der AGB-Charakter der die vertragliche Zinsstruktur bestimmenden Berechnungsformel erörtert wurde, kann sie auch dadurch keine Zulassung des neuen Vorbringens nach § 531 II,1 Nr. 2 ZPO erreichen. Denn maßgeblich für eine etwaige Verletzung der Aufklärungspflicht ist allein der materiell-rechtliche Standpunkt des Tatrichters ohne Rücksicht auf seine Richtigkeit. Es ist deshalb schon im Ansatz nicht zulässig, eine vom Rechtsmittelführer bekämpfte Rechtsansicht des Erstrichters auf dem Umweg über einen angeblichen Verstoß gegen die Hinweispflicht in einen Verfahrensmangel umzudeuten (vgl. zuletzt BGH NJW 2009, 355). Die Berufung weist im übrigen selbst darauf hin, dass die für die nunmehr (im Anschluss an eine Entscheidung des LG Frankfurt vom 10.03.2008) aufgeworfene Einordnungsfrage beurteilungserheblichen Umstände unstreitig sind.

b) Davon abgesehen ist das neue Vorbringen auch nicht beurteilungserheblich, weil auch im Rahmen der Umstellung der Ausgangsverträge auf das erste CSL-Swap-Geschäft die Beklagte ihr ursprüngliches Angebot nicht nur bezüglich des ihrer Zahlungspflicht zugrundeliegenden festen Zinssatzes, sondern auch hinsichtlich des Basiswerts („Strikes") - wiederholt - nachgebessert hat (vgl. Anlagen B 32-35). Ungeachtet dessen, dass die den variablen Zinssatz bestimmende Berechnungsformel selbst unverändert blieb, stellt sich daher die gesamte vereinbarte Zahlungsstruktur als Ergebnis der Vertragsverhandlungen und somit als Individualabrede im Sinn des § 305b BGB dar.

c) Im übrigen ist die von der Bankseite vorgegebene Berechnungsformel einfach und ohne weiteres nachvollziehbar. Erst recht keine Anlaufschwierigkeiten bietet die für die Kundenseite ab dem 2. Geschäftsjahr maßgebende Zahlungsstruktur jedenfalls für einen Finanzfachmann mit auch noch mehrjähriger Derivate-Erfahrung wie den Zeugen Sch.. Demgegenüber wird die von der Klägerseite vorgeschlagene Variante (mit einer Trennung der aus Kundensicht belastenden und positiven Faktoren), wie das Landgericht Wuppertal in einem vergleichbaren Sachverhalt aufgezeigt hat (WM 2008, 1637, dort Rdnr. 85ff.), den Anforderungen an eine hinreichende Erkennbarkeit der wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen gerade nicht gerecht.

II. Anfechtung wegen „arglistiger Täuschung".

Auch der auf ein - bedingt - vorsätzliches Verschweigen aufklärungserheblicher Umstände gestützte Vorwurf einer „arglistigen Täuschung" der Klägerseite entbehrt jeder Grundlage.

Abgesehen davon, dass sich die für die Abgrenzung des zweitinstanzlichen Streitstoffes in erster Linie maßgebende Berufungsbegründung mit diesem rechtlichen Gesichtspunkt nicht mehr befasst hat, ist auch das insoweit nachgeschobene Vorbringen der Klägerseite nicht geeignet, ein vorsätzliches Aufklärungsversäumnis zu belegen.

1.  Wie die Klägerseite bereits im rechtlichen Ausgangspunkt verkennt, setzt eine vorsätzliche und damit arglistige Täuschung durch Verschweigen notwendig voraus, dass die gebotene Aufklärung in Kenntnis einer dahingehenden Offenbarungspflicht unterblieb (vgl. nur BGH NJW 2007, 2407, 2409, Rdnr.21 m.w.N.). An diesem Erfordernis scheitert der Arglistvorwurf von vornherein, soweit die Klägerseite eine Aufklärung über den „anfänglichen negativen Marktwert" sowie über „die Höhe der eingepreisten Gewinnmarge" vermisst. Denn jedenfalls in dem hier beurteilungserheblichen Zeitraum bis Januar 2006 gab der Stand der Rechtssprechung bzw. Fachliteratur keine Veranlassung, bei einer Fallgestaltung wie hier die Aufklärung auch auf die beiden genannten Punkte zu erstrecken.

2. Soweit sich der klägerische Vorwurf hingegen auf das Vorliegen eines angeblichen Ungleichgewichts der wechselseitigen Chancen und Risiken sowie „die fehlende Eignung der Szenariorechner" bezieht (S.19 des Schriftsatzes vom 22.12.2008 = Bl.1249 d.A.), geht es nicht um angeblich aufklärungserhebliche Tatsachen (vgl. Palandt, 68.Auflage, Rdn. 3 zu § 123 BGB), sondern um eine unterbliebene Bewertung von davon abgeschichteten Tatsachenzusammenhängen.

3. Davon abgesehen sind sämtliche Vorwürfe, wie im Anschluss darzulegen sein wird (B. II. u. III.), auch jeweils in der Sache widerlegt, sei es, weil die Beklagte hinreichend aufgeklärt hat, sei es, weil von vornherein kein Aufklärungsbedarf bestand.

B. Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Beratung bzw. Aufklärungsversäumnissen (Berufung der Klägerseite, soweit nicht anders vermerkt) 

I. Gegenstand und Umfang des Pflichtenkreises der Beklagten

1. Entsprechend den Grundsätzen zum schlüssigen Zustandekommen eines Beratungsvertrages bei Anlagegeschäften (vgl. BGHZ 100, 117, 118f.; 123, 126, 128) ist auch im Streitfall jeweils schon durch die Aufnahme der Verhandlungen über ein weiteres Swap-Geschäft ein Beratungsvertrag zwischen den Vertragsparteien abgeschlossen worden. Die Beklagte war deshalb verpflichtet, die Klägerseite anleger- und anlagegerecht zu beraten.

Gegenstand und Umfang der Pflichten aus einem solchen Beratungsvertrag richten sich zum einen nach der Person des Kunden, vor allem dessen Erfahrungshintergrund und Anlegerprofil (anlegergerechte Beratung) und zum anderen nach dem Anlageobjekt (anlagespezifische Beratung). Hierbei hängt die tatsächliche Ausgestaltung des Pflichtenkreises, der insbesondere in den §§ 31ff. WpHG konkretisiert wird, maßgebend von den Gegebenheiten des Einzelfalls ab. Zu den Umständen in der Person des Kunden gehören neben seiner wirtschaftlichen Ausgangslage insbesondere sein Wissensstand über Anlagegeschäfte der projektierten Art, das Maß seiner Risikobereitschaft sowie das von ihm angestrebte Anlageziel; entscheidend ist also beispielsweise, ob es sich bei dem Kunden um einen erfahrenen Anleger mit einschlägigem Fachwissen handelt (Hannöver in: Schimansky u.a., Bankrechtshandbuch, 3. Aufl., Rdnr.31ff. zu § 110). Kenntnis vom Erfahrungsstand und „Risikoprofil" des Kunden kann das Kreditinstitut auch aus einer langjährigen Geschäftsbeziehung gewonnen haben. Alles in allem muss die empfohlene Anlage zu den persönlichen Verhältnissen des Kunden „passen" (Tilp ZIP 1993, 1843, 1845). Die anlagebezogene Komponente der Beratungspflicht betrifft die produktspezifischen Risiken einschließlich der allgemeinen Risikoaspekte aus dem Umfeld der konkreten Anlage oder aus der Sphäre der Anbieterseite, soweit sie für die Anlageentscheidung Bedeutung haben (Tilp a.a.O., S.1846). Während bezüglich dieser Umstände eine sowohl zutreffende wie lückenlose Aufklärung geschuldet wird, muss die Bewertung und Empfehlung des Anlageobjekts in der Situation des Geschäftsabschlusses - also „ex ante" betrachtet - lediglich vertretbar sein. Das Risiko, dass sich eine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Kunde (BGH WM 1987, 531, 532; 2000, 1441, 1442 und 2006, 851 = NJW 2006, 2041).

2. Außerdem sind die Klägerinnen in den Schutzbereich des RMS-Vertrages einbezogen (vgl. dazu etwa BGHZ 75, 321). Das ergibt sich bereits aus Ziff. 3.1 („Zinsrisikomanagement") des Anhangs zu diesem Vertrag, wonach „für das Zinsrisikomanagement die Gesellschaften der WVV, STW...HKW einzeln zu betrachten und zu bewerten, aber in die Optimierungsmöglichkeiten als Ganzes einzubeziehen (waren)."

Die Berufung macht deshalb im tatsächlichen Ausgangspunkt zu Recht geltend, dass die Beklagte im Rahmen der ihr obliegenden kundengerechten Beratung und insbesondere hinsichtlich des Anlageziels zugleich gehalten war, die spezifischen Vorgaben zu berücksichtigen, die sich aus der Wahrnehmung der für sie begründeten Beratungspflichten aus dem RMS-Vertrag ergaben.

Nach diesem Maßstab und auch im Hinblick darauf, dass jede neue Generation derivativer Finanzprodukte die Anforderungen an die Anlageberatung verändern kann (Hannöver a.a.O., Rdnr.28), hat die Beklagte die sie treffenden Beratungs- und Aufklärungspflichten (zur Abgrenzung etwa Hannöver a.a.O., Rdn.21 u. 51) unter keinem Aspekt verletzt.

II. Anlegergerechte Beratung

1. Kommunalrechtliche Vorgaben (hier: Berufung der Beklagten)

Die Annahme eines haftungsbegründenden Beratungsverschuldens durch das Landgericht hält der Überprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.

a) Ein Wertpapierdienstleister ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Beratung eines kommunalen Versorgungsunternehmens auch auf das Bestehen eines allgemeinen Spekulationsverbots oder gar auf die Frage einer „möglichen" Unvereinbarkeit des beabsichtigten Geschäfts mit diesem Verbot (bzw. den entsprechenden Verwaltungsvorschriften) zu erstrecken.

aa) Die gegenteilige Ansicht des OLG Naumburg (WM 05, 1313; zustimmend etwa Assmann/Schütze, Hdb. d. Kapitalanlagerechts, 3.Auflage, Rdn. 11 zu § 4), der sich das Landgericht angeschlossen hat, entspricht weder der im diesbezüglichen Nichtannahmebeschluss des BGH vom 21.3.06 zum Ausdruck gekommenen Auffassung des Bundesgerichtshofs (vgl. WM 2006, 969f.) noch der inzwischen überwiegenden Meinung des Schrifttums (vgl. etwa Palandt, 68.Auflage, Rdn.48 zu § 280 BGB; Jahn in: Schimansky/Bunte/Lwowski, a.a.O., Rdn.166 zu § 114; Schwintek, EWiR 2005, 661, 662; Bracht, WM 08, 1386, 1387 m.w.N; Bausch u. Weber a.a.O.) und wird auch in den bereits erwähnten Beiträgen von Roller/Elster/Knappe und Knappe a.a.O. (dort S.362f. bzw. 171f.) abgelehnt.

Die Durchsetzung des kommunalrechtlich verankerten Spekulationsverbots ist eine Angelegenheit der staatlichen Rechtsaufsicht und gehört auf kommunaler Ebene zum originären Aufgabenbereich der Kontrollgremien der Stadtverwaltung und an der Konzernspitze einerseits sowie der Aufsichtsorgane bzw. der Geschäftsleitungen der einzelnen Konzernunternehmen andererseits. Bereits unter diesem Blickwinkel geht die von den Klägerinnen konstruierte Beratungspflicht zu weit. Denn auch die Belange eines effektiven Anlegerschutzes erfordern es nicht, dass die Beraterseite gewissermaßen Aufgaben der staatlichen Rechtsaufsicht bzw. der auf Kundenseite gerade hierfür zuständigen Überwachungsgremien wahrnimmt (in diesem Sinne schon OLG Dresden ZIP 2004, 1498, 1499 für einen vergleichbar gelagerten Fall).

Die Annahme eines Beratungsverschuldens hätte darüber hinaus zur Folge, dass ein kommunales Tochterunternehmen das mit seiner Anlageentscheidung verbundene Risiko im Nachhinein auf das beratende Kreditinstitut abwälzen könnte. Zu Recht wird deshalb darauf hingewiesen, dass die Gegenmeinung auch im Verhältnis der Parteien des Beratungsvertrags auf eine nicht nachvollziehbare und offenbar in dieser Konsequenz auch nicht durchdachte Vertauschung der beiderseitigen Risikosphären hinausläuft (Bracht und Schwintek jeweils a.a.O.).

bb) Wie die Beklagte zutreffend darlegt, birgt die Gegenansicht zudem die Gefahr in sich, dass die hier statuierte Aufklärungspflicht bis in den Bereich der (unzulässigen) Rechtsberatung ausgedehnt wird. Das lässt sich auch anhand der Argumentation des Landgerichts aufzeigen, das keinen Verstoß gegen das allgemeine Spekulationsgebot annimmt, sondern lediglich auf das Vorliegen „erheblicher Zweifel" an einem erlasskonformen Geschäftsinhalt der vorliegenden Verträge abstellt, also letztlich schon das Bestehen einer unklaren Rechtslage genügen lassen will. Das ist auch dann, wenn es - wie hier - nicht allein um eine Aufklärung über Tatsachenzusammenhänge, sondern zugleich um eine Bewertung geht, mit dem Erfordernis einer für die Beraterseite klar konturierten Pflichtenlage nicht zu vereinbaren.

In diesem Problemkreis steht der Ansicht des Landgerichts auch nicht die im Ersturteil angeführte Rechtsprechung zur Seite. Die Entscheidung BGH WM 05,838 („Göttinger Gruppe") betrifft einen grundlegend anders gelagerten Sachverhalt, in dem ein Anlagemodell infolge einer sich abzeichnenden Novellierung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften nicht mehr tragfähig war. Die übrige referierte Rechtssprechung betrifft nicht Verstöße im Bereich der Rechtsberatung, sondern von der geltenden Rechtslage nicht gedeckte Anlageempfehlungen und die damit verknüpfte Frage einer Vermeidbarkeit des „Rechtsirrtums" der Beraterseite bzw. der Prospektverantwortlichen. Auch um eine solche Konstellation geht es im Streitfall nicht.

Daran knüpft sich sogleich eine weitere Erwägung: Wenn der Anlageberater aus „vertretbaren Gründen" über die Richtigkeit seiner Empfehlung irren darf, so kann ihm auch kein Vorwurf gemacht werden, wenn er aus ebenfalls „vertretbaren Gründen" einen an sich sachgerechten und zweckmäßigen (Warn-)Hinweis unterlässt. Im Streitfall konnte die Beklagte „erhebliche" Zweifel an der Vereinbarkeit der Swap-Geschäfte mit dem Derivate-Erlass haben, sie „musste" es aber nicht.

b) Sofern aber, wofür bei sachgerechter Auslegung des Verbotstatbestandes in Ziff. 5.1 des Derivate-Erlasses vom 08.11.1995 jedenfalls vertretbare Gründe sprechen (vgl. oben A. I.1c), das Spekulationsverbot nicht einschlägig ist, war auch keine dahingehende Hinweispflicht aktualisiert. In diesem Fall fehlt es dann zugleich an dem erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen einem unterlassenen (Warn-)Hinweis und dem geltend gemachten Schaden.

c) Weiterhin hat das Landgericht verkannt, dass ein Beratungsversäumnis von vorneherein ausscheidet, wenn die Kundenseite über die wesentlichen Tatsachenzusammenhänge bereits ausreichend unterrichtet ist und daher nach Lage der Dinge kein Beratungsbedarf besteht. So aber verhält es sich auch hier: Wie die Kammer zutreffend feststellt, waren sich die klägerischen Verhandlungsführer des „hochspekulativen" Charakters der gegenständlichen Geschäfte vollauf bewusst. Infolgedessen hätte im vorliegenden Zusammenhang nicht außer Betracht bleiben dürfen, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme den klägerischen Verhandlungsführern insbesondere auch der Inhalt des Derivaterlasses bekannt war, wie sich aus den folgenden Angaben des Zeugen Ma. ergibt (Sitzungsniederschrift vom 27.02.2008 = SN II, dort jeweils S.7 = III/572 d.A.):

„Schon bei Abschluss des ... Swap-Geschäftes mit der A-Bank im Jahr 2003 war uns der Inhalt des Derivate-Erlasses bekannt. Wir hatten uns im Jahr 2003 aber über diesen Erlass keine Gedanken gemacht. Entscheidend war für uns alleine die handelsrechtliche Bewertungseinheit. Im Hinblick auf das Tagesgeldbedarfsportfolio (?!) hatte der Ansatz aus unserer Sicht trotz der negativen Haltung der Wirtschaftsprüfer einen ausreichenden Bezug zu einem Grundgeschäft. Dieser ließ sich lediglich handelsrechtlich nicht darstellen."


Auf Nachfrage:


„ Der Derivateerlass war uns bekannt. Wir hatten uns damals keine Gedanken darüber gemacht, ob er zu beachten sei oder nicht."

Hiernach hatte das mit den Vertragsverhandlungen beauftragte „Finanzmanagement" des WVV-Konzerns nicht nur eine allgemein gehaltene Kenntnis vom Bestehen eines Spekulationsverbots, sondern war es auch über den Inhalt des einschlägigen Erlasses unterrichtet. Damit aber waren auf Klägerseite beide Wissenskomponenten vorhanden, deren Verknüpfung notwendig, aber auch ausreichend war, um aufgrund der fachlichen Qualifikation und des Erfahrungshintergrundes ihrer Mitarbeiter die Relevanz und Tragweite des Derivate-Erlasses für die anstehende Entscheidung hinreichend zuverlässig erkennen und einschätzen zu können.

d) Auf der Grundlage des im gleichen thematischen Zusammenhang erklärten Eingeständnisses des Zeugen Ma., wonach sich das WVV-Finanzmanagement schon im Jahre 2003 nicht nur über den Erlass „keine Gedanken" gemacht, sondern auch über das Erfordernis einer handelsrechtlichen Bewertungseinheit sowie über die diesbezügliche „negative Haltung der Wirtschaftsprüfer" hinweggesetzt hatte, ist schließlich auch kein Raum für die Vermutung eines „aufklärungs- bzw. beratungsrichtigen" Verhaltens der Klägerinnen. Dies auch im Hinblick darauf, dass die Klägerseite von Anfang an den Standpunkt eingenommen hat, ein Swap-Geschäft sei in jedem Fall dann nicht erlasskonform, wenn es an der für die Bildung einer handelsrechtlichen Bewertungseinheit notwendigen „Konnexität" fehle (S.31ff. der Replik = II/304ff. d.A.).

e) Bei dieser Sachlage kommt es schon nicht mehr darauf an, dass die Beklagte - wie inzwischen unstreitig ist - wegen der „Problematik der handelsrechtlichen Bewertungseinheit" und der damit zusammenhängenden Gefahr bilanzieller Verlustrückstellungen ihre Ansprechpartner auf Klägerseite gezielt und wiederholt auf die Notwendigkeit einer Abstimmung mit den Wirtschaftsprüfern hatte hinweisen lassen (Sitzungsniederschrift vom 12.02.2008 = SN I, dort S.6 u. 13 = III/532, 539 d.A., sowie SN II, dort S.4,5 u. 7 = III/569,570 u.572 d.A.). Diese Empfehlung aber machte nach dem eigenen Vorbringen der Klägerseite auch und gerade in Bezug auf etwaige sich aus dem Derivate-Erlass ergebenden Restriktionen für die Geschäftspolitik des WVV-Konzerns Sinn.

2. Anlageziele

a)  Ein CSL-Swap eignet sich strukturell nicht zur Absicherung bestimmter Kreditverbindlichkeiten, weil die den Zahlungssaldo bestimmende Differenz zwischen zwei Swap-Sätzen von vornherein keine Anknüpfungsmöglichkeit für eine gegenläufige Risikoposition zu den Zinsschwankungsrisiken aus einem bestehenden Kreditverhältnis bietet. Daraus allein ergibt sich jedoch noch kein Beratungsdefizit. Wie nämlich schon in der Klageantwort vorgetragen wurde (KA, dort S.79f. = I/184f. d.A.), hatte es der WVV-Mitarbeiter Sch. bereits im Rahmen des ersten Beratungsgespräches am 06.05.2003 als ausdrückliches Ziel des Konzerns formuliert,

„Zinssicherungsinstrumente nicht mehr nur zur Sicherung, sondern in Zukunft auch zur Zinsverbilligung und Zinsoptimierung einzusetzen."


Auch dieser Darstellung des von ihr als „unstreitig" bezeichnenden Inhalts der Beratungsgespräche (S.3 des Schriftsatzes vom 15.02.2008 = III/559 d.A.) ist die Klägerseite nicht entgegengetreten.

Infolge der unmissverständlichen Erklärung des Leiters des „Finanzmanagements" vom 6.5.03 bestand also schon vor den Geschäftsabschlüssen im Oktober 2003 von Konzernseite die klare und gewissermaßen auch programmatische Vorgabe, zukünftige Swap-Verträge auch auf solche Produkte zu erweitern, die nicht auf eine Risikosteuerung (im engeren Sinne), sondern ohne einen „konnexen" Bezug zu einem bestimmten Grundgeschäft auf eine Verringerung des Zinsaufwandes für laufende Kreditschulden durch dauerhafte Zahlungsüberschüsse ausgelegt waren.

b) Entgegen der Ansicht der klägerischen Berufung ist die darin zum Ausdruck gekommene Erweiterung der klägerischen Anlageziele keineswegs von vornherein unvereinbar mit der in der „Produktbeschreibung" des RMS-Vertrages umschriebenen Vorgaben für eine „Zinsoptimierung" - mit der Folge, dass die Beklagte, wenn sie schon nicht der WVV von dieser neuen Geschäftsstrategie abriet, jedenfalls die hier umstrittenen CSL-Swaps erst gar nicht hätte anbieten dürfen.

aa) Die vordergründig einsichtige Argumentation der Klägerseite überzeugt schon nach dem Sinn und Zweck einer Beratung nicht. Diese soll keineswegs dem Kunden die abschließende Entscheidung abnehmen, sondern „lediglich" ein etwaiges Wissens- und/oder Erfahrungsgefälle zwischen der Beraterseite und dem Kunden ausgleichen (vgl. Richrath WM 2004, 653). Der Kunde soll also vor unüberlegten Entscheidungen geschützt werden, die ohne hinreichende Kenntnis von den Chancen und Risiken des Geschäfts und deren Bewertung getroffen werden (Weber ZIP 2008, 2199, 2200). Hierbei ist dem gesetzlichen Leitbild einer anleger- und objektgerechten Beratung bereits vollauf genügt, wenn - neben der gebotenen Verdeutlichung von Chancen und Risiken - ggfs. die verschiedenen in Betracht kommenden Alternativen aufgezeigt werden, ohne dass insoweit eine bestimmte Empfehlung aufgezeigt wird (Hannöver a.a.O., Rdn. 33; Mülbert, WM 07, 1149, 1154, 1157f.).

Demzufolge hat es auch bei einer Konstellation wie hier, in der der Bank zusätzliche Berateraufgaben aus einem gesonderten Beratungsvertrag obliegen (vgl. § 2 IIIa Nr. 3 WpHG), allein darauf anzukommen, ob sie zum ersten diese zusätzlichen Beraterleistungen ordnungsgemäß und vollständig erbracht hat, und zweitens, ob die anderweitig geschuldeten Beratungsergebnisse in dem für den „Verständnishorizont" des Kunden erforderlichen Umfang auch in die geschäftsspezifische Beratung selbst eingeflossen sind. Sofern nämlich die hierfür notwendige Verknüpfung mit den Ergebnissen aus dem übergreifenden Beratungsverhältnis hergestellt ist, wird ein Kunde, zumal mit der Erfahrung und der fachlichen Qualifikation der hier für die Klägerseite agierenden WVV-Mitarbeiter, ohne weiteres in die Lage versetzt, die für seine abschließende Entscheidung beurteilungserheblichen Bewertungszusammenhänge selbst herzustellen. So aber liegen die Dinge hier.

bb) Dass die Bankseite die von ihr (im übrigen) geschuldete Beratung aus dem RMS-Vertrag nur zum Teil oder in sonstiger Weise unzureichend erfüllt hat, wird von der Klägerseite selbst nicht behauptet. Sie zeigt aber auch nicht auf, dass es an der erforderlichen Einbeziehung der Beraterleistungen für den RMS-Vertrag in die den konkreten Geschäftsabschlüssen zugrundeliegenden Beratungsgespräche gefehlt hat.

(1) So erschließt sich aus der auch insoweit unwidersprochen gebliebenen Darstellung in der Klageerwiderung (dort S.82ff. = II/187ff. d.A.), dass bereits im Rahmen des Beratungsgesprächs am 24.9.2003 (auch) mit der Geschäftsleitung der WVV der erste Auswertungsbericht „Zinsmanagement" vom 11.8.03 (Anlage B 1) erörtert sowie ein Konzept zur „Optimierung des Finanzmanagements" mit insgesamt zwölf „Handlungsempfehlungen" (Anlage B 47) vorgestellt wurde. Die Übersichtsanalyse des Berichts zu den „Stärken und Schwächen der WVV"  enthält auch den folgenden Warnhinweis (Anlage B 1, dort S.11):

„es bestehen Swaps ohne Grundgeschäft, was grundsätzlich Spekulationscharakter hat"

Im Anschluss daran wurden die beiden Swap-Geschäfte vom Oktober 2003 getätigt, die bereits auf der Linie des von Sch. formulierten modifizierten Anlageziels liegen. Nur drei Monate später wurden die Verhandlungen über die gegenständlichen Ausgangsverträge vom 16.2.04 aufgenommen. Im Rahmen dieser - bereits Mitte Januar 2004 angebahnten (Anlage B 18) - Verhandlungen präsentierte die Beklagte am 4.2.2004 ihren in gleicher Weise wie der Bericht vom 11.8.03 aufgebauten „Risk Report" zum 31.12.2003 (KA, dort S.32 u.84f. = I/138 u. 149 d.A. mit Anlage B 2), der weitere konkrete „Handlungsempfehlungen" zum „Zinsmanagement" unterbreitet; außerdem enthält der Bericht mit der Vorstellung verschiedener Swap-Modelle verknüpfte Hinweise auf „Einsparpotentiale" (vgl. dazu S.26 d. Klage) und schreibt die Auswertungen zu den Rückzahlungswerten (= Marktwerten) der Kredite und der Derivate fort (dazu näher unter III. 4b ). In diesem Besprechungstermin gingen also die Beraterleistungen aus dem RMS-Vertrag - auch von der Zusammensetzung der Teilnehmer her - Hand in Hand mit den abschließenden Verhandlungen über die Ladder-Swap-Verträge.

Hiernach hat die Vorgehensweise der Beklagten von Beginn an insbesondere auch dem Erfordernis genügt, die Analysen und Empfehlungen aus dem RMS-Vertrag in die den konkreten Geschäftsabschlüssen zugrundeliegenden Beratungen einzubeziehen.

(2) Die Beraterleistungen aus dem RMS-Vertrag waren auch von der inhaltlichen Qualität her geeignet, zielführende Handlungsalternativen aufzuzeigen. Darüber hinaus hatten einzelne Auswertungsergebnisse ausgesprochenen Warncharakter - wie zum Beispiel der erwähnte Hinweis auf „Swaps ohne Grundgeschäft" im ersten Auswertungsbericht (Anlage B 1, dort S.11) oder die in den Berichten von Anfang an eingearbeiteten Aufstellungen zu den (überwiegend) negativen Marktwerten der einzelnen Swaps.

Wie die Berufung außerdem verkennt, war die Beklagte nicht gehalten, im Rahmen ihrer RMS-Beratung noch einmal diejenigen Hinweise und Empfehlungen zu wiederholen, die an die WVV bereits bei den Verhandlungen über konkrete Swap-Geschäfte herangetragen worden waren. Hierzu zählen auch die von der Zeugin Sp. berichteten Empfehlungen ihres Hauses im Vorfeld der Geschäftsabschlüsse für Oktober 1999. So hat die Zeugin auch berichtet, dass bereits bei diesen ersten Verhandlungen die Frage der „rechtlichen Zulässigkeit" der Geschäfte (Anmerkung: gemeint war offensichtlich das Problem der Bildung einer handelsrechtlichen Bewertungseinheit) ebenso angesprochen worden war wie die Notwendigkeit einer diesbezüglichen „Zustimmung der entsprechenden Kontrollgremien" (vgl. SN I, dort S.11, 13 = III/ 537 u. 539 d.A.). Da die Beklagte an diesen Aufklärungs- und Beratungsstand auch in der Folgezeit anknüpfen durfte (vgl. hierzu etwa BGH NJW-RR 1997, 176; OLG Frankfurt WM 1990, 1452), hatte sie auch aufgrund der von ihr gesondert geschuldeten Beratungsobliegenheiten keine Veranlassung, die bereits erörterte Problematik nochmals zur Sprache zu bringen; dies auch im Hinblick darauf, dass der klägerische Mitarbeiter Sch. nach den Angaben der Zeugin im Jahr 2003 in einem von der Beklagten veranstalteten Seminar an einer Fortbildung über die Handhabung der „Bilanzierungsvorschriften für Swap-Geschäfte" teilgenommen hatte (a.a.O., S.11 = Bl.537 d.A.).

(3) Überdies baut die klägerische Argumentation auf einem verengten Verständnis von der - schon sprachlich missglückten - Vorgabe einer „Zinsoptimierung" auf. Diesem Vorhaben unterfällt grundsätzlich jedes Konzept, das auf eine ernsthafte und nachhaltige Verringerung bestehender Zinslasten durch Erträge aus gezielt zu diesem Zweck eingesetzten Finanzinstrumenten angelegt ist. Eine derartige Zielsetzung lässt sich - insbesondere im Hinblick auf die ohne jeglichen Einsatz von Eigenkapital „planungssicher" erzielbaren Überschüsse im ersten Geschäftsjahr - grundsätzlich auch mit CSL-Swaps verfolgen (so etwa mit Zurückhaltung Stark/Loose, Beilage 4 zur Anlage K 37 = FB vom 08.10.2007, 610, 614 u. 618). Dieses Kalkül machte - für sich genommen - auch und gerade Sinn vor dem Hintergrund eines konzernweit hohen Schuldenstandes und umfangreicher Investitionsvorhaben der Klägerseite mit einem Volumen von rund 50 Millionen Euro (vgl. SN I, dort S.2 = III/528 d.A.).

(4) Demgegenüber werden von Klägerseite in das Konzept einer „Zinsoptimierung" zugleich die Vorgaben und Voraussetzungen für die sog. Absicherungsfunktion eines Derivatgeschäfts, für die Bildung einer handelsrechtlichen Bewertungseinheit sowie - insoweit konsequent - einer Vereinbarkeit mit dem Derivate-Erlass hineingelesen. Erst aufgrund dieser schon begrifflich aufgeblähten Anforderungen an das Vorliegen eines Optimierungskonzepts gelangt die Klägerseite überhaupt zum Vorwurf einer „Schlechterfüllung" der spezifischen Beraterpflichten aus dem RMS-Vertrag. Diesen von Elementen eines Kreisschlusses nicht freien Standpunkt hat das abschließende Vorbringen im Schriftsatz vom 19.02.2009 nochmals verdeutlicht (dort S.29 = VII/1388 d.A.).


3. „Risikoprofil"

a) Bereits mit der erwähnten Vorgabe des Mitarbeiters Sch., in Zukunft Swap-Geschäfte auch ohne sicherungsbezogene Anbindung an ein bestimmtes Kreditverhältnis für die Absenkung der bestehenden Zinsverbindlichkeiten zu instrumentieren (vgl. oben 2a), wurde für die WVV eine außergewöhnliche Risikobereitschaft signalisiert. Denn bei einer solchen Zielsetzung ist der Abschluss eines Swaps selbst dann, wenn hierbei nach den von der Beklagten aufgezeigten Kriterien noch ein gewisser Bezug zum Kreditportfolio des Kunden erkennbar ist, von vornherein ein reines Spekulationsgeschäft. Wie im Schrifttum zutreffend betont wird, dürfte sich ein solcher Zusammenhang „jedem Kunden von selbst erschließen" (Weber a.a.O., S. 2202). Soweit der klägerische Mitarbeiter im gleichen Zusammenhang wiederholt erklärt hat, „dabei auch gewisse Risiken eingehen zu wollen", ist dieser Hinweis, wie sich aus der auch insoweit unbestritten gebliebenen Darstellung in der Klageerwiderung ergibt (dort S.80 = II/185 d.A.), im Kontext mit der anschließenden Klarstellung zu würdigen, man wolle „Währungsrisiken ... nicht hinnehmen, da man sich hier schon einmal verspekuliert (!) habe." (a.a.O.). Hiernach wurde die in der Formulierung einer neuen „Optimierungsstrategie" zum Ausdruck gekommene Bereitschaft, auch massive Spekulationsrisiken in Kauf zu nehmen, durch die nachfolgenden Erklärungen keineswegs abgeschwächt; vielmehr sollte von dieser risikobetonten (neuen) Geschäftspolitik nur ein bestimmter Produkttyp wegen des damit verbundenen spezifischen (Währungs-)Risikos ausgenommen sein. In diesem Sinne hat übrigens auch die ehemalige (!)  Mitarbeiterin der Beklagten und Zeugin Sp. von gleichlautenden Erklärungen des klägerischen Verhandlungsführers bei früheren Verhandlungen berichtet (SN I, dort S.11,13 = III/537 u. 539 d.A.).

b) Soweit der Zeuge Sch. vor dem Landgericht angegeben hat, er würde das von ihm gegenüber der Beklagten vermittelte Risikoprofil der Risikoklasse 2, „höchstens (aber der Klasse) 3" zuordnen (SN I, dort S.7 = III/533 d.A.), handelt es sich offenbar um eine taktisch motivierte, weil sachlich nicht nachvollziehbare Einschätzung: Denn jedes Swap-Geschäft hat spekulativen Charakter, weil bei derartigen Finanzprodukten eine wirklich sichere Prognose auch bei sorgfältiger Verwertung aller Informationen nicht möglich ist. Das lässt sich auch anhand der Klassifikation im klägerischen Privatgutachten vom 07.09.2007 (künftig: PGA I) aufzeigen. Danach ist selbst für sog. Standardswaps in der Risikoklasse 3 (betreffend Anlagen  „wie z.B. Euroanleihen guter Qualität und Euro-Standardaktien ...") kein Raum (vgl. PGA I = Anlage K 27, dort S.18). Dies gilt erst recht für die ein noch weitaus höheres Verlustrisiko in sich bergenden Swap-Geschäfte des WVV-Konzerns mit anderen Banken bzw. den beiden Verträgen über einen sog. Quanto-Swap von Oktober 2003.

Es trifft nämlich in der Tat zu, dass die vom Konzern zuvor abgeschlossenen Zinswaps zum Teil ebenfalls schon ein sehr hohes Risiko in sich bargen. Sowohl die Verträge über einen CMS-Swap mit der AB und insbesondere die Ausgangsverträge über einen Ladder-Swap hatten bereits sehr ähnlich strukturierte Geschäfte zum Gegenstand wie die schadensauslösenden Umstellungen auf CSL-Swaps. Auch nach den Verträgen vom 16.2.04 war der Geschäftserfolg aus Sicht der Klägerseite letztlich von dem nicht vorhersehbaren Verlauf eines Referenzzinssatzes abhängig, auch dort betrugen die Nominalbeträge zusammengenommen 14 Millionen Euro und auch dort war die Zahlungsstruktur auf einen „Ladder-Effekt" ausgelegt. Nach alledem war also schon im Rahmen der einzelner Vorgeschäfte eine Strategie verfolgt worden, die nicht nur nach dem früheren Einordnungsschema der obersten Anlageklasse „risikobewusst" (vgl. OLG Hamm a.a.O.), sondern auch entsprechend der modernen Einteilung der höchsten - jetzt fünften - Risikoklasse zuzuordnen ist.

c) Ohne Erfolg verweist die Berufung auf das als Anlage B 7 vorgelegte Kundenblatt der Beklagten für die GmbH und die dortigen Eintragungen in der Rubrik „Ziele/Geschäftsumfang". Von den drei vorgegebenen Alternativen ist nur die zweite („aktives Risikomanagement") und nicht die risikofreundlichste Variante („nicht grundgeschäftsbezogen") angekreuzt. Daraus erschließt sich indessen schon deshalb kein aussagekräftiges Indiz, weil die dortige „Checkliste" offensichtlich (bewußt) nur lückenhaft abgearbeitet wurde.

So wurden auf der vorausgehenden Seite weder die Fragen nach dem „Anlageziel" noch nach der „maximalen Risikoklasse" beantwortet. Insbesondere aber ergibt sich aus den Eintragungen in den vorausgehenden Textfeldern („Aufklärung ... usw. siehe WVV-Akte, Kenntnisse in WVV vorhanden ..., Diskussion Beratungen"), dass die wesentlichen Einzelheiten des Anlegerprofils in der die Konzernmutter selbst betreffenden Kundenakte dokumentiert sind. Die Verweisung auf die dortige Dokumentation wird den tatsächlichen Gegebenheiten der Beratungsabläufe und Verhandlungen auch in vorliegender Sache gerecht, weil die Geschäftsleitungen der klagenden Unternehmen jedenfalls bei den Swapgeschäften selbst nicht in Erscheinung getreten sind.

d) Dass die zahlreichen Swapgeschäfte der WVV bis zuletzt von einer entsprechenden Risikobereitschaft auf Klägerseite getragen waren, wird darüber hinaus durch weitere - zum Teil ebenfalls in den Aussagen ihrer Mitarbeiter zu Tage getretenen - Umstände bestätigt. So hat der Zeuge Sch. auch eingeräumt, dass ihm „seinerzeit die Vollmacht erteilt war, strukturierte Zinsderivate einschließlich exotischer Zinsderivate abzuschließen." (SN I, dort S.9 = III/535 d.A. - Hervorhebung durch den Senat). In Einklang damit stehen die Hinweise des Zeugen Ma. auf eine interne Besprechung zwischen dem Aufsichtsrat und der Geschäftsleitung der WVV im Oktober 2004, in deren Rahmen der RMS-Vertrag „vorgestellt" sowie Einigkeit darüber erzielt worden sei, „das Finanzergebnis mit innovativen Finanzprodukten (zu) optimieren." (SN II, dort S.7 = III/572 d.A.). Sodann spricht für sich der vom Bereichleiter ebenfalls eingeräumte Umstand einer offenkundig fehlenden Sensibilisierung dieses vorgesetzten Entscheidungsträgers für maßgebliche Risikohinweise (SN II a.a.O. oben: nur oberflächliche Befassung mit den die (Risiko-)Dynamik der Zinsstruktur illustrierenden Szenarien der einschlägigen Präsentationen).

.

Abgerundet wird dieses Bild einer ungewöhnlich risikofreudigen Vorgehensweise der WVV durch die Tatsache, dass ihre beiden maßgebenden Entscheidungsträger, die in der Frage einer bilanziellen Bewertungseinheit schon beim Abschluss des CMS-Swaps mit der A-Bank (künftig nur: AB) im Juli 2003 die Wirtschaftsprüfer übergangen hatten (vgl. SN II, dort S. 5 u.7 = III/ 570, 572), sich im Rahmen der Umstellung auf die gegenständlichen CSL-Swaps erneut, was nach der eigenen Darstellung der Klägerseite die scharfe Reaktion der Prüfergesellschaft mit Schreiben 17.12.05 (Anlage K 17) hervorrief, sowie entgegen einer ausdrücklichen Empfehlung der Beklagten über das Erfordernis einer vorherigen Abstimmung mit der Wirtschaftsprüfer hinwegsetzten (vgl. SN I, dort S.6  u.13 = III/532 u. 539 u. SN II, dort S.4,5 = III/569f. u.572). Dieses Verhalten ist zudem vor dem Hintergrund zu würdigen, das sich die Finanzabteilung der WVV schon einmal bei einem Währungs-Swap „verspekuliert" hatte (SN I, S.11 Mitte = III/ 537 d.A.).

Ohne Erfolg ist die Klägerseite im abschließenden Senatstermin zuletzt auf den Vorwurf ausgewichen, ihre - in der Replik (S.59 = II/332) noch „als bestens qualifiziert" eingestuften - Mitarbeiter hätten allein aufgrund der „Lockvogelangebote" der Beklagten so unprofessionell agiert. Denn selbst nach dieser Sichtweise führt an der dargelegten Einordnung kein Weg vorbei. So hat einer der Klägervertreter vor dem Senat seine Kritik an der damaligen Geschäftspolitik der WVV - in sinngemäßer Wiedergabe - zuletzt sogar auf den (überzogenen) Vorwurf zugespitzt:

„Die Mitarbeiter der WVV haben sich auf die angebotenen Produkte der Beklagten regelrecht gestürzt mit einer großen Begeisterung, weil immer etwas Neues von der Beklagten kam."

III. Anlagespezifische Beratung

1. „Worst Case"

a) Zu Recht und auch mit zutreffender Begründung ist das Landgericht der klägerischen Ansicht entgegengetreten, die diesbezüglichen Risikohinweise hätten den Eindruck eines real begrenzten und beherrschbaren Risikos erweckt. Dieser Interpretation vermag auch der Senat nicht ernsthaft näherzutreten. Abgesehen davon, dass der entscheidende Hinweis auf ein „unbegrenztes Risiko" bereits in der ersten maßgebenden Präsentation vom 11.11.2004 durch Fettdruck hervorgehoben war (Anlage B 32.1, S.4), ergibt sich aus dem davorgeschalteten Wort „theoretisch" insgesamt keine missverständliche oder gar irreführende Aussage. Denn die Formulierung suggeriert keineswegs ein nur „theoretisches" Risiko, sondern soll vielmehr klarstellen, dass das Bestehen eines „unbegrenzten Risikos" eher theoretisch als praktisch anzusehen ist. Tatsächlich besteht ein „unbegrenztes Risiko" nämlich nicht, da sich der Spread in der Praxis innerhalb eines bestimmten Spielraums bewegen wird und somit auch das Verlustrisiko real begrenzt bleibt (so zu Recht LG Wuppertal WM 2008, 1637, Rdnr.114).

In eben diesem Sinne haben auch die Ansprechpartner auf Klägerseite die Sachlage eingeschätzt, wie sich aus den nachstehenden Angaben des Zeuge Sch. ergibt (SN I, S.4 = III/ 530):

„Es war uns schon klar, dass das Risiko theoretisch unbegrenzt ist. Wir wussten auch, dass wir ein unbegrenzt negatives Risiko haben, wenn der Spread sich negativ entwickelt."

b) Eine andere Sichtweise hätte dem Zeugen schon aufgrund seiner Qualifikation als Finanzfachmann sowie seiner langjährigen und einschlägigen Geschäftserfahrung nicht abgenommen werden können, zumal er sich im Hause der Beklagten wiederholt hatte fortbilden lassen.

Der auf eine lückenhafte Beweiswürdigung der Kammer abzielende Hinweis auf die Angaben des Zeugen, die dieser auf Nachfrage der Klägerbevollmächtigten zu dem erwähnten Textsegment in den schriftlichen Risikohinweisen gemacht hat (S.43 des Schriftsatzes vom 22.12.2008 = Bl.1273 d.A.), gehört zu den nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nachgeschobenen Beanstandungen (vgl. dazu BGH NJW-RR 07, 414, Rd.13). Davon abgesehen ist die Beanstandung auch in der Sache haltlos. Der Zeuge ist nämlich auch von seinem zunächst erläuterten Verständnis nicht abgerückt, sondern hat seine ergänzenden Angaben auf ein Beratungsgespräch bezogen, in dem über die voraussichtliche Entwicklung der Referenzzinssätze diskutiert wurde (SN I, S.7 = Bl.533 d.A.). Die insoweit vom Zeugen wiedergegebenen Einschätzungen der Beraterseite waren also nicht auf den Sinngehalt der schriftlichen Belehrung bezogen, sondern betrafen die Einschätzung der konkreten Marktlage.

c) Davon abgesehen waren auch der Umfang und die Dichte der übrigen Risikohinweise vollauf geeignet, selbst bei einem weniger geschäftserfahrenen bzw. fachlich qualifizierten Verhandlungsgegner ein zutreffendes Bild von dem hochspekulativen Charakter des angebotenen Produkts und der sich daraus ergebenden - nicht eingrenzbaren - Risiken zu vermitteln. Soweit die Klägerseite den „Szenarioanalysen" in den einzelnen Präsentationen jeglichen Realitätsbezug absprechen will, ist dem bereits das Landgericht überzeugend entgegengetreten. Sie muss sich zu dem vorhalten lassen, dass gleichartige Szenarien, wenn auch unter verändertem Vorzeichen (dies zu S.18 des Schriftsatzes vom 19.2.09 = VII/1394), in ihrem eigenen Sachvortrag auftauchen (vgl. nur Replik, dort Bl.51ff. = II/321ff. d.A.) und auch in den von ihr vorgelegten Privatgutachten durchgespielt werden. 

d) Keineswegs war es für eine ordnungsgemäße Risikoaufklärung erforderlich, dass die Klägerseite in die Lage versetzt wurde, die Entwicklung des Spread selbst „modellieren und simulieren" zu können, wie die Berufung im Anschluss an das Gutachten der CSA (dort S.5 der Übersetzung = III/478) meint. Diese Auffassung der englischen Fachleute entspricht weder dem damaligen noch dem aktuellen Pflichtenniveau der Beraterseite (Mülbert a.a.O., S.1155). Auch bei einem „innovativen" Finanzinstrument müssen dem Kunden nicht mehr und nicht weniger als die Technik und Wirkungsweise des Produkts sowie die damit zusammenhängenden spezifischen Risikofaktoren veranschaulicht werden, aber nicht auch noch die Einzelheiten der Wirkungszusammenhänge der Risikofaktoren selbst. Die für eine diesbezügliche Risikobewertung erforderliche Grundkenntnis, dass die für die Entwicklung des Spread maßgebenden beiden Swapsätze unterschiedlichen Einflussfaktoren unterliegen und in der Regel auch durch unterschiedliche Maßnahmen beeinflusst werden (vgl. PGA I, dort S.10), durfte bei einem Finanzfachmann wie dem Zeugen Sch. selbstredend vorausgesetzt werden.

e) Vergebens beharrt die Berufung auf dem Standpunkt, es hätte in weitergehendem Umfang über den sog. Value at Risk (VaR) aufgeklärt werden müssen. Auch dieser an den Vorgaben des CSA-Gutachtens orientierte Standpunkt ist nicht zielführend. Wie der Gegengutachter der Bank überzeugend veranschaulicht hat, vermag die Angabe eines VaR das Risiko immer nur in geringerem Umfang darzustellen als es tatsächlich „theoretisch maximal" anzusehen ist (vgl. PGA III, dort S.11ff. und PGA IV, dort S.10f.). Die Forderung der Klägerseite wird denn auch von den maßgeblichen Repräsentanten des Anlegerschutzes nicht vertreten. Danach ist es ausreichend, wenn das Verschuldungsrisiko anhand geeigneter Beispielsrechnungen für alternative Zukunftsszenarien veranschaulicht wird (vgl. nur Roller u.a., a.a.O., S.356). Das ist hier geschehen. Dass die Entscheidungsträger auf Klägerseite im übrigen auch sowohl die Funktionsweise wie auch die sich aus der besonderen Zahlungsstruktur eines CSL-Swaps ergebenden Risiken vollauf erfasst hatten, ist in den diesbezüglichen Angaben des Zeugen Sch. unter sämtlichen relevanten Aspekten zutage getreten.

2. „Historische" Entwicklung der Zinsstruktur (hier: Berufung der Beklagten)

Auch in diesem Streitkomplex erweisen sich die Berufungsangriffe der Bank als begründet.

a) Das Landgericht hat bereits überzogene Anforderungen an die insoweit aktualisierte Aufklärungspflicht gestellt.

aa) Historische Marktdaten lassen gerade auch im Bereich der Zinsen grundsätzlich keine verlässliche Prognose über das zukünftige Marktgeschehen zu, weil die Entwicklung der Kapitalmärkte in jeder volkswirtschaftlichen Epoche von ihren eigenen Gesetzmässigkeiten geprägt wird. Zurückliegenden Szenarien kommt daher von vornherein eine nur sehr eingeschränkte Aussagekraft zu.

Demnach durfte, wie die Berufung zutreffend beanstandet, vom Landgericht nicht übergangen werden, dass das von ihm für aufklärungserheblich erachtete Auftreten von insgesamt vier inversen Zinsstrukturen (also ein höherer Zinssatz für Geldmarktzinsen als für langfristige Zinsen) in jeder dieser Phasen durch außergewöhnliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen hervorgerufen worden war, nämlich durch die für die ersten drei dieser Konstellationen ursächlichen Ölkrisen in den Jahren 1973, 1979 und 1982 bzw. durch die der Verschiebung im Zeitraum von 1989 bis 1993 zugrundeliegenden Umwälzungen im Zuge der deutschen Wiedervereinigung. Es kommt hinzu, dass der Spread selbst im Durchschnitt der zurückliegenden 30 Jahre bei knapp 1% (bzw. „gut 0,9%", vgl. BE S.7 = V/1033) lag. Eine Entwicklung in dieser Größenordnung während der Vertragslaufzeit hätte der Klägerseite ausschließlich Gewinne beschert (vgl.S.8f. der BBG = V/ 968f. d.A.).

Unter diesen Umständen bestehen bereits durchgreifende Zweifel, ob eine Ausdehnung des Referenzzeitraums in dem geforderten Umfang die ihr zugedachte „Warnfunktion" überhaupt hätte erfüllen können.

Diese Einschätzung deckt sich übrigens auch mit der abschließenden Bewertung der Ergebnisse einer „kapitalmarkt-historischen Simulation" in der von der Klägerseite vorgelegten Studie von Stark/Loose (Beilage 4 zur Anlage K 37 = FB vom 08.10.2007, 610, 613).

bb) Überdies hat die Kammer maßgebenden Verfahrensstoff übergangen. Sie stellt zwar fest, dass die Klägerseite - entgegen ihrem Vorbringen - sehr wohl über das bislang letzte Auftreten einer inversen Zinsperiode infolge der Wiedervereinigung unterrichtet worden war. Dann aber hätte nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, dass die Klägerseite in ihrer Replik hatte vortragen lassen (dort S.96 = II/369 d.A. - Fettdruck auch i.O.):

„Wäre ein Stresstest durchgeführt worden allein anhand der inversen Zinsstruktur Anfang der 90er Jahre, wäre für die Klägerinnen das nicht nur theoretische, sondern tatsächliche Risiko erkennbar geworden. Bei einer derartigen Erkennbarkeit hätten die Klägerinnen ...nicht abgeschlossen."

Damit ist - im Rückblick - nicht nur die Vermutung eines aufklärungskonformen Verhaltens widerlegt. Vielmehr hatte die Klägerseite dadurch den Umfang ihres eigenen Aufklärungsbedarfs präzisiert, nämlich klar und abschließend umschrieben, welche Relevanz sie im Fall einer entsprechend Unterrichtung dem genannten historischen Aspekt in der konkreten Situation ihrer damaligen Entschließungslage beigelegt hätte. Gemessen an dieser Darstellung, von der die Klägerseite auch später nicht abgerückt ist, hat die Beklagte somit nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ihre Aufklärungspflicht erfüllt.

Entgegen der klägerischen Berufungserwiderung (dort S.5 = VI/1031) war der vom Zeugen Ha. erteilte Hinweis auch nicht mit einem verharmlosenden Zusatz verbunden (vgl. SN I, S.17 = III/543 d.A.). Die so interpretierte Formulierung („wohl einmal") findet sich in der Darstellung des Zeugen (vom Hörensagen) Ma. (SN II S.5 = III/570 d.A.).

cc) Sodann weist die Berufung zutreffend darauf hin, dass in der - erst am 1.11.2007 in Kraft getretenen - Vorschrift des § 4 IV Nr. 1 WpDVerOV für Aussagen zur früheren Wertentwicklung eines Finanzinstruments ein Referenzzeitraum von nur fünf Jahren vorgesehen ist. Denn die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Reformgesetzgebers erscheint auch für die hier vorzunehmende Einordnung beachtlich (vgl. etwa Köhler WM 2009, 385, 386f., 390).

dd) Ferner werden die Anforderungen des Landgerichts auch nicht dem auf Klägerseite in der Person des Ansprechpartners Sch. gebündelten Umfang an fachlicher Kompetenz und langjähriger - einschlägiger - Erfahrung gerecht. Er verkörperte ein Anlegerprofil, bei dem es ausreicht, wenn der aufklärungserhebliche Aspekt als solcher aufgezeigt und nach Gewicht und Tragweite in einer dem Verständnishorizont des Kunden adäquaten Weise veranschaulicht wird. Von einem professionellen Anleger kann nämlich ohne weiteres erwartet werden, dass er dann „nachhakt" und/oder auf der ihm gewiesenen Piste sich selbständig weitere Informationsquellen erschließt.

b) Schließlich ist auch in diesem Komplex die Kausalitätsvermutung in mehrfacher Hinsicht erschüttert und damit zugleich widerlegt. Das erste gegenläufige Indiz erschließt sich bereits aus der ambivalenten Aussagekraft der mit den inversen Zinsphasen zusammenhängenden Marktdaten (vgl. oben a/aa). Sodann hat die Klägerseite mit ihrem - nunmehr widerlegten - Vorbringen zur angeblichen Bedeutung der bislang letzten Verschiebung „Anfang der 90er Jahre" die Relevanz der noch weiter zurückliegenden Abläufe selbst entkräftet. Darüber hinaus hätte es auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme offensichtlich nicht nur eine bestimmte Möglichkeit eines „aufklärungsrichtigen" Verhaltens gegeben (vgl. dazu BGHZ 124, 151,161): Denn der Zeuge Sch. hat auch in diesem Punkt die klägerische Darstellung nicht bestätigt. Er hat zunächst angegeben, anhand eines Histogramms wie der Anlage K 29 wäre die Wahrscheinlichkeit einer inversen Zinstruktur innerhalb der nächsten fünf Jahre „diskutiert" worden, und sodann ausgeführt (SN I, dort S.6,7 = III/ 532f. d.A. - Hervorhebung durch d.Senat):

„ Hätten wir dann die Wahrscheinlichkeit entsprechend bejaht, wäre dies sicherlich in unsere Überlegungen miteingeflossen."

Diesen (ausweichenden?) Angaben lässt sich allenfalls entnehmen, dass ein weitergehender Rückblick einen Entscheidungskonflikt ausgelöst, also zu der Konstellation mehrerer (gleich naheliegender) Entscheidungsmöglichkeiten geführt hätte (vgl. BGH WM 1998, 1527, 1529 m.w.N.). Zu diesen Alternativen zählt neben anderen die Aufnahme von Nachverhandlungen (etwa über einen sog. Cap) oder die Anforderung einer ergänzenden Beratung durch ein anderes Kreditinstitut.

3. Zukünftige Entwicklung des Kapitalmarkts

Wie das Landgericht zutreffend annimmt, ist die Klägerseite auch in Bezug auf die sog. Eintrittswahrscheinlichkeit einer aus ihrer Sicht ungünstigen Entwicklung des Spreads fehlerfrei beraten worden. Lediglich ergänzend (§ 540 I,1 Nr.2 ZPO) ist anzumerken:

Soweit im Schrifttum die Auffassung vertreten wird, eine umfassende Auswertung aller zugänglichen Quellen hätte im Jahr 2005 zu der Prognose führen müssen, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen kurz- bzw. mittelfristigen Rückgang des Spreads sprach (so etwa Roller/Elster/Knappe.,a.a.O., S. 356), wird für diese Annahme jeweils auf Informationsquellen verwiesen, die erst nach dem hier beurteilungserheblichen Zeitraum zur Verfügung standen wie etwa die repräsentative Reuters-Umfrage vom 21.3.2005 (vgl. Roller u.a., a.a.O., S.351). Denn im Streitfall waren die Verhandlungen über die Umstellung der Verträge auf die CSL-Swaps bereits mit der mündlichen Vereinbarung vom 4.1.2005 abgeschlossen; die schriftlichen Bestätigungen folgten am 31.1.05 nach (Anlagen K 15 u.16). Abgesehen davon hatte der Zeuge Sch. eine eigene Umfrage bei anderen Kreditinstituten veranstaltet (SN I, S.7 = III/533 d.A. mit Anlage II, dort S.33f. = III/553f. d.A.).

4. „Marktwertrisiko"

Entgegen der Ansicht der klägerischen Berufung ist der Beklagten auch unter diesem Blickwinkel kein Beratungsfehler unterlaufen.

a) Der von Klägerseite insoweit angemeldete Aufklärungsbedarf betrifft aus der objektivierten Kundensicht den sog. Rückzahlungswert, also denjenigen Betrag, der vom Kunden im Fall einer von ihm gewünschten vorzeitigen Beendigung des Swap-Vertrages als Ausgleich an die Bank zu zahlen ist (vgl. etwa S.89 der Replik = II/ 362). Das Bestehen einer diesbezüglichen Verpflichtung war der Klägerseite unstreitig von Anfang an bekannt. Nach den unbeanstandeten Feststellungen des Landgerichts war sich jedenfalls der Zeuge Sch. auch darüber im Klaren, dass ein etwaiger Ausgleichsbetrag auch die von der Bank eingepreiste Gewinnmarge umfasste.

b) In welchem Umfang der Anbieter eines Swap-Produktes - grundsätzlich oder jedenfalls beim Vorliegen eines Interessenkonflikts wie hier (vgl. dazu 5.) -  den Kunden hinsichtlich des Marktwertrisikos aufzuklären hat, bedarf keiner abschließenden Erörterung. Denn auch in diesem Punkt erschließt sich aus dem Beweis- und übrigen Verfahrensstoff, dass die geschäftserfahrenen und betriebswirtschaftlich geschulten Vertreter der Klägerseite schon vor dem Abschluss der Ausgangsverträge ausreichend aufgeklärt waren.

aa) Zunächst erstaunt das klägerische Vorbringen, eine Unterrichtung über das bestehende „Marktwertrisiko" sei erst im Rahmen der Restrukturierungsverhandlungen Anfang Januar 2006 erfolgt (Replik S. 89 = II/ 362). Dieses Vorbringen verschweigt, dass bereits die im Beratungsgespräch vom 24.9.03 präsentierte Auswertung (Anlage B 1) eine Übersicht zum „Rückzahlungswert der Kredite und der Derivate" enthält. Im abschließenden Glossar des Berichts findet sich (noch ausführlicherer als in der Sch. schon Mitte November 1999 ausgehändigten Broschüre „Basisinformation über Finanzderivate" zum Thema „Vorzeitige Vertragsauflösung" - vgl. Anlage B 9) zugleich eine genaue Erläuterung der Stichworte „Marktwert" und „Rückzahlungswert". Eine umfassende Aufstellung der Rückzahlungswerte beinhaltet sodann der am 4.2.2004 übergebene Risk-Report (vgl. oben II. 2b/bb). Darin wird der Rückzahlungswert - und zwar nach „Marktzinssätzen ohne Marge" - sämtlicher Derivate mit rund (minus) 1,14 Millionen Euro beziffert. Dieser Betrag findet sich in den Einzelauswertungen für jeden laufenden Swap-Vertrag genau aufgeschlüsselt. Hieraus ergibt sich, dass der im Juli 2003 mit der HVP abgeschlossene CMS-Swap bereits auf einen negativen Marktwert in Höhe von (minus) 154.000 Euro abgerutscht war (vgl. auch Klageantwort, dort S.38 = II/144) und auch die erst im Oktober 2003 eingegangenen Quanto-Swap-Verträge mit der Beklagten zu einem negativen Marktwert tendierten.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B 2 (dort S.4, 39 - 44 u. 87) verwiesen.

bb) Darüber hinaus hat die Beklagtenseite ebenfalls schon mit der Klageantwort jeweils an Sch. adressierte Aufstellungen vorgelegt, aus denen sich der jeweilige Marktwert der einzelnen Swaps zum angegebenen Stichtag entnehmen lässt (Anlagen B 16, 17, 24 und 25 mit KA, dort S.30, 37  = I/ 136, 143 d.A.). So geht beispielweise aus zwei Mitteilungen vom 9.7.04 (die jeweils auf ein vorausgegangenes Gespräch Bezug nehmen) hervor, dass sich am Stichtag 30.6.2004 die Marktwerte der Ladder-Swaps aus den Ausgangsverträgen vom 16.02.2004 bereits zu diesem Zeitpunkt - also noch innerhalb der laufenden ersten Geschäftsperiode mit einem garantierten Zinsgewinn - bereits auf (minus) 182.000 Euro (AG) bzw. auf (minus) 390.077,00 Euro beliefen, während die beiden Quanto-Swaps aus den Verträgen vom Oktober 2003 mit jeweils (minus) 156.031 Euro bzw. 62.715 Euro bewertet waren (Anlagen B 24, 25).

Entsprechende Mitteilungen müssen der WVV auch zum 31.12.2004 und zu den anderen Stichtagen sowie hinsichtlich der mit anderen Banken abgeschlossenen Swap-Geschäfte zugegangen sein, zu denen die von der Beklagten - offenbar nicht gezielt unter dem hier behandelten Aspekt - zusammengestellten Schreiben keine Aufstellung enthalten.

cc) In jedem Fall ergibt sich schon aus den vorliegenden Unterlagen, dass dem für die Klägerseite agierenden Finanzmanagement längst vor der Umstellung der Ausgangsverträge auf die CSL-Swaps hinreichend aussagekräftiges Material vorlag, um anhand der ihr übermittelten Hinweise, Auswertungen und Einzelberichte eine der Tragweite des „Marktwertrisikos" angemessene Bewertung vornehmen zu können.

(1) Entgegen der bis zuletzt aufrecht erhaltenen Behauptung der Klägerseite war ihren Verhandlungsführern spätestens aus den Bewertungen der Vorgeschäfte bekannt, dass der Marktwert eines Swaps gerade auch in der ersten Geschäftsperiode im negativen Bereich valutiert. Im übrigen gehört es zum elementaren Kenntnisstand eines diplomierten Betriebswirts, dass diese Bewertung mit dem geschäftsüblichen Gewinnaufschlag der Bank zusammenhängt (vgl. PGA IV, dort S.4).

(2) Sodann und vor allem war das Finanzmanagement der WVV aufgrund der Auswertungsübersichten in den genannten Berichten einerseits und den von seinem Abteilungsleiter angeforderten Stichtagsmitteilungen andererseits ohne weiteres in die Lage versetzt, die jeweilige Entwicklung der einzelnen (negativen) Marktwerte der Swaps aus den Vorgeschäften sowie den Ausgangsverträgen in demjenigen Umfang nachzuvollziehen, wie es für eine längst derivateerfahrene und von einem Finanzfachmann vertretene Kundenseite notwendig, aber auch ausreichend ist, um Tragweite und Umfang des Marktwertrisikos zuverlässig gewichten zu können.

Hierzu war es keineswegs erforderlich, wie die Berufung meint, dem Konzern auch noch die finanzmathematischen Grundlagen für die Berechnung des Marktwerts mitzuteilen. Abgesehen davon, dass der jeweilige Marktwert, dessen Entwicklung auch die Bankseite keineswegs sicher vorauszusehen vermag, lediglich eine stichtagsbezogene „Momentaufnahme" beinhaltet, kann der Kunde nicht verlangen, dass ihm über eine geeignete Beurteilungsgrundlage hinaus auch noch sämtliche Tatsachen mitgeteilt werden, die es ihm ermöglichen, die Wertung durch den Berater nachzuvollziehen oder gar dessen Kalkulationsgrundlagen auszuleuchten. Dahingehende Vorgaben entsprechen jedenfalls nicht dem Leitbild an eine produktspezifische Beratung im beurteilungserheblichen Zeitraum vor dem Inkrafttreten des FRUG (vgl. dazu grundlegend Mülbert, WM 2007, 1149, 1154f., 1157ff.).

5. Interessenkonflikt, insbesondere Umsatzinteresse der Beklagten

a) Über das Bestehen eines Interessenkonflikts der Beklagten musste nicht gesondert aufgeklärt werden, weil ein solcher Konflikt bei einer Konstellation wie hier selbst für einen Kunden ohne die fachliche Qualifikation der klägerischen Entscheidungsträger offen zu Tage liegt (vgl. etwa Weber a.a.O., S.2201f.). Das ergab sich übrigens auch aus der Entwicklung der Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien, in deren Anfangsphase die Beklagte zunächst ausschließlich als Produktanbieterin aufgetreten war.

b) Ebensowenig bestand ein Aufklärungsbedarf hinsichtlich der ungleichen Verteilung von Chancen und Risiken, die hier zum einen durch die Zahlungsstruktur eines CSL-Swaps und zum anderen durch die vertragliche Optionsstruktur bedingt ist. Auch diese Gegebenheiten waren für einen Finanzfachmann wie den Zeugen Sch. leicht zu durchschauen - zumal aufgrund seines ausgeprägten „Vorverständnisses" infolge der mehrjährigen Abwicklung einer ganzen Serie von Swap-Geschäften mit schrittweise zunehmender Komplexität der zugrundeliegenden Swap-Modelle.

c) Entgegen der Ansicht der Berufung war die Beklagte auch nicht gehalten, ihre Beratung auf die Höhe der von ihr einkalkulierten Gewinnspanne und/oder etwaige Gebühren zu erstrecken. Die von der Klägerseite in diesem Zusammenhang ins Feld geführte Rechtssprechung betrifft die Zahlung von Provisionen oder Rückvergütungen, die von oder an Dritte gezahlt werden und aus denen sich ergeben kann, dass die Vermittlung eines Anlageproduktes nicht nur im Kundeninteresse, sondern auch mit dem Eigeninteresse an der Vereinnahmung solcher Zahlungsflüsse erfolgen kann. In einem solchen Fall hat die Kundenseite ein berechtigtes Interesse an einer längeren Aufklärung hinsichtlich der das Umsatzinteresse des Vertragsgegners bestimmenden Kalkulationsgrundlagen (vgl. BGH NJW 2001, 962; 2007, 1876 und zuletzt WM 2009, 405). Im Streitfall aber bestand kein derartiges Provisionsinteresse, weil die Beklagte selbst Vertragspartner der vorliegenden Swapgeschäfte war, auch wenn und soweit sie ihre Risiken durch den Abschluss sog. Hedgegeschäfte abgesichert hatte. Über die Höhe der in die vorgegebene Zahlungsstruktur eingepreisten Gewinnmarge musste daher nicht aufgeklärt werden, zumal sie für die Klägerseite erst im Fall einer von ihr gewünschten vorzeitigen Vertragsauflösung bezahlt werden musste. Da die Risikostruktur für die Klägerseite ohne Schwierigkeiten erkennbar war, hat die Klägerseite, wie das Landgericht zutreffend ausführt, im Rahmen ihrer Risikoabwägung zugleich auch die Gewinnspanne der Bank in Kauf genommen.

IV. Deliktische Ansprüche

Aus den dargelegten Gründen (auch unter A.II.) bestehen erst recht keine klägerischen Ansprüche nach Deliktsgrundsätzen gemäß  § 823 II BGB iVm §§ 31, 32 WpHG a.F. (oder gar §§ 263, 26ff. StGB). Ohnehin stellen die §§ 31ff. WpHG a.F. nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs kein Schutzgesetz dar (BGH NJW 2008, 1734, 1735; zustimmend etwa Podewils NJW 2009, 116, 120).

V. Vermutung beratungs- bzw. aufklärungsrichtigen Verhaltens (Berufung der Beklagten)

Bei Gesamtschau der bewertungserheblichen Umstände - von den vorausgegangenen Vorgeschäften und der schon hierbei überwiegend verfolgten „Optimierungsstrategie" des WVV-Konzerns bis hin zu den Reaktionen des klägerischen „Finanzmanagements" auf den negativen Geschäftsverlauf seit September 2005 sowie der in den Verhandlungen über die „Restrukturierungsvereinbarung" vom 24.2.06 zum Ausdruck gekommenen „Akzeptanz" auch der zwischenzeitlich erkannten weiteren Risiken - gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass die klägerischen Verhandlungsführer und Entscheidungsträger die gegenständlichen CLS-Swap-Geschäfte auch dann eingegangen wären, wenn sie in dem von der Klägerseite (nunmehr) geltend gemachten Umfang (auch noch) ausdrücklich bzw. weitergehend über die (bzw. eine mögliche) Unvereinbarkeit der beabsichtigten Geschäfte mit dem Derivate-Erlass und das Erfordernis einer handelsrechtlichen Bewertungseinheit, ferner über die weiter zurückliegende Zins- und Spread-Entwicklung seit 1967, über die einschlägige Risikoklasse 5 sowie über die jeweilige Höhe der im Marktwert enthaltenen „Gewinnmarge" und „Gebühren" der Beklagten unterrichtet worden wären.

a) Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat insbesondere aufgrund folgender Umstände bzw. Tatsachenzusammenhänge:

- Aus den (mindestens) elf vorausgegangenen Derivatgeschäften waren fortlaufend Überschüsse erzielt worden.

- Die klägerischen Entscheidungsträger auf der Handlungsebene waren sich des hochspekulativen Charakters der Geschäfte vollauf bewusst (vgl. dazu B.VI 2a) und hatten auch in ihrem sonstigen Verhalten eine hohe Risikobereitschaft an den Tag gelegt.

- Zugleich hatten sie wiederholt und bewusst die Wirtschaftsprüfer übergangen.

-  Beiden Zeugenaussagen der Entscheidungsträger lässt sich ein geradezu demonstratives Desinteresse am Derivate-Erlass entnehmen.

- Das Ergebnis einer eigenen Umfrage bei anderen Banken hatte die Marktprognose der Beklagten bestätigt (SN I, S.7 Mitte = III/533 d.A. sowie Anlage II = III/553 d.A.),

-  Der Bereichsleiter Ma. hat selbst eine offensichtlich unzureichende Sensibilisierung für Risikohinweise zu erkennen gegeben (vgl. SN II, dort S.7 oben = III/5: nur oberflächliche Befassung mit den Risikoszenarien in Anlage B 35).

-  Eine Gewinnmarge der Bank war auf Klägerseite ebenso einkalkuliert wie die Notwendigkeit einer Ausgleichszahlung in Höhe des Marktwerts bei vorzeitigem Ausstieg.

- Am 16.2.2004 fand ein zeitgleicher Abschluss weiterer Swap-Verträge mit anderen Banken statt.

- Beim Vertrag der GmbH war zur Risikostreuung der Referenzbetrag auf zehn Millionen Euro (statt 25 Millionen Euro) reduziert worden (vgl. dazu S.53 d. KA = II/159 d.A.).

b) Sodann und vor allem sprechen gegen die Vermutung einer Abstandnahme von den Ausgangsverträgen bzw. von einer Umstellung auf die Modalitäten eines CSL-Swaps entscheidend der Verlauf und das Ergebnis der Verhandlungen über die Restrukturierungs-Vereinbarung vom 24.02.2006. Ungeachtet dessen, dass das damit in erster Linie verfolgte „Geschäftsziel" eine Risikoverminderung durch die Verbesserung der Zahlungskonditionen war, hat die auch über die Höhe des aktuellen „Rückzahlungswertes" informierte Klägerseite damit zu erkennen gegeben, jedenfalls auch das diesbezügliche Risiko nunmehr ausdrücklich akzeptieren zu wollen. Immerhin hat sie sich nicht nur auf eine Erhöhung des Hebelfaktors auf 3,5%, sondern zudem auf eine Verlängerung der Vertragslaufzeit um ein weiteres Jahr eingelassen. Insoweit sind die in diesem Sachverhaltsausschnitt gegen ein „aufklärungsrichtiges" Verhalten sprechenden Indizien bereits aussagekräftig genug, ohne dass hierfür noch herangezogen werden muss, dass sich nach dem eigenen Vorbringen der Klägerinnen (das sich die Bankseite nicht zu eigen gemacht hat) ihre Situation durch die Restrukturierung auch noch verschlechtert hat (im Anschluss an das CSA-Gutachten, dort S.28 = III/484 d.A.).

c) Schließlich wird die Kausalitätsvermutung zugunsten der Klägerseite wegen der unterstellten Beratungsfehler zusätzlich entkräftet aufgrund der noch im Rahmen des Mitverschuldenseinwandes der Beklagten zu erörternden Haltung der damaligen Geschäftsleitungen bzw. Kontroll- und Aufsichtsgremien innerhalb der WVV (dazu sogleich unter B. VI. 2c).

VI. Mitverschuldenseinwand (beide Berufungen)

1. Entgegen der Ansicht der Klägerseite ist der Beklagten keineswegs der Einwand verwehrt, dass der eingetretene Schaden in jedem Fall ganz überwiegend durch Umstände verursacht wurde, die ausschließlich in die Verantwortungssphäre des WVV-Konzerns und damit der Klägerseite selbst fallen (§§ 254 I, 278 II,2 BGB)

a) Soweit der Bankseite eine (auch nur bedingt) vorsätzliche Verletzung der ihr obliegenden Aufklärungspflichten angelastet wurde, sind (und waren) die diesbezüglichen Vorwürfe allesamt haltlos (vgl. oben A II).

b) Ebenfalls ohne Erfolg beruft sich die Klägerseite darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung der Aufklärungspflichtige dem Geschädigten grundsätzlich nicht nach § 254 I BGB entgegenhalten kann, er habe auf die Auskunft nicht vertrauen dürfen (vgl. etwa BGH WM 1965, 287, 288; 1978, 946, 948; NJW 2004, 1868, 1870).

aa) Dieser Grundsatz unterliegt zunächst einmal einer Reihe von Ausnahmen: So muss sich bei Vorliegen besonderer Umstände auch der Anlageinteressent ein Mitverschulden anrechnen lassen (BGH NJW 1982, 1095, 1097; ferner BGH NJW-RR 1998, 14,15: nur Ablehnung eines zum völligen Haftungsausschluss führenden Mitverschuldens).

Solche besondere Umstände können sich zum einen aus der jeweiligen Interessenlage ergeben, in welcher der Anlageinteressent und der Anlageberater/vermittler in vertragliche Beziehungen zueinander treten. Auch kann die Art und Weise, in der der Aufklärungspflichtige das Werbungsgespräch führt, zur Vorsicht mahnen (zusammenfassend etwa OLG Karlsruhe, OLGR 2007, 222, Rnr.13f.). Sodann trifft den Anleger regelmäßig der Vorwurf eines erheblichen, u.U. sogar (ganz) überwiegenden Mitverschuldens, wenn er ihm zugängliche weitere Informationsquellen sorgfaltswidrig nicht verwertet, insbesondere das im Vorfeld der Zeichnung übergebene Informationsmaterial wie etwa den Emissionsprospekt und die darin enthaltenen Risikohinweise nicht liest (OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Stuttgart OLGR 2007, 909, Rdn. 51; OLG München OLGR 2004, 415).

Schließlich sind die Grenzen des Vertrauensschutzes von vornherein überschritten, wenn der Geschädigte - etwa aufgrund der ihm bekannten sonstigen Umstände - begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der ihm erteilten Auskunft haben musste (BGH NJW 1980, 2576, 2577). Fehlt es nämlich schon aus der objektiven Sicht des Aufklärungsadressaten an einer hinreichenden „Verlässlichkeitsgrundlage", so ist die hinter dem grundsätzlichen Ausschluss des Mitverschuldeneinwands stehende Erwägung, der Zweck einer erbetenen Auskunft bestehe gerade darin, „eventuelle Zweifel ... zu zerstreuen und Gewissheit zu vermitteln" (BGH NJW-RR 1988, 16, Rdn.15), nicht länger tragfähig. Das gilt insbesondere für den Fall, dass die Informationen des Beraters offensichtlich lückenhaft oder/und unklar sind und der vor einer weitreichenden Investitionsentscheidung stehende Geschädigte sich deshalb zu einer gezielten Nachfrage in dem aufklärungsbedürftigen Punkt gedrängt sehen musste (OLG München a.a.O.; OLG Frankfurt OLGR 2007, 908, Rdn.30).

bb) Zum zweiten und vor allem aber geht der klägerische Gegeneinwand schon vom tatsächlichen Ausgangspunkt her an der hier gegebenen Fallgestaltung einer Mitverantwortlichkeit der Kundenseite vorbei. Denn Bezugspunkt ist nicht der Vorwurf, das für die Klägerseite agierende Personal habe den Auskünften und Empfehlungen der Beraterseite nicht vertrauen dürfen. Es geht vielmehr in erster Linie darum, dass die klägerischen Entscheidungsträger (unter Duldung durch die Kontroll- und Aufsichtsgremien) von ihnen selbst von Beginn auch so eingeschätzte hochspekulative Geschäfte abgeschlossen und sich hierbei auch in einer Reihe von Punkten - gewissermaßen sehenden Auges - über zutreffende Hinweise bzw. über von ihnen unabhängig vom Beratungsverlauf erkannte Risikokonstellationen hinweggesetzt haben.

2. Im rechtlichen wie tatsächlichen Ausgangspunkt bestehen daher keine Bedenken gegen die Auffassung des Landgerichts, dass die Klägerseite in massiver Form in einer den Vorwurf des Mitverschuldens begründenden Weise gegen die Gebote des eigenen Interesses verstoßen hat. Hierbei ist bereits die Kammer zu einer deutlich überwiegenden Mithaftungsquote der Klägerseite gelangt. Diese Bewertung baut indessen auf einer Feststellungsgrundlage auf, die den beurteilungserheblichen Beweis- und übrigen Verhandlungsstoff nur in Teilaspekten berücksichtigt.

Die massiven Sorgfaltspflichtverletzungen in eigener Sache überschneiden sich zu einem wesentlichen Teil mit der Feststellungsgrundlage, auf der die Annahme einer Widerlegung der sog. Kausalitätsvermutung aufbaut. Dies betrifft insbesondere folgende Umstände:

a) Wie das Landgericht zutreffend feststellt, waren sich die klägerischen Entscheidungsträger des hochspekulativen Charakters der gegenständlichen Swap-Geschäfte vollauf bewusst. Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerinnen vergebens.

aa) Die Argumentation der Klägerseite vermag schon im Hinblick auf die hohe Qualifikation ihres Verhandlungsführers als ausgesprochener Finanzfachmann sowie dessen langjährige Erfahrung im Derivat-Geschäft nicht zu überzeugen. In Einklang damit steht, dass der Zeuge Sch. nach seinen eigenen Angaben die Technik und Wirkungsweise des angebotenen Swap-Produkts sowie dessen Optionsstruktur in jeder Hinsicht durchschaut und in die von ihm erläuterten Schritte seiner Bewertung der objektspezifischen Risiken einbezogen hatte (vgl. SN I, S.3ff. = III/529ff. d.A.).

Im übrigen entspricht es auch schon nicht der schriftlichen Aufklärungslage, dass die sog. Stillhalterposition der Klägerseite und die damit verbundenen Risiken von der Beklagten verharmlost wurden. So schließt der Abschnitt „Strategievorschlag" in der Präsentation vom 11.11.04 mit dem folgenden Hinweis ab (Anlage B 32.1, dort S.2 - Fettdruck auch im Original):

„Wesentlicher Bestandteil dieser Strategie ist der Verkauf von strukturierten Zinsoptionen. Die hierfür von ihnen zu beanspruchende Prämie wird nicht als Einmalzahlung bei Abschluss des Geschäftes von der Bank geleistet, sondern wird aus einem strukturierten EUR-Zinsswap über die Laufzeit verteilt an Sie ausgezahlt."

bb) Schließlich ist die Würdigung des Landgerichts auch keinen Bedenken ausgesetzt, soweit es die - von der klägerischen Berufung in den Vordergrund gerückte - „Risikoeinschätzung" der Zeugen Sch. und Ma. betrifft. Auch hier geht der Berufungsangriff schon am entscheidenden Bezugspunkt beider Aussagen vorbei. Denn beide Darstellungen betreffen auch hier das Beratungsgespräch über die konkrete Marktlage und die darauf aufbauenden Prognosen (SN I, S.4 = III/530 und SN II, S.4 = III/569 d.A.). Beide Einschätzungen geben also lediglich die an die konkrete Marktprognose geknüpfte Erwartungshaltung der Zeugen und nicht ihre grundsätzliche Bewertung der strukturbedingten Risiken des vorliegenden Swap-Modells wieder. Es entspricht im übrigen einer lebensnahen Würdigung beider Zeugenaussagen, dass sich das Landgericht auch nicht von dem bei der Nachvernehmung des Zeugen Sch. unternommenen Versuch einer „Nachbesserung" (vgl. SN II, S.13 = III/578 d.A.) hat beeindrucken lassen.

Demnach bleibt es dabei, dass sich die Zeugen ungeachtet ihrer damaligen Prognose des zukünftigen Spread-Verlaufs leichtfertig auf die Umstellung der Ausgangsverträge eingelassen haben, weil ihnen der hochspekulative Charakter dieses neuen Geschäfts vollauf bewusst war.

b) Weitere grobe Verstöße gegen das Gebot der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten ergeben sich aus folgenden Umständen: (1) Wiederholtes „Übergehen" der Wirtschaftsprüfer, (2) geradezu demonstratives Desinteresse am Derivate-Erlass, (3) das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für eine unzureichende Sensibilisierung des vorgesetzten Bereichsleiters für wichtige Risikobelehrungen sowie (4) die ausdrücklichen Hinweise der Bankseite auf die Notwendigkeit der Herstellung einer handelsrechtlichen Bewertungseinheit und das Erfordernis einer Abstimmung mit den Wirtschaftsprüfern.

Diese Umstände sind sämtlich vor dem Hintergrund zu würdigen, dass beide klägerische Entscheidungsträger sich schon einmal bei einem Währungs-Swap „verspekuliert" hatten und in den Auswertungsberichten bzw. den diesbezüglichen Mitteilungen eine besorgniserregende Entwicklung der „negativen Marktwerte" verschiedener Swaps dokumentiert war.

c) Zusätzliches Gewicht erhalten die aufgezeigten Sorgfaltsverstöße auf der Handlungsebene des Konzerns durch die Verletzung von Überwachungsobliegenheiten der Kontrollgremien bzw. Aufsichtsorgane sowohl im Bereich des Konzerns als auch an der Spitze der klagenden Unternehmen selbst.

Hierbei geht es um Defizite unter dem Blickwinkel eines sog. „Risikofrüherkennungssystems", zu dessen Einrichtung und - effizienter - Unterhaltung der Vorstand einer AG von Gesetzes wegen ebenso verpflichtet ist wie die Geschäftsleitung einer GmbH (§ 91 II AktG - bezüglich der GmbH in entsprechender Anwendung). Diesbezügliche Versäumnisse ergeben sich bereits aus dem Vortrag in der Klageschrift (dort S.36): Danach wurden „die gesamten Vorgänge um die Swap-Geschäfte der WVV-Unternehmen" erst aus Anlass des Schreibens der Wirtschaftsprüfer vom 21.12.2005 (Anlage K 17) und infolge des personellen Wechsels an der Konzernspitze zum Jahresende 2005 „näher untersucht". Zugleich „wurde beschlossen, dass den Aufsichtsgremien fortlaufend zeitnah über die Entwicklung der Marktwerte berichtet werden sollte...". Diesem Vorbringen zufolge war entweder (was näher liegt) bis zu diesem Zeitpunkt ein „Frühwarn- und Überwachungssystem" im Konzernbereich noch nicht installiert, oder aber es waren jedenfalls in Bezug auf die hier in Rede stehenden hochspekulativen Swap-Geschäfte noch keine geeigneten Kontrollmechanismen vorhanden. In jedem Fall weist es auf ein weiteres erhebliches Kontrolldefizit hin, dass die Verhandlungsführer in Abstimmung mit der Geschäftsleitung der klägerischen Unternehmen wiederholt die Wirtschaftsprüfer und die damit verbundene Problematik einer Bildung von Verlustrückstellungen umgehen konnten. Entsprechendes gilt für die Tatsache, dass die dem Leiter des Finanzmanagements erteilte Vollmacht auch zum Abschluss „exotischer" Derivat-Geschäfte berechtigte.


Bei Gesamtschau dieser Umstände und ihrer zum Teil wechselbezüglichen Zusammenhänge gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass selbst dann, wenn ein Beratungsverschulden der Bank unter dem einen oder anderen Aspekt unterstellt wird, die Reihe der - durchgehend - groben Pflichtverstöße auf Klägerseite ein so überragendes Gewicht hat, dass ein etwaiger Mitverursachungsanteil der Beklagten in jedem Fall dahinter zurückzutreten hat.

Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das angefochtene Urteil unter Zurückweisung der klägerischen Rechtsmittel abzuändern und jede Klage in vollem Umfang abzuweisen.

C. Nebenentscheidungen

1. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 I; 97 I ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit mit Abwendungsbefugnis hat seine Grundlage in den §§ 708 Nr.10; 711 mit § 709 S.2 ZPO.

2. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 II ZPO liegen nicht vor:

Das Scheitern des Klagebegehrens beruht in keinem Streitkomplex ausschlaggebend auf einer Rechtsauffassung des Senats, die nach den Zulassungskriterien einer höchstrichterlichen Überprüfung bedarf. Abgesehen von der Frage eines Wirksamkeitshindernisses nach § 134 BGB, in der die Klägerseite einen seit jeher aussichtslosen (selbst im Bereich des für den Anlegerschutz engagierten Schrifttums nur von einer Einzelmeinung geteilten) Rechtsstandpunkt einnimmt, waren beide Klagen nach dem inzwischen erreichten Sach- und Streitstand bereits aus tatsächlichen Gründen abweisungsreif, wobei die Berufung der Beklagtenseite in Bezug auf die ihr angelasteten Beratungsfehler in jedem Fall sowohl unter Kausalitätsgesichtspunkten als auch mit dem Einwand einer haftungsausschliessenden Mitverantwortlichkeit der Klägerseite durchdringen musste.

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