OLG Frankfurt a.M. (Volltext): Keine Erstreckung der WpÜG-Haftung auf außerhalb der Angebotsunterlage erfolgende Zusatzveröffentlichungen
21 U 72/06
3/11 O 154/05
Landgericht Frankfurt am Main
Verkündet am 18. April 2007
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
…
hat der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter
am Oberlandesgericht … und den Richter am Amtsgericht … aufgrund der
mündlichen Verhandlung vom 14. März 2007 für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am
Main vom 19.6.2006 –3-11 O 154/05- wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110%
des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000.000 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e:
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit auf Feststellung der
Schadensersatzpflicht wegen der Annahme eines öffentlichen Kaufangebots zum
Erwerb von Aktien der AB AG (im folgenden:A AG) in Anspruch.
Bei der Klägerin, einer auf den … eingetragenen Gesellschaft, handelt es sich um
einen internationalen Investmentfonds. Die Klägerin war Aktionärin der A AG und
hielt ursprünglich mehr als 23.500.000 Aktien dieser Gesellschaft.
Sowohl bei der Beklagten als auch der A AG handelt bzw. handelte es sich um
börsennotierte Unternehmen, wobei die Beklagte bereits im November 2004 73,93 %
der Aktien der A AG hielt.
Mit der Ad-hoc-Mitteilung vom 9.10.2004, auf die wegen der Einzelheiten Bezug
genommen wird (Anlage K 2; Bl. 21 f d.A.), veröffentlichte die Beklagte ihre Absicht,
die Verschmelzung der A AG auf die Beklagte durchzuführen. Dabei wird in der
Mitteilung bereits darauf hingewiesen, dass die Beklagte nach einem vorläufigen
Ertragswertgutachten davon ausgeht, dass das zu erwartende Umtauschverhältnis
zwischen Aktien der A AG und der Beklagten im Rahmen der Verschmelzung unter
der damaligen Marktpreisrelation liegen werde. Zugleich kündigte die Beklagte ein
freiwilliges Erwerbsangebot von 8,99 EUR je A AG-Aktie an.
Am 8.11.2004 schlossen die A AG und die Beklagte die Grundsatzvereinbarung zur
beabsichtigten Verschmelzung, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen
wird (Anlage B 3; Bl. 121 – 134 d.A.).
Entsprechend der Ankündigung vom 9.10.2004 richtete die Beklagte am 25.11.2004
ein von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gebilligtes freiwilliges
öffentliches Kaufangebot an alle außenstehenden Aktionäre der A AG und bot den
Erwerb von Aktien zum Stückpreis von 8,99 EUR an; als Annahmefrist war der
Zeitraum vom 26.11.2004 bis 4.2.2005 angegeben. Unter Ziffer 3.3 des Angebotes
wies die Beklagte darauf hin, dass eine Aktualisierung der Angebotsunterlage nur im
Rahmen gesetzlicher Veröffentlichungspflichten erfolgen werde; ungeachtet dessen
sei aber beabsichtigt, zusätzliche Informationen über den Stand der
Bewertungsarbeiten für die Ermittlung des Umtauschverhältnisses zu veröffentlichen.
Hinsichtlich dieser Informationen wird im Erwerbsangebot auf Ziffer 12.2.5 verwiesen,
wonach die Beklagte zu gegebener Zeit entscheiden werde, ob und wann sie
zusätzliche Informationen über den Stand der notwendigen Bewertungsarbeiten
veröffentlichen werde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das
Erwerbsangebot Bezug genommen (Anlage K 3; Bl. 23 ff d.A.).
Der Vorstand der A AG nahm unter dem Datum des 3.12.2005 zum Erwerbsangebot
der Beklagten Stellung (Anlage K 12; Bl. 150 ff d.A.); nach seiner Einschätzung war
damit zu rechnen, dass der Wert der A-Aktie nach Beendigung der gerade erst
begonnenen Bewertungsarbeiten deutlich höher als 8,99 EUR sei. Eine Empfehlung
zur Annahme oder Nichtannahme des Erwerbsangebotes gab der Vorstand der A AG
ausdrücklich nicht ab.
Am 27.1.2005 erteilte die Beklagte die „Zusätzlichen Informationen zum Stand der
Bewertungsarbeiten gemäß Abschnitt 12.2.5 der Angebotsunterlage vom
26.11.2004“, auf die Bezug genommen wird (Anlage K 4; Bl. 61 d.A.), wobei diese
Informationen vorab bereits durch die Ad-hoc-Mitteilung vom 25.1.2005 veröffentlicht
wurden (Anlage B 1; Bl. 109 f d.A.). Darin wurde mitgeteilt, dass zwischen der
Beklagten und der A AG ein gemeinsames Verständnis über die Spanne des
Umtauschverhältnisses bei der geplanten Verschmelzung erzielt worden sei; danach
gingen beide Unternehmen von einem Umtauschverhältnis der Aktien zwischen 0,45
und 0,55 Aktien der Beklagten für je eine A-Aktie aus. Zur Begründung wird in den
Zusätzlichen Informationen Bezug genommen auf den Stand der damaligen
Bewertungsarbeiten, wobei voraussichtliche Ertragswerte von 27 EUR je Aktie der
Beklagten und 14 EUR je A AG-Aktie ermittelt seien.
Die Klägerin nahm die Beklagte mit Schreiben vom 1.2.2005 (Anlage K 5; Bl. 62 d.A.)
auf Konkretisierung der Angaben in den „Zusätzlichen Informationen“ in Anspruch,
weil Einzelheiten über den Stand der Bewertung, insbesondere die einzelnen
Bewertungsparameter, fehlten und sie –die Klägerin- sich auf dieser unvollständigen
Grundlage keine Meinung bilden könnten, ob es sinnvoll sei, das Erwerbsangebot
anzunehmen. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 3.2.2005 (Anlage K 6; Bl. 63
d.A.) darauf hingewiesen hatte, dass nicht beabsichtigt sei, innerhalb der
Angebotsfrist weitere Informationen zu erteilen, veräußerte die Klägerin 23.500.000
Aktien zu den Bedingungen des Erwerbsangebotes an die Beklagte. Dies teilte sie
der Beklagten durch Schreiben vom 3.2.2005 (Anlage K 7; Bl. 64 d.A.) mit.
Nach Abschluss der Bewertungsarbeiten und des Verschmelzungsberichtes hat die
Beklagte per Ad-hoc-Mitteilung vom 8.3.2005 veröffentlicht, dass die beteiligten
Unternehmen eine endgültige Vereinbarung über das Umtauschverhältnis bei der
geplanten Verschmelzung getroffen hätten, wonach ein Umtauschverhältnis von 0,52
Telekom-Aktien für eine A-Aktie zugrundezulegen sei. Nach den durchgeführten
Unternehmensbewertungen sei für die Aktien der Beklagten ein Ertragswert von
28,31 EUR und für die A-Aktien ein solcher von 14,71 EUR gegeben. Ferner enthielt
die Ad-hoc-Mitteilung Angaben zu den wesentlichen Bewertungsparametern und
Planungsannahmen; wegen der Einzelheiten wird auf die Mitteilung vom 8.3.2005
Bezug genommen (Anlage K 8; Bl. 65 f d.A.).
Die Bewertungen des Verschmelzungsberichtes vom 8.3.2005 wurden im Rahmen
des Prüfberichtes des gerichtlich eingesetzten Verschmelzungsprüfers vom 9.3.2005
nicht beanstandet, insbesondere wurde das angegebene Umtauschverhältnis als
angemessen bezeichnet; wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den
auszugsweise vorgelegten Verschmelzungsbericht (Anlage BB1) und den
Prüfungsbericht gemäß § 12 Umwandlungsgesetz vom 9.3.2005 (Anlage BB2)
Bezug genommen.
Die Hauptversammlung der A AG hat der Verschmelzung am 29.4.2005 zugestimmt;
allerdings sind insoweit Anfechtungsklagen bei dem Landgericht Darmstadt
anhängig.
Zwischenzeitlich ist die Verschmelzung der Gesellschaften im Handelsregister
eingetragen.
Die Klägerin war und ist der Auffassung, ihr stehe dem Grunde nach ein
Schadensersatzanspruch gemäß § 12 Abs. 1 Wertpapiererwerbs- und
Übernahmegesetz (WpÜG) zu, weil die von der Beklagten erstellte
Angebotsunterlage unrichtig und unvollständig sei. Sie hat vorgetragen, diese
Unvollständigkeit sei spätestens durch die Zusätzlichen Informationen vom 27.1.2005
eingetreten, da die Beklagte nicht nur die Spanne des nach ihrer Auffassung zu
erwartende Umtauschverhältnisses im Rahmen der Verschmelzung, sondern auch
die dieser Einschätzung zugrundeliegenden einzelnen Bewertungsparameter habe
mitteilen müssen. Diese Bewertungsparameter seien der Beklagten zum Zeitpunkt
der Veröffentlichung vom 25./27.1.2005 trotz der noch nicht abgeschlossenen
Bewertungsarbeiten zumindest ihrem wesentlichen Inhalt nach bekannt gewesen, da
ansonsten auch eine Spanne für das Umtauschverhältnis nicht hätte angegeben
werden können. Vor diesem Hintergrund sei die Beklagte verpflichtet gewesen, auch
den Stand der Bewertungsarbeiten und die Bewertungsparameter anzugeben, um
der Klägerin eine nachvollziehbare Einschätzung zu ermöglichen, ob aus
wirtschaftlichen Gründen die Annahme des Erwerbsangebotes oder die Teilnahme
an der Verschmelzung die bessere Variante sei.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Zusätzlichen Informationen seien Bestandteil der
Angebotsunterlage vom 25.11.2004. Dies folge nicht nur aus der angekündigten
Veröffentlichung zusätzlicher Informationen und der Bezugnahme der Zusätzlichen
Informationen auf das Erwerbsangebot, sondern auch aus dem im Wesentlichen
gleichen Erscheinungsbild (Form, Layout u.ä.) und der identischen Art der
Veröffentlichung. Als Aktualisierung des ursprünglichen Erwerbsangebotes seien
daher die unvollständigen Zusätzlichen Informationen den Bestimmungen des WpÜG
unterworfen.
Schließlich sei durch diese Informationen im Zusammenhang mit der Stellungnahme
des Vorstandes der A AG für einen verständigen A AG-Aktionär eine unklare
Informationslage entstanden. Diese Situation habe die Beklagte bewusst
herbeigeführt, um zum einen auf den Kurs der A-Aktie nachteilig Einfluss zu nehmen
und zugleich entgegen den Intentionen des WpÜG den Verkaufsdruck auf die
Aktionäre der A AG zu erhöhen. Daher hafte die Beklagte auch unter dem
Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss (§ 311 BGB), da die Klägerin
durch die unzureichenden Informationen zur Veräußerung ihrer Aktien veranlasst
worden seien. Hierdurch sei ihnen ein der Höhe nach noch nicht zu beziffernder
Schaden entstanden, da das prognostizierte und im Verschmelzungsbericht
angegebene Umtauschverhältnis nicht den wahren Wertverhältnissen entspreche
und im sogenannten Spruchverfahren eine Änderung zugunsten der an der
Verschmelzung teilnehmenden A-Aktionäre erfahren werde.
Die Beklagte hat die Feststellungsklage schon für unzulässig gehalten, da der Eintritt
eines Schadens in Folge Annahme des Erwerbsangebotes ausgeschlossen sei. Im
Übrigen sei die Klage auch unbegründet, da die Zusätzlichen Informationen nicht
Gegenstand der Angebotsunterlage seien, so dass eine Haftung nach dem WpÜG
nicht in Betracht komme. Selbst wenn man anderer Auffassung sei, resultiere daraus
kein Anspruch der Klägerin aus § 12 WpÜG. Im Rahmen der Prüfung, ob eine
Angebotsunterlage unrichtig/unvollständig sei, sei auf die Sicht eines
durchschnittlichen Angebotsadressaten abzustellen, und zwar auf der Grundlage der
Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Dabei sei zu berücksichtigen, dass
es sich um ein freiwilliges Kaufangebot, also keine Pflichtveröffentlichung handele.
Darüber hinaus seien die erteilten Informationen richtig und vollständig gewesen. Die
vorläufigen Bewertungsarbeiten seien am 25./27.1.2005 erst soweit fortgeschritten
gewesen, dass sie sich im Sinne der angegebenen Spanne des
Umtauschverhältnisses verdichtet hatten. Im wesentlichen habe es sich aber noch
um Arbeitshypothesen gehandelt, die unter dem Vorbehalt weiterer Klärung und
Abstimmung und des Abschlusses der Bewertungsarbeiten insgesamt gestanden
hätten, worauf in den Zusätzlichen Informationen ausdrücklich hingewiesen worden
sei. Eine Verpflichtung zur Veröffentlichung von Bewertungsparametern habe schon
deshalb nicht bestanden. Der Abschluss der Bewertungsarbeiten sei erst am
8.3.2005 erfolgt.
Die Beklagte ist der Auffassung, eine Haftung unter dem Gesichtspunkt des
Verschuldens bei Vertragsschluss käme schon deshalb nicht in Betracht, weil andere
Rechtsgrundlagen neben der spezialgesetzlichen Regelung des WpÜG nicht zur
Anwendung kämen.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz hat die Klägerin mit
Schriftsatz vom 16.5.2006 (Bl. 186 ff d.A.) die Aussetzung des Verfahrens -hilfsweise
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung- beantragt, bis rechtskräftig über ihren
anhängigen Antrag auf Auskunftserteilung gemäß § 132 AktG entschieden sei. Mit
diesem Antrag begehrt die Klägerin im Hinblick auf die nach ihrer Ansicht
unbeantwortet gebliebenen Fragen in der Hauptversammlung der A AG vom
4.5.2006 Auskunft darüber, welche Kennzahlen und Annahmen der Gesellschaft für
Zwecke der Unternehmensbewertung am 25.1.2005 vorlagen.
Mit dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 22.5.2006 (Bl. 198 ff d.A.) hat die
Klägerin ein Rechtsgutachten, das von ihr so bezeichnete Gutachten G vom
5.5.2006 (Anlage K 17; Bl. 204 ff d.A.), vorgelegt und zum Gegenstand ihres
Vorbringens gemacht.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 19.6.2006 hat das Landgericht die Klage
abgewiesen und dies im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:
Zwar liege das erforderliche Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO
vor, weil die Klägerin unter anderem einen Schadensersatzanspruch nach § 12 Abs.
1 WpÜG geltend mache und insoweit der Eintritt der Verjährung drohe. Die Klage sei
aber nicht begründet, weil der Klägerin kein Schadensersatzanspruch zustehe. Ein
Schadensersatzanspruch nach § 12 Abs. 1 WpÜG scheitere schon daran, dass die
Zusätzlichen Information vom 25./27.1.2005 keine Angebotsunterlage im Sinne der
Vorschrift darstelle. Angebotsunterlage in diesem Sinne sei nur die von der
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gebilligte und veröffentlichte
Angebotsunterlage vom 25.11.2004. Später veröffentlichte Unterlagen könnten die
Haftung nach § 12 WpÜG selbst dann nicht begründen, wenn die Informationen
prospektähnlichen Charakter hätten. Da die Klägerin nur die Richtigkeit und
Vollständigkeit der Zusätzlichen Informationen beanstandet habe, scheide § 12
WpÜG als Anspruchsgrundlage aus.
Soweit die Zusätzlichen Informationen wegen ihres mit der Angebotsunterlage
vergleichbaren Erscheinungsbildes und wegen der Bezugnahme auf die
Angebotsunterlage den Eindruck erweckte, wesentliche Informationen für die
Verkaufsentscheidung der Aktionäre zu beinhalten, komme nur eine allgemeine
zivilrechtliche Prospekthaftung im weiteren Sinn unter dem Gesichtspunkt des
Verschuldens bei Vertragsschluss in Betracht. Dieser etwaige
Schadensersatzanspruch scheitere jedoch daran, dass die Zusätzlichen
Informationen keine unvollständigen Angaben enthielten. Dies gelte insbesondere
hinsichtlich der angegebenen Spanne des sogenannten Umtauschverhältnisses.
Selbst unter Berücksichtigung der Maßstäbe des WpÜG sei es im Rahmen eines
sogenannten Barangebotes ausreichend, auf den maßgeblichen durchschnittlichen
Börsenkurs der Zielgesellschaft A AG abzustellen. Zu weitergehenden Informationen
über intern angestellte Überlegungen zu einem Unternehmenswert sei die Beklagte
nicht verpflichtet gewesen, zumal weder zum Zeitpunkt des öffentlichen
Kaufangebotes noch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Zusätzlichen
Informationen die Unternehmensbewertungen im Hinblick auf die Verschmelzung
abgeschlossen gewesen seien. Vor Abschluss dieser Bewertungsarbeiten sei die
Veröffentlichung von internen Überlegungen (vorläufigen Bewertungen) nicht
zumutbar.
Auf eine unklare Informationslage im Hinblick auf eine gegenläufige Veröffentlichung
des Vorstandes der A AG könne sich die Klägerseite nicht mit Erfolg berufen, da eine
derartige Stellungnahme im Hinblick auf unterschiedliche Interessenlagen nicht
verwunderlich und im übrigen gesetzlich vorgeschrieben sei.
Das Vorbringen in den Schriftsätzen der Klägerin vom 16.5.2006 und 22.5.2006 hat
das Landgericht unberücksichtigt gelassen (§ 296 a ZPO).
Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil
vom 19.6.2006 Bezug genommen (Bl. 259 ff d.A.).
Gegen dieses am 22.6.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.7.2006
Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der
Begründungsfrist am 19.9.2006 begründet.
Die Klägerin beruft sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht mit der
Berufung unter dessen Ergänzung im Wesentlichen folgendes geltend:
Das Landgericht habe den Sachverhalt unvollständig erfasst, weil es nur auf eine
Unvollständigkeit der Zusätzlichen Informationen abgestellt habe. Tatsächlich sei die
Unvollständigkeit des Erwerbsangebotes insgesamt, also auch die Unvollständigkeit
der Angebotsunterlage als solche geltend gemacht worden. Die
Bewertungsparameter für das so genannte Umtauschverhältnis seien als
Pflichtangabe im Sinne von § 2 WpÜG-AngVO anzusehen.
Die Zusätzlichen Informationen seien ersichtlich Bestandteil der eigentlichen
Angebotsunterlage. Dies folge sowohl aus der Bezugnahme auf Ziffer 12.2.5 der
Angebotsunterlage wie auch dem identischen Erscheinungsbild. Wenn derartige
Zusatzinformationen erteilt würden, hätten sie auch vollständig zu sein, weil sie für
die Entscheidung der Aktionäre über die Annahme des Kaufangebotes
beziehungsweise die Tauschaktion im Rahmen der Verschmelzung wesentlich seien.
Vollständigkeit in diesem Sinne würde voraussetzen, dass auch der Stand der
Bewertung der Unternehmen und die einzelnen Bewertungsparameter mitgeteilt
würden. Bei dem angegebenen Umtauschverhältnis handele es sich um eine
Prognose, die nur auf der Grundlage einer ausreichenden Tatsachenfeststellung
möglich, zulässig und kaufmännisch vertretbar sei. Im Übrigen sei die Angabe einer
Spanne unzulässig, weil sich das Bewertungsverfahren auf einen konkreten Betrag
richte, nicht auf eine gewisse Bandbreite des Umtauschverhältnisses.
Die maßgeblichen Bewertungsparameter seien der Beklagte auch bekannt gewesen,
wie die Angabe einer Spanne für das Umtauschverhältnis deutlich mache. Denn
auch die Ermittlung einer derartigen Spanne setze Kenntnis von den maßgeblichen
Faktoren voraus. Wenn die Beklagte angebe, veröffentlichungsfähige
Bewertungsgrundlagen hätten nicht vorgelegen, sei dies entweder unzutreffend oder
die Veröffentlichung auf dieser Grundlage rechtswidrig. Auch gesicherte
Arbeitshypothesen seien zu veröffentlichen gewesen, da ansonsten den Aktionären
eine Plausibilitätskontrolle nicht möglich sei.
Die Angabe der zu Grunde liegenden Bewertungsparameter sei der Beklagten auch
zumutbar, üblicherweise werde auch in anderen Fällen entsprechend verfahren.
Insoweit berufen sich die Klägerin auf die mit Schriftsatz vom 19.9.2006 (Bl. 282 ff
d.A.) vorgelegten Unterlagen, auf die Bezug genommen wird (Anlagen BK 1). Selbst
wenn es sich dabei um sogenannte Pflichtangebote handele, beträfen die Angaben
in gleicher Art und Weise wie bei einem freiwilligen Erwerbsangebot die jeweiligen
Aktionäre; ein durchschnittlich verständiger Anleger könne solche Angaben erwarten,
weil sie wesentliche Informationen für die Beurteilung eines Erwerbsangebotes
enthielten.
Durch die Veröffentlichung der Zusätzlichen Informationen sei nicht nur ein
gesteigertes Informationsbedürfnis der Aktionäre begründet worden, sondern die
Angebotsunterlage sei nachträglich unrichtig bzw. unvollständig geworden, daher
habe eine Pflicht zur Korrektur und Ergänzung bestanden. Denn veröffentlichte
Informationen müssten im Zeitraum der Annahmefrist richtig sein und auch bleiben,
eine nachträgliche Unrichtigkeit führe zur Schadensersatzpflicht.
Die Klägerin behauptet, auch die zuständige Aufsichtsbehörde habe die Zusätzlichen
Informationen als unvollständig angesehen und die Beklagte um Veröffentlichung
weiterer Informationen gebeten, dies habe die Beklagte abgelehnt. Ergänzende
Kenntnis von diesen Umständen habe die Klägerseite erst nach Schluss der
mündlichen Verhandlung erlangt, daher sei dieses Vorbringen zu berücksichtigen.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sehe in gleicher Art und Weise
wie die Klägerin die zusätzlichen Informationen als Bestandteil der
Angebotsunterlage an (Beweis: Auskunft der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht).
Mit der Veröffentlichung der unvollständigen Zusatzinformationen habe die Beklagte
allein das Ziel verfolgt, den Verkaufsdruck auf die Aktionäre zu erhöhen. Bis zur
Veröffentlichung der Zusatzinformationen habe nur ein sehr geringer Teil der
Minderheitsaktionäre das Kaufangebot angenommen, erst nach der Veröffentlichung
sei es zu relevanten Angebotsannahmen gekommen. Die Klägerin sei wie andere
Aktionäre auch zu einer wirtschaftlich nachteiligen Annahme des Erwerbsangebotes
veranlasst worden. Nachteilig sei dieses Rechtsgeschäft deshalb, weil das spätere
Umtauschverhältnis von 0,52:1 fehlerhaft sei. Unzutreffend seien u.a. die
Bewertungsparameter Beta-Faktor, Basiszinssatz und zu erwartende Wachstumsrate
für die Beklagte. Darüber hinaus sei die im Verschmelzungsbericht vorgenommene
Bestimmung eines Umtauschverhältnisses ausschließlich nach der
Ertragswertmethode unzulässig, vielmehr sei auch der Börsenkurs der A-Aktie zu
berücksichtigen gewesen, um ein realistisches Wertverhältnis für den Zeitpunkt der
Verschmelzung zu ermitteln. In dem bereits anhängigen Spruchverfahren sei damit
zu rechnen, dass das Umtauschverhältnis korrigiert werde in einen Bereich von 0,59
bis 0,6. Die absehbare Barzuzahlung stelle den zu erwartenden Schaden der
Klägerin dar.
Die Beklagte habe durch die Zusätzlichen Informationen auch in unzulässiger Weise
auf den Kurs der Aktien der A AG Einfluss genommen, dadurch eine
Verschlechterung dieses Kurses herbeigeführt und auf diese Weise dafür gesorgt,
dass die Prognose des Umtauschverhältnisses mit der späteren Feststellung im
Verschmelzungsbericht übereinstimme. Vorliegend habe im Zeitpunkt der
Ankündigung der Verschmelzung das Verhältnis der Börsenkurse bei 0,59:1 gelegen,
unter Berücksichtigung eines Durchschnittskurses der letzten drei Monate vor
erstmaliger Veröffentlichung der Verschmelzungsabsicht sogar bei 0,61:1, und damit
deutlich über dem angebotenen Kaufpreis von 8,99 €. Die Ankündigung der
niedrigen Umtauschspanne habe dazu geführt, dass sich der Börsenkurs der A-Aktie
abweichend vom Markttrend "nach unten" entwickelt habe.
Die Klägerin ist der Auffassung, das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft dem
Aussetzungsantrag im nicht nachgelassen Schriftsatz vom 16.5.2006 nicht
entsprochen. Dieses Auskunftserzwingungsverfahren sei für den vorliegenden
Rechtsstreit vorgreiflich, es habe daher Aussetzung zu erfolgen. Der
Aussetzungsantrag sei auch nicht verspätet gestellt, da die Hauptversammlung der A
AG den Beschluss über die Verschmelzung erst am 4.5.2006 getroffen habe und erst
danach das Auskunftserzwingungsverfahren zulässig sei. Das Verfahren sei noch
nicht rechtskräftig abgeschlossen, lediglich in erster Instanz seien die Anträge
zurückgewiesen worden.
Das Vorbringen in den Schriftsätzen der Klägerin vom 16.5. und 22.5.2006 sei vom
Landgericht zu Unrecht nicht berücksichtigt worden, obwohl Anlass bestanden habe,
erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten. Die Zurückweisung sei daher
rechtswidrig, die enthaltenen Beweismittel (Zeitungsartikel vom 4.5.2006,
Rechtsgutachten G vom 5.5.2006) hätten zum Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung am 21.4.2006 nicht vorgelegen und daher nicht früher in den
Rechtsstreit eingeführt werden können.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des am 19.Juni 2006 verkündeten Urteils des Landgerichts
Frankfurt, Az. 3-11 O 154/05, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
der Klägerin den Schaden zu ersetzen, den die Klägerin dadurch erlitten habe,
dass sie ihre Stück 23.500.000 Aktien der AB AG zu einem Preis von 8,99
EUR pro Stück im Rahmen des öffentlichen Kaufangebots der Beklagten vom
25.11.2004 an die Beklagte veräußert haben.
Die Beklagte beantragt
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihr
erstinstanzliches Vorbringen, ergänzend führt sie im Wesentliches folgendes aus:
Die Angaben in den Zusätzlichen Informationen seien zutreffend gewesen,
insbesondere die veröffentlichte Umtauschspanne. Dies werde sich auch im
Spruchverfahren bestätigen.
Die am 8.3.2005 veröffentlichten Bewertungsparameter seien nicht fehlerhaft, wie
aus dem Verschmelzungsbericht und dem Prüfungsbericht zur Verschmelzung folge.
Im Übrigen beeinflusse nicht jeder fehlerhafte Bewertungsparameter zwangsläufig
das Umtauschverhältnis.
Die Börsenkurs-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des
Bundesverfassungsgerichts sei auf Verschmelzungen nicht anzuwenden, im Übrigen
habe sich der Börsenkurs der A-Aktie nicht abweichend vom Markttrend entwickelt.
Die Angebotsunterlage sei vollständig, alle Angaben des gesetzlich vorgesehenen
Katalogs seien vorhanden; die Bezugnahme auf den durchschnittlichen Börsenkurs
der Zielgesellschaft sei bei einem freiwilligen Erwerbsangebot ausreichend.
Die Unvollständigkeit der eigentlichen Angebotsgrundlage sei erstinstanzlich durch
die Klägerin nicht gerügt worden, in zweiter Instanz sei dieses Vorbringen nicht
zuzulassen. Eine Pflicht zur Aktualisierung der ursprünglichen Angebotsunterlage
habe nicht bestanden
Das neue Vorbringen der Klägerin, die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht sehe die zusätzlichen Informationen als unrichtig und
unvollständig an, sei in der zweiten Instanz nicht zuzulassen. Im Übrigen sei das
Vorbringen unzutreffend. Die Beklagte behauptet, auch die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht habe die Zusätzlichen Informationen für richtig und
vollständig gehalten.
Das Vorbringen der Klägerin zum Aussetzungsantrag sei ebenfalls neu und nicht zu
berücksichtigen, ein Grund für die Zulassung in zweiter Instanz sei nicht dargelegt.
Gleiches gelte hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin zu anderweitigen
Angebotsunterlagen. Im Übrigen sei das Vorbringen auch unerheblich, da es sich auf
nicht vergleichbare Angebotsunterlagen für sogenannte Pflichtangebote beziehe.
Soweit sich die Klägerin Vorbringen aus dem Gutachten G zu eigen mache, sei ein
Zulassungsgrund für das neue Vorbringen nicht dargelegt. Selbst wenn es zu
berücksichtigen sei, lasse sich auch dem Gutachten kein auf die Aktionäre
ausgeübter Zwang entnehmen, um diese zur Annahme des öffentlichen
Erwerbsangebotes zu veranlassen. Im Übrigen stelle das Gutachten lediglich
Behauptungen auf, die nicht belegt seien.
Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die im zweiten Rechtszug
eingereichten Schriftsätze der Berufungsklägerin vom 19.9.2006 (Bl. 292 ff d.A.) und
2.3.2006 (Bl. 404 ff d.A.) und der Berufungsbeklagten vom 10.1.2007 (Bl. 340 ff d.A.)
und 13.3.2007 (Bl. 437 ff d.A.) nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, jedoch nicht
begründet.
An der Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen keine durchgreifenden Zweifel;
das Landgericht hat zutreffend ein rechtliches Interesse der Klägerin an alsbaldiger
Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses (§ 256 Abs. 1 ZPO)
angenommen.
Die begehrte Feststellung betrifft ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis der Parteien.
Denn hierfür ist es als ausreichend anzusehen, wenn die zwischen den Parteien
bestehenden Beziehungen die Grundlage schadensersatzrechtlicher Ansprüche
bilden können (vgl. BGH NJW 1993, 2181 ff; 1988, 774) und –soweit die
Geltendmachung eines allgemeinen Vermögensschadens in Rede steht- ein
etwaiger Schadenseintritt nicht völlig ungewiss ist, also zumindest eine
Vermögensgefährdung dargelegt ist (BGH NJW 1993, 648, 654; 1996, 1062 ff).
Diesen Anforderungen genügt das Klagevorbringen.
Zwischen den Parteien bestehen aufgrund des später angenommenen
Erwerbsangebots vom 25.11.2004 Beziehungen, die Grundlage sowohl spezifisch
wertpapierrechtlicher (§§ 12 WpÜG; 39 b und c, 15 Abs. 1 WpHG) als auch
allgemeiner zivilrechtlicher Ansprüche (§§ 311, 823, 826 BGB) sein können. Soweit
Ansprüche der Klägerin wegen einer unrichtigen oder unvollständigen
Angebotsunterlage im Sinne des § 11 WpÜG in Rede stehen, folgt das Interesse an
alsbaldiger Feststellung bereits aus dem drohenden Verjährungseintritt. Denn nach §
12 Abs. 4 S. 1, 1. Halbsatz WpÜG verjähren Ansprüche der Klägerin innerhalb eines
Jahres seit dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin von der Unvollständigkeit oder
Unrichtigkeit der Angebotsunterlage Kenntnis erlangt haben. Die von der Klägerin in
Anspruch genommene Unrichtigkeit wurde ihr mit der Ad-hoc-Veröffentlichung am
8.3.2005 bekannt, so dass zum gleichen Zeitpunkt im Jahre 2006 Eintritt der
Verjährung droht. Im Hinblick auf die notwendige Hemmung der Verjährung kann
daher ein Feststellungsinteresse bestehen (BGH VersR 1972, 459; NJW 1952, 741;
Zöller-Greger, ZPO, 26. Aufl., § 256 Rn. 8a).
Dabei bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob der Lauf dieser
Verjährungsfrist unabhängig vom Zeitpunkt der Entstehung eines Schadens auf
Klägerseite einsetzt (vgl. dazu BGH NJW 1993, 648 ff zu § 852 BGB a.F.). Denn
jedenfalls tritt Verjährung auch ohne Eintritt eines Schadens spätestens drei Jahre
nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage ein (§ 12 Abs. 4 2. Hs. WpÜG) und
begründet deshalb ein Feststellungsinteresse.
Diesem Interesse steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Klägerin ihre
Ansprüche auf Normen stützt, die lediglich dem Schutz des Vermögens im
Allgemeinen dienen. Zwar setzt das Feststellungsinteresse bei Geltendmachung
allgemeiner Vermögensschäden die substantiierte Darlegung wenigstens einer
Vermögensgefährdung voraus (BGH NJW 1993, 648; 1996, 1062), d.h. im Hinblick
auf den gebotenen Schutz der beklagten Partei vor einem aufgezwungenen
Rechtsstreit über theoretische Fragen mit ungewisser praktischer Relevanz muss die
Klägerseite zumindest die Wahrscheinlichkeit eines auf die behauptete
Pflichtverletzung zurückzuführenden Schadenseintritts dartun. Diesen Anforderungen
genügt das Klagevorbringen jedenfalls insoweit, als nachvollziehbare Umstände
vorgetragen sind, die eine Änderung des Umtauschverhältnisses der Aktien im
bereits anhängigen Spruchstellenverfahren und damit den Eintritt eines Schadens
auf Klägerseite nicht ausgeschlossen erscheinen lassen.
Dem Recht bzw. der Rechtslage der Klägerin droht mithin insgesamt gegenwärtig die
Gefahr der Unsicherheit, insbesondere weil die Beklagte über die Frage der
Zulässigkeit der Klage hinaus auch in der Sache einen Anspruch der Klägerin
ernstlich bestreitet. Diese Gefährdung der Rechtsposition kann durch die begehrte
Feststellung beseitigt, die zugrundeliegenden Streitpunkte können abschließend
durch das Urteil geklärt werden, so dass im Hinblick hierauf ein Interesse an
alsbaldiger Feststellung gegeben ist (vgl. auch BGH NJW 1993, 2181 ff ).
Der Klage ist jedoch unbegründet, der Klägerin steht dem Grunde nach kein
Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte zu.
Zu Recht hat das Landgericht mit der angefochtenen Entscheidung einen Anspruch
der Klägerin gemäß § 12 WpÜG verneint, weil es an einer unrichtigen oder
unvollständigen Angebotsunterlage fehlt.
Als Angebotsunterlage im Sinne der §§ 11, 12 WpÜG ist vorliegend allein das
Erwerbsangebot der Beklagten vom 25.11.2004 anzusehen, hingegen sind die
Zusätzlichen Informationen vom 25./27.1.2005 nicht Bestandteil dieser
Angebotsunterlage und damit auch nicht Gegenstand der Haftung gemäß § 12 Abs.
1 WpÜG.
Für die Beantwortung der Frage, welchen Erfordernissen ein Angebot zum Erwerb
von Wertpapieren einer Zielgesellschaft zu genügen hat, ist nach dem Gesetz
zunächst die Unterscheidung zwischen freiwilligen Angeboten und Pflichtangeboten
maßgeblich (§ 2 Abs. 1 WpÜG). Pflichtangebote richten sich entweder auf die
Übernahme der Kontrolle der Zielgesellschaft (Übernahmeangebot im Sinne des § 29
Abs. 1 WpÜG) oder folgen einer solchen Übernahme (§ 35 Abs. 1 WpÜG).
Vorliegend war die Beklagte bereits vor Veröffentlichung des Erwerbsangebots im
Besitz von 73,93% der Aktien der A AG, also kontrollierendes Unternehmen. Das
Angebot der Beklagten vom 25.11.2004 ist mithin ein freiwilliges öffentliches
Erwerbsangebot, das unter diesem Gesichtspunkt an den Erfordernissen des § 11
WpÜG zu messen ist. Allerdings sind die inhaltlichen Anforderungen nicht
ausschließlich in der Vorschrift selbst geregelt. Vielmehr hat das Bundesministerium
der Finanzen von der in Abs. 4 Nr. 2 der Vorschrift eingeräumten Befugnis, die
Aufnahme weiterer Angaben und deren Form zu bestimmen, durch Erlass der
Verordnung über den Inhalt der Angebotsunterlage, die Gegenleistung bei
Übernahmeangeboten und die Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung
und zur Abgabe eines Angebots vom 27.12.2001 (WpÜG-AngVO; BGBl. I, S. 4263)
Gebrauch gemacht.
Soweit die Klägerin erstmals mit der Berufung geltend macht, auch das eigentliche
Erwerbsangebot vom 25.11.2004 sei unvollständig, weil Angaben über die zur
Festsetzung der Gegenleistung angewandten Bewertungsmethoden und zum
Umtauschverhältnis fehlen, ist dem nicht zu folgen. Zwar ist in § 2 Nr. 3 der WpÜGAngVO
bestimmt, dass die zur Festsetzung der Gegenleistung angewandten
Bewertungsmethoden, ein Umtauschverhältnis u.ä. mehr anzugeben sind.
Bedeutung hat dieses Erfordernis jedoch nur für den Fall, dass als Gegenleistung
weder Geld noch börsennotierte Wertpapiere, für die ein liquider Markt besteht,
angeboten werden. Denn ein freiwilliges Barangebot basiert lediglich auf der
subjektiven Einschätzung des Bietenden, welcher Kaufpreis die Aktieninhaber vor
dem Hintergrund der aktuellen Marktsituation zum Verkauf veranlassen wird. Eine
solche Veranlassung wird regelmäßig bei einem Angebotspreis bestehen, der in
gewissem Umfang über dem aktuellen Börsenkurs liegt, also einen Aufschlag
beinhaltet. Ein solcher Aufschlag ist mit rechnerischen Bewertungsmethoden nicht
nachvollziehbar darzustellen, sondern findet seine Grundlage allein in der
Einschätzung des Bietenden. Wird daher –wie vorliegend- ausschließlich eine
Geldleistung als Gegenleistung angeboten, reicht zur Herstellung der notwendigen
Transparenz des Angebots eine Bezugnahme auf den Börsenkurs der Wertpapiere
der Zielgesellschaft aus (vgl. Bosch/Meyer in Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, §
2 WpÜG-AngVO Rn. 12 m.w.N.; Seydel in KölnKomm. WpÜG, § 11 Rn. 87; Thoma
in Baums/Thoma, WpÜG, § 11 Rn 96 ff). Allenfalls kommt noch eine Ergänzung um
einen Durchschnittskurs für einen bestimmten Referenzzeitraum in Betracht, der
vorliegend ebenfalls im Rahmen des Angebots angegeben ist. Dagegen fordert das
Gesetz nur für den Fall der bereits genannten Übernahme- und Pflichtangebote,
dass die Gegenleistung angemessen sein muss, wie sich aus der systematischen
Stellung der insoweit maßgeblichen Vorschriften (§§ 31, 39 WpÜG, 3 WpÜG-AngVO)
ergibt. Nur bei solchen Angeboten, nicht aber bei freiwilligen Erwerbsangeboten
bedarf es zur Darlegung der Angemessenheit der Gegenleistung auch der Angabe
der angewandten Bewertungsmethoden (vgl. Krause in Assmann/Pötzsch/Schneider,
WpÜG, § 31 WpÜG Rn. 1); bei freiwilligen und kontrollneutralen Angeboten ist der
Bieter vielmehr in der Festsetzung seiner Gegenleistung vollkommen frei (Seydel in
KölnKomm. WpÜG, § 11 Rn. 85).
Das Angebot der Beklagten vom 25.11.2004 ist ein solches freiwilliges und
kontrollneutrales Barerwerbsangebot, die Gegenleistung bedurfte daher keinerlei
Begründung oder gar der Darlegung der Angemessenheit und der
zugrundeliegenden Bewertungsmethoden. Das Angebot stellt ab auf den letzten
XETRA-Schlusskurs der A-Aktie am 08.10.2004, also dem Tag vor Ankündigung der
Verschmelzungsabsicht. Zudem wird darauf hingewiesen, dass der ermittelte
durchschnittliche Börsenkurs der A-Aktie aus den letzten 3 Monaten vor Abgabe des
Angebots nur 8,59 EUR betrug.
Weitergehende Aufklärungs- und Informationspflichten trafen die Beklagte im
Rahmen des Erwerbsangebots vom 25.11.2004 nicht, den Vorgaben des § 11
WpÜG i.V.m. § 2 WpÜG-AngVO, denen abschließender Charakter zukommt (Möllers
in KölnKomm.WpÜG, § 12, Rn. 41 ff), ist ersichtlich genügt; insbesondere hat eine
Anngebotsunterlage, die ein Barangebot beinhaltet, nicht die Funktion, den
potentiellen Vertragspartner über das Unternehmen des Bieters umfassend zu
informieren. Dem allgemeinen Transparenzgebot ist bereits dadurch genügt, das
dem Inhaber der Aktien durch die Bezugnahme auf die o.g. Börsenkurse eine
ausreichende Entscheidungsgrundlage für die etwaige Annahme des Angebots
vorliegt, zumal er auch die weitere Kursentwicklung für die Dauer der Annahmefrist
bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen kann. Etwas anders könnte
allenfalls für den hier nicht vorliegenden Fall gelten, dass als Gegenleistung ebenfalls
Wertpapiere angeboten werden.
Die eigentliche Angebotsunterlage vom 25.11.2004 entspricht daher den Vorgaben
des WpÜG und der WpÜG-AngVO, sie ist weder unrichtig noch unvollständig. Soweit
die Klägerin sich gegen die angefochtene Entscheidung mit der Begründung wendet,
die Entscheidung übersehe, dass die Unvollständigkeit dieser Angebotsunterlage
bereits erstinstanzlich geltend gemacht worden sei, ist diesem Einwand kein Erfolg
beschieden. Die Mitteilung eines Umtauschverhältnisses für die Aktien im Fall der
Verschmelzung oder gar der zugrundeliegenden Bewertungsparameter stellt –
unabhängig davon, dass die Unternehmensbewertung zum Zeitpunkt 25.11.2004 bei
weitem noch nicht abgeschlossen war und schon deshalb diesbezügliche Angaben
nicht erfolgen konnten- für die konkrete Angebotsunterlage jedenfalls keine
Pflichtangabe dar, die fehlende Angabe führt daher auch nicht zur Unvollständigkeit.
Zwar kann eine Unvollständigkeit der Angebotsunterlage auch dann vorliegen, wenn
ihr trotz Mitteilung aller gesetzlich vorgesehenen Kriterien wesentliche Informationen,
die ein durchschnittlicher, verständiger Anleger bei der Entscheidung über die
Annahme des Angebots berücksichtigen würde, fehlen (vgl. BGHZ 116, 7, 12, für die
Prospekthaftung; Assmann in Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 12 Rn. 26;
Thoma in Baums/Thoma, WpÜG, § 12 Rn. 21; a.A. Möllers in KölnKomm. WpÜG, §
12 Rn. 42 ff). Maßgeblich für die Beurteilung der Richtigkeit und Vollständigkeit ist
dabei der Gesamteindruck, den die Angebotsunterlage im Hinblick auf die
Vorteilhaftigkeit des Erwerbsangebots erweckt, wenn dieser nicht den tatsächlichen
Gegebenheiten entspricht. Allerdings führen nur schwerwiegende Gestaltung- und
Darstellungsmängel, die zu einem fehlerhaften Gesamteindruck führen, zu einer
Unrichtigkeit im vorgenannten Sinn (vgl. Assmann in Assmann/Pötzsch/Schneider,
WpÜG, § 12 Rn. 28). Solche sind vorliegend nicht festzustellen. Die
Angebotsunterlage ist aus sich heraus verständlich und für den betroffenen Anleger
ohne Probleme auszuwerten. Da es sich um ein freiwilliges Erwerbsangebot handelt,
hat die Beklagte in zulässiger Weise zur Bestimmung des angebotenen Kaufpreises
auf die Schlussnotierung der A-Aktie am 8.10.2004, also dem letzten Tag vor
erstmaliger Bekanntgabe der Entscheidung zur Abgabe eines Erwerbsangebots,
zurückgegriffen. Darüber hinaus ist in der Angebotsunterlage auch der inländische,
auf der Grundlage der Datenbank der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht ermittelte, gewichtete Börsenkurs der letzten drei
Monate vor der o.g. Ankündigung mitgeteilt und weitere Kursdaten für die letzte
Woche, den letzten Monat und die letzten sechs Monate vor dieser Veröffentlichung;
sämtliche Kurse liegen unter dem angebotenen Kaufpreis. Dem verständigen
Anleger stehen daher die von ihm erwarteten und für die zu treffende Entscheidung
maßgeblichen Bewertungskriterien zur Verfügung. Dass im Rahmen vorbereitender
Arbeiten für die Verschmelzung der Gesellschaften vorläufige
Unternehmensbewertungen durchgeführt, deren Ergebnisse aber nicht mitgeteilt
wurden, beinhaltet noch keine schwerwiegenden Gestaltungsmangel der
Angebotsunterlage, der aus Sicht eines verständigen Anlegers die Beurteilung des
Kaufangebots erschwerte. Ein solcher Anleger dürfte vielmehr im Hinblick auf den
mitgeteilten Charakter nur vorläufiger Bewertungen konkrete Angaben weder
gewünscht noch erwartet haben.
Auch wenn die Billigung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
keineswegs zwingend eine Beurteilung der Angebotsunterlage als vollständig und
richtig nach sich zieht (vgl. Begr. RegE WpÜG, BT-Drucksache 14/7034, S. 42;
Möllers in KölnKomm. WpÜG § 12, Rn. 74; Thoma in Baums/Thoma, WpÜG, § 12
Rn. 24; Assmann in Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 12 Rn. 29), spricht doch
die Tatsache, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im Rahmen
ihrer Prüfungspflicht die Veröffentlichung nicht untersagte (§§ 14 Abs. 2, 15 WpÜG),
eher für als gegen die Vollständigkeit der Angebotsunterlage.
Die angefochtene Entscheidung geht daher zu Recht davon aus, dass der
klägerseits erhobene Vorwurf der Unvollständigkeit in erster Linie, wenn nicht
ausschließlich aus der ergänzenden Veröffentlichung der Beklagten vom
25./27.01.2005 hergeleitet wird, mit der die Beklagte für den Fall der Verschmelzung
der beiden Gesellschaften ein erwartetes Umtauschverhältnis der Aktien im Bereich
von 0,45 bis 0,55 : 1 veröffentlichte, ohne mitzuteilen, worauf sich die Ermittlung
dieser Spanne im Einzelnen stützt. Einen Schadensersatzanspruch aus § 12 WpÜG
könnte diese Veröffentlichung nur dann begründen, wenn die Zusätzlichen
Informationen als Teil der Angebotsunterlage anzusehen wären, wovon jedoch nicht
ausgegangen werden kann.
Zwar ist der Klägerin einzuräumen, dass vordergründig der Eindruck einer
Zusammengehörigkeit der Unterlagen vermittelt wird, und zwar einerseits durch den
Hinweis unter Ziff. 12.2.5 der eigentlichen Angebotsunterlage vom 25.11.2004 –
wonach die Beklagte zu gegebener Zeit entscheiden wird, ob und wann sie
zusätzliche Informationen zum Stand der Unternehmensbewertungsarbeiten
veröffentlichen wird- und andererseits durch die Bezugnahme in den am
25./27.1.2005 veröffentlichten Zusätzlichen Informationen auf eben diese Ziffer der
eigentlichen Angebotsunterlage. Allein dies ist jedoch selbst unter Berücksichtigung
des im Wesentlichen gleichen Erscheinungsbildes der Veröffentlichungen, dem
rechtlich keine Bedeutung zukommt, nicht geeignet, beide Veröffentlichungen als
Bestandteil einer einheitlichen Angebotsunterlage anzusehen. Dies folgt sowohl aus
dem Charakter einer Angebotsunterlage im Sinne des § 11 WpÜG als auch den
sonstigen, aus der Veröffentlichung vom 25.11.2004 zu entnehmenden Umständen.
Bei einem öffentlichen Erwerbsangebot im Sinne des § 11 WpÜG handelt es sich um
ein bindendes Angebot im Sinne von § 145 BGB, das nur hinsichtlich einiger –hier
nicht relevanter- Punkte nach seiner Veröffentlichung noch Verbesserungen (§ 21
WpÜG) bzw. Ergänzungen (§ 23 WpÜG) erfahren kann. Maßgeblicher Zeitpunkt für
die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angebotsunterlage ist daher der Zeitpunkt der
Veröffentlichung (Bosch/Meyer in Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 11 Rn. 53),
nicht zuletzt deshalb bedarf diese Veröffentlichung der Billigung durch die
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Späteren Veröffentlichungen kann
daher der Charakter einer Angebotsunterlage nur noch zukommen, wenn es sich um
die Berichtigung von fehlerhaften Angaben handelt oder eine Pflicht zur
Aktualisierung bestand. Obwohl das Gesetz selbst bei später auftretenden
Änderungen eine Pflicht zur Veröffentlichung eines Nachtrags nicht vorsieht, wird
teilweise eine auch auf den Rechtsgedanken des § 3 Abs. 2 WpÜG gestützte
Aktualisierungspflicht bei unrichtig oder unvollständig gewordenen
Angebotsunterlagen angenommen (Bosch/Meyer in Assmann/Pötzsch/Schneider,
WpÜG, § 11 Rn. 53: entspr. Anwendung des § 11 VerkProspG; Oechsler in
Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 12 Rn. 13: analoge Anwendung des § 12 Abs.
3 Nr. 3 WpÜG). Vorliegend bedarf es keiner Entscheidung, ob dieser Auffassung zu
folgen ist, da ersichtlich kein Fall einer Pflicht zur Aktualisierung vorliegt. Denn das
ursprüngliche Erwerbsangebot wies –wie bereits ausgeführt- weder eine Unrichtigkeit
noch eine Unvollständigkeit auf, die die Zusätzlichen Informationen erforderlich
machte. Die Unvollständigkeit soll selbst nach dem Vorbringen der Klägerin erst
durch die freiwillige Veröffentlichung der –nicht geschuldeten- Zusatzinformationen
eingetreten sein. Selbst wenn man also für den Fall einer Aktualisierungspflicht
Nachträge der Haftung nach § 12 WpÜG unterstellen will (so Assmann in
Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 12 Rn. 32; Thoma in Baums/Thoma, WpÜG,
§ 12 Rn. 30), fehlt es jedenfalls an einer gesetzlich begründeten Pflicht zur
Aktualisierung.
Etwas anderes könnte daher nur noch dann gelten, wenn die Beklagte selbst bereits
zum Zeitpunkt des Erwerbsangebots eine Ergänzung oder Aktualisierung für
unabdingbar gehalten hätte und dies bereits zum Gegenstand der ersten
Veröffentlichung machte. Derartiges kann vorliegend aber nicht angenommen
werden, weil eine zwingend vorzunehmende weitere Information gerade nicht
beabsichtigt war, also keineswegs das Erwerbsangebot von vorne herein quasi aus
zwei zusammengehörigen Teilen bestehen und erst nach der zweiten
Veröffentlichung vollständig sein sollte. Denn in der Angebotsunterlage werden
zusätzliche Informationen nicht etwa verbindlich –sozusagen als künftiger Bestandteil
der Angebotsunterlage- angekündigt, sondern lediglich unverbindlich in Aussicht
gestellt. Danach blieb offen, ob überhaupt weitere Informationen erteilt werden.
Bereits dies spricht entschieden gegen ein aus zwei Teilen bestehendes einheitliches
Erwerbsangebot. Darüber hinaus wird auch unter Ziffer 3.3 der Angebotsunterlage
deutlich darauf hingewiesen, dass außer im Rahmen gesetzlicher
Aktualisierungspflichten nach den §§ 21, 23 WpÜG keine Aktualisierungen erfolgen
werden, so dass die veröffentlichte Information vom 25./27.1.2005 als freiwillige
Zusatzinformation, die unter keinem Gesichtspunkt geschuldet war, nicht Bestandteil
der Angebotsunterlage wurde und damit nicht der verschärften Haftung nach § 12
WpÜG unterliegt. Vor diesem Hintergrund bedarf es in diesem Zusammenhang noch
keiner Entscheidung, ob die am 25./27.1.2005 erteilten Informationen inhaltlich
zutreffend waren.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass etwaige Berichtigungen oder Nachträge
einer Angebotsunterlage nicht der Billigung durch die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht bedürfen (Bosch/Meyer in
Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 11 Rn. 53 m.w.N.), so dass es auf die Frage,
ob die die Zusätzlichen Informationen seitens der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht beanstandet wurden, nicht ankommt. Jedenfalls zu
einer förmlichen Beanstandung oder Untersagung der Veröffentlichung kam es nicht.
Nach alledem liegen die Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin nach § 12
WpÜG nicht vor.
Allerdings können zeitlich vor oder nach der Angebotsunterlage vorgenommene
Veröffentlichungen einen Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der
Haftung für nicht unverzügliche, unrichtige oder unvollständige Ad-hoc-Mitteilungen
auslösen (§§ 37 b und c WpHG, jeweils i.V.m. § 15 WpHG). Auch unter diesem
Gesichtspunkt ist das klägerische Begehren aber nicht begründet, da es an den
Voraussetzungen fehlt.
Als Anknüpfungspunkt für einen derartigen Anspruch kommt vorliegend nur die
Veröffentlichung vom 25./27.1.2005 in Betracht, die von der Beklagten selbst auch
als Ad-hoc-Mitteilung bezeichnet ist. Dabei stehen der Anwendung des § 15 WpHG
entgegen der Auffassung der Beklagten die Vorschriften des WpÜG über Angebote
zum Erwerb von Wertpapieren (§§ 10 bis 12 WpÜG) nicht entgegen. Zwar
bestimmen sich die Pflichten eines Bieters bei der Veröffentlichung einer
Entscheidung zur Abgabe eines Erwerbsangebots –hier die Ankündigung vom
9.10.2004- ausschließlich nach der spezialgesetzlichen Regelung in § 10 WpÜG, da
die Vorschrift für ihren Anwendungsbereich ausdrücklich den Rückgriff auf § 15
WpHG ausschließt (§ 10 Abs. 6 WpÜG). Soweit aber nicht die Entscheidung zur
Abgabe eines Erwerbsangebots an sich betroffen ist, sondern sonstige
angebotsbezogene Umstände, steht bei einem gegebenen Potential der Information
zur Einflussnahme auf den Börsenkurs der Anwendung des § 15 WpHG nichts
entgegen (vgl. Begr. RegE WpÜG BT-Drucksache 14/7034, S. 40f; Thoma/Stöcker in
Baums/Thomas, WpÜG, § 10 Rn. 149; Hirte in KölnKomm. WpÜG, § 10 Rn. 100 ff).
Die teilweise befürchtete Überregulierung des Systems der Publizitätspflichten (so
Assmann in Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 10 Rn. 79) rechtfertigt eine
andere Beurteilung nicht. Denn vielfach weisen kursrelevante Informationen zwar
einen gewissen Bezug zu einem Erwerbsangebot auf, ohne jedoch Gegenstand
einer Veröffentlichung nach § 10 oder 11 WpÜG zu sein, werden aber außerhalb der
eigentlichen Angebotsunterlage veröffentlicht und wären damit jeder Überprüfung –
auch durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht- entzogen. Dies
entspräche erkennbar nicht der dem § 15 WpHG zugrundeliegenden
gesetzgeberischen Intention, so dass lediglich für den unmittelbaren
Anwendungsbereich der §§ 10, 11 WpÜG von einer Verdrängung der
Publizitätspflichten des § 15 WpHG auszugehen ist. Soweit außerhalb der
veröffentlichten Entscheidung im Sinne des § 10 WpÜG oder der Angebotsunterlage
des § 11 WpÜG Tatsachen ein Potential zur Beeinflussung des Börsenkurses
zumindest der Aktien der Bietergesellschaft zukommt, bestimmen sich die
Publizitätspflichten daher nach § 15 WpHG. Dies gilt namentlich für alle außerhalb
der eigentlichen Angebotsunterlage vorgenommenen Veröffentlichungen, soweit es
sich nicht lediglich um werbende Maßnahmen im Sinne des § 28 WpÜG handelt.
Da die Zusätzlichen Informationen vom 25./27.1.2004 –wie bereits ausgeführt- weder
Bestandteil der Angebotsunterlage sind noch eine Entscheidung im Rahmen des §
10 WpÜG betreffen, findet § 15 WpHG Anwendung.
Im Zusammenwirken mit den §§ 37 b und c WpHG kann daher unter den dort
genannten Voraussetzungen grundsätzlich aus der Verletzung von Ad-hoc-
Publizitätspflichten ein Schadensersatzanspruch resultieren. Vorliegend fehlt es
jedoch an den Voraussetzungen eines derartigen Anspruchs.
Die Klägerin stützt den Anspruch ersichtlich auf die ihrer Ansicht nach gegebene
Unvollständigkeit bzw. Unrichtigkeit der von der Beklagten als Ad-hoc-Mitteilung
veröffentlichten Zusätzlichen Informationen vom 25./27.1.2005. Diese
Unvollständigkeit soll sich aus der fehlenden Mitteilung der Bewertungsparameter
zum veröffentlichten Umtauschverhältnis für den Fall der Verschmelzung ergeben.
Zwar ist im Einklang mit der Auffassung der Klägerin das Bestehen einer
Publizitätspflicht im Sinne des § 15 WpHG kaum fraglich, da die Arbeiten zur
Unternehmensbewertung zwar nicht abgeschlossen, selbst nach dem Vorbringen der
Beklagten aber jedenfalls soweit fortgeschritten waren, dass sich eine Spanne des
Umtauschverhältnisses im Bereich von 0,45 bis 0,55 : 1 abzeichnete. Man wird
diesen Umstand –unabhängig von der Richtigkeit der Angabe- als konkrete
Information im Sinne einer Insiderinformation (§ 13 WpHG) ansehen dürfen, deren
Eintreffen in Zukunft hinreichend wahrscheinlich im Sinne des § 13 Abs. 1 S. 3
WpHG war. Da das Bekanntwerden dieser Information grundsätzlich -auch nach
Einschätzung der Beklagten- geeignet war, auf den Börsenkurs der betroffenen
Wertpapiere Einfluss zu nehmen, ist wohl vom Bestehen einer Publizitätspflicht
auszugehen. Im Ergebnis bedarf es diesbezüglich jedoch keiner abschließenden
Entscheidung, da es schon am Erfordernis eines denkbaren Schadens durch
Veräußerung oder Erwerb von Aktien der Beklagten und damit an den
Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gemäß den §§ 37 b oder c WpHG
fehlt. Denn die Klägerin behauptet einen Schadenseintritt durch Veräußerung der
Aktien der A AG zu einem vermeintlich unangemessenen Kaufpreis von 8,99
EUR/Stück. Die Schadensersatzpflicht aufgrund der vorgenannten Vorschriften
knüpft jedoch an nachteilige Veräußerungs- oder Erwerbsgeschäfte hinsichtlich der
Aktien (Finanzinstrumente) des veröffentlichenden Emittenten an (vgl. Sethe in
Assmann/Schneider, WpHG, 4. Aufl., § 37 b,c Rn. 47). Vorliegend handelt es sich um
eine Ad-hoc-Mitteilung der Beklagten, so dass unter dem Gesichtspunkt eines
etwaigen Anspruches auf der Grundlage der §§ 37 b und c WpHG nur die nachteilige
Veräußerung von Aktien der Beklagten als Grundlage einer
Schadensersatzforderung in Betracht käme, nicht die Veräußerung von A AG-Aktien.
Eine Ad-hoc-Mitteilung der A AG ist nicht Gegenstand der Klage, die Veröffentlichung
der Beklagten steht -trotz ihrer Stellung als Mehrheitsaktionärin der A AG und
Konzernmutter- im Hinblick auf die damals noch bestehende rechtliche
Selbständigkeit beider Gesellschaften einer Mitteilung der A AG nicht gleich. Denn
hinsichtlich der aus § 15 WpHG resultierenden Publizitätspflichten fehlt es an einer
sogenannten Konzernklausel, Emittent im Sinne dieser Vorschrift und damit auch der
daran anknüpfenden Haftungsnormen der §§ 37 b und c WpHG kann daher mangels
Rechtsfähigkeit nicht der Konzern als solcher sein, sondern nur das jeweilige
Einzelunternehmen (vgl. Braun in Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 8 Rn. 61;
Assmann in Assmann/Schneider, WpHG, 4. Aufl., § 15 Rn. 72). Schon deshalb fehlt
es an den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches im Sinne der §§ 37 b
und c WpHG, so dass es keiner Entscheidung bedarf, ob die Veröffentlichung
unvollständige oder unrichtige Angaben enthielt und ob der hier in Rede stehende
Schaden überhaupt vom Schutzzweck der Normen umfasst ist.
Soweit die Klägerin behauptet, die Beklagte habe spätestens durch die
Veröffentlichung vom 25./27.1.2005 bewusst eine unklare Informationslage
herbeigeführt, um auf den Kurs der A-Aktie nachteilig Einfluss zu nehmen, resultiert
daraus unter dem Gesichtspunkt einer wertpapierrechtlichen Marktmanipulation kein
Schadensersatzanspruch. Zwar sind unrichtige oder irreführende Angaben über
bewertungsrelevante Umstände einer Aktie grundsätzlich verboten, wenn sie
geeignet sind, Einfluss auf den Börsenkurs oder Marktpreis im Sinne des § 20 a
WpHG zu nehmen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, bedarf keiner
Entscheidung. Denn die Vorschrift dient ausschließlich der Erhaltung der
Funktionsfähigkeit des Wertpapiermarktes insgesamt, also dem Interesse der
Allgemeinheit und nicht dem Schutz der Individualinteressen des einzelnen Anlegers.
Ihr kommt daher nicht der Charakter eines Schutzgesetzes im Sinne des § 823 Abs.
2 BGB zu (vgl. Vogel in Assmann/Schneider, WpHG, 4. Aufl., § 20a Rn. 22;
Kümpel/Veil, WpHG, 2. Aufl., 6. Teil, Rn. 53; a.A. Ekkinga ZIP 2004, 781), so dass
zivilrechtliche Ansprüche des einzelnen Anlegers aus der Verletzung der Norm nicht
hergeleitet werden können. Dies folgt bereits aus der Entstehungsgeschichte der
Vorschrift und ihrem Charakter als Nachfolgenorm des § 88 BörsG a.F.. Bereits der
Begründung des Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes
Deutschland vom 21.6.2002 (BGBl. I, S. 2010; sogenanntes 4.
Finanzmarktförderungsgesetz) lässt sich entnehmen, dass die Funktionsfähigkeit der
überwachten Wertpapiermärkte im Vordergrund steht und die Vorschrift die bis dahin
geltende Regelung des § 88 BörsG ablösen soll (BT-Drucksache 14/8017, S. 89).
Anhaltspunkte dafür, dass zugunsten des einzelnen Anlegers eine zivilrechtliche
Haftungsnorm –vergleichbar den §§ 37 b und c WpHG- geschaffen werden sollte,
fehlen. Da der ausdrücklich in Bezug genommenen Vorgängervorschrift des § 88
BörsG (a.F.) kein Schutzgesetzcharakter zukam (vgl. BGHZ 160, 134; BVerfG ZIP
2002, 1986), gilt für § 20a WpHG nichts abweichendes, so dass es nicht mehr darauf
ankommt, ob das Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit der
Veröffentlichung vom 25./27.1.2005 überhaupt den Vorwurf einer Marktmanipulation
in diesem Sinne auszufüllen vermag.
Sonstige speziell wertpapierrechtlichen Haftungsgrundlagen sind nicht ersichtlich;
insbesondere kommt unabhängig von der Frage, ob die Veröffentlichungen der
Beklagten als Prospekte qualifiziert werden könnten, eine Haftung nach § 13
VerkProspG nicht in Betracht, da die Beklagte als Gegenleistung keine Wertpapiere
zum Erwerb angeboten hat.
Auch unter dem Gesichtspunkt eines Verschuldens bei Vertragsschluss (§§ 311 Abs.
2, 280 Abs. 1 BGB) besteht kein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz.
Der Anwendbarkeit dieses Rechtsinstituts steht entgegen der Auffassung der
Beklagten nichts entgegen, da der Anknüpfungspunkt der Haftung -die
Veröffentlichung der Beklagten vom 25./27.1.2005- weder als Angebotsunterlage im
Sinne des § 11 WpÜG noch als Prospekt im Sinne der spezialgesetzlichen
Prospekthaftung zu qualifizieren ist, so dass eine Verdrängung der allgemeinen
Vorschriften durch spezialgesetzliche Regelungen nicht eintritt. Ebenso wenig stehen
die Grundsätze über die sogenannte allgemeine zivilrechtliche Prospekthaftung
entgegen, die an typisiertes, nicht an persönliches Vertrauen anknüpft. Denn es fehlt
vorliegend an der Verwendung eines Prospektes, insbesondere stellt eine Ad-hoc-
Mitteilung keine Grundlage für eine derartige Vertrauenshaftung dar (BGH NJW
2004, 2664; 2971). Dies gilt schon deshalb, weil einem Prospekt die Funktion
zukommt, dem Anleger ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt zu
vermitteln, ihn also über alle Umstände, die für seine Entscheidung von wesentlicher
Bedeutung sind, sachlich richtig und vollständig zu informieren; dagegen erhebt eine
Ad-hoc-Mitteilung keinen vergleichbaren Anspruch auf umfassende Information,
sondern soll lediglich über eine bisher nicht bekannte Einzeltatsache informieren (vgl.
BGH NJW-RR 2003, 1351; NJW 2004, 2971 ).
Veröffentlichte Informationen anderer Art, die nicht an den spezialgesetzlichen
Voraussetzungen des WpÜG und des WpHG oder den Grundsätzen der
Prospekthaftung zu messen sind, können daher –nicht zuletzt wegen der Regelung
in § 12 Abs. 6 WpÜG und § 15 Abs. 6 S. 2 WpHG- eine vertragliche oder
vertragsähnliche Haftung oder eine Haftung unter dem Gesichtspunkt der
unerlaubten Handlung nach sich ziehen.
Letztendlich käme eine Haftung der Beklagten wegen Verschuldens bei
Vertragsschluss (§ 311 Abs. 2 BGB) in Betracht, wenn und soweit sie ihrer
Verpflichtung zur Aufklärung der Anleger als ihren künftigen Vertragspartnern über
alle für deren Entscheidung über die Annahme des Erwerbsangebots wesentlichen
Punkte schuldhaft nicht genügte oder gar die Klägerin durch unzutreffende Angaben
zum absehbaren Umtauschverhältnis im Falle einer Verschmelzung zum Abschluss
eines nachteiligen Vertrages veranlasst hätte.
Dabei knüpft die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss daran an, dass ein
Vertragspartner im Zuge der Verhandlungen besonderes persönliches Vertrauen in
Anspruch nimmt. Eine Vertrauenshaftung in diesem Sinne ist auch dann
anzunehmen, wenn zwar die Inanspruchnahme eines persönliches Vertrauens durch
eine natürliche Person nicht vorliegt, die Beklagte aber als potentielle
Vertragspartnerin der Klägerin in Erscheinung getreten ist (vgl. BGH NJW-RR 2003,
1351).
In welchem Maße dabei aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis Pflichten zur
Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen
Vertragsteils, insbesondere zur Aufklärung über vertragserhebliche Umstände
resultieren, ist unter Zugrundelegung des § 241 Abs. 2 BGB und der konkreten
Umstände des Einzelfalls zu bestimmen, da primäre Leistungspflichten noch nicht
bestehen. Hier wurde das vorvertragliche Schuldverhältnis durch die öffentliche
Angebotsunterlage vom 25.11.2004 begründet, die ein bindendes Angebot im Sinne
des § 145 BGB beinhaltete. Aus dieser Bindungswirkung folgen trotz des
Umstandes, dass sich das Angebot an unbekannte Aktieninhaber richtete, für die
Beklagte vorvertragliche Sorgfaltspflichten, die eine Haftung nach den §§ 311 Abs. 2
Nr. 1, 280 Abs. 1 BGB jedenfalls dann begründen können, wenn die Beklagte in der
Folgezeit pflichtwidrig auf die Willensentschließung der Klägerin eingewirkt hätte und
nur deshalb das Erwerbsangebot zu diesen Bedingungen angenommen wurde. Auch
wenn die Beklagte im Rahmen des sich anbahnenden Vertragsverhältnisses nicht
die Pflicht traf, über das ursprüngliche Angebot hinausgehende Angaben zu machen,
müssen dennoch erteilte zusätzliche Informationen, die für den Kaufentschluß des
anderen Teils von Bedeutung sein können, richtig und vollständig sein (BGH NJWRR
1997, 144).
Selbst wenn die Beklagte vorliegend auf der Grundlage vorläufiger Bewertungen der
Wirtschaftprüfer, die mit der Ermittlung des Ertragswertes der beteiligten
Gesellschaften betraut waren, nur die zu erwartende Spanne des absehbaren
Umtauschverhältnisses mitgeteilt hat (0,45 – 0,55 : 1), steht dabei die Vollständigkeit
der Mitteilung nach Auffassung des Senats nicht in Frage. Denn der Umfang der
Aufklärungspflichten im Rahmen der Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss
bestimmt sich hier nicht aufgrund der spezialgesetzlichen Vorschriften des WpÜG -
oder sonstiger spezieller Vorschriften zum Handel mit Wertpapieren-, da ansonsten
deren Anwendungsbereich entgegen der gesetzgeberischen Intention über den
Haftungstatbestand des Verschuldens bei Vertragsschluss ohne Anlass beträchtlich
erweitert würde. Denn nach dem eindeutig erkennbar gewordenen Willen des
Gesetzgebers besteht im Rahmen der spezialgesetzlichen Regelungen nur eine
Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (vgl. §§ 12 Abs. 2 WpÜG, 37 b Abs. 2,
37 c Abs. 2 WpHG), hingegen haftet die Beklagten im Rahmen des Verschuldens bei
Vertragsschluss für jede Fahrlässigkeit. Würde man an den Inhalt der
Aufklärungspflicht dennoch gleiche Anforderungen stellen, ginge damit entgegen
dem gesetzgeberischen Anliegen eine beträchtliche Haftungserweiterung einher. Bei
der deshalb gebotenen Anwendung allgemeiner zivilrechtlicher Grundsätze bestand
aber keine weitergehende Aufklärungspflicht, insbesondere nicht hinsichtlich der
Bewertungsparameter, die für das angegebene Umtauschverhältnis maßgeblich
waren. Denn auch im Rahmen sonstiger, auf einmaligen Leistungsaustausch
gerichteter Verträge ist der Anbieter einer Leistung nach allgemeinen Grundsätzen
nicht verpflichtet, die seinem Angebot zugrundeliegende Kalkulation offenzulegen.
Vielmehr ist es allein dem Empfänger des Angebots vorbehalten, dieses im Zuge
eigener Abwägung auf seine wirtschaftliche Angemessenheit und etwaige Risiken
hin zu beurteilen und über die Annahme zu entscheiden.
Dabei kann vorliegend nicht unberücksichtigt bleiben, dass die
Unternehmensbewertung zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Beklagten
jedenfalls noch nicht abgeschlossen war. Zwar ist der Klägerseite einzuräumen, dass
jedenfalls gewisse vorläufige Bewertungen schon vorhanden gewesen sein müssen,
sonst hätte auch keine zu erwartende Spanne des Umtauschverhältnisses
angegeben werden können. Die Beklagte stellt das Vorhandensein derartiger
Erkenntnisse wohl auch nicht ernsthaft in Zweifel; sie spricht immerhin davon, dass
sich die vorläufigen Bewertungen im Sinne der angegebenen Spanne „verdichtet“
hätten. Es kann aber der Beklagten im Rahmen des vorvertraglichen
Schuldverhältnisses nicht angesonnen werden, jeden Bewertungsparameter der
vorläufigen Einschätzungen im Detail zu veröffentlichen und sich damit dem späteren
Vorwurf auszusetzen, gerade dieser Parameter oder ein anderer habe sich
letztendlich nicht bestätigt. Wollte man von einer derartigen Verpflichtung ausgehen,
wäre die Beklagte im Zuge der andauernden Bewertungsarbeiten unter Umständen
über Monate hin kontinuierlich veranlasst, jeden einzelnen Bewertungsparameter der
Unternehmensbewertung nach seiner mehr oder weniger verbindlichen Feststellung
zu veröffentlichen, und gegebenenfalls nach wenigen Tagen in gleicher Art und
Weise einer Korrektur zuzuführen. Dies alles vor dem Hintergrund, dass ohnehin
nicht jede Änderung eines einzelnen Bewertungsparameters eine spürbare Änderung
des Gesamtergebnisses mit sich bringen muss. Im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der
Veröffentlichung vom 25./27.1.2005 noch nicht abgeschlossenen
Unternehmensbewertungen ist dem Informationsbedürfnis des potentiellen
Vertragspartners (verständigen Anlegers) und damit auch den Aufklärungs- und
Informationspflichten durch die Angabe der Spanne des Umtauschverhältnisses
genügt. Dass auch diese Spanne noch Unwägbarkeiten beinhaltete, versteht sich bei
einem komplexen Vorgang wie einer Unternehmensbewertung von selbst und wird
nicht zuletzt durch die Bandbreite der angegebenen Spanne vermittelt. Immerhin
ging diese Spanne nicht allein auf die Einschätzung der Beklagten zurück, sondern
erfolgte trotz der seitens der A AG in der Stellungnahme vom 3.12.2005 deutlich
gemachten Bedenken einvernehmlich mit dem Vorstand der Zielgesellschaft.
Selbst wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen den Umfang der
Aufklärungspflicht nicht allein an Hand allgemeiner zivilrechtlicher Grundsätze
bestimmt, sondern sich auch an den Wertungen wertpapierrechtlicher Normen
orientiert, ergibt sich nichts wesentlich anderes. Die den Vorschriften des WpÜG
zugrundeliegenden Wertungen sind dabei allerdings nicht heranzuziehen, da die
eigentliche Angebotsunterlage vom 25.11.2004 den Anforderungen genügte und die
Veröffentlichung vom 25./27.1.2005 –wie ausgeführt- nicht den Vorschriften dieses
Gesetzes unterliegt. In Betracht kommen allenfalls die im Rahmen der
Publizitätspflicht des § 15 WpHG einzuhaltenden Anforderungen. Dabei ist allerdings
bereits fraglich, ob es sich bei der Angabe des erwarteten Umtauschverhältnisses
überhaupt um eine veröffentlichungspflichtige Tatsache im Sinne der §§ 15 Abs. 1 S.
1, 13 WpHG handelt, nur auf solche erstreckt sich die Ad-hoc-Publizitätspflicht. Da
sich dem Gesetz eine Legaldefinition nicht entnehmen lässt, ist unter Rückgriff auf
allgemeine Grundsätze das Vorliegen einer Tatsache anzunehmen, wenn ein
konkreter Vorgang der Vergangenheit oder Gegenwart sinnlich wahrnehmbar und
demzufolge zum Veröffentlichungszeitpunkt dem Beweis –der Überprüfung-
zugänglich wäre (vgl. Braun in Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 8 Rn. 2f m.w.N.).
Die Ankündigung eines bei der Verschmelzung zu erwartenden
Umtauschverhältnisses stellt schon vom Ansatz her keine derartige Tatsache,
sondern vielmehr eine Prognose dar. Erst nach ihrem Eintreffen wäre sie
gegebenenfalls dem Beweis zugänglich. Eine Prognose als solche ist daher
grundsätzlich nicht veröffentlichungspflichtig, schon wegen der generell gegebenen
Missbrauchsgefahr und der mangelnden Überprüfbarkeit. Allerdings ist dies anders
zu beurteilen, wenn –wie im vorliegenden Fall- der Prognose oder Wertung
zumindest ein Tatsachenkern zugrunde liegt, der Gegenstand einer konkreten
Information sein kann; auf diesen Tatsachenkern erstreckt sich dann unter
Umständen die Publizitätspflicht. Als Tatsachenkern in diesem Sinne kommen
vorliegend die Feststellungen und Bewertungen der von beiden Gesellschaften
beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Betracht, die erst die Angabe
einer Spanne des Umtauschverhältnisses ermöglichten. Allerdings handelt es sich
auch bei Unternehmensbewertungen durch Wirtschaftsprüfer nicht durchgängig um
reine Tatsachenverarbeitung, sondern die Komplexität des Vorgangs wird gerade
durch wertende Beurteilungen geprägt, wie z.B. die von den Klägerin
angesprochenen Risikozuschläge, Beta-Faktoren, Wachstumsprognosen u.ä..
Dennoch wird man im Ergebnis Bewertungen durch Sachverständige nicht als reine
Werturteile ansehen können, da Unternehmensbewertungen der vorliegenden Art
nicht ausschließlich auf subjektiven Maßstäben beruhen. Vielmehr gehen sie
zunächst auf festgestellte Tatsachen zurück, die dann an Hand inzwischen
standardisierter Vorgehensweisen (IDW S 1-Standard zur Durchführung von
Unternehmensbewertungen; Anlage K 14) ausgewertet und einer wertenden
Beurteilung zugeführt werden. Nicht zuletzt deshalb wird das Ergebnis einer
Unternehmensbewertung von den beteiligten Kreisen häufig nicht als Werturteil,
sondern als Tatsache behandelt (vgl. Assmann in Assmann/Schneider, WpHG, 4.
Aufl., § 13 Rn. 16). Eine solche Behandlung entspricht auch dem Gesetz, wie bereits
aus § 13 Abs. 2 WpHG folgt. Danach wird Bewertungen aufgrund öffentlich
zugänglicher Informationen ausdrücklich der Charakter einer Tatsache im Sinne
einer Insiderinformation abgesprochen. Dazu hätte kein Anlass bestanden, wenn
ohnehin jede Bewertung nicht als Tatsache im Sinne des § 13 WpHG anzusehen
wäre (vgl. Assmann a.a.O.).
Als ein der Veröffentlichungspflicht unterliegender Tatsachenkern sind
Unternehmensbewertungen jedoch Bestandteil eines sogenannten gestreckten
Sachverhaltes, dessen Verbindlichkeit erst nach Eintritt verschiedener
unternehmensinterner und –externer Vorgänge, Bewertungen und Entscheidungen
und –vorliegend- der Summierung von zwei unabhängigen Bewertungen feststeht.
Eine Beendigung der Bewertungsarbeiten insgesamt trat unstreitig erst am 8.3.2004
ein, für diesen Zeitpunkt bestand jedenfalls eine Publizitätspflicht. Für die
vorhergehende Zeit besteht eine solche Pflicht allenfalls dann, wenn eine
hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine Auswirkung auf den Börsenkurs der
Bietergesellschaft im Sinne des § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG eingetreten ist. Davon kann
vorliegend wegen der eingetretenen „Verdichtung“ im Sinne einer bestimmten
Spanne des Umtauschverhältnisses ausgegangen werden. Daraus folgt jedoch im
Hinblick auf die o.a. wertenden Beurteilungen nicht die Verpflichtung zur
Veröffentlichung der einzelnen Bewertungsparameter. Denn hier gelten grundsätzlich
die gleichen Überlegungen wie im Rahmen der Haftung aufgrund unzureichender
Aufklärung bei Vertragsschluss. Die einzelnen Bewertungsparameter stehen nicht
fest, nicht jeder einzelne beeinflusst das Gesamtergebnis, zumal dieses
Gesamtergebnis eine nicht unerhebliche Spanne aufweist; teilweise handelt es sich
bei den Bewertungsparametern selbst wiederum um reine Wertungen, bei denen –
ähnlich wie bei der Prognose- durchschlagende Zweifel an einer
Veröffentlichungspflicht bestehen. Vor dem Hintergrund der daraus resultierenden
Unwägbarkeiten kann eine Veröffentlichung der nur vorläufigen Bewertungen der
einzelnen Parameter und deren fortlaufende Aktualisierung bis zum Ende der
Annahmefrist bzw. der Beendigung der Bewertungsarbeiten nicht verlangt werden.
Zutreffend weist die Klägerin selbst im Rahmen des Schriftsatzes vom 13.4.2006 (Bl.
141 ff [146] d.A.) darauf hin, dass nur „ungefähre Bewertungen“ –und als solche
muss man auch nicht abschließend bewertete Einzelparameter wohl ansehen- für
den verständigen Anleger keine taugliche Grundlage für eine Anlageentscheidung
abgeben. Demzufolge werden derartige Bewertungen von einem verständigen
Anleger auch nicht erwartet. Dass die Klägerin im Rechtsstreit davon abweichendes
postuliert, ist nur vor ihrem Interesse erklärbar, sich aus wirtschaftlichen Gründen
möglichst beide Optionen offen zu halten, nämlich einerseits das aus heutiger Sicht
wirtschaftlich sinnvolle Erwerbsangebot anzunehmen und andererseits die verloren
gegangene Möglichkeit der Teilnahme an der Verschmelzung mit der Aussicht einer
Barzuzahlung im Spruchstellenverfahren schadensersatzrechtlich zu realisieren. Eine
derartige Risikoverlagerung sehen aber auch die speziellen Vorschriften des
Wertpapierrechts nicht vor. Dies muss vorliegend um so mehr gelten, als der
Klägerin –im Gegensatz zu anderen am Geschäftsleben teilnehmenden Personen-
für den Fall der Nichtannahme des Erwerbsangebots Anlegerschutz durch die
speziellen Vorschriften zur Verschmelzung zuteil wird, nämlich durch die
Überprüfung des Verschmelzungsberichtes (§ 12 Umwandlungsgesetz) und die
Möglichkeit eines Spruchstellenverfahrens mit Überprüfung des
Umtauschverhältnisses nach dem Gesetz über das gesellschaftsrechtliche
Spruchverfahren.
Bei Nichtannahme des Erwerbsangebots wäre der Schutz der Klägerin also durch
diese Vorschriften bereits sichergestellt. Die Angemessenheit des Erwerbsangebots
selbst konnte die Klägerin an Hand des in Bezug genommenen Aktienkurses der AAktien
überprüfen; zudem stand ihr bis zur Veröffentlichung der Zusätzlichen
Informationen die Möglichkeit offen, die Kursentwicklung beider Aktien zu verfolgen,
d.h. die Reaktion des Marktes zu beobachten und daraus Schlussfolgerungen für die
eigene Entscheidung über die Annahme des Erwerbsangebotes zu ziehen. Entgegen
der Auffassung der Klägerin ist durch die Veröffentlichung der Zusätzlichen
Informationen vom 25./27.1.2005 auch keine zusätzliche Irritation eingetreten. Denn
die Tatsache, dass die Beklagte für den Fall der Verschmelzung mit einem unterhalb
des Kaufangebotes liegenden Umtauschverhältnis rechnete, ließ sich bereits der
Ankündigung vom 9.10.2004 und dem –immerhin von der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht gebilligten- Erwerbsangebot entnehmen. Eine
Verschlechterung der Informationslage ist demzufolge nicht erkennbar, auch ohne
die Zusätzlichen Informationen hätten die Klägerin in eigener Verantwortung über die
Annahme des Erwerbsangebots entscheiden müssen. Dabei sei erwähnt, dass die
Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen durchaus über weitere, allgemein
zugängliche Informationen verfügte. Denn nach den von ihr im Verfahren vorgelegten
Stellungnahmen beteiligter Kreise ging „der Markt“ davon aus, dass sowohl ein
verbessertes Erwerbsangebot der Beklagten erfolgen werde als auch eine
Verbesserung des Umtauschverhältnisses. Nimmt man diese Ausführungen der
sachkundigen Marktbeobachter ernst, war nach definitiver Ablehnung eines höheren
Kaufangebots durch die Beklagte im Rahmen der Veröffentlichung vom
25./27.1.2005 die Informationslage eher klarer als zuvor. Letztendlich kann nicht
unberücksichtigt bleiben, dass allgemeine Aufklärungs- und Informationspflichten im
Rahmen des vorvertraglichen Schuldverhältnisses jedenfalls nicht dazu dienen, den
potentiellen Vertragspartner von allen Risiken der eigenen Entscheidung
freizustellen.
Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen unvollständiger Aufklärung über
vertragserhebliche Umstände besteht daher nicht.
Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass die Beklagte unrichtige Angaben über
das zu erwartende Umtauschverhältnis veröffentlicht hat, so dass der Anspruch auch
unter diesem Gesichtspunkt nicht besteht. Das spätere Umtauschverhältnis im
Verschmelzungsbericht (0,52) bewegt sich innerhalb der angegebenen Spanne, was
zumindest nicht gegen die Richtigkeit der vorläufigen Einschätzung spricht. Auch der
gesetzlich vorgesehene Prüfbericht des unabhängigen, vom Gericht eingesetzten
Verschmelzungsprüfers bestätigt die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses,
so dass hinsichtlich des maßgeblichen Erkenntnisstandes zum Zeitpunkt der
Veröffentlichung nichts für die Behauptung der Klägerin spricht, bereits damals sei
das prognostizierte Umtauschverhältnis unzutreffend gewesen. Dass die Klägerin
vorträgt, im Nachhinein seien derartige Umstände erkennbar geworden, vermag
keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Denn im Rahmen der gebotenen Ex-ante-
Betrachtung ist sowohl für die Bestimmung des Umfangs der Aufklärungspflicht als
auch die Frage eines Verschuldens allein auf die Umstände zum Zeitpunkt der
Veröffentlichung abzustellen. Der Senat vermag auch unter Berücksichtigung des
Vorbringens der Klägerin nicht festzustellen, dass bereits zu diesem Zeitpunkt
Umstände erkennbar waren, die der angekündigten Spanne des
Umtauschverhältnisses zwingend entgegenstanden. Im übrigen hat die Beklagte mit
der Veröffentlichung auch keineswegs den Eindruck feststehender Wertverhältnisse
vermittelt; zum einen hat sie eine nicht unerhebliche Bandbreite des denkbaren
Umtauschverhältnisses angegeben und damit deutlich gemacht, dass zahlreiche
Bewertungsfaktoren nicht oder nicht endgültig festgestellt sind, zum anderen hat sie
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Bewertungen noch nicht abgeschlossen
sind und selbst die Spanne des Umtauschverhältnisses sich noch als unzutreffend
bzw. unangemessen herausstellen könne.
Dabei bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, ob hinsichtlich des
späteren Verschmelzungsberichtes vom 8.3.2005 und des dort festgestellten
Umtauschverhältnisses im Ergebnis Bedenken angebracht sind, insbesondere ob im
Rahmen der angewandten Ertragswertmethode auch die Börsenkurse der beteiligten
Gesellschaften zu berücksichtigen gewesen wären. Zwar ist nach den Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts davon in der Regel auszugehen (BVerfGE 100, 289), um
im Ergebnis sicherzustellen, dass einem Aktionär bei der Bestimmung einer
Abfindung oder eines Ausgleichs die volle Entschädigung für seinen Rechtsverlust
zukommt. Der Börsenkurs bildet insoweit die untere Grenze der vollen
wirtschaftlichen Entschädigung für einen erlittenen Rechtsverlust. Allerdings ist
umstritten, ob diese Grundsätze auch im Falle der Verschmelzung für die
Bestimmung des Umtauschverhältnisses Geltung beanspruchen (vgl. BayObLG ZIP
2003, 253; Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl., § 5 Rn. 24 ff, jeweils mit
Darstellung der unterschiedlichen Auffassungen). Die Beantwortung dieser
Fragestellung kann hier jedoch dahinstehen, da der Verschmelzungsbericht selbst
auf der Grundlage der Ertragswertmethode, deren grundsätzliche Eignung zur
Durchführung von Unternehmensbewertungen nicht fraglich ist, zum
Bewertungsstichtag 29. April 2005 einen über den jeweiligen Börsenkursen
liegenden Ertragswert der Aktien für beide Gesellschaften ausweist (Aktie C 28,31
EUR, A 14,71 EUR; Anlage B 2, Bl. 111 d.A.) und die untere Grenze einer
wirtschaftlichen Entschädigung nicht annähernd tangiert ist.
Letztendlich maßgeblich für die Bestimmung eines angemessenen
Umtauschverhältnisses im Falle der Verschmelzung ist ohnehin nicht die exakte
Berechnung jedes einzelnen Bewertungsparameters, sondern vielmehr die
Ermittlung der Relation der Unternehmenswerte auf der Grundlage gleicher
Bewertungsmethoden (vgl. Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl., § 5 Rn. 19).
Auch deshalb bedarf es vorliegend nicht der Entscheidung, ob und gegebenenfalls
welche einzelnen Bewertungsparameter des Verschmelzungsberichtes zutreffend
oder zu korrigieren sind. Denn maßgeblich für den klägerseits geltend gemachten
Anspruch ist allein die Frage, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass auf Seiten der
Beklagten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung am 25./27.1.2005 Erkenntnisse
vorlagen, die die Angabe des vorläufigen Umtauschverhältnisses als unzutreffend
erscheinen ließen. Dafür fehlt es schon deshalb an ausreichenden Hinweisen, weil –
wie bereits ausgeführt- nicht jeder einzelne Bewertungsparameter zwangsläufig das
Gesamtergebnis, das ohnehin nur vage mit der bereits mehrfach angegebenen
Spanne umrissen wurde, nachhaltig beeinflusst und die Gesamtdarstellung deutlich
als vorläufige Einschätzung bezeichnet wurde.
Dass sich möglicherweise im Zuge der weiteren Bewertungsarbeiten Änderungen
ergaben oder zusätzliche Erkenntnisse gewonnen wurden, führt im Hinblick auf den
für eine Haftung maßgeblichen Zeitpunkt zu keiner anderen Beurteilung. Denn
gerade diesen Umständen sollte durch die deutlich gemachte Vorläufigkeit der
Bewertung Rechnung getragen werden. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die
Richtigkeit der Behauptung der Klägerin, im sogenannten Spruchstellenverfahren
werde sich ein anderes Umtauschverhältnis und damit eine Zuzahlungspflicht
ergeben, nicht an. Denn selbst wenn dieses Verfahren nach entsprechend
aufwändigen Bewertungsarbeiten und Einholung eines Sachverständigengutachtens
mit einem entsprechenden Ergebnis endet, kann daraus nicht die Feststellung
entnommen werden, den für die Beklagte handelnden Vorstandsmitgliedern falle
bezogen auf den Zeitpunkt 25./27.1.2005 ein der Beklagten zurechenbares
Verschulden im Sinne einer fahrlässig auf unzureichender Tatsachengrundlage
veröffentlichen falschen Information zur Last, zumal die vorläufigen Einschätzungen
im Rahmen des Verschmelzungsberichts und später von einem gerichtlich
eingesetzten Verschmelzungsprüfer bestätigt wurden.
Vor diesem Hintergrund ist insgesamt nicht ersichtlich, dass in unzulässiger Weise
auf die Willensentschließungsfreiheit der Aktionäre eingewirkt wurde. Insbesondere
ist dies nicht aus dem Umstand zu entnehmen, dass das Erwerbsangebot der
Beklagten erst gegen Ende der Annahmefrist in verstärktem Maße durch die
Aktionäre der A AG angenommen wurde. Das Abwarten des Ablaufs dieser Frist
dürfte vielmehr den Normalfall darstellen, da der betroffene Aktionär in der Zeit zuvor
den Markt und die Kursentwicklung beobachten wird, um eine aus seiner Sicht
sachgerechte Entscheidung über die Annahme des Erwerbsangebots oder die
Teilnahme an der Verschmelzung zu treffen. Eine ausschließliche Veranlassung
durch die Veröffentlichung vom 25./27.1.2005 und deren Inhalt wird jedenfalls allein
durch die verstärkte Angebotsannahme nicht belegt, auch wenn die Angabe der
Beklagten, keine Erhöhung des Angebots vornehmen zu wollen, sicher die
Bereitschaft zur Annahme des Angebots nicht unbeeinflusst gelassen hat. Daraus
kann jedoch insgesamt ein über normale Verhältnisse hinausgehender ökonomischer
Druck zum Abschluss des Erwerbsgeschäftes nicht abgeleitet werden.
Schließlich liegen auch die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten wegen
vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) nicht vor.
Zwar kommt ein daraus resultierender Schadenersatzanspruch dann in Betracht,
wenn sich dem Vorbringen der Klägerin konkrete und unter Beweis gestellte
Anhaltspunkte dafür entnehmen ließen, dass die Beklagte die Veröffentlichung vom
25.01.2005 zielgerichtet zur missbräuchlichen Einflussnahme auf die Aktienkurse
vorgenommen hat, um das Umtauschverhältnis in ihrem Sinne günstig zu
beeinflussen (vgl. BVerfG ZIP 2007, 175, 178). In diesem Zusammenhang behauptet
die Klägerin eine vom allgemeinen Markttrend abweichende negative Entwicklung
des Kurses der A-Aktie und beruft sich zum Beleg dafür auf die Ausführungen im
vorgelegten Rechtsgutachten G vom 05.05.2006.
Soweit sich die Klägerin Tatsachen aus diesem Gutachten zu eigen machen, steht
der Berücksichtigung dieses Vorbringens in zweiter Instanz nichts entgegen. Diese
Berücksichtigungsfähigkeit bestimmt sich ausschließlich nach § 531 Abs. 2 ZPO, da
das Landgericht das Vorbringen nicht zurückgewiesen, sondern lediglich nach §
296a ZPO unberücksichtigt gelassen hat. Bereits das Erstellungsdatum des
Gutachtens macht deutlich, dass der Klägerin in erster Instanz ein zeitlich früherer
Vortrag vor oder im Rahmen der letzten mündlichen Verhandlung nicht möglich war.
Eine Nachlässigkeit im Sinne des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO liegt daher nicht vor, das
Vorbringen ist zu berücksichtigen. Allerdings handelt es sich entgegen der
Auffassung der Klägerin bei dem “Gutachten G“ um kein Beweismittel, sondern
allenfalls um ergänzenden Parteivortrag.
Selbst unter Berücksichtigung dieses Vorbringens lassen sich aber ausreichende
Anhaltspunkte, die den Vorwurf der missbräuchlichen Marktbeeinflussung tragen
könnten, nicht mit der nötigen Sicherheit feststellen. Die Beeinflussung des
Börsenkurses der A-Aktie setzt bereits mit der angekündigten Absicht der
Verschmelzung am 09.11.2004 ein, da sich die Kurse nunmehr unter
Berücksichtigung dieser Maßnahme bildeten. Das von der Klägerin insoweit bemühte
Gutachten G führt zutreffend aus, dass der Markt mit der „Einpreisung“ der
beabsichtigten Verschmelzung reagierte. Eine dauerhaft negative Entwicklung
brachte dies jedoch zunächst nicht mit sich; die Aktie notierte am 8.10.2004 mit
einem Schlusskurs von 8,99 EUR, am 25.1.2005 mit einem solchen von 9,76 EUR.
Sowohl der Ankündigung der Verschmelzungsabsicht wie auch dem Erwerbsangebot
können daher negative Einflüsse auf die Kursentwicklung der A-Aktie nicht
entnommen werden; im Hinblick auf die ebenfalls eingetretene Kursverbesserung der
Aktie der Beklagten (15,24 EUR am 08.10.2004, 16,20 EUR am 25.1.2005) trat
lediglich eine geringfügige Änderung des Kursverhältnisses der Aktien der beteiligten
Gesellschaften ein (0,59 bzw. 0,60). Im Übrigen gäbe selbst eine negative
Kursentwicklung allein in Folge der Beeinflussung durch die Ankündigung von
Strukturmaßnahmen keinen Anlass, von einer missbräuchlichen Marktbeeinflussung
auszugehen. Denn zum einen sind die beeinflussenden Veröffentlichungen
gesetzlich vorgesehen (§§ 10, 11 WpÜG), zum anderen steht selbst der
Berücksichtigung derart beeinflusster Kurse für einen sogenannten Referenzzeitraum
(z.B. zur Ermittlung der Barabfindung im Rahmen einer Eingliederungsmaßnahme)
nichts entgegen, da eine normale Preisbildungsreaktion des Marktes zugrunde liegt
(BVerfG ZIP 2007, 175, 177).
Allerdings war auch die Veröffentlichung vom 25./27.1.2005 kursrelevant; der Kurs
der A-Aktie fiel am 26.1.2005 auf 9 EUR, der Kurs der Aktie der Beklagten stieg am
gleichen Tag auf 16,50 EUR. Selbst dieser Umstand belegt aber nach Auffassung
des Senats keine missbräuchliche Marktbeeinflussung. Zum einen bestand –wie an
anderer Stelle ausgeführt- durchaus Anlass zur Veröffentlichung, zum anderen
spricht selbst nach dem Vorbringen der Klägerin einiges dafür, dass die vorgenannte
Kursschwankung der A-Aktie die Berichtigung einer vorherigen Überbewertung durch
den Markt revidierte. Denn den klägerseits vorgelegten Einschätzungen der
Marktanalysten, insbesondere der Stellungnahme des Handelsblattes vom 26.1.2005
(Anlage BK 9), ist zu entnehmen, dass der Markt in der Zeit vor der Veröffentlichung
sowohl eine Erhöhung des Barangebotes der Beklagten wie auch ein günstigeres
Umtauschverhältnis für die Teilnahme an der Verschmelzung erwartete. Dieser
Umstand mag zu einer verbesserten Kursentwicklung der A-Aktie bis zum 25.1.2005
beigetragen haben, die zugrundeliegenden Erwartungen wurden jedoch beide durch
die Veröffentlichung enttäuscht, ohne dass dieser Umstand der Beklagten anzulasten
ist.
Allein die Veröffentlichung als solche stellt daher keine missbräuchliche
Einflussnahme dar, zumal der Inhalt der Veröffentlichung keineswegs –wie die
Klägerin glauben machen wollen- evident unrichtig war; insoweit wird auf die
vorstehenden Ausführungen zum Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei
Vertragsschluss Bezug genommen.
Soweit die Klägerin vortragen, die später festgestellte Angemessenheit des
Umtauschverhältnisses sei auf die Herbeiführung dieser Kursentwicklung
zurückzuführen, fehlt es diesem Vorbringen an der Nachvollziehbarkeit. Denn die
Klägerin beanstanden in gleichem Maße, dass die Festlegung des
Umtauschverhältnisses ihre Grundlage in den Unternehmensbewertungen finde, die
wiederum allein auf der Anwendung der Ertragswertmethode ohne Berücksichtigung
der Börsenkurse basiere. Schließlich sei ergänzend angemerkt, dass die Richtigkeit
des klägerischen Vorbringens nicht leistbare Erkenntnisfähigkeit auf Seiten der
Beklagten bzw. der für die Beklagte handelnden Personen voraussetzen würde.
Denn die Beklagte hätte dann konkret vorhersehen müssen, welche Ankündigung
welcher Umtauschspanne welche konkrete Kursentwicklung sowohl bei der A-Aktie
als auch der eigenen Aktie bis zum maßgeblichen Stichtag nach sich zieht, um die
vorhergesagte Umtauschspanne einzuhalten. Belastbare Anhaltspunkte für eine
Kenntnis der Voraussetzungen einer derart sich selbst erfüllenden Prophezeiung
sind allerdings dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen.
Eine missbräuchliche Marktbeeinflussung durch die Beklagte ist nach alledem nicht
feststellbar, so dass es an den Voraussetzungen eines Anspruches wegen
vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, der zugleich den Nachweis des Vorsatzes in
Bezug auf den Schaden und die den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründenden
Umstände erfordern würde, fehlt.
Andere Anspruchsgrundlagen, die dem klägerischen Begehren zum Erfolg verhelfen
könnten, sind nicht ersichtlich, die Klage ist daher unbegründet. Da ein
Schadensersatzanspruch bereits dem Grunde nach nicht besteht, kommt es nicht
mehr darauf an, ob der Klägerin ein Verstoß gegen ihre Schadensminderungspflicht
zur Last fällt.
Eine Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit (§ 148 ZPO) ist nicht
geboten, da die Entscheidung im Auskunftserzwingungsverfahren für die
Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht vorgreiflich ist.
Zwar ist das dem Aussetzungsantrag zugrundeliegende Vorbringen der Klägerin im
nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 16.5.2006 im zweiten Rechtszug zu
berücksichtigen. Denn der Klägerin fällt auch insoweit keine Nachlässigkeit im Sinne
des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zur Last, da die Hauptversammlung der A AG erst am
4.5.2006, mithin nach der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz stattfand.
Erst nach dieser Hauptversammlung kam wegen verweigerter Auskünfte ein Antrag
auf gerichtliche Entscheidung über das Auskunftsrecht in Betracht.
Es kommt jedoch für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht auf den
Ausgang des Auskunfterzwingungsverfahrens an, da im Rahmen dieses Verfahrens
Auskunft über die der Unternehmensbewertung zugrundeliegenden
Bewertungsparameter begehrt wird. Da die Beklagte im Rahmen ihrer Aufklärungs-
und Publizitätspflichten aber keine Angaben zu diesen Bewertungsparametern zu
machen hatte, hat die Entscheidung im Verfahren nach § 132 AktG keinen Einfluss
auf die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit. Es bedarf daher keiner
Aussetzung.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Da das Rechtsmittel erfolglos geblieben ist, hat die Klägerin die Kosten der Berufung
zu tragen (§ 97 Abs. 1ZPO).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Ziff. 10, 711
ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus dem Interesse der Klägerin an der
Feststellung der Schadensersatzpflicht (§ 3 ZPO). Da es sich nicht um eine
Leistungsklage handelt, geht der Senat unter Berücksichtigung eines Abschlags von
20% im Rahmen der vorzunehmenden Schätzung vom klägerseits angenommenen
Wert einer in Betracht kommenden Barzuzahlung im Spruchverfahren als denkbarem
Schaden aus, so dass unter Berücksichtigung der Wertgrenze des § 39 Abs. 2 GKG
der Wert mit 20.000.000 EUR festzusetzen war.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da die Sache keine
grundsätzliche Bedeutung hat und weder zur Fortbildung des Rechts noch zur
Vereinheitlichung der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts
veranlasst ist (§ 543 ZPO).