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Wirtschaftsrecht
05.08.2010
Wirtschaftsrecht
OLG Hamburg: Keine Aufklärungspflicht der beratenden Bank über ihre Gewinnmarge (Lehman Brothers)

OLG Hamburg, Urteil vom 23.4.2010 - 13 U 117/09

Leitsätze

1. Im Rahmen einer Anlageberatung trifft die beratende Bank grundsätzlich keine Pflicht zur Offenlegung ihrer Gewinnmarge; die Grundsätze der sog. "Kick-back"-Rechtsprechung des BGH sind insoweit nicht übertragbar.

2. Neben einem Hinweis darauf, dass der Anleger das Risiko eines Ausfalls des Emittenten der erworbenen Anlage trägt, ist die beratende Bank nicht zu einem Hinweis darauf verpflichtet, dass diese Anleihe nicht einem Einlagensicherungssystem unterliegt.

BGB §§ 280 Abs. 1 S. 1, 241 Abs. 2

Sachverhalt

Im auf den Namen der Klägerin bei der Beklagten geführten Depot befanden sich Ende September 2007 Wertpapiere in einem Gesamtwert von ca. Euro 55.500. Daneben hielt die Klägerin u. a. 50 "UBS AG (London) Basket Express Zertifikate" (Kurswert ca. Euro 4.800). Das letztgenannte Papier erwarb die Klägerin am 20.4.2007, es handelte sich hierbei um ein Zertifikat, dessen Basiswert ebenso wie die Schlusskurse zu den möglichen Rückzahlungsterminen aus den Kursen von zehn dividendenstarken DAX-Werten ermittelt wurden. Es bestand bei einer stark negativen Entwicklung der Kurse der zehn dem Papier zu Grunde gelegten DAX-Titel das Risiko eines Totalverlustes des eingesetzten Kapitals. Auf dieses Risiko wurde die Klägerin in dem dem Kauf vorangehenden Beratungsgespräch durch den sie beratenden Leiter der Filiale G. der Beklagten, den Zeugen L, hingewiesen. Der Ablauf des dem Kauf der "Lehman Bull Express Garant" Anleihe vorangehenden Beratungsgesprächs ist auch in der Berufungsinstanz streitig geblieben. Das LG hat der Schadensersatzklage der Klägerin stattgegeben; die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.

Aus den Gründen

II. ... [Der] Klägerin steht wegen des Verkaufs der von der Lehman Brothers B.V. ausgegebenen Zertifikate (im Folgenden: Lehman-Zertifikate) kein Schadensersatzanspruch aus einer positiven Vertragsverletzung des zwischen den Parteien bestehenden Beratungsvertrages zu(§§ 280 Abs. 1 S. 1, 241 Abs. 2 BGB).   

Durch den Beratungsvertrag wurde die Beklagte zu anleger- und anlagegerechter Beratung verpflichtet; sie musste der Klägerin all diejenigen Informationen liefern, die für ihre Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sein konnten, wobei der Kundenberater sich an dem von ihm zu ermittelnden Anlegerprofil der Klägerin zu orientieren und ihr sodann ein zu diesem Profil passendes Produkt vorzuschlagen hatte, über das er sie sodann wahrheitsgemäß und sorgfältig aufklären musste.   

            Mangelnde Pflichtverletzung der Beklagten

1.) Ausgehend von diesem Maßstab fehlt es schon an einer Pflichtverletzung der Beklagten.   

            Keine Aufklärungspflicht der Beklagten in Bezug auf die von ihr erzielte Gewinnmarge

a) Der Senat folgt dem Ansatz des LG, das eine Pflichtverletzung schon darin gesehen hat, dass die Beklagte die Klägerin unstreitig nicht über die bei dem Verkauf von ihr erzielte Gewinnmarge aufgeklärt hat, nicht.   

Entgegen der Auffassung des LG ist dieser Sachverhalt den der sogenannten "Kick-back"-Rechtsprechung des BGH zu Grunde liegenden Konstellationen nicht vergleichbar. In nunmehr schon ständiger Rechtsprechung nimmt der BGH an, dass eine Bank im Rahmen der Anlageberatung Aufklärung schuldet, wenn sie entweder ihrerseits an einen Vermögensberater, der ihr den Kunden zugeführt hat, Provisionen zahlt oder umgekehrt selbst von einem solchen Berater oder auch dem Emittenten einer Anlage Provisionen bezieht (vgl. nur BGH, XI ZR 56/05, Rz. 23 - zitiert nach juris  = BB 2007, 627 - mit weiteren Nachweisen).   

Soweit ersichtlich ist eine entsprechende Aufklärungspflicht durch den BGH bislang nur in Sachverhaltskonstellationen mit drei Beteiligten angenommen worden; eine Übertragung auf Sachverhalte der vorliegenden Art, in denen der Anleger das Anlageprodukt direkt von der beratenden Bank (sei es auch als Kommissionärin) erwirbt, wäre nach Auffassung des Senats nicht sachgerecht.   

Die Annahme einer entsprechenden Aufklärungspflicht würde Banken grundsätzlich zwingen, bei der Anlageberatung ihre Kalkulationen vollständig offenzulegen: Da die Aufklärung sich nicht nur auf das dann tatsächlich verkaufte Produkt beziehen könnte, sondern konsequenter Weise sämtliche empfohlenen Anlagen erfassen müsste, da der Kunde nur in diesem Falle umfassend aufgeklärt wäre und Vergleiche anstellen könnte, wären Banken gezwungen, die von ihnen im Anlagegeschäft erzielten Gewinnspannen umfassend aufzudecken. Da diese jedenfalls bei Eigenprodukten in direkter Abhängigkeit von den Erträgen im Aktivgeschäft kalkuliert werden, ... wäre damit praktisch die gesamte Ertragsstruktur offengelegt. Dass jedes Kreditinstitut an der Geheimhaltung dieser Daten aus Wettbewerbsgründen ein ganz erhebliches und auch schutzwürdiges Interesse hat, liegt auf der Hand.   

Tatsächlich besteht auch kein schützenswertes Interesse des Anlegers an einer derartigen Aufklärung: Jedem Marktteilnehmer - auch einem Privatanleger, der die Beratungsleistung einer Bank in Anspruch nimmt, hierfür aber keine gesonderte Vergütung entrichtet - muss klar sein, dass das Unternehmen aus der Leistung einen Gewinn zieht und daher in dem von ihm zu entrichtenden Preis für das Anlageprodukt auch ein Entgelt für die Bank enthalten ist; einer besonderen Aufklärung bedarf es insoweit nicht.   

Aus diesem Grunde ist - soweit ersichtlich - in der Rechtsprechung bislang auch nicht gefordert worden, dass eine beratende Bank, soweit ansonsten anleger- und insbesondere anlagegerecht beraten wird, bei dem Vertrieb von Fremdprodukten die in deren Preis enthaltene Marge, die der Bank als Internum des Emittenten auch kaum bekannt sein wird, offenlegen müsste. Denn dass eine solche Gewinnspanne vorhanden sein muss, ist offensichtlich, da anderenfalls der Emittent aus dem Geschäft keinen Gewinn ziehen würde und unerfindlich wäre, weshalb er es betreibt.   

Diese grundsätzliche Einschätzung der Interessenlage ändert sich nicht dadurch, dass die beratende Bank ein eigenes Produkt verkauft - auch in diesem Fall ist offensichtlich, dass eine Gewinnspanne anfällt, was sich schon daraus ergibt, dass vielfach der Kunde das gleiche Produkt auch über eine andere Bank hätte erwerben können. Einen Anspruch darauf, die Höhe dieser Marge zu kennen, hat der Anleger, sofern er im Übrigen sachgerecht beraten wird, nicht (vgl. ebenso OLG Düsseldorf I-9 U 187/09, Urteil vom 29.6.2009, Tz. 22 - 24, zitiert nach juris; OLG Bamberg 4 U 92/08, Urteil vom 11.5.2009, Tz. 227, zitiert nach juris; OLG Celle, 3 U 45/09, Urteil vom 30.9.2009, Tz. 40, 41, zitiert nach juris). Damit aber kann auch in dem Fall, dass eine Bank wie vorliegend aus eigenem Bestand ein fremdes Produkt verkauft, nichts Anderes gelten...    

Selbst wenn man grundsätzlich im Hinblick auf eine anfallende Gewinnmarge einen den Anleger benachteiligenden Interessenkonflikt annehmen und daraus grundsätzlich eine Verpflichtung zur Offenbarung der Gewinnmarge herleiten wollte, so hätte jedenfalls im vorliegenden Sachverhalt eine solche Pflicht nicht bestanden.   

Begründbar wäre eine Aufklärungspflicht nur, wenn die fragliche Information erforderlich wäre, um dem Anleger vor Augen zu führen, dass die ihn beratende Bank mit der Beratung möglicherweise gerade nicht seine, sondern in erster Linie ihre Interessen verfolgte, wenn also die Gefahr besteht, dass ein bestimmtes Produkt gerade im Hinblick auf die Gewinnmaximierung der Bank vertrieben, der Kunde gezielt in dieses Produkt "hinein beraten" werden soll.   

Eine solche Sachlage ist vorliegend nicht gegeben, der Verkauf der "Lehman-Zertifikate" war für die Beklagte gerade nicht besonders gewinnträchtig ...  

            Keine Aufklärungspflicht der Beklagten über die fehlende Einlagensicherung

b) Auch darin, dass die Klägerin durch den Zeugen L. nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die verkauften "Lehman-Zertifikate" nicht der (deutschen) Einlagensicherung unterlagen, liegt keine Pflichtverletzung der Beklagten.   

Es kann letztlich dahinstehen, ob (grundsätzlich) Konstellationen denkbar sind, in denen eine beratende Bank einen Hinweis auf das Nichteingreifen eines Einlagensicherungssystems schuldet. Jedenfalls gegenüber der Klägerin war eine solche Aufklärung nicht zu erbringen, da die Klägerin darüber aufgeklärt wurde, dass sie bei Erwerb der "Lehman-Zertifikate" das Emittentenrisiko dieser Bank trug.   

Hierbei meint "Emittentenrisiko" jeden Verlust, der den Anleger auf Grund eines Ausfalls der Forderung treffen kann und damit auch einen Verlust, der eintritt bzw. nicht abgewendet wird, weil Stützungsmaßnahmen für den Emittenten, gleich welcher Art, nicht erfolgen. Denn aus wirtschaftlicher Sicht ist es für den Anleger, dem bekannt ist, dass ein Totalverlust eintreten kann, ohne Belang, ob dies geschieht, weil der Ausgeber der Anleihe wirtschaftlich nicht mehr leistungsfähig ist oder weil der Emittent insolvent ist und zugleich auch kein Sicherungssystem eingreift.   

Damit aber kommt einer Warnung vor dem Fehlen einer Einlagensicherung neben dem Hinweis auf das Emittentenrisiko keine eigenständige Bedeutung mehr zu, vielmehr würde sie sich als Verpflichtung darstellen, dem Kunden nicht nur darzulegen, dass sein angelegtes Geld insgesamt verloren gehen könnte, sondern auch, dass es - neben allen denkbaren Risiken, die zu einer Insolvenz des Emittenten führen könnten und über die konsequenterweise ebenfalls im Detail aufgeklärt werden müsste - gerade auch wegen Nichteingreifens eines Einlagensicherungssystems verloren gehen könnte.   

Eine solche Aufklärung würde für einen Kunden, d[er ohnehin bereit ist, das Risiko eines Ausfalls des Emittenten der Anlage einzugehen, keine zusätzlichen, für seine Anlageentscheidung wesentlichen Informationen liefern; selbst wenn man sie annehmen wollte, würde eine entsprechende Unterlassung des Beraters jedenfalls nicht kausal für die Investitionsentscheidung geworden sein.   

Vorliegend hat die Klägerin schon nicht dargelegt, jedenfalls aber nicht bewiesen, dass sie nicht gehörig über das Emittentenrisko aufgeklärt worden wäre ...   

            Revisionszulassung

Da die Frage, ob eine Bank im Rahmen der Anlageberatung dem Kunden einen Hinweis auf eine von ihr erzielte Gewinnmarge aus einem Eigengeschäft bzw. neben einem Hinweis auf ein bestehendes Emittentenrisiko auch noch Aufklärung über das Nichteingreifen eines Einlagensicherungssystems schuldet, bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist, kommt der Sache grundsätzliche Bedeutung zu, weshalb der Senat die Revision zulässt (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).   


 

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