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Wirtschaftsrecht
26.06.2008
Wirtschaftsrecht
: Keine Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln bei gesellschaftsrechtlicher Verbindung über weisungsfreie Aktiengesellschaften

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 05.05.2008
Aktenzeichen: II ZR 108/07
Rechtsgebiete: GmbHG, AktG
Vorschriften:

      GmbHG § 32 a Abs. 3
      AktG § 76 Abs. 1

a) Ist ein Gesellschafter an der Darlehen nehmenden und an der Darlehen gebenden Gesellschaft beteiligt, finden auf eine Finanzierungshilfe des Darlehen gebenden Unternehmens die Eigenkapitalersatzvorschriften Anwendung, wenn der Gesellschafter auf die Gewährung oder den Abzug der Kredithilfe an das andere Unternehmen bestimmenden Einfluss ausüben, insbesondere dem Geschäftsführungsorgan der Hilfe gewährenden Gesellschaft entsprechende Weisungen erteilen kann (st.Rspr., vgl. z.B. Sen.Urt. v. 28. Februar 2005 - II ZR 103/02, ZIP 2005, 660, 661 m.w.Nachw.).

b) Hat eine Aktiengesellschaft, die wie ihre Schwestergesellschaft von einer gemeinsamen Muttergesellschaft beherrscht wird, einer GmbH, an der ihre Schwestergesellschaft als Gesellschafterin beteiligt ist, in der Krise eine Finanzierungshilfe gewährt oder belassen, kommt eine Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln nicht in Betracht. Weder die Schwestergesellschaft noch die Muttergesellschaft sind rechtlich in der Lage, bestimmenden Einfluss auf die Entscheidung der Hilfe gewährenden Aktiengesellschaft zu nehmen, ob die Kredithilfe belassen oder abgezogen wird; vielmehr entscheidet hierüber allein deren Vorstand unter eigener Verantwortung (§ 76 Abs. 1 AktG).


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 108/07

Verkündet am: 5. Mai 2008

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 05. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17. April 2007 aufgehoben und das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 12. August 2005 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die von der Klägerin in dem Insolvenzverfahren vor dem Amtsgericht P. , Az. über das Vermögen der F. GmbH angemeldete Forderung von 3.526.210,60 € wird zur Insolvenztabelle festgestellt.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist Verwalter in dem im Januar 2003 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der F. GmbH (nachfolgend Schuldnerin). An der Schuldnerin war bis zum 30. August 2002 die Aktiengesellschaft für A. , Fr. (nachfolgend A. ) mit einem Geschäftsanteil von 40 % beteiligt. Die Aktien der A. befanden sich zu 99,7 % im Besitz der D. AG. Die Klägerin, deren Aktien zu 86,1 % von der G. AG gehalten wurden, gewährte der Schuldnerin mehrere Darlehen. Durch die am 19. September 2001 in das Handelsregister eingetragene Fusion der D. AG und der G. AG zur D. Bank AG wurde die D. Bank AG gemeinsame Muttergesellschaft sowohl der Klägerin als auch der A. . Die Klägerin hat offene Darlehensforderungen gegen die Schuldnerin in Höhe von insgesamt 3.526.210,60 € zur Eintragung in die Insolvenztabelle angemeldet. Der Beklagte hat geltend gemacht, den Darlehen komme wegen der Unternehmensverbindung Eigenkapitalersatzfunktion zu, weil die Klägerin die Darlehen trotz Kündigungsmöglichkeit stehen gelassen habe, obwohl die Schuldnerin - für die Klägerin erkennbar - spätestens im März 2002 kreditunwürdig gewesen sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der - von dem Berufungsgericht zugelassenen - Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin hat Erfolg und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung und zur Verurteilung des Beklagten.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Die Darlehensforderungen der Klägerin seien als nachrangige Insolvenzforderungen i.S. von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu behandeln. Die Klägerin sei Normadressatin des § 32 a GmbHG, sie stehe einem Gesellschafter der Schuldnerin gleich. Hierfür genüge, dass die Klägerin als Schwestergesellschaft der A. der Schuldnerin in der Krise eine Finanzierungshilfe gewährt habe, indem sie trotz erkennbarer Kreditunwürdigkeit der Schuldnerin die ihr gegebenen Darlehen stehen gelassen habe.

II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klägerin nicht Normadressatin des § 32 a Abs. 3 GmbHG. Sie kann deshalb mit ihren Darlehensforderungen nicht auf eine nachrangige (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) Teilnahme am Insolvenzverfahren verwiesen werden.

1. Nach § 32 a GmbHG ist Adressat der Regeln über den Eigenkapitalersatz der Gesellschafter der GmbH (vgl. z.B. Senat, BGHZ 105, 168, 174 ff.). Die Klägerin ist nicht Gesellschafterin der Schuldnerin.

Allerdings gelten nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die Eigenkapitalersatzregeln ausnahmsweise auch für Finanzierungshilfen Dritter, wenn der Dritte bei wirtschaftlicher Betrachtung einem Gesellschafter gleichsteht. Dies kann insbesondere auf Unternehmen zutreffen, die mit einem Gesellschafter horizontal oder vertikal verbunden sind (vgl. z.B. BGHZ 81, 311, 315 ff.; Sen.Urt. v. 22. Oktober 1990 - II ZR 238/89, ZIP 1990, 1593, 1595; v. 21. Juni 1999 - II ZR 70/98, ZIP 1999, 1314, 1315; v. 27. November 2000 - II ZR 179/99, ZIP 2001, 115 f.). Die Verbindung kann einmal in der Weise bestehen, dass der Dritte Gesellschafter-Gesellschafter der Schuldnerin ist, also an einer Gesellschafterin der Schuldnergesellschaft beteiligt ist, und führt jedenfalls dann zur Anwendung der Eigenkapitalersatzvorschriften, wenn der Dritte aufgrund einer qualifizierten Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte einen bestimmenden Einfluss auf den Gesellschafter ausüben kann (Sen.Urt. v. 21. November 2005 - II ZR 277/03, ZIP 2006, 279, 282 z. 20 m.w.Nachw.).

Sie kann aber auch so ausgestaltet sein, dass eine Beteiligung in diesem Sinn dadurch begründet wird, dass ein Gesellschafter an beiden Gesellschaften, der Darlehen nehmenden und der Darlehen gebenden Gesellschaft, und zwar an der letztgenannten "maßgeblich" beteiligt ist. Eine maßgebliche Beteiligung in diesem Sinn ist gegeben, wenn der Gesellschafter auf die Entscheidungen des Kredit gebenden Unternehmens, nämlich auf die Gewährung oder auf den Abzug der Kredithilfe an das andere Unternehmen einen bestimmenden Einfluss ausüben, insbesondere dem Geschäftsführungsorgan der Hilfe gewährenden Gesellschaft durch Gesellschafterbeschlüsse gemäß § 46 Nr. 6 GmbHG entsprechende Weisungen erteilen kann (Sen.Urt. v. 28. Februar 2005 - II ZR 103/02, ZIP 2005, 660, 661; v. 21. Juni 1999 - II ZR 70/98 aaO S. 1315; v. 27. November 2000 - II ZR 179/99 aaO S. 115). Dazu genügt bei einer GmbH - vorbehaltlich einer abweichenden Regelung der Stimmmacht in der Satzung - eine Beteiligung von mehr als 50 % (Senat aaO).

2. Wie die Revision mit Recht rügt, kommt nach diesen Grundsätzen eine Anwendung der Eigenkapitalersatzvorschriften auf die Klägerin nicht in Betracht.

a) Die Klägerin ist nicht Gesellschafter-Gesellschafterin der Schuldnerin, sondern steht lediglich über ihre Schwestergesellschaft, die A. , die ebenso wie sie selbst von der D. Bank AG beherrscht wird, zu der Schuldnerin in einer Verbindung. Diese über die D. Bank AG vermittelte Verbindung zwischen der Gesellschafterin A. und der Klägerin rechtfertigt es nicht, die Finanzierungshilfe der Klägerin einer Gesellschafterhilfe gleichzustellen. Denn die Stellung als Schwestergesellschaft der Klägerin verschaffte der A. keine Rechtsmacht, die Klägerin dazu zu veranlassen, der Schuldnerin einen Kredit zu gewähren oder zu belassen.

b) Ob die Verbindung zwischen der A. und der Klägerin als maßgebliche Beteiligung im Sinne der Senatsrechtsprechung zu beurteilen wäre, wenn zwar nicht sie selbst, wohl aber ihre Gesellschafterin, die D. Bank AG, die Entscheidung der Klägerin über die Gewährung oder Belassung der Kredithilfe an die Schuldnerin hätte steuern können, kann dahinstehen. Denn ebenso wenig wie die A. war die D. Bank AG als Muttergesellschaft - auch - der Klägerin rechtlich in der Lage, entscheidenden Einfluss auf die Geschäftspolitik der Klägerin zu nehmen und darüber zu bestimmen, ob der Schuldnerin die Finanzierungshilfe belassen oder diese abgezogen werden sollte. Zwar konnte die - mit 86,1 % an der Klägerin beteiligte - D. Bank AG über die Besetzung des Aufsichtsrats der Klägerin entscheiden (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 AktG). Die Geschäfte der Klägerin werden jedoch von ihrem Vorstand als dem für die Geschäftsführung einer Aktiengesellschaft zuständigen Organ unter eigener Verantwortung geleitet (§ 76 Abs. 1 AktG). Dass der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft den Vorstand bestellt und abberuft (§ 84 AktG) und seine Geschäftsführung zu überwachen hat (§ 111 AktG), verschaffte der D. Bank AG keine - dem Musterfall der GmbH entsprechenden - gesellschaftsrechtlich fundierten Weisungsbefugnisse gegenüber dem Vorstand der Klägerin (vgl. Sen.Urt. v. 12. Februar 2007 - II ZR 272/05, ZIP 2007, 528, 529 Tz. 11 für die Kapitalaufbringung), mit denen sie bestimmte Maßnahmen durchzusetzen in der Lage gewesen wäre. Der Vorstand der Klägerin war in seiner Entscheidung frei, ob er der Schuldnerin eine Finanzierungshilfe gewähren oder belassen wollte; er war nicht an Weisungen anderer Gesellschaftsorgane, auch nicht an solche von (Groß-)Aktionären wie der Klägerin, gebunden (Hüffer, AktG 8. Aufl. § 76 Rdn. 10).


BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Verfahrensgang: LG Karlsruhe, 11 O 305/03 vom 12.08.2005
OLG Karlsruhe, 17 U 219/05 vom 17.04.2007

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