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Wirtschaftsrecht
07.03.2008
Wirtschaftsrecht
: Keine Anlageberatungshaftung nach Abschluss eines Zinssatzwaps durch ein kommunales Unternehmen

LG Magdeburg, Urteil vom 21.1.2008 -  9 O 1989/06 (408)

§ 249 BGB

,

§ 280 Abs 1 BGB


sachverhalt:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Wege des Schadensersatzes Freistellung von Ansprüchen aus einem Zinsswap-Geschäft.

Bei der Klägerin handelt es sich um ein 100%ig kommunales Unternehmen, welches in der Rechtsform einer GmbH geführt wird. Im Jahre 2006 erhielt die Klägerin ihren heutigen Namen, zuvor firmierte sie unter W. GmbH.

Nach § 12 Abs. 3 Ziff. e des Gesellschaftsvertrages vom 10.12.2002 bedürfen Maßnahmen, die außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Gesellschaft oder der von der Gesellschafterversammlung verabschiedeten Unternehmensplanung liegen, der Zustimmung des Aufsichtsrates. Nach § 2 des Gesellschaftsvertrages ist der Gegenstand des Unternehmens die Trinkwassergewinnung, die Vorbereitung der Übernahme und die Übernahme der örtlichen Frischwasserverteilung sowie weitere in diesem Zusammenhang anfallende Dienstleistungen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gesellschaftsvertrages wird auf die Anlage K1 Bezug genommen.

Die Beklagte ist seit 1994 Hausbank der Klägerin. Seitens der Klägerin, welche bei der Beklagten mehrere Geschäftskonten unterhält, wurden dieser jährlich die betriebswirtschaftlichen Auswertungen, die Jahresabschlüsse, Gewinn- und Verlustrechnungen sowie strategische Unternehmens- bzw. Forecast-Planungen zur Verfügung gestellt. Die Beklagte gewährte der Klägerin in dem Zeitraum von 1994 bis 2000 Kredite im Gesamtwert von ca. 8 Mill. Euro. Insgesamt hat die Klägerin bei der Beklagten und anderen Kreditgebern Darlehensverbindlichkeiten i.H.v. etwa 15 Mill. Euro.

Bereits im Jahre 1999, am 21. Dezember 1999, schlossen die Parteien einen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte. Dieser Vertrag sollte die Grundlage für den Abschluss einzelner Finanztermingeschäfte zur Gestaltung von finanziellen Risiken, insbesondere Zins- und Währungsrisiken bieten. Dem Abschluss des Rahmenvertrages gingen diverse Besprechungen, beginnend im Frühjahr 1999 voraus, in deren Rahmen die Beklagte der Klägerin zinsoptimierende Geschäfte und damit einhergehende Produkte vorstellte und auch anbot. Wegen der weiteren Einzelheiten des Rahmenvertrages wird auf die Anlage K5 Bezug genommen.

Im Dezember 1999/Januar 2000 schlossen die Parteien ein erstes Zinssatzswap-Geschäft über ein Volumen von 2 Mill. DM ab. Dieses beinhaltete eine Kreditaufnahme auf variabler Basis und diente der Finanzierung von Investitionen.

Im Jahre 2003 war die Beklagte im Rahmen eines Projektes mit der Analyse der Liquiditäts- und Zinsrisiken sowie des Zinsersparnispotentials der Klägerin befasst. Wegen des Ergebnisses dieser Analyse wird auf die Abschlussdokumentation Anlage K4 Bezug genommen.

Im Sommer 2004 schlug die Beklagte der Klägerin zur Zinsoptimierung der Unternehmensfinanzierung ein weiteres Swap-Geschäft vor. Hierzu fand am 3. Juni 2004 eine Präsentation statt, mit welcher das vorgeschlagene Produkt erläutert sowie Vorteile und Risiken dargestellt wurden. Wegen der Einzelheiten dieser Präsentation wird auf die Anlage K8 verwiesen.

Infolge dieser Präsentation fanden mehrere Gespräche statt, welche bis Juli/August 2004 keine Ergebnisse brachten. Im September 2004 sagte die Klägerin das zweite Zinssatzswap-Geschäft endgültig ab.

Am 30. März 2005 fand eine erneute Präsentation im Hause der Klägerin statt mit dem Ziel, eine Zinsoptimierung durch ein Swap-Geschäft zu erreichen.

Bei einem Swap-Geschäft tauschen die Vertragspartner zu vorher festgelegten Zeitpunkten Geldbeträge aus, die sich für den einen Partner in der Regel nach einem festen Zinssatz (z.B. 3% eines Nominalbetrages) und für den anderen Partner nach einem variablen Zinssatz (z.B. Differenz zwischen zwei verschiedenen ebenfalls variablen Zinssätzen) berechnen. Das angebotene und am 30.03.05 präsentierte CMS-Spread-Ladder-Swap beruht auf der Differenz (Spread) zwischen dem durchschnittlichen 10-Jahreszinssatz (Kapitalmarktzins) und dem durchschnittlichen 2-Jahreszinssatz (Geldmarktzins). Berechnungsgrundlage sollte kein Realkredit, sondern ein Nominalbetrag sein.

Die Präsentation umfasste ausweislich der von der Klägerin zur Akte gereichten schriftlichen Unterlagen (Anlage K9) eine Übersicht über die aktuelle Marktsituation, eine Zinsprognose sowie Zinserwartungen. Eine Erklärung des Forward-Pricing, eine kurze Erklärung des Ladder-Swap sowie drei Szenarien, die mögliche Entwicklungen des Spread beinhalten. Darüber hinaus ist eine Analyse der Chancen und Risiken enthalten.

Außerdem stellte die Beklagte der Klägerin ausweislich Anlage B9 (Bl. 173 Bd. I. d.A) im Nachgang zu der im Hause der Klägerin erfolgten Präsentation eine Software zur Verfügung, mit deren Hilfe die Klägerin die Entwicklung der 10-Jahreszinssätze und der 2-Jahreszinssätze sowie den Spread beobachten konnte.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Präsentation vom 30.03.2005 wird auf die Anlage K9 Bezug genommen.

Am 14.06.2005 präsentierte die Beklagte im Hause der Klägerin anlässlich einer Aufsichtsratssitzung ihren Vorschlag erneut. Der Umfang der Präsentation entspricht im Wesentlichen der Präsentation vom 30.03.2005. Auch hier heißt es auf dem vorletzten Blatt der Präsentation im Kapitel „Analyse, Chancen und Risiken": „Steigt der von Ihnen zu zahlende Zins über 3 % realisieren sie einen Verlust, dessen Höhe theoretisch unbegrenzt ist." Auch diese Präsentation enthält eine Zinsprognose, die gegenüber der Präsentation vom 30.03.2005 den aktuellen Daten angepasst ist.

Im weiteren Verlauf nahm die Beklagte mit der Klägerin wiederholt Kontakt auf und wies darauf hin, dass die am 14.06.2005 vorgeschlagenen Vertragskonditionen nicht unbegrenzt angeboten werden können. Sie informierte die Klägerin zum Beispiel darüber, dass der in der Präsentation vom 14.06.2005 ausgewiesene Strike von 1,13 % bereits nur noch mit 1,06 % angeboten werden könne.

Am 26./27.07.2005 schlossen die Parteien ein Zinssatzswap-Geschäft mit einem Nominalbetrag von 2 Mill. Euro ab. Als Anfangsdatum wurde der 28.07.2005 und als Enddatum der 28.07.2010 zugrunde gelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Anlage K12 verwiesen.

Im weiteren Verlauf kam es zu Besprechungen im Hause der Klägerin, in deren Rahmen die Beklagte am 21.02.2006 eine Marktwertanalyse vorstellte. Diese Präsentation umfasst eine Analyse des aktuellen Standes sowie nochmals eine Darstellung der möglichen Entwicklungen. Diesem Gespräch folgten weitere, die sich ebenfalls mit der Entwicklung des CMS-Spread-Ladder-Swaps beschäftigten (vgl. Anlage K17, Anlage K18). Im Rahmen dieser Gespräche wurden auch die Handlungsoptionen, wie z.B. den Vertrag unverändert fortzuführen, den Vertrag zu restrukturieren oder den Swap-Vertrag aufzulösen, dargestellt und besprochen.

Der Marktwert des Zinssatzswaps entwickelte sich negativ. Zwischenzeitlich betrug der negative Marktwerk der Anlage ca. 750.000,-- Euro (Zeitpunkt der Klageeinreichung); zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ca. 570.000,-- Euro.

Die Klägerin behauptet,

das abgeschlossene Geschäft habe zu keinem Zeitpunkt den Interessen der Klägerin entsprochen. Die Beklagte hätte ihr von dem Abschluss eines solchen Geschäftes sogar abraten müssen.

Die Beklagte habe weiter bei ihrer Beratung die Risiken des Swap-Geschäftes konsequent verharmlost. Sie habe immer eher die Chancen des Geschäftes betont und die Risiken nicht in ausreichender Weise dargestellt. Die Klägerin meint, allein der Hinweis auf ein „theoretisch" unbegrenztes Verlustrisiko reiche nicht aus. Die Beklagte hätte sämtliche das Risiko beeinflussende Parameter umfassend und detailliert erläutern müssen. Auf Nachfrage habe die Beklagte lediglich erklärt, die der Berechnung zugrunde liegende Formel sei äußerst kompliziert.

Darüber hinaus habe die Beklagte einen äußerst aggressiven Akquisitionsstil an den Tag gelegt und die Klägerin zum Abschluss des Swap-Geschäftes vom 26./27. Juli 2005 gedrängt, obwohl dieses nicht ihren Zielen entsprach.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von sämtlichen Zahlungsverpflichtungen aus dem Abschluss des am 26./27.07.2005 erfolgten Zinsswapgeschäfts, Ref. Nr. 1219656 L freizustellen Zug um Zug gegen Zahlung von 15.000,-- Euro und weiteren 15.000,-- Euro fällig am 27.07.2007 an die Beklagte.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

aus den gründen:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Freistellung von sämtlichen Zahlungsverpflichtungen aus dem Swap-Geschäft vom 26./27.07.2005 wegen Pflichtverletzung des Rahmenvertrages vom 21.12.1999,

§§ 280

Abs. 1,

249 BGB

.

Die Parteien standen in laufenden Geschäftsbeziehungen und haben mit dem Rahmenvertrag über den Abschluss von Finanztermingeschäften am 21.12.1999 ein Schuldverhältnis vereinbart, aus welchem sich zwar keine primären Leistungspflichten, aber sekundäre Schutz- und Verhaltenspflichten ergeben. Diese bestehen im Wesentlichen für die Beklagte in Aufklärungs- und weitergehenden Beratungspflichten.

Die Beklagte hat ihre Aufklärungs- und Beratungspflichten aber nicht in einer zum Schadensersatz verpflichtenden Weise verletzt. Sie hat die Klägerin hinsichtlich des Zinsswap-Geschäftes vom 26./27.07.2005 sowohl anleger- als auch anlagegerecht beraten.

Inhalt und Umfang der Beratungspflicht sind von einer Reihe von Faktoren abhängig, die sich einerseits auf die Person des Kunden (anlegergerechte Beratung) und andererseits auf das Anlageprojekt (anlagegerechte Beratung) beziehen. Die konkrete Ausgestaltung der Pflicht hängt entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab.

Zu den Umständen in der Person des Kunden (anlegergerechte Beratung) gehören insbesondere dessen Wissensstand über Anlagegeschäfte und dessen Risikobereitschaft (vgl. BGH NJW 1993, 24 33). Die Kenntnis von solchen Umständen kann die Bank sowohl aus langjährigen Geschäftsbeziehungen mit dem Kunden gewonnen haben. Sie kann aber auch den Informationsstand und das Anlageziel des Kunden erfragen. Die empfohlene Anlage muss dabei unter Berücksichtigung dieses Ziels auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten, also „anlegergerecht" sein (BGH NJW 1993, 24 33).

In Bezug auf das Anlageobjekt (anlagegerechte Beratung) hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Dabei ist zwischen den allgemeinen Risiken, wie der Konjunkturlage und der Entwicklung des Börsenmarkes, und den speziellen Risiken zu unterscheiden, die sich aus den individuellen Gegebenheiten des Anlageobjektes, wie Kurs-, Zins- und Währungsrisiko, ergeben. Die Beratung der Bank muss dabei richtig und sorgfältig, für den Kunden verständlich und vollständig sein. Die Bank muss zeitnah über alle Umstände unterrichten, die für das Anlagegeschäft von Bedeutung sind (BGH NJW 1993, 24 33).

1. Die Beratung der Klägerin durch die Beklagte war unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin und ihrem Wissenstand anlegergerecht.

Der Auffassung der Klägerin, das abgeschlossene Geschäft habe nicht ihren Interessen entsprochen und die Beklagte hätte ihr vom Abschluss eines solchen Geschäftes abraten müssen, kann nicht gefolgt werden.

Bereits seit 1999 befand sich die Klägerin mit der Beklagten in regem Austausch über die Möglichkeiten zur Zinsoptimierung und signalisierte vor allem auch durch den Abschluss des Rahmenvertrages im Dezember 1999 ihre Bereitschaft, von ihrer bisherigen konservativen Strategie abzuweichen und unter anderem auch Finanztermingeschäfte abzuschließen. Im Jahr 2003 hatte die Klägerin die Beklagte sogar beauftragt, die Zinsrisiken zu analysieren, und um Handlungsempfehlungen zum Zinsmanagement gebeten. Auf Seite 3 der entsprechenden Unterlagen (Anlage K4) heißt es: „In der Vergangenheit ist es" der Klägerin „gelungen, ein funktionierendes Risikomanagement bezüglich der technischen Risiken sowie ein ausgefeiltes Investitionscontrolling aufzubauen. Daneben ist die" Klägerin „daran interessiert, ein solches System auch für finanzielle Risiken aufzubauen bzw. zu erweitern. Hierbei kann auf eine bereits bestehende 15-Jahresplanung zurückgegriffen werden.".

Hieraus ergibt sich, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten deutlich gemacht hat, dass sie von ihrer bisherigen Strategie abweichen wollte. Die Klägerin war nicht mehr ausschließlich an einer risikoarmen bzw. an einer nahezu risikofreien Anlagestrategie interessiert, sondern wollte ein aktives Management der finanziellen, insbesondere der Zinsrisiken aufbauen.

Zinsswap war dabei nur eine der Möglichkeiten, die die Beklagte in ihrer Analyse im Jahre 2003 vorschlug (Anlage K4, S. 42 ff). Daneben zeigte die Beklagte als weitere Optionen die Zinsbegrenzung (Zinscap) und ein aktives Zinsmanagement auf.

Darüber hinaus lief bereits seit Dezember 2000 ein Zinsswap-Geschäft der Beklagten mit der Klägerin, mit welchem diese offenbar sehr zufrieden war und ist. In 2004 wurde außerdem lange und intensiv über ein zweites Geschäft dieser Art verhandelt. Die Beklagte durfte und konnte daher davon ausgehen, dass ein Zinsswap-Geschäft den Interessen der Klägerin, nämlich der aktiven Beeinflussung und Steuerung der Zinsrisiken, entsprach.

Die Beklagte hätte ihr auch nicht von einem solchen Geschäft generell abraten müssen. Wie bereits gezeigt, hatte sich, auch für die Beklagte erkennbar, die Klägerin dauerhaft und nachhaltig mit dem Thema finanzielles Risikomanagement, insbesondere Zinsmanagement beschäftigt und entsprechendes Interesse bekundet.

Eine Ausdehnung der Beratungspflicht, wie von der Klägerin erwartet, geht nach Auffassung der Kammer eindeutig zu weit. Der beratenden Bank kann nicht abverlangt werden, ihren Kunden die Anlageentscheidung selbst abzunehmen. Typischerweise erwartet ein Kunde vor allem Aufklärung über die Eignung des Anlageobjektes für seine Zwecke und die damit verbundenen spezifischen Risiken. Die Anlageentscheidung selbst will er in aller Regel jedoch eigenverantwortlich treffen. Aufgabe der beratenden Bank ist es deshalb lediglich, den Kunden durch ausreichende Informationen in die Lage zu versetzen, eine solche Entscheidung unter Berücksichtigung der bestehenden Risiken zu treffen. Die Grenze zwischen pflichtgemäßer und pflichtwidriger Beratung verläuft nach Auffassung der Kammer dort, wo die Bank, um eine ausschließlich konservative Anlagestrategie des Kunden wissend, nicht in ausreichendem Maße und nicht deutlich genug über Risiken informierte und darauf aufmerksam machte, dass diese Form der Anlage von der bisherigen Strategie abweicht.

Soweit die Klägerin meint, sie habe keine hinreichende Erfahrung mit Swap-Geschäften gehabt, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden.

Bereits das erste Zinsswap-Geschäft aus dem Jahre 2000 lässt darauf schließen, dass die Klägerin sehr wohl Erfahrung mit solchen Geschäften hatte. Das erste Zinsswap-Geschäft entsprach in seinen wesentlichen Eckpunkten dem zweiten nicht abgeschlossenen und auch dem hier streitgegenständlichen dritten Zinsswap-Geschäft der Klägerin. Auch hier wurde auf der einen Seite ein fester Zinssatz vereinbart, dem ein variabler Zinssatz gegenüberstand. Das hier streitgegenständliche Zinsswap-Geschäft unterscheidet sich von dem ersten darin, dass es nicht an eine Kreditsumme gebunden war, sondern nur auf einem Nominalbetrag fußte, und dass die Klägerin Zahler des Festsatzes und nicht des variablen Satzes war. Auch das erste Zinsswap-Geschäft aus dem Jahre 2000 wies zwischenzeitlich einen negativen Marktwert aus, was sich aus dem Jahresabschluss 2004 der Klägerin ergibt. Dort hatte die Klägerin den negativen Marktwert des Geschäftes bilanztechnisch berücksichtigt. Der Klägerin war somit bereits mit Abschluss des ersten Zinsswap-Geschäftes bekannt, dass ein Zinsswap auch ein Marktwertrisiko birgt.

Allein die Tatsache, dass das erste Zinsswap-Geschäft unter „umgekehrten Vorzeichen" abgeschlossen wurde, d.h. die Beklagte mit dem variablen Zinssatz auch das Kapitalmarktrisiko trug, kann nicht zu der Annahme führen, dass die Klägerin unerfahren gewesen sei.

Darüber hinaus ließ sich die Klägerin von der Beklagten zur Vorbereitung eines zweiten Zinsswap-Geschäftes (welches dem hier streitgegenständlichen vollständig glich) im Jahre 2004 umfänglich beraten. In der entsprechenden Präsentation vom 3. Juni 2004 sind alle wesentlichen Daten, Prognosen und Berechnungsbeispiele eines solchen Geschäftes enthalten (vgl. Anlage K8). In der Präsentation heißt es auf der letzten Seite: „Da die Entwicklung des 6-Monats-EURIBOR nicht voraussehbar ist, kann kein „worstcase" beziffert werden, d.h. die Strategie ist bei einer für sie ungünstigen Entwicklung des Referenzzinssatzes mit einem theoretisch unbegrenzten Verlustrisiko verbunden.".

Wie die Klägerin selbst vorträgt, fanden bereits im Jahre 2004 mehrere Besprechungen zu dem Zinsswap-Geschäft statt; die Klägerin nahm von dem Abschluss eines solchen Geschäftes zum damaligen Zeitpunkt, wie sie selbst vorträgt, wegen des für sie nicht ohne weiteres zu kalkulierenden Risikos Abstand.

Der Klägerin war aufgrund des Geschäftes aus dem Jahre 2000 und infolge der umfangreichen Beratung im Jahre 2004 bereits die wesentliche Grundstruktur eines Zinsswap-Geschäftes bekannt. Sie konnte bei Abschluss des hier streitgegenständlichen Zinsswap-Geschäftes im Juli 2005 nicht als gänzlich unerfahren betrachtet werden.

Außerdem darf nicht aus den Augen verloren werden, dass es sich bei der Klägerin nicht um einen Privatanleger oder selbständigen Unternehmer handelt. Die Klägerin nimmt am Wirtschaftleben teil und tätigt Investitionen in nicht unbeträchtlichem Umfang. Sie arbeitet täglich mit Krediten in erheblichem Ausmaß und kann daher als ein mit Finanzgeschäften generell erfahrener Kunde betrachtet werden.

2. Die Beratung der Klägerin durch die Beklagte im Jahre 2005 war auch anlagegerecht. Insbesondere hat die Beklagte die Klägerin über das mögliche Verlustrisiko so informiert und aufgeklärt, dass sie in Kenntnis aller dem Anlagegeschäft eigenen Umständen eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen konnte, die offenbar auch vom Aufsichtsrat der Klägerin genehmigt worden ist.

Das streitgegenständliche Zinsswap-Geschäft beruht auf der Differenz zwischen dem 10-Jahreszinssatz und dem 2-Jahreszinssatz. Dabei entspricht der durchschnittliche 10-Jahresszinssatz dem Kapitalmarktzins und der durchschnittliche 2-Jahreszinssatz dem Geldmarktzins. Die Differenz zwischen diesen beiden Zinssätzen (Spread) ist daher veränderlich. Sowohl die Entwicklung des 10-Jahresszinssatzes als auch des 2-Jahreszinssatzes ist von verschiedenen Parametern abhängig, die weder im Verantwortungsbereich der Klägerin noch in dem der Beklagten liegen. Hierüber war die Klägerin spätestens durch die Präsentation für das zweite Swap-Geschäft vom 3. Juni 2004, wahrscheinlich schon bei Abschluss des ersten, in der Grundstruktur ähnlichen Zinsswap-Geschäftes, informiert.

Vor Abschluss des hier streitgegenständlichen Swap-Geschäftes im Juli 2005 führte die Beklagte bei der Klägerin zwei Präsentationen (am 30. März 2005 und am 14. Juni 2005) durch. Schon beim Vergleich der schriftlichen Unterlagen zu den Präsentationen fällt ohne weiteres auf, dass die Zinsprognosen (Stand 17. März 2005 bzw. Stand 3. Juni 2005) stark voneinander abweichen. Gleiches gilt für die Erwartung in Bezug auf den 2-Jahres- bzw. 10-Jahres-Zinssatz und die sich daraus ergebende Differenz (Spread). In der Präsentation vom 30. März 2005 wurde mit Stand 16.03.2005 ein Spread für das kommende Jahr von 1,25 prognostiziert; in der Präsentation vom 14. Juni 2005 betrug die Differenz 1,6. Allein hieraus konnte die Klägerin ohne weiteres erkennen, dass die die Entwicklung des Zinssatzes beeinflussenden Variablen sehr schwanken und verlässliche Aussagen hierzu nicht möglich sind.

In beiden Präsentationen wurden jeweils drei Szenarien dargestellt. Das zweite Szenario enthält den Fall, dass der Spread sich verringert und daher der variable Zinssatz, welchen die Klägerin zu zahlen hätte, auf bis zu 8,36 % (Präsentation vom 30. März 2005, Anlage K9) bzw. 7,84 % (Präsentation vom 14. Juni 2005, Anlage K10) steigt. Demgegenüber stand jeweils der Festzinssatz i.H.v. 3 %, welchen die Beklagte zu zahlen hätte. Dabei ergibt sich aus der Darstellung, dass es sich bei dem dieser Berechnung zugrunde liegenden Spread lediglich um eine Prognose handelt, es also möglich ist, dass der Spread sich noch stärker verringert und der von der Klägerin zu zahlende Zinssatz noch mehr erhöht. Für die Klägerin war demnach erkennbar, dass ein Fall eintreten kann, in welchem ihre Zahlungsverpflichtung weit höher wäre als die zu erwartenden Zahlungen, somit ein Verlust eintreten würde. Dies in Verbindung mit dem ebenfalls in beiden Präsentationen enthaltenen Hinweis, dass ein in der Höhe theoretisch unbegrenzter Verlust möglich ist, stellt eine ausreichende Aufklärung über das zu erwartende Risiko dar.

Dabei musste die Klägerin die Formel zur Berechnung des von ihr zu zahlenden Zinssatzes nicht im Einzelnen nachvollziehen können, um sich ein Bild über das Ausmaß des Risikos verschaffen zu können. Die ihr zur Verfügung stehenden Informationen reichten vollkommen aus, um ihr zu verdeutlichen, dass die Entwicklung des Spread sehr sensibel einer Vielzahl von Faktoren folgt, die weder die Beklagte noch die Klägerin beeinflussen konnten. Außerdem hatte die Beklagte im zweiten Szenario der Präsentationen mögliche Entwicklungen des von der Klägerin zu zahlenden Zinssatzes aufgezeigt, ohne dabei den Eindruck zu vermitteln, diese Entwicklung sei nach oben oder unten begrenzt. Dass eine Berechnung des letztlich zu zahlenden Betrages nicht erfolgte, war dem Umstand geschuldet, dass zum Zeitpunkt der Präsentationen der Nominalbetrag als Bezugsgröße noch nicht bekannt war.

Ausweislich der Anlage B9 (Bl. 173 Bd. I d.A.) hatte die Beklagte der Klägerin außerdem bereits mit Schreiben vom 30. März 2005, also vier Monate vor Abschluss des Geschäftes, eine Software zur Verfügung gestellt, mit deren Hilfe die Klägerin in die Lage versetzt wurde, die Entwicklung der Differenz zwischen dem 10-Jahreszinssatz und dem 2-Jahreszinssatz (Spread) nachzuvollziehen bzw. zu beobachten. Die Klägerin hatte demnach ausreichend Zeit und Gelegenheit, sich bis zum Abschluss des streitgegenständlichen Zinsswap-Geschäftes im Juli 2005 über das Auf und Ab des Spread zu informieren und sich ein eigenes Bild über dessen Schwankungen und das damit verbundene, tatsächlich schwer zu kalkulierende Risiko zu verschaffen.

Nach alledem hat die Beklagte der Klägerin sämtliche Informationen zur Verfügung gestellt, die für eine verantwortliche Anlageentscheidung notwendig waren. Insbesondere hat die Beklagte die Klägerin mehrfach darauf hingewiesen, dass ein in seiner Höhe theoretisch unbegrenztes Risiko besteht, und der Klägerin sämtliche Materialien und Hilfsmittel zur Hand gegeben, um die Entwicklungen der einzelnen das Risiko beeinflussenden Parameter bereits im Vorfeld der Anlageentscheidung im Juli 2005 zu beobachten bzw. nachzuvollziehen.

Wenn die Klägerin rügt, dass die Beklagte in ihren Präsentationen auf die Risiken zwar hingewiesen, aber die Chancen eines solchen Geschäftes doch immer stärker betont habe, so verkennt die Klägerin, dass auch die Beklagte ein Geschäft machen wollte.

Zu einer verantwortlichen Anlageentscheidung gehört es auch, bei der Abwägung des Für und Wider die Interessen des Geschäftspartners zu berücksichtigen. Es liegt nach Auffassung der Kammer in der Natur der Sache, dass die Beklagte über die ihr obliegende Aufklärungspflicht hinsichtlich der Risiken hinaus diese nicht übermäßig betonte. Daraus folgt jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, dass die Klägerin über die bestehenden Risiken des Geschäftes nicht in ausreichendem Maße anlagegerecht aufgeklärt worden wäre.

II. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Schadensersatzanspruch aus

§ 823 Abs. 2 BGB

 i.V.m.

§§ 31

Abs. 1,

32 Abs. 1 WpHG

. Bei den Vorschriften der 31, 32 WpHG handelt es sich zwar um Schutzgesetze i.S.d.

§ 823 Abs. 2 BGB

, aus deren Verletzung ein Schadensersatzanspruch aus

§ 823 Abs. 2 BGB

 folgen kann. Im vorliegenden Fall liegt eine solche Verletzung durch die Beklagte aber aus den o.g. Gründen nicht vor.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf

§ 91 Abs. 1 ZPO

. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus

§ 709 ZPO

.

IV. Der Streitwert wird nach Angaben der Klägerin auf € 748.800,00 festgesetzt.

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