OLG Dresden: Kein vorbeugender Unterlassungsanspruch
OLG Dresden, Beschluss vom 7.6.2021 – 4 W 235/21
Volltext des Beschlusses://BB-ONLINE BBL2021-1939-1
NICHT AMTLICHER LEITSATZ
Bei einer vorbeugenden Unterlassungsklage muss jedenfalls die bevorstehende Rechtsverletzung konkret festgestellt und hierzu durch den Antragsteller dargelegt und im Einzelfall bewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht werden.
UWG § 4; BGB § 823 Abs. 1 i.V.m. § 1004 Abs. 1 S. 2
Sachverhalt
Die Antragstellerin erbringt Dienstleistungen auf dem Gebiet des Online-Marketings. Der Antragsgegner - ehemaliger Kunde der Antragstellerin - brachte in einer an den Geschäftsführer der Antragstellerin gerichteten WhatsApp-Nachricht vom 01.02.2021 seinen Unmut über die aus seiner Sicht vorliegende Schlechtleistung der Antragstellerin zum Ausdruck und warnte sie weiter sinngemäß, er werde eine Online-Kampagne starten, in der er ihre Geschäftspraktiken anprangern werde, wenn sie, die Antragstellerin sich im Hinblick auf eine Vertragsanpassung nicht kompromissbereit zeige.
Die Antragstellerin leitet hieraus ihre Befürchtung ab, der Antragsgegner werde demnächst rufschädigende falsche Tatsachenbehauptungen über sie aufstellen. Es liege die Gefahr einer Erstbegehung einer sogenannten aggressiven geschäftlichen Handlung gemäß § 4 a Abs. 1 UWG vor.
Das Landgericht hat den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung abgelehnt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr ursprüngliches Ziel vollumfänglich weiter. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages ist sie der Auffassung, dass ihr ein Unterlassungsanspruch auf der Grundlage der §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog zustehe. Die Befürchtung der Verbreitung unwahrer Tatsachen folge daraus, dass der Antragsgegner der Antragstellerin betrügerisches Verhalten vorwerfe.
Im Übrigen habe das Landgericht die Anforderungen an die Darlegungslast der Antragstellerin überspannt. Genauere Darlegungen seien der Antragstellerin nicht möglich und unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes auch nicht geschuldet.
Aus den Gründen
II. 1. Die nach §§ 936; 922; 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden und damit zulässig.
2. In der Sache bleibt sie indessen ohne Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht sowohl Ansprüche nach dem UWG als auch einen Anspruch nach § 823 Abs. 1 i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog verneint.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss, dort unter II. verwiesen.
Mit der sofortigen Beschwerde zeigt die Antragstellerin keine Gesichtspunkte auf, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen würden.
Die Antragstellerin kann zwar als juristische Person des Privatrechts auch Träger der in § 823 BGB genannten Rechte sein, insbesondere genießt sie den von § 823 BGB gewährleisteten Schutz am eingerichteten und ausgerichteten Gewerbebetrieb. Er ist in der Rechtsprechung als sonstiges Recht im Sinne von Abs. 1 anerkannt. Es handelt sich hierbei um einen offenen Auffangtatbestand, der eine sonst bestehende Lücke, insbesondere im gewerblichen Rechtsschutz schließen soll (BGH, NJW 2006, 830; Palandt-Sprau, BGB, 80. Aufl., § 823 Rz. 20). Dabei genießt die Antragstellerin als juristische Person privaten Rechts Persönlichkeitsschutz in dem Umfang, in dem durch ihr Wesen als Zweckschöpfung des Rechts ihre satzungsgemäßen Funktionen und ihre soziale Wertgeltung beschränkt wird (BGH, NJW 16, 1584, Rz. 11; Palandt-Sprau, a.a.O., § 823 Rz. 91 m.w.N.; Senat, Urteil vom 01.06.2018 - 4 U 217/18 und 4 U 218/18 - juris, Rz. 18).
Ein Unterlassungsanspruch setzt aber voraus, dass die Antragstellerin zumindest glaubhaft macht, der Antragsgegner werde sich in naher Zukunft in der bezeichneten Weise rechtswidrig verhalten (statt vieler: BGH, Urteil vom 09.10.1986 - I ZR 158/84; Wenzel, Handbuch des Äußerungsrechts, 6. Aufl., Kap. 12 Rz. 33 m.w.N.). Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Antragsteller (Wenzel, a.a.O., Rz. 33 m.w.N.).
Zusätzlich muss die Antragstellerin im vorliegenden Fall zur Begründung des Unterlassungsanspruchs die Erstbegehungsgefahr darlegen. Bei der Geltendmachung dieses sogenannten „vorbeugenden“ Unterlassungsanspruchs handelt es sich um den härtesten Eingriff in die Äußerungsfreiheit bei gleichzeitig stärkstem Schutz desjenigen, der eine Verletzungshandlung seitens des Äußernden befürchtet. Berechtigterweise stellt die Rechtsprechung deshalb erhöhte Anforderungen an die Darlegung der Erstbegehungsgefahr und fordert für deren Bejahung konkrete Tatsachen, die die Verbreitung und Absicht eines rechtswidrigen Eingriffs mit Sicherheit erkennen lassen.
Bei einer vorbeugenden Unterlassungsklage muss jedenfalls die bevorstehende Rechtsverletzung konkret festgestellt und hierzu durch den Antragsteller dargelegt und im Einzelfall bewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht werden. Anhaltspunkte für eine Erstbegehungsgefahr können deshalb nur dann vorliegen, wenn der Betroffene bereits den konkreten Inhalt der beabsichtigten Mitteilung kennt und dem Gericht entsprechende Unterlagen vorlegen und glaubhaft machen kann (Senatsbeschluss vom 18.12.2020 - 4 W 842/20 m. w. N.) Die rechtswidrige Störung muss als unmittelbar bevorstehend anzusehen sein (BGHZ 2, 394, 395; Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht, 2. Aufl., Kap. 42, Rz. 14 m.w.N.).
Hieran fehlt es vorliegend, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat. Die vom Antragsteller zur Darlegung eines rechtswidrigen Eingriffs in seinen Gewerbebetrieb und einer Erstbegehungsgefahr zitierten Äußerungen des Antragstellers genügen weder, hieraus einen rechtswidrigen Eingriff an sich abzuleiten, noch darüber hinaus, das unmittelbare Bevorstehen einer rechtswidrigen Störung mit Sicherheit erkennen zu lassen.
Soweit der Antragsgegner angedroht hat, demnächst eine rufschädigende Kampagne zu Lasten der Antragstellerin zu starten, genügt dies im Übrigen nicht für die Annahme eines rechtswidrigen Eingriffs. Der Antragsgegner hat sinngemäß ausgeführt, er werde ausschließlich belegbares Fehlverhalten der Antragstellerin veröffentlichen. Soweit es sich hierbei um nachprüfbare Fakten handelt, steht hier also allein die Gefahr wahrer Tatsachenbehauptungen im Raum, auf deren Unterlassung grundsätzlich kein Anspruch besteht.
Sofern die Äußerungen des Antragsgegners dahin gehen sollten, der Antragstellerin ein betrügerisches Geschäftsgebaren vorzuwerfen, sind solche Äußerungen im allgemeinen Meinungsäußerungen und keine Tatsachenaussagen (vgl. BGH, NJW-RR 1999, 151 - „Bestechung“; Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadenersatz in den Medien, 3. Aufl. Rz. 602 m.w.N.).
Eine scharfe Kritik müsste die Antragstellerin als Meinungsäußerung hinnehmen. Als juristische Person des Privatrechts kann sie bereits begrifflich nicht in ihrer Intimsphäre verletzt sein, sondern allenfalls im Rahmen ihres Geltungsanspruchs als Unternehmen in ihrer Sozialsphäre. Aus diesem Grunde haben juristische Personen des Privatrechts auch unsachliche Kritik grundsätzlich hinzunehmen (Senatsurteil vom 01.06.2018 - 4 U 217/18 und 218/18, Rz. 18).
Bei den angedrohten Äußerungen handelt es sich zudem nicht um Schmähkritik. Eine Äußerung ist nicht bereits dann als Schmähkritik anzusehen, wenn sie polemisch zugespitzt wird oder in sachlicher Hinsicht überzogen oder ausfällig ist. Hinzutreten muss vielmehr eine das sachliche Anliegen der Äußerung völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung (Senatsurteil, a.a.O.; BGH, Urteil vom 27.02.2018, VI ZR 489/16, Rz. 37 [K&R 2018, 391, WRP 2018, 694]). Dies ist vorliegend nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin nicht der Fall. Der Antragsgegner möchte nach den Darlegungen der Antragstellerin Missstände im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der Antragstellerin aufzeigen und dies mit möglichst großer Verbreitung.
Daher stünde ein sachliches Anliegen des Antragsgegners im Vordergrund.
Hieraus folgt, dass im Rahmen der allgemeinen Abwägung zwischen dem Recht auf ungehinderte Ausübung des eingerichteten Gewerbebetriebes auf der einen Seite und dem Recht auf freie Meinungsäußerung des Antragsgegners auf der anderen Seite das Recht der Antragstellerin hinter dem Meinungsäußerungsrecht des Antragsgegners zurückzutreten hätte.
Die Erstbegehungsgefahr eines unmittelbar bevorstehenden rechtswidrigen Eingriffs in den ausgeübten Gewerbebetrieb der Antragstellerin ist damit bereits nicht hinreichend dargelegt.