OLG München: Kein Stimmverbot des Alleinaktionärs bei Abberufunf eines besonderen Vertreters
OLG München, Urteil vom 3.3.2010 - 7 U 4744/09
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Beschlüssen einer außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten, die damals noch unter B Bank AG firmierte, vom 10. November 2008.
In der Hauptversammlung der Beklagten vom 26./27. Juni 2007 war beschlossen worden, Ersatzansprüche der Beklagten aus der Geschäftsführung gegen die gegenwärtigen und ehemaligen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Beklagten sowie gegen die damalige Mehrheits- und nunmehrige Alleinaktionärin, die U ., unter anderem wegen der Veräußerung der Anteile der Beklagten an der Bank A Creditanstalt AG und wegen Vermögensschäden der Beklagten durch eine nicht adäquate Ermittlung des Verkaufspreises für die Anteile der Beklagten an der Bank A Creditanstalt AG geltend zu machen. Zur Geltendmachung der Ersatzansprüche hatte die Hauptversammlung den Kläger zu 1) als besonderen Vertreter nach § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG bestellt. Die U , weil vom Stimmrecht nach § 136 Abs. 1 S. 1 AktG ausgeschlossen, hatte an der Abstimmung nicht teilgenommen.
Die hiergegen gerichtete Klage der U . war vom Landgericht München I mit Endurteil vom 4. Oktober 2007, Az. 5 HKO 12615/07, abgewiesen worden. Der Senat hatte die Klageabweisung auf die Berufung der U hin mit Endurteil vom 27. August 2008, Az. 7 U 5678/07, weitgehend bestätigt. Das Verfahren ist derzeit beim Bundesgerichtshof, dort Az. II ZR 225/08, anhängig.
In derselben Hauptversammlung der Beklagten vom 26./27. Juni 2007 war beschlossen worden, die Aktien der Minderheitsaktionäre der Beklagten, zu denen auch die Klägerin zu 2) gehörte, nach § 327a Abs. 1 AktG gegen Gewährung einer Barabfindung auf den Hauptaktionär U zu übertragen. Der Übertragungsbeschluss ist am 15. September 2008 in das Handelsregister eingetragen worden. In Folge dieses Squeeze-out ist die Beklagte nicht mehr börsennotiert.
Am 10. November 2008 fand eine außerordentliche Hauptversammlung der Beklagten statt, auf der die U als alleinige Aktionärin vertreten war. Die Hauptversammlung fasste dabei unter Verzicht auf alle Form- und Fristvorschriften für die Einberufung einer Hauptversammlung den Beschluss, den in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 26./27. Juni 2007 gefassten Beschluss über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen vollumfänglich aufzuheben und den Kläger zu 1) als besonderen Vertreter mit sofortiger Wirkung von seinem Amt abzuberufen.
Gegen diesen Beschluss wenden sich die Klagen.
Mit Endurteil vom 27. August 2009 (veröffentlicht in: NJW 2009, 3794 = ZIP 2009, 2198) hat das Landgericht München I den angegriffenen Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 11. November 2008 auf die Klage des Klägers zu 1) für nichtig erklärt, die Klage der Klägerin zu 2) aber abgewiesen.
Soweit das Landgericht der Klage stattgegeben hat, hat es in dem angegriffenen Beschluss der Hauptversammlung einen Verstoß gegen § 136 Abs. 1 S. 1 AktG gesehen, weil die U obwohl einzige Aktionärin, vom Stimmrecht ausgeschlossen sei. Zur Begründung führt das Landgericht aus, dass eine teleologische Reduktion des § 136 Abs. 1 S. 1 AktG unter dem Gesichtspunkt, dass es sich bei der Beklagten um eine Ein-Mann-Aktiengesellschaft handle, in der hier gegebenen Situation nicht in Betracht komme. Der streitgegenständlichen Beschluss ziele darauf ab, die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 26./27. Juni 2007 über die Bestellung des Klägers zu 1) zum besonderen Vertreter und zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen unter anderem gegen die nunmehrige Alleinaktionärin aufzuheben und den Kläger zu 1) aus seiner Funktion abzuberufen. Daher habe der Stimmrechtsausschluss in der Hauptversammlung vom 10. November 2008 in gleicher Weise bestanden wie in der Hauptversammlung vom 26./27. Juni 2007. Gerade für die hier vorliegende Fallgestaltung, dass mit dem Beschluss insbesondere über die Abberufung des besonderen Vertreters die von diesem bereits erhobene Schadensersatzklage gegen zwei Vorstandsmitglieder und den Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Beklagten unzulässig würde, müsse von einem Interessenkonflikt ausgegangen werden. Dem könne auch nicht entgegengehalten werden, es käme dadurch zu einer dauerhaften Lähmung der Beklagten. Dieser Gefahr lasse sich durch eine analoge Anwendung des § 142 Abs. 4 AktG begegnen.
Die Klage der Klägerin zu 2) hat das Landgericht mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin zu 2) ─ anders als der Kläger zu 1) nach § 245 Nr. 4 AktG analog ─ nicht anfechtungsbefugt sei. Die Klägerin zu 2) habe durch die Eintragung des Squeeze-out Beschlusses in das Handelsregister am 15. September 2008 und damit bereits vor der hier streitgegenständlichen Hauptversammlung am 10. November 2008 ihre Aktionärsstellung verloren. Auch eine Anwendung des § 265 Abs. 2 ZPO oder der verfassungsrechtlich gewährleistete Justizgewährungsanspruch rechtfertigten kein anderes Ergebnis.
Mit der Berufung verfolgen die Beklagte und die Klägerin zu 2) ihre Anträge weiter. Die Beklagte ist der Auffassung, dass ein Verstoß gegen § 136 AktG nicht gegeben sei, zudem sei der Kläger zu 1) nicht anfechtungsbefugt. Die Klägerin zu 2) leitet eine Anfechtungsbefugnis aus § 265 Abs. 2 ZPO analog ab.
Die Beklagte beantragt in zweiter Instanz:
1. Das Urteil des Landgerichts München I vom 27. August 2009, Az. 5 HKO 21656/08, wird teilweise abgeändert: Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Berufung der Klägerin zu 2) wird zurückgewiesen.
Die Klägerin zu 2) beantragt in zweiter Instanz:
Das Urteil des Landgerichts wird insoweit aufgehoben, als die Klage der Klägerin zu 2) abgewiesen und sie mit den Kosten des Verfahrens belastet wurde.
Der Kläger zu 1) beantragt in zweiter Instanz:
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird ergänzend auf das Endurteil des Landgerichts München I vom 27. August 2009 (Bl. 126/150 d.A.) sowie hinsichtlich des weiteren Vorbringens auf die Schriftsätze der Parteien sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3. März 2010 (Bl. 263/266 d.A.) Bezug genommen.
II.
1. Die zulässige Berufung der Klägerin zu 2) ist nicht begründet. Zu Recht hat das Erstgericht eine Anfechtungsbefugnis bzw. ein besonderes Feststellungsinteresse der Klägerin zu 2) verneint, weil die Klägerin zu 2) seit dem 16. September 2008 nicht mehr Aktionärin ist und der angegriffene Hauptversammlungsbeschluss vom 10. November 2008 datiert.
a) Eine Anfechtungsbefugnis ergibt sich weder aus § 245 Nr. 1 AktG noch aus § 245 Nr. 2 AktG. Beide Vorschriften setzen neben weiteren hier nicht interessierenden Kautelen zwingend die Aktionärseigenschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung voraus (ausdrücklich OLG Stuttgart NZG 2001, 277, 278; Göz, in: Bürgers/Körber, AktG, 2008, § 245 Rn 4, 5, 8; Dörr, in: Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 245 Rn 19; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 245 Rn 5; siehe auch BGH NJW-RR 2006, 1110, 1112; WM 2007, 1932, 1938). Eine solche Aktionärsstellung der Klägerin zu 2) liegt seit dem 16. September 2008 nicht mehr vor.
b) Die Anfechtungsbefugnis lässt sich auch nicht aus einer analogen Anwendung von § 265 Abs. 2 ZPO herleiten. Zwar ist in der Rechtsprechung seit der Massa-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. Oktober 2006 (BGHZ 169, 221) anerkannt, dass auch ein Verlust der Aktionärseigenschaft durch wirksamen Squeeze-out nach §§ 327a ff. AktG die Aktivlegitimation nicht entfallen lässt, wenn für den ausgeschlossenen Aktionär ein rechtliches Interesse an der Fortführung des Rechtsstreits mit dem Ziel eines Gestaltungsurteils auf Nichtigerklärung der angegriffenen Beschlüsse besteht (zustimmend Dörr, in: Spindler/Stilz, aaO., § 245 Rn 21; bereits zuvor Dreier DB 2004, 808; Heise/Dreier BB 2004, 1126, 1127/1128). Eine Fortdauer der Anfechtungsbefugnis, dies verkennt die Klägerin zu 2), kann aufgrund der Herleitung aus § 265 Abs. 2 ZPO aber nur für den Fall angenommen werden, dass sie zumindest vor dem zwangsweisen Ausschluss bestand, die Aktionärsstellung also während des Anfechtungsverfahrens verloren geht (vgl. OLG Köln NZG 2010, 184, 185: nach Rechtshängigkeit). Nur dann wirkt das aus der Mitgliedschaft unmittelbar folgende Verwaltungsrecht (hierzu BGHZ 43, 261, 267; 169, 221, 226) fort und lässt sich aus dem Gedanken der Prozesswirtschaftlichkeit (so ausdrücklich BGHZ 169, 221, 230) eine Fortsetzung des Rechtsstreits rechtfertigen. Dabei begründet das rechtliche Interesse allein keine Aktivlegitimation. Diese besteht, obwohl formal entfallen, vielmehr unter der Voraussetzung fort, dass der bisherige Aktionär ein rechtliches Interesse an der Fortführung des Verfahrens hat.
So liegt der streitgegenständliche Sachverhalt jedoch nicht. Die Klägerin zu 2) hat ihre Aktionärsstellung nach § 327e Abs. 3 Satz 1 AktG durch wirksame Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister am 15. September 2008 verloren. Erst danach, am 10. November 2008, wurde der angegriffene Beschluss auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten, für welche die Klägerin zu 2) nicht mehr teilnahmeberechtigt war, gefasst. Am 5. Januar 2009 (Anlagen zu Bl. 20 d.A.) wurde der Beklagten die Klage zugestellt. Die Kläger zu 2) war also weder zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch zum Zeitpunkt der Beschlussfassung anfechtungsbefugt im Sinne des § 245 AktG. Daher lässt sich auch über eine analoge Anwendung des § 265 Abs. 2 ZPO, der einen Fortbestand der Aktivlegitimation nur im Fall der Veränderung der Rechtsstellung während des Prozesses anordnet, eine Anfechtungsbefugnis der Klägerin zu 2) nicht begründen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. November 2005 (ZIP 2006, 27, 28), auf das sich Klägerin zu 2) beruft. Danach soll die Anfechtungsbefugnis für eine Anfechtungsklage jedenfalls dann nicht mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses im Handelsregister entfallen, wenn der Aktionär mit der Anfechtungsklage gegen einen nach dem Squeeze-out Beschluss ergangenen Hauptversammlungsbeschluss unabhängig von der im Spruchverfahren zu ermittelnden Barabfindung einen (seiner Auffassung nach höheren) Anspruch auf Zahlung einer Dividende für den Zeitraum zwischen Ergehen und Wirksamwerden des Squeeze-out Beschlusses geltend macht. Diese Entscheidung ist auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht übertragbar. Nach dem im dortigen Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalt richtete sich die Anfechtungsklage zwar gegen einen Hauptversammlungsbeschluss über die Gewinnverwendung und Dividendenausschüttung, der geraume Zeit nach einem Squeeze-out Beschluss gefasst worden war. Allerdings war der Übertragungsbeschluss nach § 327a Abs. 1 AktG zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit der Wirkung des § 327e Abs. 3 Satz 1 AktG in das Handelsregister eingetragen. Die Eintragung erfolgte erst während des Berufungsverfahrens. Damit war der dortige Kläger, anders als im hiesigen Verfahren, sowohl im Zeitpunkt des angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses als auch bei Erhebung seiner Anfechtungsklage Aktionär der Beklagten.
c) Eine Anfechtungsbefugnis der Klägerin zu 2) ergibt sich auch nicht aufgrund verfassungsrechtlicher Bestimmungen, etwa der eigentumsrechtlichen Institutsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Das Eigentumsrecht eines Aktionärs wird im Falle eines Squeeze-out im Wesentlichen durch die Barabfindung in angemessener Höhe gewährleistet. Für diese ist gemäß § 1 Nr. 3 SpruchG eine gerichtliche Überprüfung eröffnet. Dabei ist, worauf das Erstgericht in seinem Urteil hingewiesen hat, auch zu prüfen, ob und inwieweit der hiesigen Beklagten ein Ersatzanspruch gegen die U und/oder Organmitglieder der Beklagten zusteht.
Das grundrechtliche Eigentumsrecht der Klägerin zu 2) gewährleistet auch kein Fortbestehen des Klägers zu 1) als besonderen Vertreter der Beklagten nach § 147 Abs. 2 AktG. Dessen Aufgabe besteht ─ wie der Senat bereits entschieden hat (veröffentlicht in: ZIP 2008, 73, 75; zustimmend Westermann AG 2009, 237, 241) ─ im Interesse der Gesellschaft, nicht der Minderheitsaktionäre, zumal wenn sie ihre Aktionärsstellung inzwischen verloren haben.
d) Soweit die Klägerin zu 2) hilfsweise die Feststellung beantragt hat, dass der angegriffene Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 10. November 2008 nichtig sind, bzw. höchst hilfsweise, dass die Beschlüsse unwirksam sind, liegen ─ worauf das Erstgericht in dem angegriffenen Urteil hingewiesen hat ─ die besonderen Voraussetzungen einer Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO nicht vor. Die Klägerin zu 2) ist seit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister am 15. September 2008 und damit bereits vor der mit der Klage angegriffenen Beschlussfassung nicht mehr Aktionärin der Beklagten, mit ihr also gesellschaftsrechtlich nicht mehr verbunden. Zudem war der Kläger zu 1) als besonderer Vertreter gerade nicht in ihrem Interesse tätig, so dass dessen Abberufung nicht in ihre subjektive Rechtsstellung eingreifen konnte.
2. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, weil das angegriffene Urteil auf einer Verletzung des Rechts (§ 513 Abs. 1 ZPO) beruht. Entgegen der Auffassung des Erstgericht unterlag die U als alleinige Aktionärin der Beklagten bei der mit der Klage angegriffenen Beschlussfassung in der außerordentlichen Hauptversammlung vom 10. November 2008 keinem Ausschluss des Stimmrechts nach § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG. Ob darüber hinaus dem Kläger zu 1) die Aktivlegitimation zur Erhebung einer Anfechtungsklage nach § 245 Akt oder das Feststellungsinteresse für die hilfsweise erhobene Feststellungsklage fehlt, wie die Beklagte meint, bedarf keiner Entscheidung, weil bereits aus sachlichen Gründen keine Anhaltspunkte für die Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses vom 10. November 2008 bestehen.
a) Bis zu der angegriffenen Entscheidung des Landgerichts München I, das sich soweit ersichtlich in der Rechtsprechung erstmals mit der Anwendung des § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG in einer Ein-Mann-AG zu befassen hatte, wurde in der Literatur meist unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24. Oktober 1988 zu § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG (abgedruckt in: BGHZ 105, 324, 332/333; bereits zuvor BayObLG BB 1984, 1117, 1118) ein Stimmverbot überwiegend abgelehnt (etwa Bachmann NZG 2001, 961, 968; Brändel, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1998 ff., § 1 Rn 144; Grundmann, in: GroßkommAktG, aaO., § 136 Rn 19; Holzborn, in: Bürgers/Körber, aaO., § 136 Rn 2; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 136 Rn 5; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, 1989, S. 90; Pluta, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2007, § 136 Rn 14; Rainer/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 16 Rn 83; Schröer, in: MünchKommAkt, 2. Aufl. 2004, § 136 Rn 16; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 136 Rn 6; Surminski DB 1971, 417, 419; Willamowski, in: Spindler/Stilz, aaO., § 136 Rn 2).
Begründet wurde dies mit einer teleologischen Reduktion: Der Schutzzweck der Norm erfasse Geschäfte des Alleingesellschafters mit sich selbst nicht. Das Stimmverbot bezwecke nur den Schutz des Gesellschaftsvermögens gegenüber einzelnen Gesellschaftern zugunsten der Gesellschaft, nicht aber zugunsten der Gesellschaftsgläubiger. Bei Einpersonengesellschaften bestehe ein solcher Interessengegensatz zwischen Einzelgesellschafter und Gesellschaftergesamtheit nicht (so ausdrücklich BGHZ 105, 324, 333; ebenso für § 47 Abs. 4 GmbHG Hüffer, in: GroßKommGmbHG, 2006, § 47 Rn 127; Keßler GmbHR 2000, 71, 75; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 47 Rn 78; Schneider ZHR 150 (1986), 609 612; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 47 Rn 94). Auch würde, nähme man ein Stimmverbot an, die Gesellschaft in ihrer Beschlussfassung lahmgelegt (so zum Beispiel Bachmann NZG 2001, 961, 968).
b) Demgegenüber wurde das Stimmrechtsverbot etwa von Karsten Schmidt (in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 47 Rn 105; anders noch ─ wie die h.M. ─ in: Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 851) differenzierter angewendet: Gehe es nur um ein Insichgeschäft, sei eine teleologische Reduktion zulässig; betreffe der Beschluss dagegen ein Richten in eigener Sache, bleibe es beim Stimmverbot.
Ähnlich hat auch Hirte in seinem für den Kläger zu 1) erstellten Rechtsgutachten (Anlage K 8) formuliert, in dem er die von der überwiegenden Meinung vertretene teleologische Reduktion unter Heranziehung von § 242 BGB für den Fall der Abberufung eines besonderen Vertreters in Zweifel zieht, wenn die Veränderung in der Zusammensetzung des Aktionärskreises auf einer Zwangsmaßnahme des Aktionärs zurückgeht, dessen Verhalten es zu kontrollieren gilt. Zudem könne nach Hirte eine Perpetuierung des Stimmverbots auch dann anzunehmen sein, wenn die Bestellung des besonderen Vertreters auch im öffentlichen Interesse liege, etwa um einem "Marktversagen" entgegenzuwirken.
Noch strenger ist Mülbert (in: GroßkommAktG, aaO., § 120 Rn 114), der § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG im Grundsatz auch auf die Ein-Mann-AG anwenden und nur bei Entlastungsbeschlüssen Modifikationen zulassen will.
c) Die angegriffene Entscheidung des Erstgerichts wurde in der Literatur unterschiedlich aufgenommen.
Lutter (in: ZIP 2009, 2203) begrüßt das Urteil, weil sonst der U de facto erlaubt würde, Richter in eigener Sache zu sein. Die Aktiengesellschaft deutschen Rechts sei ein Rechtssubjekt mit eigenen Ansprüchen und Interessen, die nicht notwendig identisch mit den Interessen ihrer Aktionäre oder ihrer einzigen Aktionärin seien.
Ablehnung findet diese Annahme bei Altmeppen (in: NJW 2009, 3757, 3758/3759). Ein Stimmverbot laufe darauf hinaus, dass die Aktiengesellschaft in dieser Frage überhaupt keinen Beschluss mehr fassen könne, der Willensbildungsprozess in der Kapitalgesellschaft damit insgesamt vereitelt sei, obwohl die Hauptversammlung nach der Rechtslage das zur Entscheidung über einen eventuellen Verzicht auf Ansprüche der AG zuständige Organ sei. Es gehe auch niemanden etwas an, wenn ein Alleinaktionär auf Schadensersatzansprüche der Gesellschaft verzichte, die sich gegen ihn selbst richten. Dieser Verzicht wirke nämlich über das Gläubigerverfolgungsrecht nicht, wenn Gläubigerinteressen auf dem Spiel stehen und die Aktiengesellschaft nicht solvent ist.
Ähnlich ablehnend haben sich auch Peters und Hecker (in: NZG 2009, 1294, 1295) geäußert, die zudem darauf hingewiesen haben, dass der vom Erstgericht gemachte Hinweis auf § 142 Abs. 4 AktG bereits deshalb nicht überzeuge, weil insoweit nur der besondere Vertreter ausgewechselt, nicht aber abberufen werden könne.
d) Der Senat hält einen Ausschluss des Stimmrechts eines Alleinaktionärs einer Aktiengesellschaft nach § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG für nicht gegeben. Durch das gesetzliche Stimmverbot sollen Interessenkollisionen verhindert werden. Kein Aktionäre soll "Richter in eigener Sache" sein, wenn dadurch das Gesellschaftsvermögen zugunsten der Gesamtheit der Gesellschafter typischerweise Schutz gegenüber einzelnen Gesellschaftern bedarf (siehe BGHZ 105, 324, 333). Dann ist der Verbandswille von verbandsfremden Sonderinteressen der Aktionäre frei zu halten (bereits RGZ 60, 172, 173; OLG Frankfurt a. Main GmbHR 1990, 79, 81; OLG München ZIP, 2008, 73, 74; Hüffer, Fetschr. für Hensius, 1991, 337, 341/342). Wird dagegen der Gesellschaftswille ─ wie in einer Einpersonengesellschaft ─ allein durch einen Alleinaktionär gebildet und bedarf es damit keines Schutzes anderer Gesellschafter, besteht kein Grund, den Alleinaktionär von der Stimmrechtsausübung auszuschließen. Andernfalls läge ein nachhaltiger Eingriff in den Willensbildungsprozess der Aktiengesellschaft vor, der das Eigentumsrecht des Alleinaktionärs aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzen würde. Er wäre, obwohl alleiniger Eigentümer der Gesellschaft, gehindert, einen Gesellschaftswillen zu bilden. Auch ein anderes Gesellschaftsorgan oder ein Gericht könnte hierüber nicht entscheiden, weil nicht zuständig oder berufen (ähnlich bereits Flume, Die juristische Person, 1983, § 7 V 1).
e) Das Stimmverbot des § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG wirkt auch nicht deshalb in der Hauptversammlung vom 10. November 2008 fort, weil es, wie vom Senat im Endurteil vom 28. November 2008 (veröffentlicht in: ZIP 2008, 73) bestätigt, in der Hauptversammlung vom 26./27. Juni 2007 bestand. Auch wenn es sich bei dem mit der Klage angegriffenen Beschluss um einen actus contrarius handelt, sind die beiden Hauptversammlungen nicht miteinander vergleichbar, da es bei der Beklagten nunmehr nur noch eine Aktionärin gibt.
f) Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus der Stellung des Klägers zu 1) als besonderer Vertreter nach § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG. Als solcher wurde der Kläger zu 1) von der Hauptversammlung am 26./27. Juni 2007 durch Beschluss bestellt. Die Hauptversammlung kann ihn ─ worauf der Senat (veröffentlicht in: ZIP 2008, 2117, 2124) bereits hingewiesen hat ─ jederzeit, auch vor Beendigung seiner Tätigkeit, abberufen, ohne dass es eines besonderen oder wichtigen Grundes bedarf (vgl. Bezzenberger, GroßKommAktG, aaO., § 147 Rn 61; Mock, in: Spindler/Stilz, aaO., § 147 Rn 50; Schröer, in: MünchKommAktG, aaO., § 147 Rn 55; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, aaO., § 147 Rn 25; anderer Ansicht Lochner, in: Heidel, aaO., § 147 Rn 30, der die unter Hinweis auf § 626 Abs. 1 BGB in der Literatur [etwa Bezzenberger, GroßKommAktG, aaO., § 147 Rn 62; Mock, in: Spindler/Stilz, aaO., § 147 Rn 51; Schröer, in MünchKommAktG, aaO., § 147 Rn 56] etwa zu dem nach § 147 Abs. 2 Satz 2 AktG vom Gericht bestellte besondere Vertreter auf den von der Hauptversammlung bestellten besonderen Vertreter übertragen will). Der besondere Vertreter ist weder Repräsentant einer bestimmten Aktionärsgruppe (vgl. bereits unter 1. c) noch im öffentlichen Interesse tätig, sondern für die Gesellschaft. Dies verkennt Hirte in seinem für den Kläger zu 1) erstellten Rechtsgutachten (Anlage K 8), zumal auch seine Überlegungen zum Schutz des Kapitalmarkts hier nicht greifen, da die U alleinige Aktionärin und die Beklagte nicht an der Börse notiert ist.
Auch die Vorschrift des § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG, welche die Abberufung eines Mitglieds des Vorstands regelt, ist auf den von der Hauptversammlung bestimmten besonderen Vertreter nicht anwendbar. Dem Vorstand obliegt nach § 76 Abs. 1 AktG unter eigener Verantwortung die Leitung der Gesellschaft. Diese Eigenverantwortlichkeit soll nach dem Gesetzeswillen durch eine eingeschränkte Unabhängigkeit von den Gesellschaftern gestärkt werden (siehe Fleischer, in: Spindler/Stilz, aaO., § 84 Rn 98; Hüffer, aaO., § 84 Rn 26), so dass es für eine Abberufung ausnahmslos eines wichtigen Grundes bedarf. Eine vergleichbare Rechtsstellung ist dem besonderen Vertreter jedoch nicht zugewiesen. Seine Aufgabe beschränkt sich auf die Geltendmachung des von der Hauptversammlung beschlossenen Ersatzanspruchs. Er ist insoweit ausschließlich dem Willen der Hauptversammlung als seinem "Kreationsorgan" (Westermann, AG 2009, 237, 241) unterworfen (so im Ansatz auch Lochner, in: Heidel, aaO., § 147 Rn 28, der sogar ein Weisungsrecht annimmt; ähnlich Verhoeven ZIP 2008, 245, 248/249). Soweit der Kläger zu 1) die Vorschrift des § 265 Abs. 3 Satz 1 AktG, welche das Erfordernis eines wichtigen Grundes für die Abberufung eines gerichtlich bestellten Abwicklers enthält, heranzieht, überzeugt dies bereits deshalb nicht, weil diese Einschränkung nach § 265 Abs. 3 Satz 1 AktG für den von der Hauptversammlung bestellten Abwickler ausdrücklich nicht gilt.
g) Die Beschlussfassung in der Hauptversammlung vom 10. November 2008 war nicht deshalb unzulässig, weil die Beschlüsse der Hauptversammlung vom 26./27. Juni 2007 bereits rechtliche Außenwirkung entfalltet haben. Soweit sich der Kläger zu 1) auf Semler (in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4, 3. Aufl. 2007, § 39 Rn 42) beruft, sind die dort genannten Fallgestaltungen, etwa die Zustimmung der Hauptversammlung zu einem Vertrag, nicht auf den besonderen Vertreter übertragbar. Auch wurde mit dem Beschluss vom 10. November 2008, was der Kläger zu 1) verkennt, nicht seine Bestellung zum besonderen Vertreter wieder aufgehoben, sondern er von der Funktion des besonderen Vertreters abberufen. Dies ist, wie unter f) ausgeführt, jederzeit mit ex nunc-Wirkung möglich (so zur Frage der Außenwirkung auch Lochner, in: Heidel, aaO., § 147 Rn 30; für die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds ausdrücklich auch Semler, aaO., § 39 Rn 43).
h) Auch aus nachlaufenden Verpflichtungen gegenüber den aufgrund des Squeeze-out ausgeschlossenen Aktionären ergibt sich nichts anderes. Diesen steht gemäß § 327b AktG ein Abfindungsanspruch gegenüber der damaligen Mehrheits- und heutigen Alleinaktionärin zu, welche gemäß § 327f Satz 2 AktG der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Der Abfindungsanspruch ist von dem insoweit zuständigen Gericht umfassend von Amts wegen zu prüfen, auch ─ worauf der Senat bereits anderweitig (veröffentlicht in: ZIP 2008, 2117, 2123; ebenso Peters/Hecker NZG 2009, 1294, 1295) hingewiesen hat ─ unter Einbeziehung etwaiger Ersatzansprüche der Gesellschaft zum Bewertungsstichtag. Es ist nicht Aufgabe des besonderen Vertreters, die Beweislage der ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre zu unterstützen. Auch besteht von Rechts wegen keine Vorgreiflichkeit der Geltendmachung eines Anspruchs durch den besonderen Vertreter, zumal wenn mit der vom besonderen Vertreter inzwischen erhobenen Schadensersatzklage (unter anderem) die Rückübereignung der veräußerten Bank A Creditanstalt AG begehrt wird, was einen nachhaltigen und systemwidrigen Eingriff in die Organisationsbefugnis der Gesellschaft und ihrer Willensbildung darstellt (vgl. BGHZ 164, 249, 252). Deshalb bedarf es keiner Einschränkung der Willensbildung der Beklagten in der Hauptversammlung vom 10. November 2008. Die Aufhebung des Beschlusses über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen und die Abberufung des Klägers zu 1) als besonderer Vertreter sind weder rechtsmissbräuchlich noch treuwidrig.
III.
1. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97, 91 ZPO.
2. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine Zulassungsgründe vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
a) Grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) kommt einer Rechtssache nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht bereits deshalb zu, weil bislang keine Entscheidung des Revisionsgerichts zu der Frage vorliegt. Grundsätzlichkeit ist nur dann gegeben, wenn eine Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und die deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, wobei insbesondere erforderlich ist, dass die betreffende Rechtsfrage in einem gewissen Umfang umstritten ist (vgl. BGHZ 151, 221, 223; 154, 288, 291; BGH NJW 2003, 65, 67 und 2319; NZG 2010, 61).
Diese Voraussetzungen sind nicht dargetan und liegen auch nicht vor. Die streitige Rechtsfrage der Anwendung des § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG in einer Einpersonengesellschaft in der hier gegebenen Konstellation der Abberufung eines besonderen Vertreters nach einem Squeeze-out ist Ausfluss der zahlreichen Rechtsstreitigkeiten um die Übernahme der Beklagten durch die heutige Alleinaktionärin und hat singulären Charakter, was sich auch daran zeigt, dass die Rechtsfrage, soweit ersichtlich, erstmals in der Rechtsprechung zu entscheiden war. Es ist zu erwarten, dass sich die Rechtsfrage auch in der Zukunft nur vereinzelt in besonders gelagerten Fallkonstellationen stellen wird und nicht in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen. Selbst das Institut des besonderen Vertreters nach § 147 Abs. 2 AktG ist kein Massenphänomen.
b) Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts im Sinne von § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO erforderlich. Das ist nur dann der Fall, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen und hieran ein abstraktes Interesse besteht, wenn es also für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (vgl. BGHZ 154, 288, 292; BGH NJW 2002, 3029, 3030; 2004, 289, 290). Auch dies liegt wegen des singulären Charakters der zu entscheidungserheblichen Rechtsfragen nicht vor.
c) Eine höchstrichterliche Entscheidung ist im vorliegenden Fall auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 523 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 ZPO erforderlich. Das ist nur dann der Fall, wenn das Berufungsgericht von einer anderen höher- oder gleichrangigen Entscheidung, namentlich des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht und dadurch Rechtsunsicherheit zu befürchten ist (vgl. Heßler, in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 543 Rn 13). Das ist hier aber nicht der Fall.