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Wirtschaftsrecht
02.12.2010
Wirtschaftsrecht
OLG Karlsruhe: Kein Rechtsschutzbedürfnis für Klage trotz falscher Bezeichnung des Gläubigers in der Insolvenztabelle

OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.10.2010 - 14 U 120/08

Leitsätze

1.   Weil der Gläubiger einer festgestellten und nicht bestrittenen Forderung aus der Eintragung in die Insolvenztabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung betreiben kann und ihm damit ein einfacher Weg zur Erlangung eines Vollstreckungstitels zur Verfügung steht, fehlt ihm - wenn nicht besondere Umstände diesen Weg als unsicher erscheinen lassen - für eine auf dasselbe Ziel gerichtete Klage das Rechtsschutzbedürfnis.


2.         Ist der Gläubiger einer zur Insolvenztabelle festgestellten Forderung fehlerhaft bezeichnet, so führt das nicht zu einer - das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage begründenden - verfahrensmäßigen Unsicherheit, weil eine solche fehlerhafte Eintragung jederzeit und auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens auf Antrag oder von Amts wegen berichtigt werden kann.


3.         Eine den Verzugseintritt erst auslösende Handlung des Gläubigers ist während des Insolvenzverfahrens nicht möglich.

§ 87 InsO; § 201 Abs. 2 InsO

Sachverhalt

I.

Die Klägerin macht restliche Ansprüche aus einem Leasingvertrag geltend.

Am 2.12.1999 hatte die Klägerin mit Herrn J. L. einen Leasingvertrag über das Fahrzeug BMW 320 D Touring geschlossen, den der Beklagte mit Erklärung vom 29.3.2001 übernommen hat. Im Februar 2002 hat der Beklagte das Fahrzeug zurückgegeben, bevor am 1.3.2002 über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Die Klägerin hat die Forderung aus dem Leasingvertrag am 15.4.2002 mit € 23.442,45 zur Insolvenztabelle angemeldet. Das Insolvenzgericht stellte die Forderung in dieser Höhe für den Ausfall fest, allerdings unter falscher Angabe der Gläubigerin, bezeichnet als "B Bank GmbH ..." [statt „B. Leasing GmbH ..."]. Nach Verwertung des Fahrzeugs korrigierte die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 29.10.2002 die Forderung auf noch € 4.029,24; die Korrektur wurde in der Insolvenztabelle vermerkt. Mit Beschluß vom 7.5.2007 hat das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren mangels Masse eingestellt.

Mit der Klage macht die Klägerin diese Restforderung geltend, zzgl Verzugszinsen in Höhe von € 1.221,53 für den Zeitraum vom 25.9.2002 bis 4.1.2008 (Gesamtbetrag damit € 5.250,77) und vorgerichtliche Inkassokosten in Höhe von € 357,05, nebst weiteren Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz ab 4.1.2008.

Der Beklagte hat ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für die Klage in Abrede gestellt, weil die Klägerin nach § 201 Abs. 2 InsO aus der Eintragung der Forderung in die Insolvenztabelle vollstrecken könne. Fürsorglich hat er die Einrede der Verjährung erhoben.

Mit Urteil vom 4.9.2008, auf das auch wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens und der gestellten Anträge im ersten Rechtszug verwiesen wird, hat der Einzelrichter des Landgerichts Offenburg (2 O 146/08) der Klage stattgegeben. Das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin sei gegeben, weil nicht sie, sondern die B. Bank GmbH in der Insolvenztabelle als Gläubigerin und damit Vollstreckungsberechtigte eingetragen sei. Die Forderung sei auch nicht verjährt, weil ungeachtet der Bezeichnung einer anderen Gläubigerin die Verjährung der Forderung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB mit Wirkung auch für die Klägerin gehemmt worden sei.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der dieser geltend macht, der Fehler bei der Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle könne nicht zu seinen Lasten gehen. Das angefochtene Urteil führe dazu, daß er sich nun zwei Vollstreckungstiteln mit unterschiedlichen Gläubigern ausgesetzt sehe. Es sei auch widersprüchlich, wenn das Landgericht die falsche Bezeichnung des Forderungsgläubigers in der Feststellung zur Insolvenztabelle einerseits hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses für die Klage für erheblich halte, andererseits aber eine Hemmung der Verjährung zugunsten der Klägerin annehme.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 4.9.2008 -2 O 146/08- aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin bittet um Zurückweisung der gegnerischen Berufung.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil gegen die Angriffe des Beklagten. Eine Berichtigung der Eintragung der BMW Bank GmbH sei nach der Einstellung des Verfahrens nicht mehr möglich. Im übrigen sei die Forderung nur für den Ausfall festgestellt; der Gläubiger müßte deshalb vor einer Vollstreckung den Ausfall nachweisen, weshalb dieses Vorgehen kein einfacherer Weg sei. Außerdem mache die Klägerin mit der Klage eine höhere Forderung geltend als zur Insolvenztabelle festgestellt.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die vorgetragenen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Aus den Gründen

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist teilweise begründet: Hinsichtlich der Hauptforderung ist die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses der Klägerin unzulässig, ihre Zinsforderung ist teilweise begründet, ein Anspruch auf Erstattung der Inkassokosten besteht nicht.  

1. Hinsichtlich der Hauptforderung ist die Klage unzulässig.

a) Nach § 201 Abs. 2 InsO kann der Gläubiger einer festgestellten und nicht bestrittenen Forderung aus der Eintragung in die Insolvenztabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben (allerdings mit dem Vorbehalt einer Durchführung des Restschuldbefreiungsverfahrens, Abs. 3). Zu diesem Zweck beantragt der Gläubiger nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens beim Insolvenzgericht eine vollstreckbare Ausfertigung eines Tabellenauszugs aus der Insolvenztabelle. Angesichts dieses einfachen Weges, zu einem Vollstreckungstitel zu gelangen, fehlt dem Gläubiger für eine auf dasselbe Ziel gerichtete Klage das Rechtsschutzbedürfnis, wenn nicht besondere Umstände den anderen Weg als unsicher erscheinen lassen (Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., Rn 18b vor § 253).

b) Im Streitfall kann die Klägerin sich ohne weiteres eine auf sie lautende vollstreckbare Ausfertigung eines Tabellenauszugs verschaffen.

Die falsche Bezeichnung des Gläubigers der streitgegenständlichen Forderung in der Insolvenztabelle schafft vorliegend keine verfahrensmäßige Unsicherheit. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin war sie es, welche die Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet hatte. Eine solche fehlerhafte Eintragung kann jederzeit auf Antrag oder von Amts wegen berichtigt werden. Die Berichtigung setzt nicht einmal voraus, daß eine offenbare Unrichtigkeit entsprechend § 319 ZPO vorliegt, wie sie hier sogar gegeben wäre. Insbesondere ist die Berichtigung auch noch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens zulässig (zum Ganzen Münchner Kommentar/Schumacher, InsO, 2. Aufl., § 178 Rn 51, 52). Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 4.10.2010 darauf hinweist, daß ihr Berichtigungsantrag vom 26.8.2010 noch nicht beschieden sei, ändert dies nichts. Abgesehen davon, daß das Insolvenzgericht vor einer Entscheidung den übrigen Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör gewähren muß, würde auch eine zögerliche Bearbeitung des Berichtigungsantrags durch das Gericht nicht zur Zulässigkeit einer Klage führen; vielmehr hätte die Klägerin ihre Rechte im Berichtigungsverfahren zu verfolgen.

c) Die Forderung ist zwar nur "für den Ausfall" festgestellt. Der Ausfall in Höhe von € 4.029,24 ist aber bereits mit Vermerk des Insolvenzgerichts vom 21.7.2006  ausdrücklich festgestellt worden.

d) Die Klage ist damit unzulässig, soweit sie die Hauptforderung von € 4.029,24 betrifft. Die Klageforderung umfaßt jedoch auch Verzugszinsen in Höhe von € 1.221,53 (6,7% aus € 4.029,24 vom 25.9.2002 bis 4.1.2008) und von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 4.029,24 seit 4.1.2008 (richtig: 5.1.2008), sowie € 357,05 vorgerichtliche Inkassokosten. Da lediglich die Hauptforderung zur Insolvenztabelle angemeldet wurde, kann die Gläubigerin hinsichtlich der Zins- und Kostenforderung keine vollstreckbare Ausfertigung erhalten und ist die Klage insoweit zulässig.

2. Die Zinsforderung ist unter Verzugsgesichtspunkten teilweise begründet.

a) Der Beklagte ist (erst) durch das Schreiben der Nürnberger Inkasso GmbH vom 18.6.2007 zum 28.6.2007 in Verzug geraten.

Das Fahrzeug wurde am 17.2.2002 zurückgegeben. Am 1.3.2002 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Bis zu diesem Zeitpunkt ist ein den Verzug des Beklagten begründendes Ereignis nicht ersichtlich. Während des Insolvenzverfahrens behält zwar ein zuvor bereits eingetretener Verzug seine Wirkungen  (Jaeger/Henckel, InsO, 2003, § 39 Rn 12; Münchner Kommentar/Ehricke, InsO, 2. Aufl., § 39 Rn 13, 14). Eine den Verzugseintritt erst auslösende Handlung des Gläubigers ist während des Insolvenzverfahrens wegen § 87 Abs. 1 InsO  aber nicht möglich (Jaeger/Henckel aaO § 39 Rn 4, 13; Münchner Kommentar/Ehricke aaO § 39 Rn 16). Insbesondere läßt auch die Anmeldung der (Haupt-)Forderung zur Insolvenztabelle keinen Schuldnerverzug eintreten (RGZ 121, 207/211; Jaeger/Henckel, § 39 aaO Rn 12; Münchner Kommentar/Ehricke aaO § 39 Rn 11).

b) Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens durch Einstellung mangels Masse mit Beschluß vom 7.5.2007 konnte die Klägerin gegen den Schuldner aus der Forderung wieder vorgehen. Die Hauptforderung war nicht verjährt, da die Verjährung mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehemmt worden war (§ 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB). Daß entgegen der Anmeldung versehentlich die BMW Bank GmbH als Gläubigerin in der Insolvenztabelle eingetragen worden war, hindert die Hemmung zugunsten der Klägerin schon deshalb nicht, weil nach § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB die Anmeldung der Forderung die Hemmung bewirkt und nicht (erst) die Eintragung.

c) Die Zahlungsaufforderung der Nürnberger Inkasso GmbH vom 18.6.2007 stellt eine befristete Mahnung dar (§ 286 Abs. 1 S. 1 BGB), die zum 28.6.2007 den Verzug begründete.

Für den Zeitraum bis 4.1.2008 begehrt die Klägerin eine Verzinsung der Hauptforderung mit 6,7 %. Dieser Zinssatz überschreitet den gesetzlichen Verzugszins (§ 288 Abs. 1 S. 2 BGB) nicht, die Zinsforderung ist deshalb für den Zeitraum vom 28.6.2007 bis 4.1.2008 in Höhe von 6,7 % begründet. Der ab 5.1.2008 geltend gemachte Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz entspricht dem gesetzlichen Verzugszins und ist ebenfalls begründet.

d) Der Umstand, daß die Klägerin in dem Mahnschreiben vom 18.6.2007 eine zu hohe Zins- und Kostenerstattungsforderung geltend machte, steht der Wirksamkeit der Mahnung nicht entgegen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt eine Zuvielforderung die Wirksamkeit der Mahnung hinsichtlich der verbleibenden Restforderung nicht in Frage, wenn der Schuldner die Erklärung des Gläubigers nach den Umständen des Falls als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muß und der Gläubiger zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit ist. Allerdings kann eine unverhältnismäßig hohe, weit übersetzte Zuvielforderung den zu Recht angemahnten Teil so in den Hintergrund treten lassen, daß dem Schuldner kein Schuldvorwurf zu machen ist, wenn er sich nicht als wirksam gemahnt ansieht. Am Verschulden fehlt es auch dann, wenn der Schuldner die wirklich geschuldete Forderung nicht allein ausrechnen kann, weil sie von ihm unbekannten internen Daten des Gläubigers abhängt. An das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums sind dabei strenge Maßstäbe anzulegen; der Schuldner muß die Rechtslage sorgfältig prüfen und soweit erforderlich Rechtsrat einholen (BGH NJW 2006, 3271/3272).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Mahnung vorliegend wirksam. Mit dem Mahnschreiben wurden neben der Hauptforderung von € 4.029,24 unberechtigt Verzugszinsen in Höhe von € 1.064,40 und (ebenso unberechtigt, s. nachfolgend 3.) Kosten von € 349,49 geltend gemacht. Der Beklagte mußte davon ausgehen, daß die Klägerin bei Widerspruch gegen die Nebenforderungen jedenfalls die Bezahlung der unstreitig berechtigten Hauptforderung entgegennehmen würde. Die Hauptforderung machte 74% der Gesamtforderung aus; der Bundesgerichtshof (aaO) hat eine zu 64% berechtigte Restforderung als nicht „weit übersetzt" angesehen. Hinzukommt daß die Einzelforderungen übersichtlich aufgeschlüsselt waren und der Beklagte unschwer prüfen konnte, gegen welche Teilbeträge er sich zur Wehr setzen wollte.

e) Die Zinsforderung ist damit auch nicht verjährt; Zinsforderungen verjähren in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB).

3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Inkassokosten.

Ein Anspruch nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB scheidet schon deshalb aus, weil die Inkassokosten durch die Beauftragung der Nürnberger Inkasso GmbH vor Verzugseintritt entstanden sind. Die Kosten für die den Verzug erst begründende Mahnung kann der Gläubiger nicht ersetzt verlangen, weil sie nicht durch den Verzug entstanden sind (Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 286 Rz 44). Überdies stellte die Einschaltung eines Inkassoinstituts zur Einziehung der Hauptforderung im Streitfall auch keine zweckentsprechende Maßnahme der Rechtsverfolgung dar, weil die Klägerin zum Zeitpunkt der Beauftragung im Juni 2007 sich auf einfache Weise einen Vollstreckungstitel aus der Insolvenztabelle hätte verschaffen können und die Einschaltung eines Inkassoinstituts keinen Erfolg auf freiwillige Leistung des soeben für insolvent erklärten Beklagten versprach. Hinsichtlich der Verzugszinsen bestand mangels Verzugs noch gar kein Anspruch. Die Inverzugsetzung des Schuldners durch (Erst-)Mahnung gehört zum Pflichtenkreis des Gläubigers (Palandt/Grüneberg, aaO § 286 Rz 46) und hätte durch einfaches Mahnschreiben von der Klägerin selbst bewirkt werden können.

Auf die Berufung des Beklagten war das angefochtene Urteil deshalb wie geschehen abzuändern.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Es bestand keine Veranlassung zur Zulassung der Revision; der Rechtsstreit wirft keine Fragen auf, die nicht bereits in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt wären.

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