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Wirtschaftsrecht
13.04.2023
Wirtschaftsrecht
OLG Celle: Kein Löschungsanspruch bei persönlichen Geschäftsführer-Daten im Handelsregister

OLG Celle, Beschluss vom 24.2.2023 – 9 W 16/23

ECLI:DE:OLGCE:2023:0224.9W16.23.00

Volltext: BB-Online BBL2023-834-5

unter www.betriebs-berater.de

 

Redaktionelle Leitsätze

1. Für das Löschungsbegehren eines Geschäftsführers (hier: Geburtsdatum und Wohnort ohne Anschrift aus Handelsregister bei vorgetragener Sperrung dieser Daten aufgrund Gefahren für Leib und Leben im Melderegister) fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

2. Zweifel an der Vereinbarkeit der einem solchen Löschungsbegehren entgegenstehenden Bestimmung des § 10a Abs. 3 HGB mit Verfassungs- bzw. Europarecht bestehen weder generell noch bezogen auf den Streitfall. § 10a Abs. 3 HGB dient der Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Registerverkehrs; ein Widerspruch gegen die Datenverarbeitung wäre mit den Publizitätsanforderungen des öffentlichen Registers nicht in Einklang zu bringen.

 

 

Sachverhalt

I.

Der Antragsteller ist Geschäftsführer der betroffenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung und als solcher unter Angabe seines Wohnorts und seines Geburtsdatums seit ... 2012 im Handelsregister eingetragen.

Mit Schreiben vom ... (Bl. 9 d.A.) hat der Antragsteller beantragt, die Angaben zu seinem Geburtsdatum und zu seinem Wohnort aus dem Handelsregister zu entfernen. Zur Begründung hat er angegeben, die entsprechenden Daten seien "unter anderem im Melderegister aufgrund von Gefahren für Leib und Leben gesperrt." Mit zum Registerverfahren gelangtem Anwaltsschriftsatz an das Landgericht Verden vom 19. Januar 2023 (Bl. 26 ff. d.A.) hat er dies dahin präzisiert, seine berufliche Tätigkeit bestehe im Umgang mit Sprengstoff, so dass bei ihm die Gefahr bestehe, Opfer einer Entführung oder eines Raubes zu werden, "um die von ihm gehandhabten Sprengstoffe zu erlangen."

Das Registergericht hat den Antrag mit Beschluss vom 24. November 2022 (Bl. 12 d.A.) unter Verweis auf die verpflichtenden Vorgaben der Handelsregisterverordnung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 11. Januar 2023 (Bl. 46, 59 f. d.A.), mit der der Antragsteller sein Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt und um das hilfsweise Begehren ergänzt hat, eine Übermittlung von Geburtsdatum und Wohnort aus dem Handelsregister an Dritte erst nach einer Interessenabwägung vorzunehmen. Das Registergericht hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 13. Februar 2023 (Bl. 48 d.A.) nicht abgeholfen.

Aus den Gründen

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

 

1. Für das Begehren des Antragstellers fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

 

a) Soweit der Antragsteller sich auf Art. 17, 18 und 21 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, im Folgenden: DSGVO) zu stützen sucht (vgl. Beschwerdebegründung vom 7. Februar 2023, dort S. 2, Bl. 59R d.A.), vermag er damit nicht durchzudringen.

 

aa) Ein Widerspruchsrecht nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO steht dem Antragsteller gemäß § 10a Abs. 3 HGB nicht zu.

 

Dementsprechend ist auch Art. 18 Abs. 1 lit. d DSGVO nicht einschlägig, weil diese Bestimmung das Bestehen eines Widerspruchsrechts nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO voraussetzt.

 

bb) Des Weiteren ergibt sich auch aus Art. 17 Abs. 1, Abs. 2 DSGVO kein Löschungsanspruch zugunsten des Antragstellers, weil diese Bestimmungen gemäß Art. 17 Abs. 3 lit. b DSGVO nicht gelten, soweit die Datenverarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, die die Verarbeitung nach dem Recht der Union oder der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, erfordert, notwendig ist. Eben eine solche rechtliche Verpflichtung ist hier mit Blick auf § 387 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 43 Nr. 4b HRV gegeben.

 

b) Auch auf § 395 FamFG vermag sich der Antragsteller nicht zu stützen. Denn die Aufnahme seines Geburtsdatums und seines Wohnorts in das Handelsregister war mit Blick auf § 387 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 43 Nr. 4b HRV nicht unzulässig im Sinne dieser Bestimmung.

 

2. Zweifel an der Vereinbarkeit der dem Begehren des Antragstellers entgegenstehenden Bestimmung des § 10a Abs. 3 HGB mit Verfassungs- bzw. Europarecht hat der Senat weder generell noch bezogen auf den Streitfall.

 

a) Die in § 10a Abs. 3 HGB vorgenommene Einschränkung der Rechte aus § 21 DSGVO ist von Art. 23 Abs. 1 lit. e DSGVO gedeckt, wonach die Pflichten und Rechte gemäß den Art. 12 - 22 DSGVO zum Schutz sonstiger wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaates beschränkt werden können (vgl. Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Ries, HGB, 5. Aufl. 2019, § 10a Rn. 2; Staub/Koch/Harnos, HGB, 6. Aufl. 2023, § 10a Rn. 5 f.). Dazu zählen funktionsfähige und verlässliche öffentliche Register, die für die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs unerlässlich sind (vgl. BT-Drs. 18/12611, S. 67).

 

Vor diesem Hintergrund ist die Regelung des § 10a Abs. 3 HGB nach einhelliger Auffassung im Schrifttum, der sich der Senat anschließt, nicht zu beanstanden. Sie dient der Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Registerverkehrs (vgl. Krafka, Registerrecht, 11. Aufl. 2019, Rn. 74a); ein Widerspruch gegen die Datenverarbeitung wäre mit den Publizitätsanforderungen des öffentlichen Registers nicht in Einklang zu bringen (vgl. MünchKomm/Krafka, HGB, 5. Aufl. 2021, § 10a Rn. 12; BeckOK/Müther, HGB, 39. Edition, Stand: 15. Januar 2023, § 10a Rn. 4; Oetker/Preuß, HGB, 7. Aufl. 2021, § 10a Rn. 7).

 

b) Dass das öffentliche Interesse an der Führung des Handelsregisters im Streitfall durch das Interesse des Antragstellers an einer Geheimhaltung seines Geburtsdatums und seines Wohnorts überwogen würde, ist weder hinreichend vorgetragen noch sonst ersichtlich.

 

aa) Ein derart überwiegendes Interesse folgt insbesondere nicht aus den vom Antragsteller in Bezug genommenen, ihn betreffenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen. Denn bei Auskünften aus dem Fahrzeugregister, die diese Entscheidungen zum Gegenstand haben, sind andere, deutlich weitergehende persönliche Daten als nur die - hier allein in Rede stehenden - Angaben zum Geburtsdatum und Wohnort betroffen (vgl. § 33 StVG).

 

bb) Des Weiteren ist, eine tatsächliche Gefährdung des Antragstellers - die er über allgemeine Angaben hinaus nicht konkretisiert hat - zu dessen Gunsten unterstellt, auch weder vorgetragen noch ersichtlich, in welcher Weise eine solche Gefährdung durch die Einsehbarkeit von Geburtsdatum und Wohnort im Handelsregister verursacht oder erhöht werden soll. Soweit es die Nennung des Wohnorts betrifft, ist insbesondere zu berücksichtigen, dass eine genaue Adressangabe nicht erfolgt und ein Ansatzpunkt zum Auffinden des Antragstellers auch bereits mit der Nennung der Geschäftsanschrift der betroffenen Gesellschaft gegeben ist, deren Löschung der Antragsteller indes nicht begehrt.

 

3. Vermag der Antragsteller sein Begehren nach alldem schon mangels einer dies tragenden Rechtsgrundlage im Registerverfahren nicht durchzusetzen, hat der Senat mit Blick auf den Verweis des Antragstellers auf die mit dem Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie vom 5. Juli 2021 (DiRUG) jedermann eröffnete Möglichkeit zur kostenfreien Einsichtnahme in das Handelsregister erwogen, inwieweit ein aus Rechtsnormen außerhalb des Registerverfahrens und datenschutzrechtlicher Bestimmungen, beispielsweise §§ 823, 839 BGB oder § 1004 BGB (analog), folgender Anspruch wegen Verfehlung datenschutzrechtlicher Vorgaben durch das DiRUG bestehen könnte.

 

a) Insoweit ist der Senat jedoch der Auffassung, dass die Prüfung eines etwaigen solchen Anspruchs nicht im Registerverfahren zu erfolgen hat. Das formalisierte Registerverfahren dient der korrekten Führung des Handelsregisters, zielt aber weder auf die inzidente Prüfung der dafür bestehenden Vorgaben noch gar auf die Behebung von dem Gesetzgeber etwa unterlaufenen Auslassungen beispielsweise im Hinblick auf datenschutzrechtliche Belange. Dies hat umso mehr zu gelten, als die Registergerichte nicht ihrerseits durch (Teil-) Löschungen von Einträgen in Einzelfällen womögliche, aus gesetzlichen Vorgaben resultierende generelle Probleme zu lösen in der Lage wären.

 

b) Im Übrigen bleibt der die Einschränkung datenschutzrechtlicher Ansprüche rechtfertigende Zweck des § 10a Abs. 3 HGB, der als solcher nicht zu beanstanden ist (s.o.), durch das DiRUG unangetastet. Dass allein die Möglichkeit zur kostenfreien Einsichtnahme in das Handelsregister eine Höherbewertung des Interesses am Schutz persönlicher Daten gebieten und einer Beschränkung der Rechte aus § 21 DSGVO durch § 10a Abs. 3 HGB entgegenstehen würde, vermag der Senat nicht zu erkennen.

 

III.

 

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.

 

2. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil höchstrichterlich bislang - soweit ersichtlich - nicht geklärt ist, ob und in welchem Verfahren und unter welchen Voraussetzungen in Einzelfällen ggf. die Löschung von an sich zwingend gebotenen Eintragungen in das Handelsregister begehrt werden kann.

 

3. Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 36 Abs. 3 GNotKG.

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