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Wirtschaftsrecht
04.02.2011
Wirtschaftsrecht
BGH: Kein Entschädigungsanspruch für Scheingewinne nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz - Phoenix

BGH, Urteil vom 23.11.2010 - XI ZR 26/10

Leitsatz

Scheingewinne, die von einem der Entschädigungseinrichtung der Wertpapier-handelsunternehmen zugeordneten Institut in Kontoauszügen oder Saldenbestäti-gungen ausgewiesen werden, sind nicht entschädigungsfähig ("Phoenix").

EAEG § 1 Abs. 4

Sachverhalt

Der Kläger nimmt die beklagte Entschädigungseinrichtung der Wertpa-pierhandelsunternehmen auf Entschädigung nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (im Folgenden: EAEG) in Anspruch.

Der Kläger beteiligte sich im September 1999 mit einem Anlagebetrag von 38.461,54 DM zuzüglich eines 4%-igen Agios in Höhe von 1.538,46 DM an dem Phoenix Managed Account (im Folgenden: Beteiligung), einer von der Phoenix Kapitaldienst GmbH (im Folgenden: P. GmbH) im eigenen Namen und für gemeinsame Rechnung der Anleger verwalteten Kollektivanlage, deren Ge-genstand nach Nummer 1.4 der in den Geschäftsbesorgungsvertrag einbezo-genen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Anlage der Kundengelder in "Termingeschäften (Futures und Optionen) für gemeinsame Rechnung zu Spe-kulationszwecken mit Vorrang von Stillhaltergeschäften" war. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sahen ferner in Nummer 5.2 vor, dass der Kunde zum Ende eines jeden Monats eine Übersicht über die Entwicklung und den Wert seiner Beteiligung erhalten sollte, und bestimmten in Nummer 5.3, dass der Kunde auf Verlangen ein Doppel der Übersicht zum Zwecke des Einverständ-nisses an die P. GmbH zurückzusenden hatte.

Die P. GmbH war bis Ende 1997 auf dem sogenannten Grauen Kapital-markt tätig. Ab dem 1. Januar 1998 wurde sie als Wertpapierhandelsbank ein-gestuft und der Aufsicht des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel unterstellt. Spätestens seit jenem Jahr legte die P. GmbH nur noch einen gerin-gen Teil der von ihren Kunden vereinnahmten Gelder vertragsgemäß in Ter-mingeschäften an. Ein Großteil der Gelder wurde im Wege eines "Schneeball-systems" für Zahlungen an Altanleger und für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten verwendet. Auf diese Weise erhielt auch der Kläger in den Jahren 2000 bis 2004 Auszahlungen über insgesamt 19.304,88 €.

Dem Kläger wurden ab Oktober 1999 monatliche Kontoauszüge übermit-telt. Unter anderem wiesen die mit Schreiben vom 19. Oktober 2004 übersandte "Saldenbestätigung" zum 31. August 2004 einen Kontostand von 9.799,01 € und der - dem Kläger zuletzt zugegangene - Kontoauszug zum 28. Februar 2005 einen Kontostand von 7.571,76 € auf, obwohl tatsächlich keine Gewinne erwirtschaftet worden waren und der Wert der Beteiligung des Klägers - was zwischen den Parteien unstreitig ist - zum 30. September 2004 auf Null gesun-ken war. Im März 2005 untersagte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen der P. GmbH den weiteren Geschäftsbetrieb und stellte am 15. März 2005 den Entschädigungsfall fest. Am 1. Juli 2005 wurde über das Vermögen der P. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.

Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten auf der Grundlage des letzten Kontoauszuges und nach Abzug des Selbstbehalts von 10% eine Entschädigungsleistung von 6.814,58 € nebst Zinsen. Er macht geltend, dem Kontoauszug komme die Wirkung eines abstrakten Schuldanerkenntnisses zu. Hilfsweise stützt er die Klageforderung auf die Saldenbestätigung zum 31. August 2004, wobei er insoweit eine im September 2004 erfolgte Auszah-lung von 2.500 € in Abzug bringt. Weiter hilfsweise begehrt er so gestellt zu werden, als wenn er die Beteiligung nicht gezeichnet hätte, und beansprucht Zahlung der Differenz zwischen der Beteiligungssumme einschließlich Agio ab-züglich Ausschüttungen, mithin 1.146,80 €, hilfsweise hierzu den Differenzbe-trag der Beteiligungssumme ohne Agio abzüglich Ausschüttungen, mithin 360,20 €.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungs-gericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Aus den Gründen

7          Die Revision ist zu einem geringen Teil begründet. Sie führt zur Aufhe-bung des angefochtenen Urteils, soweit die Zahlungsklage des Klägers in Höhe von 324,18 € nebst Zinsen abgewiesen worden ist. Insoweit ist der Klage statt-zugeben.

8          I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (Kam-mergericht, Urteil vom 6. Januar 2010 - 26 U 240/08, juris) im Wesentlichen ausgeführt:

9          Dem Kläger stehe gegen die Beklagte kein Entschädigungsanspruch aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG zu. Es bestehe keine Verbindlichkeit der P. GmbH aus einem Wertpapiergeschäft im Sinne des § 1 Abs. 4 EAEG in der - hier an-zuwendenden - seit dem 1. Juli 2002 geltenden Fassung. In der Übersendung der ein Guthaben ausweisenden Kontoauszüge liege kein abstraktes Schuld-anerkenntnis der P. GmbH. Zudem könne ein aus einem abstrakten Schuldan-erkenntnis abgeleiteter Zahlungsanspruch des Klägers gegen die P. GmbH auch keinen Anspruch gegen die Beklagte begründen, weil es sich dabei gera-de nicht um eine Verbindlichkeit aus einem Wertpapiergeschäft handele. Soweit dem Kläger gegen die P. GmbH wegen der vertragswidrigen Nichtausführung von Wertpapiergeschäften bzw. der vertragswidrigen Verwendung des Anlage-betrages ein Schadensersatzanspruch zustehe, falle dieser ebenfalls nicht un-ter § 1 Abs. 4 EAEG. Als entschädigungsberechtigter Hauptanspruch könne lediglich ein Anspruch auf Auszahlung tatsächlich vorhandener Guthaben oder Herausgabe von für den Anleger verwahrter Wertpapiere angesehen werden; der Wert der Beteiligung des Klägers sei jedoch bei Eintritt des Entschädi-gungsfalles auf Null gesunken. Dagegen würden Schadensersatz-, Rückab-wicklungs- oder Bereicherungsansprüche, die nur im Zusammenhang mit dem Vertragsverhältnis stünden, von § 1 Abs. 4 EAEG nicht erfasst. Schließlich kön-ne der Kläger auch nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wäre die P. GmbH bis zur Feststellung des Entschädigungsfalles ihren vertraglichen Verpflichtungen nachgekommen; in diesem Fall wären die monatlichen Verwal-tungsgebühren von 0,5% in Abzug zu bringen, die sich bei der Laufzeit der An-lage von mehr als fünf Jahren auf über 30% des Anlagebetrages summiert hät-ten.

10        II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Prüfung in einem entschei-dungserheblichen Punkt nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht ei-nen Entschädigungsanspruch des Klägers aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG in Höhe von 324,18 € nebst Zinsen verneint.

11        1. Die P. GmbH, ein unter anderem mit Finanzkommissionsgeschäften befasstes Kreditinstitut (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG), war nach den Feststel-lungen des Berufungsgerichts ein der beklagten Entschädigungseinrichtung zugeordnetes Institut (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EAEG). Den Eintritt des Entschädigungsfalles hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-aufsicht gemäß § 1 Abs. 5, § 5 Abs. 1 EAEG festgestellt.

12        2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bestand auch eine Verbindlichkeit der P. GmbH gegenüber dem Kläger aus Wertpapiergeschäften.

13        a) Zwischen dem Kläger und der P. GmbH ist, wie auch die Revisionser-widerung nicht in Zweifel zieht, ein Geschäftsbesorgungsvertrag über die An-schaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (hier: Derivate, § 1 Abs. 11 Sätze 1 und 4 KWG) im eigenen Namen für fremde Rechnung ge-schlossen worden. Dabei handelt es sich um Finanzkommissionsgeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG (ebenso BVerwGE 116, 198, 200 ff. = WM 2002, 1919, 1921 f. zu dem gleichlautenden § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpHG) und somit um Wertpapiergeschäfte nach § 1 Abs. 3 EAEG.

14        b) Es bestand auch eine Verbindlichkeit der P. GmbH gegenüber dem Kläger aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag.

15        aa) Maßgebend ist insoweit § 1 Abs. 4 EAEG in der Fassung des Geset-zes vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2010). Der gesetzliche Entschädigungsan-spruch nach § 3 EAEG entsteht erst im Entschädigungsfall und nicht bereits im Zeitpunkt der Kapitalanlage. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 1 EAEG setzt der Anspruch auf Entschädigung den Entschädigungsfall voraus. Gemäß § 4 Abs. 3 EAEG ist für die Berechnung der Höhe des Entschädigungs-anspruchs der Zeitpunkt des Eintritts des Entschädigungsfalles zugrunde zu legen. Für die Prüfung der Voraussetzungen des Entschädigungsfalles und des Umfangs des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs kommt es daher - wovon auch das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist - auf die Sach- und Rechtslage bei Eintritt des Entschädigungsfalles an. Die Anwendung des § 1 Abs. 4 EAEG aF würde vorliegend allerdings zu keinem abweichenden Ergeb-nis führen (siehe unten zu II 2 b bb (1) (c)).

16        bb) Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG sind Verbindlichkeiten aus Wertpa-piergeschäften Verpflichtungen eines Instituts zur Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Soweit nach § 1 Abs. 4 Satz 2 EAEG hierzu auch Ansprüche von An-legern auf Herausgabe von Instrumenten gehören, dessen Eigentümer diese sind und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten oder verwahrt werden, ist diese Vorschrift vorliegend nicht einschlägig, weil die P. GmbH keine solchen Instrumente, d.h. Finanzinstrumente im Sinne des § 1 Abs. 11 KWG, für den Kläger gehalten oder verwahrt hat. Insbesondere ist die Beteiligung des Klägers selbst kein solches Finanzinstrument.

17        (1) Entgegen der Revision schuldete die P. GmbH dem Kläger aus Wert-papiergeschäften nicht 7.571,76 €. Der von der P. GmbH übersandte Konto-auszug vom 28. Februar 2005, der einen entsprechenden Betrag auswies, be-gründete keinen Anspruch des Klägers gegen die P. GmbH aus einem abstrak-ten Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis.

18        (a) Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus der von der Revision ange-führten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der sich die Gutschrift auf einem Girokonto als abstraktes Schuldversprechen oder Schuldanerkennt-nis einer Bank gegenüber dem Kunden darstellt (BGH, Urteile vom 25. Januar 1988 - II ZR 320/87, BGHZ 103, 143, 146, vom 11. Oktober 1988 - XI ZR 67/88, BGHZ 105, 263, 269, vom 16. April 1991 - XI ZR 68/90, WM 1991, 1152 und vom 21. Januar 1999 - I ZR 158/96, WM 1999, 864, 866). Der Kunde erwirbt mit der Gutschrift danach einen unmittelbaren Anspruch auf Auszahlung des Betrages. Ein zwischen dem Kläger und der P. GmbH geschlossener Girovertrag fehlt hier jedoch. Auf andere Rechtsbeziehungen lassen sich die vorgenannten Grundsätze, die insbesondere dem Bedürfnis erhöhter Rechtssicherheit im bar-geldlosen Zahlungsverkehr dienen, nicht ohne weiteres übertragen (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2004 - XI ZR 361/03, BGHZ 161, 273, 278 f. mwN).

19        (b) Ein Anspruch des Klägers aus einem abstrakten Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis der P. GmbH lässt sich auch nicht mit Hilfe anderer Erwägungen bejahen. Ein abstraktes Schuldversprechen oder Schuldaner-kenntnis im Sinne der §§ 780, 781 BGB liegt vor, wenn der Versprechende oder Anerkennende eine selbständige, von den zugrunde liegenden Rechtsbezie-hungen losgelöste Verpflichtung übernimmt (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Dezember 2004 - XI ZR 361/03, BGHZ 161, 273, 279 mwN). Ob diese Vor-aussetzungen gegeben sind, ist ausgehend vom Wortlaut der Erklärung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere ihres Anlasses und ihres Zwecks sowie der Interessenlage beider Seiten, durch Auslegung zu ermitteln (BGH, aaO).

20        Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht ein abstraktes Schuld-versprechen oder Schuldanerkenntnis zu Recht verneint. Der Kläger konnte die Übersendung des ein Guthaben von 7.571,76 € ausweisenden Kontoauszugs vom 28. Februar 2005 nicht als Übernahme einer selbständigen Zahlungsver-pflichtung durch die P. GmbH verstehen. Der Kontoauszug lässt bereits nach seinem Inhalt nicht hinreichend erkennen, dass die P. GmbH darin erklären wollte, den genannten Betrag dem Kläger auf jeden Fall auch ohne nachvoll-ziehbare Abrechnung der zugrunde liegenden Wertpapiergeschäfte zu schul-den. Vielmehr erschöpft sich die Aussagekraft des Kontoauszugs in der schlich-ten Information über den aktuellen Saldo und stellt eine bloße Wissenserklärung dar, mit welcher der Kunde von den Buchungen auf seinem Konto unter-richtet wird.

21        Eine weitergehende Rechtswirkung des Auszugs hätte auch der beider-seitigen Interessenlage nicht entsprochen. Für die P. GmbH bestand keine Ver-anlassung, über den sich aus dem Beteiligungsvertrag ergebenden Gewinnbe-teiligungsanspruch hinaus eine selbständige Zahlungsverpflichtung zu über-nehmen. Die Interessen des Klägers waren durch die ihm zustehenden Infor-mationsrechte nach Nummer 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und den Anspruch auf Ergebnisbeteiligung nach Nummer 7 der Allgemeinen Ge-schäftsbedingungen sowie die gegebenenfalls hinzutretenden Ansprüche auf Auskunft und Rechenschaftslegung nach § 384 Abs. 2 Halbsatz 2 Fall 1 HGB bzw. § 675 Abs. 1, § 666 BGB sowie auf Herausgabe des aus der Geschäfts-besorgung Erlangten gemäß § 384 Abs. 2 Halbsatz 2 Fall 2 HGB bzw. § 675 Abs. 1, § 667 Fall 2 BGB gewahrt. Entgegen der Revision ergibt sich aus der Regelung in Nummer 5.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach auf Verlangen der P. GmbH vom Kunden ein Doppel der Kontoübersicht zum Zwe-cke des Einverständnisses zu unterschreiben und an die P. GmbH zurückzu-senden war, nichts anderes; eine solche Einverständniserklärung zielte - insbe-sondere auch im Zusammenspiel mit dem Kündigungsrecht der P. GmbH nach Nummer 12.4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und ungeachtet der Fra-ge der rechtlichen Wirksamkeit - offensichtlich nur auf eine Entlastung der P. GmbH im Rahmen des Geschäftsbesorgungsvertrages.

22        (c) Darüber hinaus hat das Berufungsgericht einen Entschädigungsan-spruch des Klägers auf der Grundlage des Kontoauszugs vom 28. Februar 2005 auch deshalb zu Recht verneint, weil dieser - unstreitig - Scheingewinne ausgewiesen hat und es sich bei dem vermeintlichen Anspruch des Klägers auf Auszahlung solcher Gewinne bzw. aus einem auf einer solchen Grundlage abgegebenen abstrakten Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis nicht um eine Verbindlichkeit der P. GmbH aus Wertpapiergeschäften im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG handelt.

23        Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG sind Verbindlichkeiten aus Wertpapier-geschäften, wie bereits erwähnt, Verpflichtungen eines Instituts auf Rückzah-lung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapier-geschäften gehalten werden. Scheingewinne werden davon schon dem Wort-laut nach nicht erfasst.

24        Diese Einschränkung des Schutzbereichs entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Nach der Gesetzesbegründung zur bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung des § 1 Abs. 4 EAEG sollen in den Schutzbereich der Norm nur solche Verpflichtungen aus Wertpapiergeschäften fallen, die zu den vertrag-lichen Hauptleistungspflichten gehören, nicht dagegen beispielsweise Scha-densersatzansprüche aus Beratungsfehlern (BT-Drucks. 13/10188, S. 16). Mit der Neufassung des § 1 Abs. 4 EAEG durch das Vierte Finanzmarktförde-rungsgesetz vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2010) sollten nach dem Willen des Gesetzgebers im Wesentlichen redaktionelle Unklarheiten des Normtextes be-seitigt werden (vgl. BT-Drucks. 14/8017, S. 69 f.), die den Schutzbereich der Vorschrift unberührt gelassen, insbesondere nicht erweitert haben. Wenngleich die Unterscheidung zwischen Hauptleistungspflichten und Schadensersatzan-sprüchen aus Beratungsfehlern im Hinblick darauf zweifelhaft ist, dass auch die Beratungsleistung eine vertragliche Hauptleistungspflicht darstellen kann, ist das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel klar. Geschützt werden nur solche Ansprü-che des Anlegers, die sich unmittelbar auf die Verschaffung von Rechten, Be-sitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren richten. Dazu gehören auch Ansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten, durch die - wie etwa im Falle der Unterschlagung oder Untreue - die Ansprüche des Kunden auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapie-ren vereitelt werden (vgl. Dreymann/Schnatmeyer, Das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, 2000, S. 67 f.; Fischer in Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, KWG, 3. Aufl., § 23a Rn. 5; Sethe in Assmann/Schütze, Hand-buch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl., § 25 Rn. 109). Der Ersatz (tatsächlich) entgangenen Gewinns oder der Ausgleich von Verlusten, die aufgrund einer fehlerhaften Anlagestrategie entstanden sind, unterfallen daher nicht dem Schutz des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes. Erst recht wird der vermeintliche Anspruch auf die Auszahlung von Scheingewinnen nicht geschützt.

25        Eine solche Eingrenzung des Schutzbereichs ist auch europarechtskon-form. § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG beruht auf Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger (ABl. EG 1997 Nr. L 84 S. 22). Dieser be-stimmt, dass dem Anleger Gelder zurückzuzahlen sind, die ihm geschuldet werden oder gehören und für seine Rechnung im Zusammenhang mit Wertpa-piergeschäften gehalten werden. Weiterhin gewährleistet diese Norm, dass dem Anleger die Finanzinstrumente zurückgegeben werden, die diesem gehö-ren und für seine Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten, verwahrt oder verwaltet werden. Einen Anspruch des Anlegers auf Auszahlung von Scheingewinnen will die Richtlinie - wie auch ihr Erwägungs-grund 8 unterstreicht - nicht gewähren. Die von der Revision angeregte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht angezeigt.

26        (2) Aus den vorstehenden Gründen kann der Kläger seinen Entschädi-gungsanspruch auch nicht auf den Kontoauszug vom 31. August 2004 stützen.

27        (3) Dem Kläger steht aber gegen die P. GmbH ein Anspruch auf Rück-zahlung der von ihm eingezahlten Gelder zu.

28        (a) Wie oben unter II 2 b bb (1) (c) dargelegt worden ist, schützt § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG Ansprüche des Anlegers, die sich unmittelbar auf die Ver-schaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren richten. Hierzu gehört auch der Anspruch auf Rückzahlung der Gelder, die der Anleger dem Institut im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften überlassen und die dieses vertragswidrig verwendet hat. Der Rückzahlungsanspruch hat seine Grundlage in § 675 Abs. 1, § 667 Fall 1 BGB. Er stellt für die P. GmbH eine Verbindlichkeit aus Wertpapiergeschäften im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG dar, wie sich bereits dem Wortlaut dieser Vorschrift entnehmen lässt. Denn bei den vertragswidrig verwendeten Anlagegeldern handelt es sich um Gelder, die dem Anleger gehören und für dessen Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Das Einlagensicherungs- und An-legerentschädigungsgesetz bezweckt - wie dargelegt - gerade auch den Schutz des Anlegers vor solchen Vertragsverletzungen eines Instituts, die den An-spruch des Kunden auf Rückzahlung der eingezahlten, aber vertragswidrig verwendeten Gelder vereiteln.

29        (b) Entgegen der Revisionserwiderung kann die Beklagte den Kläger nicht auf den Wert seiner Beteiligung verweisen. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn die Beteiligung herauszugeben wäre. Dazu müsste sie ein Instru-ment im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 2 EAEG sein. Der Begriff des Instruments entspricht demjenigen des Finanzinstruments in § 1 Abs. 11 KWG. Um ein sol-ches handelt es sich bei der Beteiligung des Klägers nicht. Vielmehr sammelte die P. GmbH die Kundengelder auf einem Treuhandkonto und trat bei der Ab-wicklung der Finanzkommissionsgeschäfte - soweit solche getätigt wurden - im Außenverhältnis zum Broker im eigenen Namen auf.

30        (c) Der Rückzahlungsanspruch des Klägers beträgt 324,18 €. Als Anla-gegelder im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG kann nur der gezahlte Nettobe-trag von 38.461,54 DM (= 19.665,08 €) angesehen werden, weil nur diese Summe von der P. GmbH für die Wertpapiergeschäfte verwendet werden sollte. Das Agio sollte dagegen den Verwaltungsaufwand der P. GmbH abdecken und kann vom Kläger allenfalls als Schadensersatz wegen von vornherein beabsich-tigter Nichtdurchführung der Vermögensanlage herausverlangt werden. Dieser Anspruch wird vom Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz indes nicht geschützt. Unter Berücksichtigung der Auszahlungen (19.304,88 €) beträgt der Rückzahlungsanspruch des Klägers gegen die P. GmbH 360,20 €, so dass sich der Entschädigungsanspruch gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EAEG auf 324,18 € beläuft.

31        Soweit die P. GmbH einen (geringen) Teil der von ihren Kunden verein-nahmten Gelder vertragsgemäß in Termingeschäften angelegt hat, kommt zwar eine Einbeziehung des sich daraus ergebenden - dem Kläger anteilig zuzu-rechnenden - Saldos aus tatsächlich erzielten Gewinnen und Verlusten bei der Berechnung des Rückzahlungsanspruchs in Betracht. Insoweit fehlt es aber vorliegend an einem substantiierten Vorbringen der Parteien, obwohl hierzu in den Tatsacheninstanzen im Hinblick darauf Anlass bestanden hat, dass der Kläger den von ihm geltend gemachten Anspruch höchst hilfsweise auch auf die Differenz zwischen dem gezahlten Nettobetrag und den ihm zugeflossenen Auszahlungen gestützt hat.

32        (d) Es kann offen bleiben, ob - wie die Revisionserwiderung meint - die Beklagte dem Entschädigungsanspruch die nach dem Vertrag geschuldeten Verwaltungsgebühren entgegenhalten kann. Nach § 4 Abs. 1 EAEG sind bei Höhe und Umfang des Entschädigungsanspruchs des Anlegers zwar etwaige Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte des Instituts zu berücksichtigen.

Weder die P. GmbH noch die Beklagte haben aber den vermeintlichen Vergü-tungsanspruch substantiiert dargelegt, obwohl dies - wie im vorstehenden Ab-satz dargelegt - in den Tatsacheninstanzen angezeigt gewesen wäre. Aufgrund dessen kann auch dahinstehen, ob dem Kläger gegen einen solchen Anspruch wegen der von Anfang an beabsichtigten Nichtdurchführung der Kommissions-geschäfte eine rechtsvernichtende oder rechtshindernde Einrede zustehen würde.

33        III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit das Berufungsgericht auch einen Zahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 324,18 € nebst Zinsen verneint hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind und die Sache damit zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage erweist sich im Umfang der Aufhe-bung als begründet, so dass unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zur Zahlung von 324,18 € nebst Zinsen zu verurteilen und die weiter-gehende Klage abzuweisen ist.

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