LG München I: Kein Anspruch des Hauptschuldners gegen den Gläubiger auf Herausgabe oder auf Wertersatz des aus der Bürgschaft Erlangten
LG München I, Urteil vom 5.5.2010 - 2 O 14011/05
Sachverhalt
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung zweier gezogener Bürgschaften in Anspruch.
Die Beklagte beauftragte die Klägerin am 24. Juni 1999 als Generalunternehmerin für das Bauvorhaben ... in Leipzig. Der von der Beklagten für mehrere Bauvorhaben verwendete Vertragstext sah vor, dass die Klägerin eine Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von 5% der Auftragssumme sowie eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern unter Verzicht auf die Einrede des § 768 BGB ebenfalls in Höhe von 5% der Auftragssumme zu stellen habe. Unter dem 6. Juli 1999 stellte die ... als Bürgin für die Klägerin beide Bürgschaften als solche auf erstes Anfordern und unter Verzicht auf die Einreden §§ 768, 770 und 771 BGB in Höhe von jeweils 136.400.- DM. Im Rahmen der Vertragsdurchführung kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien. Mit Schreiben vom 11. November 1999 kündigte die Klägerin den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag. Diese Kündigung akzeptierte die Beklagte zunächst nicht und forderte die Klägerin auf, bis spätestens 19. November 1999 die Arbeiten wieder aufzunehmen. Nachdem die Klägerin dieser Aufforderung nicht Folge geleistet hatte kündigte die Beklagte am 24. November 1999 ihrerseits den Vertrag. Am 3. Februar 2000 forderte die Beklagte die Bürgin auf, beide Bürgschaftsbeträge gegen Rückgabe der Bürgschaftsurkunden auszuzahlen. Die Bürgin zahlte an die Beklagte den insgesamt verbürgten Betrag in Höhe von 272.800.- DM und nahm zeitgleich bei der Klägerin Regress, indem sie deren Avalkonto mit diesem Betrag belastete.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Bürgschaft hätte bereits aus formalen Gründen nicht gezogen werden dürfen, da die vertragliche Vereinbarung zur Übergabe der Bürgschaften wegen Verstoßes gegen Regelungen zu allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sei. Außerdem habe die Beklagte jeweils 5% der jeweilig gestellten Abschlagsrechnungen einbehalten, so dass auch aus diesem Grund die Bürgschaften formal nicht hätten gezogen werden dürfen. Darüber hinaus stünden der Beklagten die Bürgschaftsbeträge aber auch in materieller Hinsicht nicht zu, da die Beklagte weder eine mangelhafte Leistung ordnungsgemäß angezeigt habe noch einen Schaden, der durch die Vertragserfüllungsbürgschaft abgedeckt sei.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 19. Mai 2009, eingegangen am 20. Mai 2009 (Blatt 82 der Akten), gegen das ihr am 8. Mai 2009 zugestellte, klageabweisende Versäumnisurteil Einspruch eingelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Versäumnisurteil vom 8. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin E 139.480,43 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil vom 8. April 2009 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Sie trägt vor, die Klägerin habe keine prüfbare oder zutreffende Schlussrechnung gestellt, so dass bereits deswegen ein Rückzahlungsanspruch nicht nachgewiesen sei. Abgesehen davon habe sie, die Beklagte, die Bürgschaften berechtigt gezogen. Die Klägerin sei vor Beendigung des Vertragsverhältnisses mit den geforderten Bauleistungen erheblich in Verzug gewesen. Unter Vorspiegelung falscher Bautenstände habe sie weit überhöhte Abschlagsrechnungen gestellt, die die Beklagte im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben der Klägerin beglichen habe. Dadurch habe die Beklagte die Klägerin, gemessen am tatsächlich erreichten Bautenstand, weit überzahlt. Durch Überzahlung, mangelhafte Leistung der Klägerin und dem nicht fristgerechten Bautenstand sei der Beklagten ein Schaden in Millionenhöhe entstanden. Mit diesem Schaden rechne die Beklagte hilfsweise gegen einen etwaigen Rückzahlungsanspruch auf.
Wegen der Rechtsauffassungen und des Tatsachenvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze mit den dazugehörigen Anlagen verwiesen.
Das Gericht hat auf seine Rechtsauffassung in der mündlichen Verhandlung vom 13. September 2006 sowie mit Beschluss vom 16. November 2009 hingewiesen. Auf die Sitzungsniederschrift vom 13. September 2006 (Blatt 35 bis 38 der Akten) sowie auf den Beschluss vom 16. September 2009 (Blatt 103 bis 107 der Akten) wird insoweit Bezug genommen.
Aus den Gründen
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann von der Beklagten weder die Herausgabe des aus den Bürgschaften Erlangten noch Wertersatz in gleicher Höhe verlangen. Das gilt auch und erst recht, soweit sie einwendet, sie sei nicht verpflichtet gewesen, der Beklagten Bürgschaften auf erstes Anfordern zu stellen.
A. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen vertraglichen Anspruch auf Herausgabe oder Zahlung in Höhe dessen, was die Beklagte von der Bürgin erlangt hat. Eine entsprechende vertragliche Vereinbarung liegt nicht vor.
1. Weder der Generalunternehmervertrag noch die zwischen den Parteien geschlossene und davon zu unterscheidende Ablöse- und Sicherungsvereinbarung, sehen für den Fall der - wie die Klägerin meint - unberechtigten Inanspruchnahme der Bürgin einen solchen Anspruch der Klägerin vor.
a) Aufgrund der Ablösevereinbarung sollte die Klägerin berechtigt sein, die zur Sicherung des vertraglichen Erfüllungsanspruchs sowie etwaiger Gewährleistungsansprüche der Beklagten vereinbarten Einbehalte von jeweils 5 % der Auftragssumme durch Beibringung von Bürgschaften auf erstes Anfordern abzulösen. Nach Obergabe entsprechender Bürgschaften sollte der restliche Werklohn sofort fällig werden.
b) In der Sicherungsvereinbarung haben die Vertragsparteien sinngemäß vereinbart, dass die Beklagte nur beim Eintritt des Sicherungsfalls berechtigt sein sollte, die als Sicherheit hingegebene Bürgschaft zu verwerten. Ohne Sicherungsfall durfte die Beklagte die Bürgschaften nicht verwerten. Bei vertragsgemäßer Herstellung und Mangelfreiheit des Werks war die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die Bürgschaft nach Ablauf entsprechender Fristen zurückzugeben.
2. Soweit in der Rechtsprechung (vgl. BGH Urteile vom 24. September 1998 IX ZR 371/97, BGHZ 139, 325; vom 24. Oktober 2002 IX ZR 355/00, BGHZ 152, 246) und in Teilen des Schrifttums etwas anderes angenommen wird, kann dem nicht gefolgt werden. Die Vertragsparteien haben zumindest keine ausdrückliche Regelung für den Fall der unberechtigten Inanspruchnahme der Bürgschaft getroffen. Soweit eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht kommt, muss sie sich vorrangig an den Regeln des dispositiven Gesetzesrechts orientieren. Nur wenn und soweit dieses Recht keine Regelungen vorsieht, kommt eine an den Interessen der Beteiligten orientierte freie Vertragsergänzung in Betracht (vgl. nur Erman-Palm, BGB Kommentar 10. Aufl. § 133 Rn. 22 m.w.N.).
a) Die gesetzliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar: Befriedigt der Bürge den Gläubiger, indem er auf seine Verpflichtung aus der Bürgschaft (§ 765 Abs. 1 BGB) leistet, so geht die durch die Bürgschaft gesicherte Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner nach § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB kraft Gesetzes auf den Bürgen über. Bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern ist der Bürge verpflichtet, auf einfaches Verlangen des Gläubigers hin zu leisten; Einwendungen und Einreden hat er in einem späteren Verfahren geltend zu machen.
aa) Hat der Bürge ohne Rechtsgrund an den Gläubiger geleistet, z.B. weil das Bürgschaftsversprechen oder der Vertrag im Hauptschuldverhältnis unwirksam waren oder weil (bei Wirksamkeit des Vertrags im Hauptschuldverhältnis) die zu sichernde Forderung nicht bestand, so kann und muss der Bürge nach zutreffender h.M. das Geleistete unmittelbar vom Gläubiger zurückfordern (Rückforderungsprozess).
(1) Soweit die Klägerin demgegenüber geltend macht, die Bürgin habe an sie und sie habe an die Beklagte geleistet, folgt das Gericht dem nicht. Die für sog. Anweisungsfälle entwickelte Bestimmung der Leistungsbeziehungen entspricht nicht den Verhältnissen bei Einschaltung eines Bürgen. Anders als der Angewiesene will der Bürge nicht in erster Linie eine gegenüber dem Hauptschuldner bestehende Verbindlichkeit erfüllen, sondern er leistet ausschließlich auf seine gegenüber dem Gläubiger bestehende eigene Verbindlichkeit. Die Zahlung des Bürgen beruht nicht auf einer Anweisung des Hauptschuldners, sondern auf einem autonomen Entschluss des Bürgen. Der erforderliche Leistungswille wird nicht vom Hauptschuldner gebildet, sondern allein vom Bürgen. Die Zweck-. oder Tilgungsbestimmung trifft der Bürge, indem er festlegt, nur die eigene Verbindlichkeit erfüllen zu wollen. Ohne eine ausdrückliche davon abweichende Tilgungsbestimmung kann der Zahlung eines Bürgen nicht der Zweck beigelegt werden, auf (bestehende) Erfüllungs- oder Gewährleistungsverpflichtungen des Hauptschuldners gegenüber dem Gläubiger leisten und diese Ansprüche erfüllen zu wollen. Dem widerstreitet nicht zuletzt der gesetzliche Forderungsübergang in § 774 BGB.
(2) Nach allem fehlt es an einem Zurechnungsgrund für das Verhalten des Bürgen, der es erlauben würde, bereicherungsrechtlich (wie in den Anweisungsfällen) auch im Verhältnis zwischen Hauptschuldner und Gläubiger von einer Leistung auszugehen. Eine Leistungsbeziehung besteht vielmehr nur zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger. Deshalb kann der Bürge eine rechtsgrundlose Leistung unmittelbar vom Gläubiger zurückfordern (s.o.). Für die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung einer rechtsgrundlosen Bürgenleistung in den jeweiligen Vertragsverhältnissen dagegen besteht kein Anlass.
bb) Im Übrigen muss der Bürge aus dem kraft Gesetzes auf ihn übergegangenen Recht gegen den Hauptschuldner vorgehen (Nachprozess). Daran, dass der Nachprozess zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner zu führen ist, ändert sich auch dann nichts, wenn der Hauptschuldner - wie offenbar im Streitfall - verpflichtet ist, dem Bürgen die aus seiner Inanspruchnahme erwachsenen Aufwendungen ebenfalls "auf erstes Anfordern" zu ersetzen. In diesem Fall muss allerdings (in umgekehrter Rollenverteilung) der Hauptschuldner als Kläger gegen. den Bürgen als Beklagten vorgehen, um zu klären, ob der Bürge ihn aufgrund des übergegangenen Rechts zu Recht in Anspruch genommen hat. Im Nachprozess zwischen dem Hauptschuldner und dem Bürgen wird mittelbar (auch) geklärt, ob der Gläubiger das aus der Bürgschaft Erlangte behalten darf. Unterliegt nämlich der Bürge im Nachprozess gegen den Hauptschuldner, etwa weil die Hauptforderung nicht bestand, so hat der Bürge wegen der Abhängigkeit der Bürgenverpflichtung vom Bestand der Hauptforderung (§ 767 BGB) ohne Rechtsgrund an den Gläubiger geleistet und kann das aus der Bürgschaft Erlangte von diesem zurückfordern (s.o).
cc) Hat der Gläubiger gegen die Sicherungsabrede verstoßen, indem er den Bürgen in Anspruch genommen hat, ohne dass ein Sicherungsfall vorlag, findet bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern eine (vorläufige) Rückabwicklung nicht statt. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern ist Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Bürgenleistung bis zum Abschluss des Nachprozesses. Erst im Nachprozess lebt die Akzessorietät der Bürgschaft wieder auf und der Gläubiger, wird nachträglich so gestellt, als hätte er die Leistung ohne Rechtsgrund erlangt. Unbenommen bleiben in diesem Fall Schadenersatzansprüche des Hauptschuldners gegen den Gläubiger wegen schuldhafter Verletzung von Vertragspflichten.
dd) Nach allem verbleibt grundsätzlich kein Raum für eine ergänzende Auslegung des im Hinblick auf die Rückabwicklung einer unberechtigten Inanspruchnahme des Bürgen durch den Gläubiger lückenhaften Vertrags.
b) Aber selbst wenn eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht käme, könnte ihr keine Regelung entnommen werden, nach welcher der Hauptschuldner vom Gläubiger das aus der Bürgschaft Erlangte herausverlangen kann.
aa) Die höchstrichterliche Rechtsprechung führt zu unbefriedigenden Ergebnissen. Nach ihr kann der Bürge sowohl gegen den Gläubiger (aus Bereicherungsrecht) als auch gegen den Hauptschuldner (aus §§ 675, 670 BGB) vorgehen. Der Gläubiger sieht sich hingegen einer Verdoppelung von Ansprüchen ausgesetzt, da nicht nur der Bürge, sondern auch der Hauptschuldner von ihm das aus der Bürgschaft Erlangte kondizieren kann (zum Ganzen: MüKo-Schwab 5. Aufl. 2009 § 812 Rz. 170 m.w.N.). Dem kann nicht gefolgt werden.
bb) Zur Auflösung dieser Situation wird im Schrifttum vorgeschlagen, dem Bürgen einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Hauptschuldner und diesem einen auf den Sicherungsvertrag gestützten Rückforderungsanspruch gegen den Gläubiger zu gewähren (vgl. MüKo-Schwab a.a.O.). Dem könnte nur gefolgt werden, wenn auch der Bereicherungsanspruch des Bürgen gegen den Gläubiger entfiele, weil ansonsten die Doppelbegünstigung des Bürgen und die Doppelbelastung des Gläubigers
nicht beseitigt wären. Dem Vorschlag kann aber auch deshalb nicht gefolgt werden, weil er im Gesetz keine Stütze findet.
cc) Das Gericht geht demgegenüber davon aus, dass der Bürge das ohne Rechtsgrund Geleistete vom Gläubiger zurückverlangen kann und muss (s.o.) und dass der Nachprozess im Übrigen zwischen dem Hauptschuldner und dem Bürgen zu führen ist. Dem Hauptschuldner steht deshalb ein Anspruch gegen den Gläubiger auf Herausgabe des aus der Bürgschaft Erlangten in keinem Fall zu. Ob der Bürge gegen den Hauptschuldner nicht nur aus übergegangenem Recht, sondern auch aus Vertrag/GoA vorgehen kann, bedarf hier keiner Entscheidung, dürfte jedoch zu verneinen sein.
d) Ausgehend von diesem Verständnis des Gesetzes, ergeben sich keine Wertungsgesichtspunkte, die einen (vertraglichen) Anspruch des Hauptschuldners gegen den Gläubiger rechtfertigen könnten. Die Interessenlage wird durch die gesetzliche Regelung angemessen berücksichtigt. Für eine darüber hinausgehende Begünstigung des Bürgen oder des Hauptschuldners besteht kein Anlass.
aa) Der Hauptschuldner bedarf keines weiter gehenden Schutzes. Er hat im Nachprozess gegen den Bürgen sämtliche Einwendungen und Einreden aus dem Hauptschuldverhältnis wie gegen den Beklagten. Er wird - anders als der Bürge - auch nicht dadurch benachteiligt, dass er den Nachprozess gegen eine andere Person führen muss als gegen den Vertragspartner, den er sich ausgesucht hat. Zwar verlagert sich aufgrund der cessio legis auch das Insolvenzrisiko. Solange der Hauptschuldner danach das Insolvenzrisiko der Bürgin und nicht das Insolvenzrisiko des Gläubigers zu tragen hat, dürfte darin im Regelfall allerdings kein Nachteil zu sehen sein.
bb) Umgekehrt wird der Hauptschuldner gerade dann benachteiligt, wenn man ihm einen Anspruch gegen den Gläubiger einräumt. In diesem Fall hat der Hauptschuldner nämlich (zumindest auch) das Insolvenzrisiko des Gläubigers zu tragen, obwohl er den Bürgen (auch) dafür bezahlt hat, dieses Risiko zu übernehmen. Denn nach der hier vertretenen Auffassung, die auch der ganz h.M. entspricht, kann (und muss) der Bürge das ohne Rechtsgrund Geleistete vom Gläubiger zurückfordern (s.o.). Insofern hat er das Insolvenzrisiko des Gläubigers übernommen. Gerade bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern, wird häufig ein. Nachprozess erforderlich werden. Aus diesen Gründen ist eine Bürgschaft auf erstes Anfordern wesentlich teuerer als eine selbstschuldnerische Bürgschaft. Der Hauptschuldner bezahlt den Bürgen für die Übernahme dieser Risiken. Werden ihm dieselben Risiken anschließend wieder selbst zugewiesen, liegt gerade darin eine ungerechtfertigte Benachteiligung.
cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sachnähe. Der Klägerin ist zuzugeben, dass Rechte und Pflichten aus dem Hauptschuldverhältnis am besten zwischen den Parteien dieses Schuldverhältnisses geklärt werden können. Darauf kommt es jedoch nicht an. Das Gesetz sieht in § 774 BGB vor, dass der Bürge an die Stelle des Gläubigers tritt. Die damit im Nachprozess verbundenen Schwierigkeiten der Informations- und Beweismittelbeschaffung hat der Gesetzgeber für hinnehmbar gehalten. Es besteht keine Veranlassung, darüber hinwegzugehen.
dd) Auch zum Schutz des Bürgen ist ein Anspruch des Hauptschuldners gegen den Gläubiger nicht geboten. Kraft des Forderungsübergangs ist der Bürge rechtlich in der Lage, den Nachprozess gegen den Hauptschuldner im eigenen Namen zu führen oder sich gegen die Ansprüche des Hauptschuldners im Nachprozess zur Wehr zu setzen. Die tatsächlichen Schwierigkeiten der Informations- und Beweismittelbeschaffung hat der Gesetzgeber für hinnehmbar gehalten. Für die Übernahme der damit verbundenen Nachteile, einschließlich der Übernahme des Insolvenzrisikos des Gläubigers für den Fall der Rückforderung, lässt sich der Bürge im Regelfall vom Hauptschuldner bezahlen,
ee) Wäre der Bürge - wie es die Rspr. praktiziert - von sämtlichen Risiken der Rückforderung und des Nachprozesses einschließlich der von ihm übernommenen Insolvenzrisiken befreit, so wäre nicht verständlich, für welche Leistung er einen Avalzins vom Hauptschuldner überhaupt fordern und behalten darf.
B. Die Klägerin hat auch keinen die Klageforderung rechtfertigenden Anspruch gegen die Beklagte aus Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB).
1. Zwar hat die Beklagte aus der Inanspruchnahme der Bürgin etwas erlangt, das sie im Verhältnis zur Klägerin möglicherweise nicht dauerhaft behalten darf. Sie hat dies zumindest mittelbar auch auf Kosten der Klägerin erlangt, die umgehend von der Bürgin in gleicher Höhe selbst belastet worden ist.
2. Die Zahlungen sind jedoch nicht ohne Rechtsgrund erfolgt.
a) Die Bürgschaftsverträge sind nach übereinstimmender Ansicht der Parteien wirksam. Die Bürgin hat deshalb grundsätzlich auf wirksame Verpflichtungen geleistet.
Bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern bildet die Bürgenverpflichtung den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Bürgenleistung bis zum Abschluss des Nachprozesses, der nach hier vertretener Ansicht von der Klägerin gegen die Bürgin geführt werden muss und noch nicht geführt worden ist.
b) Auch der - wechselseitig gekündigte - Werkvertrag ist nach übereinstimmender Ansicht beider Parteien wirksam.
c) Ob die Beklagte möglicherweise im Ergebnis deswegen rechtsgrundlos bereichert ist, weil die Hauptforderung von Anfang an nicht bestand, so dass die Bürgin ihr gegenüber nicht zur Leistung verpflichtet war, muss hier offen bleiben. Die Frage kann nur - wie dargelegt - im Nachprozess geklärt werden, den die Klägerin schon wegen der cessio legis gegen die Bürgin führen muss.
d) Die Bürgin hat auch nicht deshalb ohne Rechtsgrund geleistet, weil die Beklagte möglicherweise unter Verstoß gegen die Sicherungsabrede von der Bürgschaft Gebrauch gemacht hat. Die Wirksamkeit der Bürgenverpflichtung (§ 765 Abs. 1 BGB), die den vorläufigen Rechtsgrund für das Behaltendürfen darstellt, wird dadurch nicht berührt.
e) Für die Zahlungen der Bürgin an die Beklagte fehlt auch nicht deshalb ein Rechtsgrund; weil die Klägerin möglicherweise nicht verpflichtet gewesen wäre, der Beklagten Bürgschaften auf erstes Anfordern zu stellen.
aa) Nach der Rspr. kann die Ablösevereinbarung wegen Verstoßes gegen das AGB-rechtliche Benachteiligungsverbot unwirksam sein, wenn der Gläubiger in allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bürgschaft auf erstes Anfordern verlangt (BGH Urteil vom 4. Juli 2002 VII ZR 502/99, , BGHZ 151, 229). Die Folge davon ist, dass der Sicherungsgeber vom Gläubiger und Sicherungsnehmer eine Erklärung verlangen kann, lediglich eine selbstschuldnerische Bürgschaft beibringen zu müssen oder die bereits beigebrachte Bürgschaft als selbstschuldnerische Bürgschaft zu behandeln (BGH Beschluss vom 13. November 2003 VII ZR 371/01, BauR 2004, 500).
bb) Die Ablösevereinbarung ist Rechtsgrund nur für die Hingabe der Bürgschaft (Bürgschaftsurkunde), nicht jedoch für das Behaltendürfen des aus der Bürgschaft Erlangten. Ob die Beklagte das aus den Bürgschaften Erlangte behalten darf, hängt nicht davon ab, ob die Klägerin verpflichtet war, Bürgschaften auf erstes Anfordern beizubringen, sondern vorläufig allein davon, ob die Bürgin auf eine wirksame Verpflichtung geleistet hat (§ 765 Abs. 1 BGB) und letztlich nur, ob der zu sichernde Anspruch bestand (§ 767 Abs. 1 Satz 1 BGB).
cc) Aus dem Umstand, dass dem Gläubiger die Bürgschaften auf erstes Anfordern möglicherweise nicht zugestanden hätten, ergibt sich auch kein Grund, dem Hauptschuldner einen Anspruch gegen den Gläubiger auf Herausgabe des aus der Inanspruchnahme des Bürgen Erlangten einzuräumen.
(1) Das AGB-rechtliche Benachteiligungsverbot, das nach der Rspr. zur Folge haben kann, dass die Verpflichtung, eine bestimmte Bürgschaft stellen zu müssen, nichtig ist, bezweckt nicht, den Hauptschuldner vor der Inanspruchnahme einer ohne Rechtsgrund hingegebenen Sicherheit zu schützen. Der Hauptschuldner soll lediglich davor geschützt werden, eine Sicherheit stellen zu müssen, für die ihm besonders hohe Kosten entstehen. Bei Unwirksamkeit der Verpflichtung kann der Hauptschuldner deshalb - wie dargelegt - nur die Vertragsanpassung verlangen; einen Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde hat die Rspr. ausdrücklich abgelehnt.
(2) Erst recht nicht ergibt sich darüber hinaus aus der Unwirksamkeit der Verpflichtung, eine bestimmte Bürgschaft stellen zu müssen, ein Anspruch auf Herausgabe des aus der Bürgschaft Erlangten. Der Nachteil, eine besonders teuere Bürgschaft stellen zu müssen, entfällt für den Hauptschuldner auch dann, wenn der Gläubiger den Bürgen in Anspruch nimmt, da der Gläubiger die Bürgschaftsurkunde zugleich an den Bürgen aushändigen muss. Der Hauptschuldner hat danach keinen Avalzins mehr zu entrichten. Damit ist dem Schutzzweck des AGB-rechtlichen Benachteiligungsverbots auch für den Fall der Inanspruchnahme der Bürgschaft genügt.
(3) Die Unwirksamkeit der Ablösevereinbarung gehört im Übrigen auch nicht zu den Einwendungen, die der Bürge dem Gläubiger entgegen halten kann. Der anders lautenden Rspr. des BGH folgt das Gericht nicht (vgl. LG München I, Urteil vom 6. April 2009 2 O 23094/07, juris). Das AGB-Recht bezweckt - wie dargelegt - insofern den Schutz des Schuldners, nicht jedoch denjenigen des Bürgen, der sich für die Obernahme des Risikos vom Hauptschuldner bezahlen lässt. Überdies kann der Hauptschuldner lediglich Vertragsanpassung verlangen; der Bürge haftet danach zumindest selbstschuldnerisch. Dass die Ablösevereinbarung außerhalb des Hauptschuldverhältnisses steht, auf das sich die Einwendungen der Bürgin beschränken, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass sich der Hauptschuldner von dem mit der Bürgin geschlossenen Bürgschaftsvertrag nicht mit der Begründung lösen könnte, er habe seine Willenserklärung zum Abschluss des Bürgschaftsvertrages nicht abgeben müssen. Im Verhältnis zur Bürgin wäre dies ein reiner Motivationsirrtum, der nach a.M. kein Grund für eine Anfechtung ist.
C. Ob die Klägerin bei dieser Sachlage zumindest von der Bürgin verlangen kann, ihre eigene Inanspruchnahme rückgängig zu machen, hängt allein von den im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Bürgin abgeschlossenen Vereinbarungen ab und ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Gegebenenfalls muss die Klägerin nicht nur die aus ihrer Sicht unberechtigte Inanspruchnahme der Bürgin, sondern auch ihre eigene Inanspruchnahme durch die Bürgin bis zum Abschluss des Nachprozesses hinnehmen. Unbenommen bleibt der Klägerin danach, von der Beklagten für die eventuell vertragswidrige Inanspruchnahme der Bürgin Schadenersatz zu fordern. Darauf war die vorliegende Klage jedoch nicht gerichtet.
D. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 Satz 1 und 709 ZPO.