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Wirtschaftsrecht
28.06.2012
Wirtschaftsrecht
KG Berlin: Kein Anspruch auf Verzugszinsen bei Entschädigung gem. §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EAEG

KG Berlin, Urteil vom 30.3.2012 - 9 U 115/11


Leitsätze


Ein Anleger hat keinen Anspruch auf Verzugszinsen aus §§ 288, 286 BGB auf die ihm zustehende Entschädigung gemäß §§ 3 Absatz 1, 4 Absatz 1 EAEG.


Wegen einer verzögerten Entschädigung kommt allenfalls ein Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 Absatz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG in Betracht (hier verneint).


Sachverhalt


I. Gemäß § 313 a Absatz 1 in Verbindung mit § 540 Absatz 2 ZPO wird von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie etwaiger Änderungen oder Ergänzungen abgesehen.


Aus den Gründen


II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.


1. Ein Anspruch der Kläger auf Verzugszinsen auf den Entschädigungsbetrag für den Zeitraum ab der anwaltlichen Mahnung bis zur Zahlung der Entschädigung durch die Beklagte scheitert bereits daran, dass die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften der §§ 288, 286 BGB auf öffentlich-rechtliche Forderungen nicht anwendbar sind.


Die Rechtsprechung von BGH und BVerwG ist in dieser Frage eindeutig. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, der zur Zahlung von Verzugszinsen auf öffentlich-rechtliche Forderungen verpflichtet; die Frage, ob auf eine öffentlich-rechtliche Forderung bei verspäteter Zahlung Verzugszinsen zu entrichten sind, beurteilt sich vielmehr nach dem im Einzelfall einschlägigen Spezialrecht (BGH NJW 1989, 2615 - juris Tz. 12; BVerwG
DVBl 2011, 1224 - juris Tz. 19). Eine Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Verzugsvorschriften im öffentlichen Recht kommt nur dann in Betracht, wenn dies gesetzlich oder sonst rechtlich besonders vorgesehen ist (BVerwG DÖV 1979, 761- juris Tz. 12 f.; BVerwG NVwZ 1986, 554 - juris Tz. 17). Dies kann beispielsweise für vertragliche Ansprüche aus der Verweisung in § 62 VwVfG entnommen werden. Im Übrigen bedarf es im öffentlichen Recht stets einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage im jeweiligen Fachrecht (BVerwG NVwZ 2003, 481 - juris Tz. 50; s.a. BGH Beschluss vom 26.01.1989 - III ZR 128/87 für Entschädigung einer Bausperre, BGH NJW 1982, 1277 - juris Tz. 26 für enteignungsgleichen Eingriff).


Ebenso wenig gibt es einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach bei öffentlich-rechtlichen Forderungen, bei denen Spezialbestimmungen über eine Verzinsungspflicht fehlen, auf eine analoge Anwendung der bürgerlichrechtlichen Verzugsregeln zurückgegriffen werden könnte (BGH NJW 1989, 2615 - juris Tz. 14; BVerwG DÖV 1979, 761- juris Tz. 13; BVerwG
NVwZ 1986, 554 - juris Tz. 18). Bei öffentlich-rechtlichen Über- und Unterordnungsverhältnissen ist eine analoge Anwendung der Verzugsregeln nicht zulässig, und zwar auch nicht bei Geldforderungen (BGH NJW 1989, 2615 - juris Tz. 14).


Der Umstand, dass § 4 Absatz 3 EAEG den Umfang des Entschädigungsanspruches auch auf Zinsansprüche erstreckt, die dem Anleger gegenüber dem Institut zustehen und hierzu Einzelheiten normiert, ändert an diesem Ergebnis nichts. Diese Regelung betrifft allein Zinsen des Anlegers gegenüber dem Institut aus dem Anlagevertrag und nicht Zinsen aus der Entschädigung gegenüber der Beklagten. Die Regelung ist eindeutig („im Rahmen der Obergrenzen ... ab dem Eintritt des Entschädigungsfalles ..., längstens bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens"). Rückschlüsse auf einen Willen des Gesetzgebers bezüglich einer Verzinsung der Entschädigungsleistung lassen sich hieraus nicht herleiten. Unerheblich ist es daher auch, dass in der vom 1. Juli 2002 bis 29. Juni 2009 geltenden Fassung der Vorschrift in Satz 4 für die Höhe der Zinsen die entsprechende Anwendung von § 288 BGB angeordnet war. Auch dies bezog sich allein auf die Zinsen des Anlegers gegenüber dem Institut aus dem Anlagevertrag.


2. Ein Anspruch auf Zinsen wie auch ein Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt auch nicht aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG, der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage. Ein solcher Anspruch scheidet aus, weil es an einer schuldhaften Amtspflichtverletzung fehlt. Jedenfalls steht dem Anspruch der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens entgegen.


a) Allerdings trifft die Beklagte eine Amtspflicht zur zügigen Sachbearbeitung und Entscheidung. Eine sofortige Erledigung von Anträgen kann jedoch in der Regel nicht verlangt werden. Jede Behörde hat gegenüber dem Antragsteller die Amtspflicht, gestellte Anträge mit der gebotenen Beschleunigung innerhalb einer angemessenen Frist zu behandeln, und die Anträge, sobald eine ordnungsgemäße Prüfung abgeschlossen ist, in angemessener Frist zu bescheiden (Wurm in Staudinger, BGB - Neubearbeitung 2007, § 839, Rn 130 m.w.N.). Welche Frist angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (s.a. Senat ZIP 2011, 415 - juris Tz 109). Soweit der BGH in seiner Phönix-I-Entscheidung (ZIP 2011, 2187 - juris Tz. 54) hervorhebt, dass die Beklagte die angemeldeten Ansprüche gemäß § 5 Absatz 4 Satz 1 EAEG unverzüglich zu prüfen hat, was wie in § 121 Absatz 1 Satz 1 BGB zu verstehen sei, so lässt sich dem kein strengerer Maßstab entnehmen. Die Amtspflicht zur zügigen Sachbearbeitung und Entscheidung verpflichtet generell zu einer Bearbeitung ohne schuldhaftes Zögern (vgl. Singer in Staudinger, BGB - Neubearbeitung 2011, § 121, Rn 9: sobald möglich und zumutbar).


Eine Behörde handelt jedoch nicht amtspflichtwidrig, wenn ihre Beamten bei einer zweifelhaften und ungeklärten Rechtsfrage, von der ihre Entscheidung abhängt, zunächst die Entscheidung eines bereits mit der gleichen Frage befassten oberen Gerichts abwartet (BGH VersR 1964, 195 <196> <197>; WM 1982, 564, juris - Tz. 3). Eine Behörde darf in Ausnahmefällen wie dem vorliegenden, in denen sich schwierige, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch ungeklärte Fragen stellen, vor der abschließenden Entscheidung die höchstrichterliche Klärung der Grundsatzfrage abwarten. Bei der Prüfung der Berechtigung der gegenüber der Beklagten geltend gemachten Entschädigungsansprüche stellten sich schwierige Rechtsfragen. Die Rechtsfrage, ob Anleger der Pnnn  GmbH, wie die Kläger, deren Gelder auf Sammeltreuhandkonten verwahrt worden sind, im Insolvenzfall durch ein eigenes Aussonderungsrecht nach § 47 InsO geschützt werden, war bis zur Entscheidung
des BGH vom 10. Februar 2011 (WM 2011, 798) höchstrichterlich noch nicht geklärt (vgl. BGH WM 2010, 1393, juris, Tz. 30). Die Beklagte durfte deshalb bis zur höchstrichterlichen Klärung der damit verbundenen streitigen Rechtsfragen in einem „Musterprozess" mit der Bescheidung jedenfalls abwarten (vgl. Senat ZIP 2011, 415 - juris Tz 97; so auch BGH
ZIP 2011, 2187 - Phönix-I - juris Tz. 57). Hiernach war es noch nicht amtspflichtwidrig, dass die Beklagte die Entscheidung der Frage des Bestehens von Aussonderungsrechten zurückstellen und die Klärung der offenen Rechtsfrage in einem Musterprozess abwarten wollte.


Allerdings stellt es eine Amtspflichtverletzung der Beklagten dar, dass sie nicht selbst einen Musterprozess geführt hat, bei dem sie „Herrin des Verfahrens" gewesen ist und als solche eine nichtstreitige Erledigung des Rechtsstreits hätte verhindern können. Insoweit war es nicht ausreichend, dass die Beklagte den Ausgang des vom Insolvenzverwalter (über das Vermögen der Pnnn  GmbH) gegen einen Großanleger geführten Rechtsstreits abgewartet hat, welcher schließlich zu dem Revisionsverfahren IX ZR 49/10 vor dem BGH geführt hat, mag in diesem auch die offene Rechtsfrage dahin geklärt worden sein, dass den Anlegern an den Einzahlungs- und Brokerkonten der Pnnn  GmbH ein Aussonderungsrecht nicht zusteht. Die Beklagte war deshalb verpflichtet, entweder die Frage des Bestehens eines Aussonderungsrechts in einem eigenen Musterverfahren klären zu lassen, wozu bereits im Lauf des Jahres 2008 Anlass bestanden habe, oder aber in eigener Verantwortung die offene Rechtsfrage selbst zu entscheiden (BGH ZIP 2011, 2187 - Phoenix I - juris Tz. 64). Es war daher amtspflichtwidrig, dass die Beklagte keine der beiden Handlungsalternativen verfolgt hat, vielmehr untätig geblieben ist und keine Maßnahmen getroffen hat, um die Berechtigung der angemeldeten Ansprüche abschließend entscheiden zu können.



b) Insoweit fehlt es allerdings am Verschulden der Beklagten.


Nicht jede objektiv falsche Rechtsanwendung begründet eine schuldhafte Amtspflichtverletzung. Bei der Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung hat ein Amtsträger die Gesetzes- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und danach aufgrund vernünftiger Überlegungen sich eine Rechtsmeinung zu bilden. Wenn die auf diese Weise gewonnene Rechtsansicht als rechtlich vertretbar angesehen werden kann, so kann aus einer nachträglichen Missbilligung dieser Rechtsauffassung durch ein Gericht ein Schuldvorwurf nicht hergeleitet werden (Wurm in Staudinger, BGB - Neubearbeitung 2007, BGB § 839,  Rn. 198).


Auf der Grundlage der seinerzeit zur Verfügung stehenden Rechtsprechung und Literatur war es jedenfalls vertretbar, wenn die Beklagte im Jahre 2008 davon ausgegangen ist, dass die offene Rechtsfrage des Bestehens von Aussonderungsrechten in dem Rechtsstreit des Insolvenzverwalters (über das Vermögen der Pnnn  GmbH) gegen einen Großanleger vor dem LG Frankfurt (Az. 2-21.O.298/07 - OLG Frankfurt Az. 16 U 176/09) abschließend geklärt und die Entscheidung dieses „Musterprozesses" deshalb abgewartet werden könne. Anforderungen an einen Musterprozess zur Klärung offener Rechtsfragen, wie sie der BGH in den Entscheidungen Phoenix I und II (ZIP 2011, 2187 - juris Tz. 63, ZIP 2011, 2295- juris Tz. 39) gestellt hat, sind zuvor von der Rechtsprechung auch noch nicht formuliert worden (vgl. BGH WM 1982, 564, juris - Tz. 3). Die Beklagte kann sich insoweit auch auf die Ausführungen von Wurm (in Staudinger, BGB - Neubearbeitung 2007, § 839, Rn 130 m.w.N.) stützen, wonach ein Beamter nicht schuldhaft handelt, wenn er bei einer zweifelhaften und ungeklärten Rechtsfrage, von der seine Entscheidung abhängt, zunächst die Entscheidung eines bereits mit der gleichen Frage befassten oberen Gerichts abwartet. Ebenso stützt Papier (in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2009, § 839, Rn 217) die Ansicht der Beklagten. Danach liegt ein rechtfertigender Grund für eine Verzögerung vor, wenn ein Musterprozess zur Beantwortung schwieriger Rechtsfragen schwebt, mit dessen baldiger Entscheidung zu rechnen ist.


Bereits seit Oktober 2007 war der Rechtsstreit des Insolvenzverwalters (über das Vermögen der Pnnn  GmbH) gegen einen Großanleger vor dem LG Frankfurt (Az. 2-21.O.298/07) sowie später seit Dezember 2008 im Berufungsverfahren vor dem OLG Frankfurt
(Az. 16 U 176/09) anhängig. Dieser Rechtsstreit sollte gerade zur verbindlichen Klärung der ursprünglich noch offenen Streitfrage des Bestehens von Aussonderungsrechten der Anleger im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Pnnn  GmbH dienen. Der Rechtsstreit wurde hierbei vom Insolvenzverwalter in Abstimmung mit dem Gläubigerausschuss, dem auch die Beklagte angehörte, geführt. Es war daher davon auszugehen, dass in diesem Rechtsstreit, letztlich vom BGH im Revisionsverfahren
IX ZR 49/10, die Streitfrage abschließend geklärt werden wird. Es lag absolut fern, dass es zu einer nichtstreitigen Erledigung dieses vom Insolvenzverwalter in Abstimmung mit dem
Gläubigerausschuss eingeleiteten und über die Instanzen geführten Rechtsstreits gekommen wäre, unabhängig davon, dass die Beklagte, weil sie nicht „Herrin" des Verfahrens war, freilich eine solche nicht hätte verhindern können. Auch für eine Unterbrechung des Rechtsstreits im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gegenpartei war nichts ersichtlich.


Dass die Beklagte sich unter diesen Umständen entschlossen hat, die Entscheidung dieses Rechtsstreits (LG Frankfurt Az. 2-21.O.298/07 - OLG Frankfurt Az. 16 U 176/09) als „Musterprozess" im oben erörterten Sinne abzuwarten, war deshalb vertretbar.


c) Es kann aber letztlich offen bleiben, ob das objektiv amtspflichtwidrige Handeln der Beklagten, eine abschließende Entschädigung der Anleger bis zum Ausgang dieses als Musterprozess angesehenen Rechtsstreits aufzuschieben, bereits im Hinblick auf die Vertretbarkeit dieses Entschlusses nicht schuldhaft war. Der BGH hat in seiner Entscheidung Phönix-I (ZIP 2011, 2187) auf der abstrakten Normebene ausgeführt, dass die - vom BGH angenommene - Fälligkeit des Entschädigungsanspruches ein schuldhaftes Handeln der Beklagten im Sinne von § 121 Absatz 1 Satz 1 BGB als Voraussetzung erfordert (BGH ebenda - juris Tz. 54, 60). Die Beklagte beruft sich nämlich mit Erfolg auf die sog. Kollegialgerichtsrichtlinie.


Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (wie auch des BVerwG) trifft einen Beamten in der Regel kein Verschulden, wenn ein mit mehreren rechtskundigen Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat. Dies beruht auf der Erwägung, dass von einem Beamten eine bessere Rechtseinsicht als von einem Kollegialgericht nicht erwartet und verlangt werden kann (vgl. Wurm in Staudinger, BGB - Neubearbeitung 2007, BGB § 839,  Rn. 211 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung des BGH und BVerwG; Papier in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2009, § 839, Rn 290). Der erkennende Senat, hat die Entschließung der Beklagten, den Ausgang des Rechtsstreits LG Frankfurt Az. 2-21.O.298/07 (OLG Frankfurt Az. 16 U 176/09) als Musterprozess abzuwarten, als rechtmäßig gebilligt (Senat ZIP 2011, 415 - juris Tz 97).


Eine Ausnahmesituation, in der die Rechtsprechung ein Verschulden bejaht hat, obwohl zuvor ein Kollegialgericht die Amtshandlung als rechtmäßig erachtet hatte (vgl. BVerwG NVwZ 2006, 212 - juris Tz. 27 ff.), ist vorliegend nicht gegeben. Die die Handlungsweise der Beklagten billigende Entscheidung des Senats beruht auf einer umfassenden und sorgfältigen Prüfung der Sach- und Rechtslage. Weder liegt der rechtlichen Würdigung ein unzureichend ermittelter Sachverhalt zu Grunde, noch wurde der Sachverhalt nicht sorgfältig und erschöpfend gewürdigt. Der Senat hat bei seiner Entscheidung (ZIP 2011, 415) alle tatsächlichen Umstände berücksichtigt, die auch der BGH seiner Phönix-I-Entscheidung (ZIP 2011, 2187) zu Grunde gelegt hat. Der erkennende Senat hat auch in rechtlicher Hinsicht keine Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen oder die eigentlich maßgebenden Fragen verkannt (BVerwG, a.a.O. m.w.N.). Er hat die rechtlichen Kriterien, die für die Entscheidung des BGH (ZIP 2011, 2187 - Phoenix I) maßgeblich waren, ebenfalls erwogen und bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Insbesondere hatte sich der Senat davon überzeugt, dass in dem von der Beklagten als Musterverfahren betrachteten Rechtsstreit LG Frankfurt
Az. 2-21.O.298/07 (OLG Frankfurt Az. 16 U 176/09) insgesamt eine abschließende Klärung der offenen Rechtsfrage, ob Anleger zur Geltendmachung von Aussonderungsrechten berechtigt sind, tatsächlich zu erwarten war. Die Beklagte hatte in der mündlichen Verhandlung auf Nachfragen des Senates erläutert, dass das beim Bundesgerichtshof anhängige Revisionsverfahren (IX ZR 49/10) alle Konten der Pnnn  GmbH erfasst, an denen Aussonderungsrechte der Anleger möglich waren.


Auch der Ausnahmefall einer grundsätzlichen Entscheidung einer zentralen Dienststelle ist vorliegend nicht gegeben. Die innere Rechtfertigung für die Anwendung der Kollegialgerichts-Richtlinie fehlt in diesen Fällen, weil das rechtskundige Kollegialgericht dem handelnden Beamten an Beurteilungsmöglichkeiten nicht überlegen ist (vgl. Wurm in Staudinger, BGB - Neubearbeitung 2007, BGB § 839,  Rn. 215 f). Bei der Beklagten handelt es sich nicht um eine zentrale Dienststelle in diesem Sinne (vgl. BGH NJW 2002, 1793
- juris Tz. 21; BGH NVwZ 1997, 714 - juris Tz. 23). Die Entschädigungsverfahren der Beklagten sind keine Verfahren auf höchster Ebene einer obersten Bundes- oder Landesbehörde. Die Beklagte hatte aus ihren täglichen Geschäften auch keinen Wissensvorsprung bei der Anwendung des EAEG. Die Beklagte stand vielmehr - nicht anders als das Landgericht, der Senat oder der BGH - vor der Situation, ein relativ neues, eine außerordentlich komplexe Materie auf regulatorischem Neuland (BVerfG WM ZIP 2010, 168 - juris Tz 77) betreffendes und zudem eine EU-Richtlinie umsetzendes Gesetz anzuwenden und hierbei schwierige, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wie auch in der Literatur noch nicht thematisierte Rechtsfragen beantworten zu müssen. Unabhängig davon stellt die Entscheidung der Beklagten, den Ausgang des Rechtsstreits LG Frankfurt
Az. 2-21.O.298/07 (OLG Frankfurt Az. 16 U 176/09) als Musterprozess abzuwarten, keine grundsätzliche Maßnahme dar, die in Anwendung des EAEG als eines der Beklagten besonders vertrauten Spezialgesetzes getroffen wurde.


3. Schließlich scheitern die hier geltend gemachten Ansprüche der Kläger daran, dass die Beklagte den Klägern erfolgreich den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens entgegenhalten kann.


Die Berufung eines Schädigers auf rechtmäßiges Alternativverhalten, d.h. der Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden, kann nach der Rechtsprechung des BGH für die Zurechnung eines Schadenserfolgs beachtlich sein (vgl. Wurm in Staudinger, BGB - Neubearbeitung 2007, BGB § 839,  Rn. 231 ff.) Entscheidend ist der Schutzzweck der jeweils verletzten Norm. Bei Amtshaftungsansprüchen hat der BGH rechtmäßiges Alternativverhalten insbesondere berücksichtigt, wenn der Behörde ein Verfahrensfehler unterlaufen war und sie bei einem ordnungsgemäßen Verfahren zu der gleichen Entscheidung hätte kommen müssen
(BGHZ 143, 363 - juris Tz. 9 m.w.N.).


Im vorliegenden Fall wäre es zu derselben Verzögerung der Entschädigung der Kläger und damit zu den selben hier geltend gemachten Schäden gekommen, wenn die Beklagte, statt sich amtspflichtwidrig darauf zu verlassen, dass die offene Rechtsfrage des Bestehens von Aussonderungsrechten in dem vom Insolvenzverwalter (über das Vermögen der Pnnn  GmbH) gegen einen Großanleger geführten Rechtsstreit abschließend geklärt werden würde, selbst als „Herrin des Verfahrens" aktiv einen Musterprozess angestrengt hätte, bei dem sie eine nichtstreitige Erledigung hätte verhindern können. Der BGH hat ausdrücklich anerkannt, dass diese Handlungsoption, die Frage des Bestehens eines Aussonderungsrechts in einem eigenen Musterverfahren klären zu lassen, keine Amtspflichtverletzung der Beklagten dargestellt hätte (BGH ZIP 2011, 2187 - Phoenix I - juris Tz. 64). Der Entschädigungsanspruch der Kläger wäre dann  nicht fällig geworden. Hätte die Beklagte rechtzeitig einen eigenen Musterprozess geführt, wozu bereits im Lauf des Jahres 2008 Anlass bestanden habe (BGH ebenda), wäre es damit zu derselben
Verzögerung der Entschädigung der Kläger gekommen, wie sie nunmehr eingetreten ist, ohne dass dies zu Amtshaftungsansprüchen der Kläger hätte führen können. Ein von der Beklagten durchgeführter Musterprozess (s. dazu BGH ebenda Tz. 57) hätte nicht schneller zu einer höchstrichterlichen Entscheidung geführt, als der vom Insolvenzverwalter geführte Rechtsstreit LG Frankfurt Az. 2-21.O.298/07 (OLG Frankfurt Az. 16 U 176/09), welcher letztlich erst mit Urteil des BGH vom 10. Februar 2011 entschieden worden ist und damit die offene Rechtsfrage abschließend geklärt hat (BGH WM 2011, 798).


4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.


Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713  ZPO.


Die Revision war nicht zuzulassen (§ 543 Absatz 2 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der vorliegende Fall wirft keine ungeklärten Rechtsfragen auf. Insbesondere ist die Frage der Anwendbarkeit von §§ 288, 286 BGB auf öffentlich-rechtliche Forderungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt.

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