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Wirtschaftsrecht
28.09.2012
Wirtschaftsrecht
OLG Düsseldorf: Kartellgeschädigte haben kein Recht auf Akteneinsicht in Kronzeugenanträge

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.8.2012 - V-4 Kart 5 + 6/11 (OWi)

Sachverhalt

Nach Eingang eines Bonusantrages gemäß Rn. 11 der Bekanntmachung Nr. 9/2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen (Bonusregelung) leitete das Bundeskartellamt im Juni 2008 gegen vier Hersteller von Röstkaffee - hierbei handelt es sich um die X... oHG (nachfolgend: X...), die Y... GmbH (nachfolgend: Y...), die Z... GmbH (nachfolgend: Z...) und die W... GmbH (nachfolgend: W...) - ein Verfahren wegen des Verdachts wettbewerbsbeschränkender Absprachen über Preiserhöhungen bei ihren wichtigsten Röstkaffeeprodukten ein. Am 3. Juli 2008 durchsuchte das Bundeskartellamt die Geschäftsräume der Nebenbetroffenen X..., Z... und W... und stellte eine Vielzahl von Asservaten vorläufig sicher. Noch während der Durchsuchungen gingen weitere Bonusanträge ein.

Mitte des Jahres 2009 führte die zuständige Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes Gespräche über eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung. Es folgten schriftliche und mündliche Anhörung einiger Betroffener und Nebenbetroffener und die Vernehmung von Zeugen. An einige Betroffene und Nebenbetroffene übersandte das Bundeskartellamt den Entwurf eines Kurz-Bußgeldbescheides. Am 14. Dezember 2009 übermittelte eine Nebenbetroffene eine Settlementerklärung.

Am 18. Dezember 2009 erließ die Beschlussabteilung gegen die Nebenbetroffenen X..., Z... und W... sowie gegen insgesamt sechs betroffene Geschäftsführer bzw. für den Vertrieb verantwortliche Prokuristen Bußgeldbescheide wegen wettbewerbswidriger Absprachen über Preiserhöhungen im Zeitraum zwischen Anfang 2000 bis Juli 2008 in den Sortimentsbereichen Filterkaffee, Ganze Bohne/Espresso und Universalpads. Zuvor war das Verfahren gegen die Nebenbetroffene Y... und drei weitere für sie verantwortlich handelnde Personen gemäß § 47 Abs. 1 OWiG eingestellt worden.

Die gegen die Nebenbetroffene X... und den Betroffenen ... erlassenen Bußgeldbescheide sind bestandkräftig. Die übrigen Nebenbetroffenen und Betroffenen haben jeweils Einspruch eingelegt.

Nachdem die Antragsteller ihr ursprüngliches Akteneinsichtsgesuch vom 5. August 2010 mehrfach modifiziert haben, beantragen sie nun mit anwaltlichem Schriftsatz vom 7. Juli 2011, Akteneinsicht in die vollständigen Bußgeldakten einschließlich der Bonusanträge, soweit diese die Nebenbetroffenen W... und Z... und die ehemaligen Nebenbetroffenen X... und Y... betreffen.

Zur Begründung ihres Akteneinsichtsgesuchs machen sie geltend, ihr könnten Schadensersatzansprüche in erheblichem Umfang gegen die aktuellen und ehemaligen Nebenbetroffenen zustehen. Die antragstellende B... GmbH & Co. KG (nachfolgend: B...) sei ein mit der A... GmbH & Co. KG (nachfolgend: A...) verbundenes Unternehmen und generell für den Einkauf der über die A...-Filialen vertriebenen Waren zuständig, wobei die Rechnungsstellung durch die Lieferanten in der Regel gegenüber den regionalen Niederlassungen von A... erfolge. In den Jahren 2003 bis Juli 2008 hätten sie von X..., Y... und Z..., aber auch unmittelbar von W... Produkte der von dem Vorwurf einer Preisabsprache betroffenen Sortimentsbereiche bezogen. Entgegen dem Wortlaut des zwischen W... und A... geschlossenen "Agentur-Vertrag "GALA"" und der Konditionen-Rahmenvereinbarung "GALA" habe W... ihnen die gelieferte Ware zum Weiterverkauf an die Endkunden verkauft und in Rechnung gestellt.

Mit Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft vom 23. September 2010 erhielten die Nebenbetroffenen X..., Z... und W... sowie die jeweils Betroffenen Gelegenheit, zum Akteneinsichtsgesuch der Antragsteller Stellung zu nehmen. Ihrer Meinung nach ist die begehrte Akteneinsicht zu versagen, weil bereits die Voraussetzungen des § 406 e Abs. 1 StPO nicht erfüllt seien. Überdies ständen der Akteneinsicht überwiegende schutzwürdige Interessen der Nebenbetroffenen entgegen. Die Nebenbetroffenen Z... und X... halten allenfalls eine Einsicht in die um Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse anonymisierte Fassung der Bußgeldbescheide für gerechtfertigt.

Im September 2011 sind die Verfahrensakten bestehend aus

2 Bände Akten GStA

1 Stehordner GStA "Akteneinsichtsgesuche"

1 Stehordner GStA "Auszüge aus den Handels- und Gewerbezentralregistern; Unterlagen aus dem Unternehmensregister"

6 Stehordner Hauptakte Bundeskartellamt (Bände I-VI)

1 Beweismittelordner Bundeskartellamt

4 Stehordner Unternehmensakten Bundeskartellamt

16 Stehordner Anlagen zur Einlassung der Nebenbetroffenen W... GmbH

11 Stehordner mit Papierasservaten

an den zuständigen Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf mit dem Antrag übersandt worden Termin zur Hauptverhandlung zu bestimmen.

Mit Schreiben des Gerichts vom 18. Juni 2012 erhielt die ehemalige Nebenbetroffene Y... sowie die ehemaligen Betroffenen ..., ... und ... Gelegenheit zur Stellungnahme.

Aus den Gründen

II.

Dem Akteneinsichtsgesuch der Antragsteller war lediglich in dem tenorierten Umfang stattzugeben.

1.

Das Akteneinsichtsgesuch der Antragsteller ist statthaft. Insbesondere ist der Vorsitzende des 4. Kartellsenates des Oberlandesgerichts Düsseldorf zur Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch zuständig.

Die Zuständigkeit für die Entscheidung folgt aus § 406 a Abs. 4 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG. Danach entscheidet über die Gewährung der Akteneinsicht im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens das Bundeskartellamt als zuständige Verwaltungsbehörde und im Übrigen der Vorsitzenden des mit der Sache befassten Gerichts. Mit Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft vom 12. September 2011 sind die Akten des gegen die Nebenbetroffenen Z... und W... sowie gegen ihre jeweiligen Geschäftsführer bzw. Prokuristen gerichteten Kartellbußgeldverfahrens an den zuständigen Senat mit dem Antrag übermittelt worden, Termin zur Hauptverhandlung zu bestimmen. Die gerichtliche Zuständigkeit für die Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch liegt aber auch insoweit vor, als die Antragsteller Akteneinsicht in Bezug auf die ehemaligen Nebenbetroffenen Y... und X... begehren. Zwar ist das Kartellbußgeldverfahren gegen Y... und X... sowie deren verantwortlich Handelnde rechtskräftig abgeschlossen und demzufolge nicht beim Senat anhängig. Das Akteneinsichtsrecht umfasst im Grundsatz aber alle Akten und Aktenbestandteile, die dem Gericht in dem noch anhängigen Verfahren vorliegen oder vorzulegen wären (BGHSt 52, 58 ff.; BGH NStZ 99, 371; Meyer-Goßner, StPO, 54 Aufl., § 406e Rn. 4; § 147 Rn. 13 ff; Lampe in KK, OWiG, 3. Aufl., § 46 Rn. 47 b). Dem Senat liegt die vollständige Akte einschließlich der unternehmensindividuellen Unternehmensakten für die aktuellen und auch die ehemaligen Nebenbetroffenen und Betroffenen vor. Das Bundeskartellamt hat die Verfahren gegen sämtliche Nebenbetroffene und Betroffene gemeinsam geführt. Sie betreffen jeweils die in Rede stehende Preisabsprache für bestimmte Kaffeeprodukte, an denen die Betroffenen und Nebenbetroffenen gemeinsam beteiligt gewesen sein sollen. Auch nachdem das Verfahren gegen Y... eingestellt und der Bußgeldbescheid gegen X... rechtskräftig geworden ist, sind die Verfahren nicht getrennt, sondern die Akten in ihrer Gesamtheit an die Generalstaatsanwaltschaft und von dort an den Senat weitergeleitet worden. Soweit daher in den von der Generalstaatsanwaltschaft übermittelten Verfahrensakten Unterlagen oder Akten enthalten sind, die aus dem gegen die ehemaligen Nebenbetroffenen Y... und X... geführten Verfahren stammen, ist das Gericht - anders als die Generalstaatsanwaltschaft meint - auch hinsichtlich dieser Aktenbestandteile zur Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch zuständig, da sie zu den Akten der beim Senat noch anhängigen Verfahren gehören.

2.

Nach § 406 e StPO ist die begehrte Akteneinsicht ganz oder teilweise zu gewähren, wenn die Antragsteller als Verletzte ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht darlegen und keine Versagungsgründe gemäß § 406 e Abs. 2 StPO vorliegen. Zwar sind die Antragsteller Verletzte im Sinne von § 406 e Abs. 1 StPO (siehe unter a.). Auch haben sie ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht dargelegt (siehe unter b.). Jedoch ist ihr Akteneinsichtsgesuch gemäß § 406 e Abs. 2 Satz 1 StPO auf die im Tenor genannten und um Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie persönliche Angaben der Betroffenen anonymisierten Bußgeldbescheide und gemäß § 406 e Abs. 2 Satz 2 und Abs. 5 StPO auf eine Liste der sichergestellten Asservate zu beschränken (siehe unter c.).

a.

Die Antragsteller sind Verletzte im Sinne von § 406 e Abs. 1 StPO.

Der Begriff des Verletzten ist gesetzlich nicht definiert und wird in der Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich ausgefüllt. Nach einer sog. engeren Auslegung wird der Verletztenbegriff in den §§ 406 d ff. StPO mit dem Verletztenbegriff gleichgesetzt, der in § 172 StPO die Antragsbefugnis für das Klageerzwingungsverfahren begründet. Die Verletzteneigenschaft und damit der Anspruch auf Akteneinsicht sollen danach nur dem zustehen, der durch die behauptete Tat - ihre tatsächliche Begehung unterstellt - unmittelbar in einem Rechtsgut verletzt wird (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., vor § 406 d Rn. 2; Lampe in KK, OWiG, 3. Aufl., § 46 Rn. 47 a). Anstelle der Unmittelbarkeit der Rechtsverletzung wird zum Teil auch auf den Schutzbereich der verletzten Norm abgestellt. Verletzter im Sinne der genannten Vorschrift soll demnach nur sein, wer in einem rechtlich geschützten Interesse durch eine Straftat beeinträchtigt wird, soweit die verletzte Strafrechtsnorm dabei auch seinem Schutz dient. Nach einem weiteren Verständnis des Verletztenbegriffs ist Verletzter auch der durch eine Straftat nur mittelbar Geschädigte (vgl. zum Streitstand BVerfG NJW 2007, 1052, 1053; BVerfG NJW 2003, 501, 503).

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob ein enges oder weites Verständnis des Verletztenbegriffs zu Grunde zu legen ist. Die Antragsteller sind selbst nach der engeren Auslegung Verletzte im Sinne von § 406 e Abs. 1 OWiG. Die Antragsteller sind durch die den Nebenbetroffenen und Betroffenen vorgeworfene Ordnungswidrigkeit unmittelbar in einem Rechtsgut verletzt. Haben Y..., Z..., X... und W... - so wie ihnen in den Bußgeldbescheiden vorgeworfen wird - im Zeitraum zwischen Anfang 2000 bis Juli 2008 unter Verstoß gegen das Kartellverbot des § 1 GWB/Art. 81 EG Preise für die Sortimentsbereiche Filterkaffee, Ganze Bohne/Espresso und Universalpads untereinander abgesprochen, sind die Antragsteller hierdurch unmittelbar geschädigt. Das Kartellverbot erzeugt unmittelbare Wirkungen in den Rechtsbeziehungen zwischen den Einzelnen und lässt unmittelbar in deren Person Rechte entstehen. Zum Schadensersatz berechtigt ist daher gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 GWB/Art. 101 AEUV bzw. nach Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 GWB sowohl der unmittelbare Abnehmer der kartellbedingt überteuerten Ware als auch der indirekte Abnehmer der Kartellteilnehmer als mittelbar Geschädigter (BGH WuW/E DE-R 3431, 3437 - ORWI).

Die Antragsteller haben im Vorwurfszeitraum jedenfalls von der Nebenbetroffenen Z... und den ehemaligen Nebenbetroffenen Y... und X... Kaffeeprodukte erworben, die von der vorgeworfenen Kartellabsprache erfasst sind. Sie können daher zu kartellbedingt überhöhten Preisen erworben worden sein. Ob die Antragsteller auch unmittelbar von der Nebenbetroffenen W... Kaffeeprodukte gekauft und damit möglicherweise kartellbedingt überteuerte Preise bezahlt haben, so wie die Antragsteller vortragen, oder ob sie entsprechend dem Wortlaut der vertraglichen Vereinbarungen und dem Vorbringen von W... als Depotpartner in das Kommissionssystem von W... mit der Folge eingebunden waren, dass sie die Produkte lediglich auf Rechnung von W... vertrieben und hierfür eine umsatzabhängige Provision erhalten haben, bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn die Antragsteller nicht unmittelbare Abnehmer der Kaffeeprodukte sondern nur Depot-Partner von W... waren, wären sie durch den der Nebenbetroffenen W... vorgeworfenen Kartellverstoß unmittelbar in ihrem Vermögen geschädigt. W... wird vorgeworfen, gemeinschaftlich mit den übrigen Kartellteilnehmern unter Verstoß gegen § 1 GWB/Art. 81 EG die Preise ihrer Kaffeeprodukte abgesprochen zu haben. Ihre Beteiligung an der Kartellabsprache würde eine Haftung auch für den Schaden begründen, der den unmittelbaren Abnehmern durch den Kauf kartellbefangener Kaffeeprodukte bei den übrigen Kartellteilnehmern entstanden ist. Handelt es sich bei der Verabredung und Durchführung eines Kartells um eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung, haften alle Kartellteilnehmer für den entstandenen Schaden nach §§ 830, 840 BGB als Gesamtschuldner (BGH WuW/E DE-R 3431, 3445 - ORWI).

b.

Die Antragsteller haben auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Akteneinsicht dargelegt.

Ein berechtigtes Interesse ist insbesondere anzunehmen, wenn die Geltendmachung möglicher bürgerlich-rechtlicher Ansprüche des Verletzten gegen die (Neben)Betroffenen geprüft werden soll (BVerfG NJW 2007, 1052; BVerfG ZIP 2009, 1270; LG Hildesheim NJW 2008, 531, 533; Seitz in Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 46 Rn. 20 d; Lampe in KK, OWiG, 3. Aufl., § 46 Rn. 47 d; einschränkend Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO § 406 Rn. 6 f.).

Die Antragsteller haben ihrer Darlegungspflicht genügt. Sie haben eine Aufstellung der mit X..., Y..., W... und Z... in den Jahren 2000 bis 2008 getätigten Umsätze in den Produktbereichen Röstkaffee (Filterkaffee), ganze Bohne und Universalpads vorgelegt. Sie gehören damit jedenfalls im Verhältnis zu X..., Y... und Z... zu den Direktabnehmern der Produkte, die von dem Vorwurf einer nach § 1 GWB und Art. 81 EG (jetzt: Art. 101 AEUV) verbotenen Preisabsprache erfasst und möglicherweise zu überhöhten Preisen erworben worden sind. Ihr können daher - wie bereits oben ausgeführt - Schadensersatzansprüche gegen die (Neben)Betroffenen aus § 33 Abs. 3 Satz 1 GWB zustehen. Die begehrten Akteneinsicht ist daher weder eine "unzulässige Ausforschung potentieller Beklagter", noch werden hierdurch die zivilprozessualen Beweislastregeln außer Kraft gesetzt, so wie die Nebenbetroffene W... meint.

c.

Die Akteneinsicht ist gemäß § 406 e Abs. 2 Satz 1 StPO zwingend zu versagen, soweit die einer Einsicht entgegenstehenden Interessen überwiegen. Dies ist dann der Fall, wenn das Interesse des Betroffenen oder der Nebenbetroffenen an der Geheimhaltung bestimmter in den Akten enthaltenen und sie betreffenden Erkenntnisse gewichtiger ist als das berechtigte Interesse des Verletzten, den Akteninhalt insoweit einsehen zu können. Erforderlich ist eine Abwägung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls. Hierbei sind insbesondere widerstreitende Grundrechte der Beteiligten, die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (BVerfG NJW 2003, 501-503; BVerfG ZIP 2009, 1270-1272). Bleiben hiernach Zweifel, ob die einer Akteneinsicht entgegenstehenden Interessen überwiegen, so wirkt sich das zugunsten des Verletzten aus (Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 406 e Rn. 10).

aa.

Die Antragsteller haben ein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Akteneinsicht.

Nach dem Willen des Gesetzgebers ist die Verfolgung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche ein schutzwürdiges Interesse des Verletzten einer Straftat, das zur Akteneinsicht über einen Rechtsanwalt nach § 406 e Abs. 1 Satz 1 StPO berechtigt (vgl. BT-Drucks. 10/5305, S. 8). Gleiches gilt gemäß § 46 OWiG für den Verletzten einer Ordnungswidrigkeit. Auch er hat ein schutzwürdiges Interesse an der Kenntnis des Akteninhalts, um die erforderlichen Informationen zur Substantiierung seines Schadensersatzanspruchs zu erhalten (BVerfG NJW 2003, 501-503; BVerfG ZIP 2009, 1270-1272).

bb.

Schutzwürdige Interessen der Betroffenen und Nebenbetroffenen, die einer Akteneinsicht entgegenstehen und für die Geheimhaltung bestimmter Erkenntnisse sprechen könnten, sind gleichfalls schutzwürdige privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Interessen (Hilger in LR, aaO., § 406 e Rn. 9).

(1)

Zu den schutzwürdigen Interessen des jeweils Betroffenen zählt sein Interesse an der Geheimhaltung persönlicher Daten (vgl. BT Drucks. 10/5305, S. 18). Die Gewährung von Akteneinsicht stellt einen Eingriff in das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) folgende Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Personen dar, deren persönliche Daten auf diese Weise Dritten zugänglich gemacht werden. Das Persönlichkeitsrecht umfasst auch die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfGE 65, 1, 42 f.; BVerfGE 56, 37, 41 ff. - Selbstbezichtigung). Einschränkungen dieser Befugnis bedürfen einer gesetzlichen Grundlage und müssen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen; sie dürfen nicht weiter gehen als zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich (BVerfGE 65, 1, 44).

(2)

Ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse der Nebenbetroffenen findet seine Grundlage in Art. 12 Abs. 1 GG.

Für juristische Personen ist noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG uneingeschränkt auch auf sie anwendbar ist (BVerfG NJW 2002, 3619, 3622). Allerdings gewährleistet das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle auf ein Unternehmen bezogenen Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Im Wesentlichen handelt es sich bei den Betriebsgeheimnissen um technisches Wissen im weitesten Sinne, bei den Geschäftsgeheimnissen um kaufmännisches Wissen wie Kalkulationen, Konditionen, Umsätze, Gewinnspannen, Marktstrategien usw. (Schmidt/Bach in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl., § 56 Rn. 11 m.w.Nachw.). Tatsachen, aus denen sich ein Verstoß gegen Vorschriften des GWB ergibt, sind in der Regel keine schützenswerten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, da nichtige Vereinbarungen und verbotene Verhaltensweisen schon als solche von der Rechtsordnung missbilligt werden (Becker in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl., § 56 Rn. 11; Lieberknecht WuW 1988, 833, 837; Schmidt/Bach in Immenga/Mestmäcker, aaO., § 56 Rn. 11).Die freiwilligen Angaben der Nebenbetroffenen und Betroffenen gegenüber dem Bundeskartellamt zu ihrer Beteiligung an einer kartellrechtswidrigen Absprache über Preiserhöhungen in den Sortimentsbereichen Filterkaffee, Ganze Bohne und Universalpads dokumentieren zwar einen Verstoß gegen Verbotsvorschriften des GWB bzw. Art. 81 EG. Gleichwohl besteht an diesen Informationen ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse der Nebenbetroffenen. Die Bonusregelung des Bundeskartellamtes sieht in Rn. 22 der Bekanntmachung Nr. 9/2006 vom 7. März 2006 eine Regelung vor, wonach das Bundeskartellamt Anträge privater Dritter auf Akteneinsicht bzw. Auskunftserteilung im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessens grundsätzlich insoweit ablehnen wird, als es sich um den Antrag auf Erlass oder Reduktion der Geldbuße und die dazu übermittelten Beweismittel handelt. Hierdurch ist ein Vertrauensschutz zugunsten der Bonuskandidaten begründet worden. Sie sollen darauf vertrauen können, dass die freiwillig erfolgten, sie selbst belastenden Angaben in der Regel Dritten nicht zugänglich gemacht werden. Für diese Regelung gibt es eine im öffentlichen Interesse liegende Rechtfertigung. Ziel des Bonusprogramms ist es, Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht effizient aufzudecken und zu beenden. Um dieses Ziel zu erreichen, stellt das Bonusprogramm den Erlass oder eine Reduktion der zu verhängenden Geldbuße in Aussicht. Darüber hinaus wird ein vertraulicher Umgang mit den Bonusanträgen zugesagt. Wie der EuGH in seiner Entscheidung vom 14. Juni 2011 (EuGH WuW EU-R 1975, 1979, Rn. 25-27 - Pfleiderer) ausgeführt hat, ist ohne den über Rn. 22 des Bonusprogrammes eingeräumten Vertrauensschutz anzunehmen, dass sich die an einem Kartell Beteiligten davon abhalten lassen, mit dem Bundeskartellamt zu kooperieren, weshalb das Bonusprogramm auch insoweit der wirksamen Anwendung von § 1 GWB bzw. Art. 81 EG/Art. 101 AEUV dient.

Das schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse der Nebenbetroffenen ist auch nicht durch die Abgabe des gegen die Nebenbetroffenen Z... und W... gerichteten Verfahrens an den Senat entfallen. Der berechtigterweise durch das Bundeskartellamt gewährte Vertrauensschutz wäre unvollständig und damit letztlich für die effiziente Aufdeckung und Beendigung von Kartellverstößen wertlos, wenn das Gericht hieran nicht gebunden wäre und ein Geheimhaltungsinteresse ablehnen würde.

cc.

Die nach § 406 e Abs. 2 Satz 1 StPO gebotene Abwägung der gegenläufigen Interessen - Informationsinteresse der Antragsteller einerseits und Geheimhaltungsinteresse der Nebenbetroffenen und Betroffenen andererseits - führt hier zu dem Ergebnis, dass den Antragstellern derzeit lediglich in die um Geschäftsgeheimnisse der Nebenbetroffenen sowie um persönliche Daten der Betroffenen anonymisierten Bußgeldbescheide Einsicht zu gewähren ist. Darüber hinaus erhalten sie gemäß § 406 e Abs. 5 StPO Auskunft darüber, welche Asservate sich bei den Akten befinden.

(1)

Den Antragstellern ist über ihren Rechtsanwalt Einsicht in die gegen X..., W... und Z... und gegen die jeweils verantwortlich für sie handelnden Geschäftsführer bzw. Prokuristen erlassenen Bußgeldbescheide zu gewähren. Ihr Informationsinteresse überwiegt den Geheimhaltungsinteressen der Nebenbetroffenen und Betroffenen.

Dies gilt zunächst für den gegen die Nebenbetroffene X... und den Betroffenen ... erlassenen Bußgeldbescheid. Beide haben gegen den Bußgeldbescheid keinen Einspruch eingelegt. Damit steht rechtskräftig fest, dass ... als für den Vertrieb verantwortlicher Prokurist von Juni 2004 bis Anfang Juli 2008 gemeinschaftlich handelnd mit Vertretern der Y... und der Nebenbetroffenen Z... und W... durch Preisabsprachen gegen § 1 GWB bzw. Art. 81 EG verstoßen hat und dieser Kartellverstoß X... gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 GWB anzulasten ist.

Aber auch in die noch nicht in Rechtskraft erwachsenen Bußgeldbescheide gegen die Nebenbetroffene Z... und die Betroffenen ... und ... sowie gegen die Nebenbetroffene W... und die Betroffenen ..., ... und ... ist bereits im jetzigen Verfahrensstadium Einsicht zu gewähren. Zwar beruhen die in den Bußgeldbescheiden getroffenen Feststellungen zu dem vorgeworfenen Kartellverstoß überwiegend auf den freiwillig gemachten Angaben in den Bonusanträgen und den hierzu überreichten Unterlagen, so dass die Antragsteller durch die Einsichtnahme in die Bußgeldbescheide mittelbar Kenntnis von zumindest einem Teil dieser Angaben mit der weiteren Konsequenz erhalten, dass der über die Bonusregelung bewirkte Vertrauensschutz nicht vollumfänglich gewährleistet werden kann.

Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, dass den Antragsteller in jedem Fall erst nach rechtskräftigem Abschluss des Bußgeldverfahrens Einsicht in die Bußgeldbescheide gewährt werden darf. Zwar haben Bußgeldbescheide nach Einspruchseinlegung lediglich die Funktion einer Beschuldigungsschrift. Die für die Betroffenen und Nebenbetroffenen streitende Unschuldsvermutung fällt im vorliegenden Fall jedoch nicht derart schwer ins Gewicht, dass sie das Interesse der Antragsteller, bereits zum jetzigen Zeitpunkt etwaige Schadensersatzansprüche durch Einsichtnahme der Bußgeldbescheide zu prüfen, überwiegt. Mit ihren Einsprüchen wenden sich die Betroffenen und Nebenbetroffenen im Wesentlichen nur gegen die Höhe der verhängten Bußgelder. Den Tatvorwurf selbst stellen sie im Kern nicht in Abrede. Hinzu kommt, dass ein Zuwarten der Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluss des Bußgeldverfahrens dazu führen kann, dass die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen deutlich erschwert wird. Es ist nicht selten, dass ein Bußgeldverfahren erst nach mehreren Jahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt wird. Einsicht in die Bußgeldbescheide würde dann unter Umständen erst viele Jahre nach Beendigung der Tat(en) und mehrere Jahre nach Erlass der Bescheide gewährt. Dies kann sich äußerst nachteilig auf die Beweislage bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auswirken. So können insbesondere beweisrelevante Unterlagen für die Darlegung des durch den Kartellverstoß entstandenen Schadens infolge des Zeitablaufs nicht mehr oder nur unter erschwerten Bedingungen beschafft werden. Auch das Erinnerungsvermögen potentieller Zeugen kann durch den Zeitablauf nachteilig beeinflusst werden.

Überwiegt somit das Informationsinteresse der Antragstellerin den Geheimhaltungsinteresse der Nebenbetroffenen und Betroffenen an den Angaben und Feststellungen des Bußgeldbescheides, aus denen sich der Kartellverstoß ergibt, kann den Antragstellern insoweit die Einsichtnahme in die Bußgeldbescheide nicht versagt werden. Anders verhält es sich jedoch, soweit sich in den Bußgeldbescheiden über die Angaben zum Tatvorwurf hinaus schützenswerte Geschäftsgeheimnisse der Nebenbetroffenen und persönliche Daten der Betroffenen (insbesondere deren Geburtsdatum und -ort sowie Angaben zu deren Vermögensverhältnissen) befinden. Hier überwiegt das Geheimhaltungsinteresse der Nebenbetroffenen und Betroffenen. Die entsprechenden Angaben sind daher zu anonymisieren.

(2)

In die übrigen Aktenbestandteile, insbesondere die Bonusanträge und die freiwillig übergebenen Dokumente ist den Antragstellern hingegen keine Akteneinsicht zu gewähren. Ihnen ist lediglich gemäß § 406 e Abs. 5 StPO Auskunft darüber zu erteilen, welche sichergestellten Asservate sich bei den Akten befinden.

(a)

Das Interesse aller aktueller und ehemaliger Betroffener und Nebenbetroffener an der Geheimhaltung ihres Bonusantrages einschließlich der ihnen beiliegenden Anlagen ist gewichtiger als das Interesse der Antragsteller, den Akteninhalt insoweit einsehen zu können.

Sämtliche Nebenbetroffene haben einen Bonusantrag gemäß Rn. 11 der Bonusregelung gestellt und mit dem Bundeskartellamt kooperiert. Auch die Betroffenen haben den Tatvorwurf im Wesentlichen eingeräumt. Ihr Interesse an der Geheimhaltung dieser freiwilligen, sie selbst belastenden Angaben wiegt schwer, weil sie auf Rn. 22 der Bonusregelung vertrauen und davon ausgehen durften, dass das Bundeskartellamt privaten Dritten Akteneinsicht in die Bonusanträge und die dazu übermittelten Unterlagen im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessens grundsätzlich nicht gewähren wird. Die genannte Zusage des Amtes ist zurückzuführen auf das öffentliche Interesse an einer wirksamen und effizienten Verfolgung von Kartellverstößen. Der Erfolg des Kronzeugenprogramms hängt nicht nur davon ab, dass die Beteiligten eines Kartells bei entsprechender Zusammenarbeit mit dem Bundeskartellamt mit dem Erlass oder einer Reduktion der zu verhängenden Geldbuße rechnen können (vgl. Rn. 5 der Bonusregelung). Von Bedeutung ist auch, ob die Dokumente eines Kronzeugenverfahrens auch Personen, die eine Schadensersatzklage erheben wollen, zugänglich gemacht werden. So hat der EuGH hierzu ausgeführt, dass sich ein an einer wettbewerblichen Zuwiderhandlung Beteiligter hierdurch davon abhalten lassen könnte, die mit einem Kronzeugenprogramm verbundenen Möglichkeiten zu nutzen (EuGH, aaO. Rn. 27 - Pfleiderer).

Das Interesse der Antragsteller an der Einsichtnahme in die Dokumente des Kronzeugenprogramms wiegt demgegenüber deutlich weniger schwer. Zwar tragen auch Schadensersatzklagen wesentlich zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs bei. Denn das Risiko, nach Aufdeckung eines Kartells von unmittelbar und mittelbar Geschädigten eines Kartells mit Schadensersatzklage überzogen zu werden, hat abschreckende Wirkung und ist daher geeignet, potentielle Kartellanten von wettbewerbswidrigen Vereinbarungen und Verhaltensweisen abzuhalten. Indes wird den Antragstellern die Erlangung von Schadensersatz nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert, wenn sie keine Einsicht in die Dokumente des Kronzeugenprogramms erhalten. Ist - so wie hier - das kartellbehördliche Verfahren gegenüber sämtlichen Nebenbetroffenen und Betroffene abgeschlossen und sind Bußgeldbescheide erlassen worden, ist für die Befriedigung des Informationsinteresses die Einsichtnahme in die Bonusanträge nicht erforderlich und wäre daher im Hinblick auf die Intensität des damit verbundenen Grundrechtseingriffs unverhältnismäßig. Die Bußgeldbescheide enthalten Feststellungen zu dem vorgeworfenen Kartellverstoß. Der gegen X... erlassene Bußgeldbescheid ist zudem bereits in Rechtskraft erwachsen. Die darin getroffenen Feststellungen haben in einem etwaigen Schadensersatzprozess gemäß § 33 Abs. 4 Satz 1 GWB Tatbestandswirkung mit der Folge, dass der Kartellverstoß nicht selbständig nachgewiesen werden muss. Soweit die Antragsteller für einen Schadensersatzanspruch darüber hinaus auch darzulegen und zu beweisen haben, dass ihnen durch den Kartellverstoß adäquat kausal ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist, enthalten die Einlassungen der Betroffenen und Nebenbetroffenen keine Angaben zum hypothetischen Wettbewerbspreis der kartellbefangenen Kaffeeprodukte. Der Grund hierfür liegt in der Neuregelung des Bußgeldrahmens durch die 7. GWB-Novelle. Die Bußgeldobergrenze für die gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen festzusetzende Geldbuße beträgt danach 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes. Ermittlungen zum kartellbedingt erzielten Mehrerlös, der zuvor für die Bestimmung des Bußgeldrahmens maßgeblich war und sich aus einem Vergleich der Kartellpreise mit dem hypothetischen Wettbewerbspreis ergab, sind nicht mehr erforderlich. Die Bonusregelung des Bundeskartellamtes sieht demzufolge auch keine Angaben der Unternehmen zur Höhe des beim Verbraucher entstandenen Schadens vor.

(b)

Auch eine Einsicht in die übrige um Geschäftsgeheimnisse bereinigte Fassung der Verfahrensakte und in die um Geschäftsgeheimnisse bereinigten Asservate ist den Antragstellern derzeit nicht zu gewähren.

Gemäß § 406 e Abs. 2 Satz 2 StPO kann die Einsicht in die Akten versagt werden, wenn durch sie das Verfahren erheblich verzögert würde. Eine Verzögerung von nur wenigen Tagen reicht allerdings nicht aus (Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 406 Rn. 6). Es ist zu prüfen, inwieweit durch eine Einsicht wichtige Bearbeitungstermine verschoben und die Gesamtdauer des Verfahrens wesentlich verlängert werden würde und ob eine erhebliche Verzögerung durch eine Begrenzung der Einsicht, sukzessive Einsichtsgewährung oder andere Maßnahmen vermieden werden kann (Hilger in Löwe-Rosenberg, aaO., § 406 e Rn. 14). So etwa durch eine Auskunftserteilung nach § 406 e Abs. 5 StPO.

Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen würde die Gewährung von Akteneinsicht in die um Geschäftsgeheimnisse bereinigt Fassung der Verfahrensakte und in die um Geschäftsgeheimnisse bereinigten Asservate in ihrer Gesamtheit zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung führen. Grund hierfür ist die vor der Akteneinsicht vorzunehmende Anonymisierung von Geschäftsgeheimnissen. Der aus zwei Band Akten GStA sowie 40 weiteren Stehordnern bestehende Aktenbestand ist von dem Senatsvorsitzenden darauf durchzusehen und zu prüfen, ob und inwieweit sich darin geheimhaltungsbedürftige Geschäftsgeheimnisse befinden. Wegen des erheblichen Umfangs des Aktenbestandes ist hierfür eine Zeitraum von mehreren Wochen notwendig. Anschließend ist sämtlichen Nebenbetroffenen und Betroffenen zu der beabsichtigten Anonymisierung rechtliches Gehör zu gewähren. Insbesondere wegen des Umfangs der sichergestellten Asservate - es befinden sich 11 Stehordner mit Papierasservaten und 152 Blatt ausgedruckte IT-Asservate (Beweismittelakte Teil 3 Bl. 169-321) bei den Akten - ist nicht auszuschließen, dass anschließend umfangreich von den Nebenbetroffenen zur Geheimhaltungsbedürftigkeit einzelner Passagen vorgetragen wird. Mit diesem Vorbringen hat sich der Vorsitzende sodann im Einzelnen auseinanderzusetzen. Der dargestellte Verfahrensablauf und die anschließende Entscheidung des Vorsitzenden, welche Passagen tatsächlich zu anonymisieren sind, binden allein schon wegen des Aktenumfangs einen nicht unerheblichen Teil seiner Arbeitskraft. Dies bedeutet, dass seine Arbeitskraft in diesem Umfang nicht für die Bearbeitung anderer Verfahren, insbesondere des aktuelle vor dem Senat verhandelten Verfahrens (Az.: VI- 4 Kart 2-6/10 OWi) und auch nicht zur Vorbereitung des demnächst zur Verhandlung anstehenden Kartellbußgeldverfahrens (Az: VI - 4 Kart 9-16/10 OWi) zur Verfügung steht. In der weiteren Konsequenz verschiebt sich der Beginn des hiesigen Verfahrens um einen derzeit noch nicht absehbaren Zeitraum. Vieles spricht - wie dargestellt - dafür, dass die hierdurch eintretende Verzögerung mindestens mehrere Wochen betragen wird.

Dessen ungeachtet ist derzeit auch nicht ersichtlich, ob und inwieweit für die Prüfung von Schadensersatzansprüchen eine Einsicht in die um Bonusanträge nebst Anlagen bereinigten Fassung der restlichen Verfahrensakte noch notwendig ist, wenn die Antragsteller erst einmal die um Geschäftsgeheimnisse anonymisierten Bußgeldbescheide eingesehen haben. Den Bußgeldbescheiden ist zu entnehmen, welcher Kartellverstoß den Nebenbetroffenen und Betroffenen zur Last gelegt wird und auf welche Tatsachen das Bundeskartellamt diesen Vorwurf stützt.

In Bezug auf die sichergestellten und bei den Akten befindlichen Asservate erscheint es hingegen angebracht, den Antragstellern anstelle einer vollständigen Versagung der Akteneinsicht wegen erheblicher Verfahrensverzögerung Auskunft darüber zu erteilen, welche Asservate sich bei den Akten befinden. Anhand dieser Auskunft können die Antragsteller prüfen, ob sie Einsicht in nur einen Teil der Asservate nehmen möchten, die dann möglicherweise nicht zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung führt. Zudem werden sie durch die Auskunft in die Lage versetzt, näher darzulegen, warum die Einsichtnahme in einen Teil der Asservate für die Prüfung ihrer Schadensersatzansprüche erforderlich sein soll.

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