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Wirtschaftsrecht
10.11.2022
Wirtschaftsrecht
OLG Celle: KapMuG-Verfahren gegen Porsche und VW – Haftung wegen irreführender Kapitalmarktinformationen und unterlassener Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung

OLG Celle, Beschluss vom 30.09.2022 – 13 Kap 1/16

ECLI:DE:OLGCE:2022:0930.13KAP1.16.00

Volltext: BB-Online BBL2022-2642-1

Leitsätze

1. Die direkt vorsätzliche Verbreitung grob unrichtiger oder irreführender Kapitalmarktinformationen kann eine Verwerflichkeit nach § 826 BGB auch dann indizieren, wenn es sich bei diesen Informationen nicht um Ad-hoc-Mitteilungen handelt (Rn. 93 ff.).

2. Auch das vorsätzliche Unterlassen einer gebotenen Kapitalmarktinformation kann diese Verwerflichkeit indizieren, insbesondere, wenn die Informationspflicht offen-sichtlich war (Rn. 263 ff.).

3. Soweit Ersatzansprüche nicht an die aktive Veröffentlichung einer grob unrichtigen oder irreführenden Kapitalmarktinformation, sondern an die unterlassene Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung anknüpfen, ist die Haftung durch den Schutzzweck von § 15 WpHG a.F. begrenzt. Dieser erfasst – nur – Schäden im Zusammenhang mit Transaktionen von Insiderpapieren, die das zur Ad-hoc-Publizität verpflichtete Unternehmen emittiert hat (Rn. 252 ff.).

4. Der kartellrechtlich sachlich relevante Markt bei Unternehmensbeteiligungen umfasst grundsätzlich alle Unternehmensbeteiligungen bzw. Aktien, möglicherweise beschränkt insbesondere auf geographische Bereiche und die Art, in der die Anteile gehandelt werden. Eine engere Marktabgrenzung ist auch nicht in Ausnahmefällen vorzunehmen, in denen eine Vielzahl von Anlegern aufgrund ihrer eigenen Entscheidung darauf angewiesen sind, eine bestimmte Aktie innerhalb eines bestimmten engen Zeitraums zu erwerben (Rn. 571 ff.).

5. Kapitalmarktinformationen begründen grundsätzlich keine wettbewerbsrechtlichen Ansprüche (Rn. 594 ff.).

6. Eine Haftung nach § 37b WpHG a.F. setzt voraus, dass der Verpflichtete Kenntnis der Insiderinformation hatte oder diese aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Die Beweislastumkehr nach § 37b WpHG a.F. setzt voraus, dass der Gläubiger hinreichende Anhaltspunkte dafür vorträgt, dass eine solche Kenntnis an irgendeiner Stelle im Unternehmen des Emittenten vorhanden gewesen sei oder hätte erlangt werden können, so dass sich das für die Erfüllung der Publizitätspflichten zuständige Organ mit organisatorischen Vorkehrungen selbst Kenntnis hätte verschaffen können (Rn. 607 ff.).

7. Im Aufsichtsrat des Emittenten vorhandenes Wissen ist dem für die Erfüllung von Publizitätspflichten zuständigen Organ nicht zuzurechnen, wenn die jeweiligen Mitglieder des Aufsichtsrats Dritten gegenüber gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet sind (Rn. 629 ff.).

8. Im Kapitalanleger-Musterverfahren müssen die Feststellungsziele hinreichend bestimmt bezeichnen, welche Teilaussagen einer Kapitalmarktinformation fehlerhaft bzw. unvollständig sein sollen und im Hinblick auf welche einzelne Angabe bzw. Auslassung dies der Fall sein soll. Es ist demgegenüber nicht erforderlich und regelmäßig auch nicht sachdienlich, jeden einzelnen Umstand, der bei der Bewertung der möglichen Unrichtigkeit in einer Gesamtschau zu berücksichtigen sein mag, in einem Feststellungsziel abzubilden. Das Gericht hat insoweit vielmehr innerhalb des durch die Feststellungsziele vorgegebenen Prüfungsrahmens auch weitere sich aus dem Parteivortrag ergebende Umstände zu berücksichtigen (Rn. 713 ff.).

§ 13 WpHG, § 15 WpHG, § 15a WpHG, § 20a WpHG, § 37b WpHG, § 37c WpHG, § 823 Abs 2 BGB, § 826 BGB, § 15 Abs 1 S 1 KapMuG

 

Sachverhalt

B. Sachbericht

Die Musterverfahrens-Beteiligten streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) im Wesentlichen um die Richtigkeit von Ad-hoc-Mitteilungen und Pressemitteilungen, die die Musterbeklagte zu 1 in dem Zeitraum vom 3. März 2008 bis zum 26. Oktober 2008 veröffentlicht hat. Gegenstand dieser Mitteilungen ist insbesondere ihre Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 und der Versuch, diese zu übernehmen.

In den insoweit ausgesetzten Ausgangsverfahren begehren die Ausgangskläger Ersatz der Schäden, die sie durch Transaktionen mit Bezug auf die Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 erlitten haben. Sie machen im Kern geltend, die Musterbeklagte zu 1 habe zunächst ihre Absicht, die Musterbeklagte zu 2 übernehmen zu wollen, fehlerhaft dementiert bzw. über diese nicht hinreichend informiert, um den Anteilsaufbau nicht zu verteuern. Nachdem sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Musterbeklagte zu 1 unter anderem aufgrund der weltweiten Finanzkrise so weit verschlechtert hätten, dass eine Übernahme nicht mehr zu realisieren gewesen sei und ihre eigene Insolvenz gedroht habe, habe sie am 26. Oktober 2008 ihre – nach Auffassung der Ausgangskläger tatsächlich nicht mehr umsetzbare – Absicht mitgeteilt, die Musterbeklagte zu 2 zu übernehmen, um mit der aufgrund dieser Mitteilung erwarteten Explosion der Aktienkurse Gewinne zu erzielen und ihren „Kopf aus der Schlinge zu ziehen“.

Die Musterbeklagte zu 1 ist eine europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea [SE]) und die Muttergesellschaft des Porsche-Konzerns, die ihren Sitz in Stuttgart hat. Wegen des Inhalts ihrer Satzung wird auf die Anlage MBPor 162 Bezug genommen.

Die Musterbeklagte zu 2 ist die Muttergesellschaft des Volkswagen-Konzerns und gehört zu den größten Automobilherstellern der Welt. Ihr gezeichnetes Kapital war im Jahr 2008 in rund 300 Mio. stimmberechtigte Stamm- und etwa 105 Mio. stimmrechtslose Vorzugsaktien aufgeteilt. Das Land Niedersachsen hielt 20,1 % der Stammaktien.

Im Jahr 2005 begann die Musterbeklagte zu 1, Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 zu erwerben. Mit dem Beteiligungsaufbau gingen Überlegungen über die Höhe der Beteiligung und mögliche Ziele einher, zu denen jedenfalls auch der Erwerb von 75 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 und der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags (im Folgenden nur: Beherrschungsvertrag) gehörten. Diese Szenarien waren u. a. Gegenstand in Treffen des Gesellschafterausschusses. In dem Gesellschafterausschuss besprachen die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat der Musterbeklagten zu 1 regelmäßig Themen anstehender Aufsichtsratssitzungen vor. Ob die Musterbeklagte zu 1 sich bereits frühzeitig – oder auch nur vor Oktober 2008 – auf eine zumindest 75%ige Beteiligung und den Abschluss eines Beherrschungsvertrages festlegte, ist streitig.

Die Musterbeklagte zu 1 erwarb aus vorhandener eigener Liquidität im September und Oktober 2005 18,53 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2. Im November 2006 erhöhte sie ihren Anteil auf 27,4 % und erreichte damit eine aktienrechtliche Sperrminorität bei der Musterbeklagten zu 2. Durch Aktienkäufe im März 2007 stockte sie ihren Anteil auf 30,93 % auf und gab ein Pflichtangebot an die Aktionäre der Musterbeklagten zu 2 zur Übernahme sämtlicher Volkswagenaktien ab. Dieses Pflichtangebot führte zu einem Erwerb von ca. einem weiteren Prozent der Stammaktien. Insoweit wird auf den Inhalt der Pressemitteilungen der Musterbeklagten zu 1 vom 30. April 2007 (Anlage MBPor 67) und vom 4. Juni 2007 (Anlage MBPor 68) sowie auf die Stimmrechtsmitteilung der Musterbeklagten zu 2 vom 3. April 2007 (Anlage MBPor 66) verwiesen. Bereits mit Pressemitteilung vom 24. März 2007 (Anlage MBPor 65) hatte die Musterbeklagte zu 1 darauf hingewiesen, dass „weitere Beteiligungserhöhungen“ keine erneute Pflicht zur Abgabe eines Angebots auslösten.

Die Musterbeklagte zu 1 schloss am 26. März 2007 zur Finanzierung ihres Pflichtangebots einen Konsortialkreditvertrag über 35 Mrd. €. Der Kreditvertrag wurde mit Ergänzungsvereinbarung vom 27. Juni 2007 abgeändert und die Kreditlinie auf 10 Mrd. € abgesenkt. Er enthielt in § 20.5a, b eine sog. Negative-Pledge-Klausel, wegen derer Einzelheiten auf die Anlage MBPor 163 Bezug genommen wird.

Zur Umsetzung des Beteiligungsaufbaus schloss die Musterbeklagte zu 1 beginnend mit dem 22. Juli 2005 mit der M. Bank insgesamt acht Optionsstrategien ab, die dem Erwerb von Stamm- und Vorzugsaktien der Musterbeklagten zu 2 dienen sollten. Mit Ausnahme der Optionsstrategie VI und teilweise der Optionsstrategie III bestanden die Optionsstrategien aus einer Kombination von Kauf- (Call-) und Verkaufs- (Put-)Optionen (sog. symmetrische Optionsstrategien). Dabei waren die Optionsgeschäfte mit Ausnahme der bereits 2007 beendeten Optionsstrategie IV nicht auf die Lieferung physischer Aktien, sondern auf Barausgleich (cash-gesettelt) gerichtet. Für die Musterbeklagte zu 1 bestand keine Verpflichtung, etwaige von der M. Bank bzw. deren Kontrahenten zur Absicherung gehaltene Stamm- bzw. Vorzugsaktien der Musterbeklagten zu 2 abzunehmen. Zwischen der Musterbeklagten zu 1 und der M. Bank war vertraglich vereinbart, dass die M. Bank die Meldeschwellen nach § 21 WpHG a.F. nicht überschreiten durfte. In den Optionsvereinbarungen war mit der M. Bank Folgendes vereinbart (zit. nach Schriftsatz der Musterbeklagten zu 1 vom 28. Juli 2017, Rn. 350):

„Aus Gründen des Risikomanagements werden wir zur Absicherung unserer Verpflichtungen gegenüber ihrem Haus Gegengeschäfte eingehen (Hedging). Dieses Hedging wird von uns lege artis durchgeführt und kann den Erwerb von physischen oder derivativen Positionen in VW umfassen. Die M. Bank wird sicherstellen, dass für sie gruppenweit keine Mitteilungspflicht nach Wertpapierhandelsgesetz in derzeit geltender Fassung entstehen.“

Grundsätzlich ermöglicht der Erwerb einer Call-Option dem Käufer, die dem Optionsgeschäft zugrundeliegende Aktie zu einem im Voraus bestimmten Ausübungspreis („Strike“) während oder nach Ablauf der Laufzeit der Option von seinem Vertragspartner zu kaufen bzw. im Falle eines vereinbarten Barausgleichs die Zahlung des Differenzbetrags zwischen dem aktuellen Börsenkurs und dem vereinbarten Strike zu erhalten. Dies bedeutete, dass die Musterbeklagte zu 1 bei einer Call-Option einen Gewinn erzielte, wenn der Aktienkurs zum Zeitpunkt der Ausübung der Option über dem vereinbarten Ausübungspreis lag. Dieser von der M. Bank zu zahlende Barausgleich wurde dabei mit von der Musterbeklagten zu 1 zu leistenden Prämien, d. h. Kaufpreisen für die Kaufoptionen verrechnet. Soweit der Aktienkurs hingegen den Ausübungspreis unterschritt, übte die Musterbeklagte zu 1 die Call-Option nicht aus.

Bei dem Verkauf einer Put-Option erwirbt der Käufer das Recht, die der Option zugrundeliegende Aktie zu einem vorher festgelegten Ausübungspreis zu verkaufen bzw. einen entsprechenden Barausgleich in Höhe der Differenz zwischen Ausübungspreis und Aktienkurs zu erhalten. Für den Verkauf einer Put-Option erhielt die Musterbeklagten zu 1 von der M. Bank eine Prämie. Diese Prämie stellte für die Musterbeklagte zu 1 den aus diesem Optionsgeschäft möglichen Gewinn dar. Auf der anderen Seite hatte die Musterbeklagte zu 1 bei sinkenden Aktienkursen der M. Bank einen Barausgleich in Höhe der Differenz zwischen dem festgesetzten Ausübungspreis und dem Aktienkurs zu leisten.

Die einzelnen Optionsstrategien sahen unterschiedliche Ausübungstermine vor, in denen die bestehenden Call- und Put-Optionen geschlossen und abgerechnet wurden (sog. Rolltermine). Gleichzeitig wurden neue Call- und Put-Optionen zu einem geänderten bzw. zu demselben Ausübungspreis eröffnet. Die Optionen wurden wöchentlich bzw. monatlich gerollt.

Neben Optionsprämien für Call-Optionen hatte die Musterbeklagte zu 1 der M. Bank Gebühren zu zahlen, u.a. monatlich 0,075 % aus dem jeweiligen Gesamtoptionsvolumen. Darüber hinaus musste sie in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Wertes der Positionen eine sog. „Basissicherheit“ leisten. Diese war abhängig von der Entwicklung des Kurses der zugrundeliegenden Aktien, so dass die Musterbeklagte zu 1 bei fallenden Aktienkursen weitere Sicherheiten leisten musste, bei steigenden Kursen geleistete Sicherheiten wieder frei wurden. Weiter musste sie ggf. Nachschusssicherheiten leisten.

Zu den Optionenstrategien im Einzelnen (vgl. auch die tabellarische Darstellung im Schriftsatz der Musterklägerin vom 1. Mai 2017, Rn. 212):

Die Optionsstrategie I wurde am 22. Juli 2005 vereinbart und hatte einen Umfang, der – mehrfach geändert – einem Anteil zwischen 4,9 % und 13 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 entsprach. In dieser Optionsstrategie kaufte die Musterbeklagte zu 1 Call-Optionen und verkaufte Put-Optionen, die jeweils auf Barausgleich gerichtet waren. Die Optionen wurden wöchentlich automatisch gerollt. Zu jedem Rolltermin wurde der Ausübungspreis dem aktuellen Börsenkurs der Stammaktie angepasst.

Die gleichfalls auf die Kombination von Call- und Put-Optionen gerichtete Optionsstrategie II wurde am 12. September 2006 begonnen und war auf eine Beteiligung von bis zu 20 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 ausgerichtet. Sie wurde monatlich gerollt, ohne aber die ursprünglich vereinbarten Ausübungspreise an den aktuellen Börsenkurs anzupassen. Die Ausübungspreise lagen bei dieser Optionsstrategie bei 85 €. Die Strategie wurde am 16. Juni 2008 sowie am 2. und 7. Oktober 2008 teilweise geschlossen, um den Erwerb von Stammaktien zu finanzieren. Die weiteren Optionsstrategien III und VII entsprachen weitgehend der Optionsstrategie II, die Strategie III wurde aber wöchentlich gerollt. Bei einem fixen Ausübungspreis von 93 € war die am 20. Februar 2007 vereinbarte Optionsstrategie III auf ein Volumen von bis zu 15 % der Stammaktien ausgerichtet. Die am 4. März 2008 mit einem Basispreis von 120 € vereinbarte Optionsstrategie VII hatte eine Größenordnung von bis zu 10 % der Stammaktien.

Die Optionsstrategie IV war auf die physische Lieferung von 3,66 % der Stammaktien gerichtet und wurde am 26. März 2007 beendet. Die Musterbeklagte zu 1 übte an diesem Tag die Optionen aus und erhielt von der M. Bank entsprechende Stammaktien.

Die Optionsstrategien V und VIII waren jeweils auf bis zu 25 % der Vorzugsaktien der Musterbeklagten zu 2 gerichtet.

Die Optionsstrategie VI war ausschließlich auf den Verkauf von Put-Optionen („naked-puts“) in der Größenordnung zwischen 13,87 % und 20,67 % der Stammaktien gerichtet. Auch die Optionsstrategie III enthielt z.T. solche isolierten Put-Optionen, denen also keine Call-Optionen gegenüberstanden.

Laut ihrem Geschäftsbericht 2006/2007 hat die Musterbeklagte zu 1 Aktienoptionen mit einem Nominalvolumen von rund 10,5 Mrd. € aktiviert und Aktienoptionen mit einem Nominalwert von rund 13,5 Mrd. € passiviert. Wegen des weiteren Inhalts des Geschäftsberichts wird auf die Anlage MBPor 106 Bezug genommen.

Der Beteiligungsaufbau der Musterbeklagten zu 1, die hierfür mehrere Milliarden Euro aufwandte, stellte sich wie folgt dar:

 

Datum 

VW-Stammaktien insg.

 

Porsche SE

 

Anteil

 

 

Aktien

Optionen

Summe

 

28.03.2007

287.317.457

88.874.462

56.012.094

144.886.556

50,43%

10.08.2007

290.227.657

89.046.680

60.958.331

150.005.011

51,69%

03.03.2008

291.361.077

89.046.680

90.371.219

179.417.899

61,58%

16.06.2008

291.437.017

89.046.680 +

94.156.562

197.603.242

67,80%

 

 

14.400.000

 

 

 

24.07.2008

291.449.027

89.046.680 +

108.145.170

211.591.850

72,6% 

 

 

14.400.000

 

 

 

16.09.2008

294.368.987

103.446.680

114.362.017

217.808.697

73,99%

 

Weitere Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 wurden von der Porsche Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in Salzburg gehalten, deren Aufsichtsratsmitglieder Prof. Dr. F. P., Dr. H. M. P., Dr. W. P. und H. P. P. waren. Diese schloss am 22. Juni 2006 mit der M. Bank eine Vereinbarung über den Aufbau von Optionen in Höhe von 2,5 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 ab. Bis zum 25. April 2007 waren 7.005.262 Optionen aufgebaut. Die Porsche Gesellschaft m.b.H. übte diese am 15. Oktober 2008 aus und erwarb dieselbe Anzahl an Stammaktien von der M. Bank.

Trotz dieses hohen Anteils von Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 und hierauf bezogener Optionen konnte die Musterbeklagte zu 1 keinen Beherrschungsvertrag mit der Musterbeklagten zu 2 schließen. Dem standen die Satzung der Musterbeklagten zu 2 und das Gesetz über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand (im Folgenden: VW-Gesetz) in der Fassung vom 31. Juli 1970 entgegen.

In § 25 der Satzung der Musterbeklagten zu 2 war geregelt, dass Beschlüsse der Hauptversammlung, für die nach gesetzlichen Vorschriften eine Mehrheit erforderlich ist, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst, einer Mehrheit von mehr als vier Fünftel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals der Gesellschaft bedürfen. Damit verfügte das Land Niedersachsen aufgrund seiner Beteiligung in Höhe von 20,1 % der Stammaktien über eine Sperrminorität. Eine entsprechende Regelung enthielt § 4 Abs. 3 VW-Gesetz, nach der für wesentliche Maßnahmen der Musterbeklagten zu 2 eine 80 %-Mehrheit erforderlich war. Daneben enthielten das VW-Gesetz und die Satzung der Musterbeklagten zu 2 inhaltsgleiche Bestimmungen über ein Höchststimmrecht jedes Aktionärs von maximal 20 % sowie über ein Entsenderecht der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Niedersachsen für je zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat.

Mit Urteil vom 23. Oktober 2007 (C-112/05) kam der Europäische Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass das Zusammenspiel von § 2 Abs. 1 und § 4 Abs. 3 VW-Gesetz (Höchststimmrecht in Verbindung mit der Sperrminorität) eine Beschränkung des Kapitalverkehrs im Sinne von Artikel 56 Abs. 1 EGV darstelle, und erklärte Teile des VW-Gesetzes für europarechtswidrig. Das Bundesjustizministerium erklärte in einer Presseerklärung vom 16. Januar 2008 die Absicht, das VW-Gesetz so weit wie möglich zu erhalten und deshalb nur die Vorschriften aufzuheben, die vom Europäischen Gerichtshof für europarechtswidrig erklärt wurden. Der am 8. Februar 2008 veröffentlichte Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Änderung des VW-Gesetzes sah dementsprechend lediglich eine Streichung des Höchststimm- und Entsenderechts in § 2 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 VW-Gesetz vor, die Sperrminorität in § 4 Abs. 3 VW-Gesetz sollte hingegen aufrecht erhalten bleiben. Mit diesem Inhalt trat das Gesetz am 11. Dezember 2008 in Kraft. Die von der Europäischen Kommission diesbezüglich wegen fehlender Umsetzung des Urteils vom 23. Oktober 2007 erhobene Klage auf Feststellung einer Vertragsverletzung hat der Europäischen Gerichtshof – nach dem hier maßgeblichen Zeitraum – mit Urteil vom 22. Oktober 2013 (C-95/12) zurückgewiesen.

Die Musterbeklagte zu 1 unternahm „massive Lobbytätigkeit“ (Schriftsatz der Musterklägerin vom 1. Mai 2017, Rn. 487), um eine Änderung dieser Regelungen zur Sperrminorität zu erreichen. In der Hauptversammlung der Musterbeklagten zu 2 am 24. April 2008 beantragte sie erfolglos, die Satzung zu ändern, indem die Regelungen über das Entsenderecht, die Höchststimmregelung und die Sperrminorität gestrichen werden. Gegen den ihren Antrag ablehnenden Beschluss der Hauptversammlung erhob die Musterbeklagte zu 1 am 26. Mai 2008 Anfechtungsklage vor dem Landgericht Hannover, die – ebenfalls nach dem hier maßgeblichen Zeitraum – durch Urteil vom 27. November 2008 (21 O 61/08) zurückgewiesen wurde.

Am 3. März 2008 beschloss der Vorstand der Musterbeklagten zu 1, die Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 auch auf über 50 % des Grundkapitals hinaus zu erhöhen, die dafür notwendigen Finanzierungsmaßnahmen durchzuführen, alle für die Beteiligungserhöhung erforderlichen behördlichen Genehmigungen einzuholen, die erforderlichen Pflichtangebote abzugeben und für die genannten Maßnahmen die Ermächtigung des Aufsichtsrats einzuholen. Der Aufsichtsrat der Musterbeklagten zu 1 ermächtigte den Vorstand am selben Tag, die Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 auch auf über 50 % des Grundkapitals hinaus zu erhöhen und die dafür erforderlichen Vorbereitungen und Begleitmaßnahmen zu ergreifen.

Ebenfalls am 3. März 2008 veröffentlichte die Musterbeklagte zu 1 eine Ad-hoc-Mitteilung folgenden Inhalts (Anlage MK 9):

„Der Aufsichtsrat der Porsche Automobil Holding SE, Stuttgart, hat grünes Licht für die Erhöhung der Beteiligung an der Volkswagen AG auf über 50 Prozent gegeben. Das Kontrollgremium ermächtigte den Vorstand am Montag in einer außerordentlichen Sitzung, weltweit alle dafür notwendigen aufsichts- und kartellrechtlichen Schritte einzuleiten. Die Prüfungen der Aufsichtsbehörden werden voraussichtlich einige Monate dauern. Sobald die erforderlichen Freigaben vorliegen, kann die Porsche SE die Aktienmehrheit an Volkswagen erwerben. Dr. W. W., Vorstandsvorsitzender der Porsche SE: 'Unser Ziel ist die Schaffung einer der innovativsten und leistungsstärksten Automobil-Allianzen der Welt, die dem verschärften internationalen Wettbewerb gerecht wird.' Eine Fusion der beiden Unternehmen ist nicht geplant.“

Mit der am selben Tage veröffentlichten Pressemitteilung (Anlage MBPor 70) teilte die Musterbeklagte zu 1 über den Text der Ad-hoc-Mitteilung hinaus, deren letzter Satz dort allerdings nicht aufgenommen war, Folgendes mit:

„Mit der Entscheidung werde der Weg dafür geebnet, dass Volkswagen und Porsche künftig ‚gemeinsam in einer fairen und kollegialen Partnerschaft ein neues Kapitel Automobilgeschichte schreiben können‘. (...)

Sobald der Mehrheitserwerb erfolgt ist, wird die Volkswagen AG – neben der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG – ein weiterer Teilkonzern der Porsche Automobil Holding SE. Damit werden Arbeitnehmervertreter aus dem Volkswagen-Konzern in den Aufsichtsrat der Porsche Automobil Holding SE einziehen. Gemeinsam mit den Vertretern der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG werden sie die Arbeitnehmerseite im zwölfköpfigen Kontrollgremium der Holding bilden. (...)“

In Reaktion auf diese Mitteilungen erfolgten Presseberichte, die Musterbeklagte zu 1 wolle nach internen Planungen ihre Anteile an der Musterbeklagten zu 2 auf 75 % aufstocken (Anlagen MK 40, 41). Daraufhin veröffentlichte die Musterbeklagte zu 1 am 10. März 2008 eine Pressemitteilung mit folgendem Inhalt (Anlage MK 10 / MBPor 77):

„Porsche weist Spekulationen über Aufstockung auf 75 Prozent bei VW zurück

Aufsichtsratsbeschluss betrifft lediglich Mehrheitsbeteiligung

Die Porsche Automobil Holding SE, Stuttgart, weist Medienberichte zurück, wonach das Unternehmen beabsichtige, seinen VW-Anteil auf 75 Prozent aufzustocken. Die Spekulation, auf 75 Prozent zu gehen, übersehe die Realitäten in der Aktionärsstruktur von VW. Vor dem Hintergrund, dass das Land Niedersachsen als zweiter Großaktionär über 20 Prozent der Anteile an Volkswagen hält, ist die Wahrscheinlichkeit äußerst gering, die dafür notwendigen Aktien aus dem Streubesitz zu erwerben.

Hintergrund der aktuellen Medienberichte sind offenbar Börsengerüchte, die auf Gedankenspiele von Analysten und Investoren zurückgehen.“

Am 23. Juli 2008 gab die EU-Kommission die Freigabe der von der Musterbeklagten zu 1 eingereichten Kartellanmeldung bekannt. Am selben Tag ermächtigte der Aufsichtsrat der Musterbeklagten zu 1 deren Vorstand, die Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 auf über 75 % der Stammaktien zu erhöhen und die dazu notwendigen Finanzierungsmaßnahmen zu ergreifen.

Gleichfalls am 23. Juli 2008 veröffentlichte das Manager Magazin folgende Äußerung eines namentlich nicht genannten Pressesprechers der Musterbeklagten zu 1 (Anlage MK 42):

„(...)

‚Wir begrüßen die Entscheidung der EU-Kommission‘, sagte ein Porsche-Sprecher am Mittwochabend in Stuttgart. Mit der Freigabe aus Brüssel lägen nun die Genehmigungen von acht Kartellbehörden vor. Nach der Freigabe durch die Kartellbehörden in weiteren Länder werde Porsche seinen Stimmrechtsanteil an VW auf eine Mehrheit aufstocken. ‚Das dürfte im Herbst der Fall sein‘, sagte der Sprecher.

Theoretisch ist mit dem Bescheid der EU-Kommission vom Mittwoch der Weg für Porsche frei, VW künftig noch stärker unter seine Kontrolle zu bringen. Dazu bräuchte Porsche keine weitere Erlaubnis der Kommission mehr.

Zu weiteren Anteilskäufen, mit denen Porsche seinen Stimmrechtsanteil auf bis zu knapp 80 Prozent aufstocken könnte, wollte sich der Porsche-Sprecher jedoch nicht äußern. ‚Wir reden heute über die Mehrheit‘, sagte er.

Das Land Niedersachsen ist mit gut 20 % der Stimmrechte an VW beteiligt und will dieses Paket behalten. Das jüngst novellierte VW-Gesetz sichert dem Land mit diesem Anteil eine Sperrminorität zu, die nach dem deutschen Aktienrecht üblicherweise ein Viertel der Stimmrechte erfordert.

Porsche läuft gegen dieses Sonderrecht des Landes Sturm, (...). Mit der Sperrminorität kann Niedersachsen derzeit verhindern, dass Porsche wichtige Unternehmensentscheidungen wie die Schließung eines Werks oder einen Gewinnabführungsvertrag verlangen könnte. (...)“

In einem am 28. Juli 2008 veröffentlichten Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung äußerte sich der Finanzvorstand der Musterbeklagten zu 1 H. H. u.a. wie folgt (Anlage MK 72):

„(...)

Dann hat Schaeffler vielleicht schneller die Mehrheit bei Conti als Porsche bei VW? Bei Ihnen zieht sich der Übernahmeprozess nun ja schon seit bald drei Jahren hin.

Wir sind doch nicht auf der Rennstrecke. Und unser Zeitplan steht. Wir haben fest vor, in diesem Jahr die 51-Prozent-Grenze zu überschreiten, und dafür müssen nun mal eine ganze Reihe Kartellämter zustimmen. Die Vereinigten Staaten liegen vor, seit letzter Woche auch die Genehmigung der EU-Kommission; China ist gerade angekommen. Das ist alles im grünen Bereich. Aber einige Balkan-Staaten brauchen beispielsweise noch weitere Unterlagen. Und die Beamten anderer südeuropäischer Länder haben uns mitgeteilt, dass sie jetzt im Urlaub sind und erst Mitte September zu einer Entscheidung kommen werden. Trotzdem gehen wir davon aus, dass wir im September sukzessive aufstocken werden.

    (...)

Für einen normalen Aktionär wäre das jetzt teuer. Der Kurs der VW-Aktie ist mittlerweile auf mehr als 200 Euro gestiegen. Als Porsche vor fast drei Jahren die erste Tranche kaufte, lag er noch bei 35 Euro.

Wir haben Kurssicherungsgeschäfte getätigt, also sogenannte ‚cash settled Options‘, die uns einen bestimmten Kurs sichern, wie ja der Begriff aussagt.

Können Sie das genauer erklären?

Eigentlich nicht, sonst ist doch die Blaupause auf dem Markt. (...)

Auf jeden Fall ist Ihnen ganz egal, wo der Kurs der VW-Aktie jetzt ist.

Mit Hilfe der Kurssicherungsgeschäfte konnten wir uns einen Preis sichern, den wir für weitere Käufe zu bezahlen haben.

Möglicherweise verdienen Sie noch daran?

Das kann schon passieren.

Wo ein Gewinner ist, muss es ja auch eine Menge Verlierer geben. Wahrscheinlich haben die Banken ein schlechtes Geschäft gemacht?

Das mit Gewinnern und Verlierern ist bei allen Optionsgeschäften so. Aber ich gehe davon aus, dass die Banken ihre Positionen entsprechend abgesichert haben.

Und Sie ziehen das jetzt durch, auch wenn es noch viel Streit gibt über die Mitbestimmung. Und das VW-Gesetz ist ja auch noch nicht vom Tisch.

Es ist nun halt leider so, dass wir aufgrund der politischen Diskussion in eine Schleife gezwungen werden, bis das Ganze vor dem Europäischen Gerichtshof geregelt wird. (...) Aber wir haben gegen die Hauptversammlungsbeschlüsse zur Satzungsänderung geklagt (...).

    (...)

Gibt es denn wenigstens Annäherung bei der Mitbestimmungsvereinbarung, wo es ja um die Aufteilung der Macht zwischen den verschiedenen Arbeitnehmervertretern geht?

Da sind wir relativ nah an einer Lösung. Aber immer, wenn wir meinen, am Ziel zu sein, kommt der VW-Betriebsratsvorsitzende mit Nachforderungen. Wir haben das Gefühl, dass sich im Hintergrund ein Machtkampf innerhalb der IG Metall abspielt. Die Rolle von IG-Metall-Funktionär Jürgen Peters im VW-Aufsichtsrat beispielsweise ist nicht unbedingt zielführend. Ob er wirklich nur die Interessen der Belegschaft im Auge hat, scheint mir doch eher zweifelhaft.

Die Stimmung ist gegen Sie. Wie kann man das Problem nun lösen?

Sobald wir die nächsten Etappen genommen haben, also die faktische Mehrheit und dann die 51 Prozent, wird es wieder um operative Themen gehen. Dann wird sich auch die Diskussion versachlichen.

    (...)“

Am 16. September 2008 veröffentlichte die Musterbeklagte zu 1 eine Pressemitteilung mit folgendem Wortlaut (Anlage MK 11):

„Die Porsche Automobil Holding SE, Stuttgart, hat an diesem Dienstag, 16. September, weitere 4,89 Prozent der Volkswagen-Stammaktien erworben. Die Beteiligung an dem Wolfsburger Automobilhersteller erreicht damit insgesamt 35,14 Prozent der Stimmrechte. „Das Ziel bleibt weiterhin, unseren Anteil an Volkswagen auf über 50 Prozent zu erhöhen. Der heutige Schritt ist ein weiterer Meilenstein auf diesem Weg“, so der Porsche-Vorstandsvorsitzende Dr. W. W.. Er fügte hinzu: „Wir freuen uns auf die Fortsetzung und Vertiefung der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Volkswagen-Vorstand und hoffen auf eine rasche Lösung im Konflikt zwischen den Arbeitnehmervertretungen von Porsche und VW. (...)“

Unter Bezugnahme auf einen Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (Anlage MBPor 154, Bl. 2676 d.A.) veröffentlichte Spiegel-online am 18. September 2008 – bestrittene – Äußerungen eines namentlich nicht benannten Sprechers der Musterbeklagten zu 1 sowie deren Finanzvorstands H. (Anlage MK 43):

„Porsche plant laut einem Bericht der ‚Hannoverschen Allgemeinen Zeitung‘, seinen Einfluss bei dem Autobauer aus Wolfsburg auszuweiten. Bei einem vertraulichen Treffen mit niedersächsischen CDU-Bundestagsabgeordneten habe der Finanzvorstand des Sportwagenbauers, H. H., erstmals einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ins Spiel gebracht, schreibt die Zeitung.

Demnach würde VW zu einem reinen Befehlsempfänger. Außerdem müssten die Wolfsburger ihren gesamten Gewinn nach Stuttgart überweisen. Porsche werde dieses Ziel nicht einfach aufgeben, nur weil ein neues VW-Gesetz in der Vorbereitung sei, wird H. aus Teilnehmerkreisen zitiert.

Ein Porsche-Sprecher sagte der Zeitung, H. habe lediglich eine theoretische Möglichkeit angesprochen. Derzeit stehe ein Beherrschungsvertrag nicht zur Debatte und sei auch ‚völlig unrealistisch‘.“

Weiter äußerte sich Dr. W. auf dem Pariser Autosalon zu der Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2. Diese Äußerung wurde in einem Artikel von Finanzen.net vom 2. Oktober 2008 wie folgt wiedergegeben (Anlage MK 44):

 „(...)

Porsche wolle sich die Option auf eine Beteiligung von 75% an Volkswagen offen halten, fügte der Vorstandsvorsitzende hinzu. Dies sei im Moment aber eine ‚rein theoretische Möglichkeit‘.

Im September hatte Porsche ihren Anteil an Volkswagen auf 35,14% erhöht. Damit verfügt Porsche über eine so genannte faktische Mehrheit an Volkswagen. W. hatte zudem angekündigt, dass Porsche ihren Anteil an Volkswagen bis November auf über 50% aufstocken will.“

In einem in der Frankfurter Allgemeine Zeitung am 6. Oktober 2008 veröffentlichten Interview sind entsprechende Äußerungen von W. wie folgt wiedergegeben (Anlage MK 45):

„(...) Eine 75-prozentige Beteiligung an VW wolle er in Zukunft nicht ausschließen. (...)

Die VW-Kollegen fürchten, dass sie zur Abteilung von Porsche degradiert werden, dass Sie den VW-Anteil auf 75 Prozent erhöhen und einen Beherrschungsvertrag abschließen. Können Sie ihnen diese Sorge nehmen?

Wir wären schlechte Unternehmer, wenn wir jetzt sagen würden, wir schließen langfristig eine Beherrschung aus. 75 Prozent sind heute kein Thema, das ist klar. Die theoretische Möglichkeit aber wollen wir uns erhalten. (...)

Deswegen streiten Sie so vehement gegen das VW-Gesetz: Bisher kann das Land Niedersachsen mit seinen 20 Prozent jede Beherrschung verhindern?

Wir kämpfen gemeinsam mit der EU-Kommission um nichts mehr, als dass für VW Regeln gelten wie für jeden anderen Dax-Konzern

    (...)

Wird das VW-Gesetz am Ende fallen?

Sonderregeln werden auf Dauer keinen Bestand haben. Wenn die Europäische Kommission gegen die Neuauflage des Gesetzes vorgeht, wird es in Berlin nicht zu halten sein. Das ist nur eine Frage der Zeit.

Die Börse spekuliert schon jetzt darauf, dass Sie auf 75 Prozent an VW aufstocken - oder wie erklären Sie den irren Anstieg der VW-Aktie?

Die 75 Prozent sind heute kein Thema; wir treiben den Kurs nicht. Auf Dauer wäre ein so hoher Kurs auch nicht gut.

    (...)“

Der Kurs der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 war zunächst von 149,10 € am 3. März 2008 angestiegen und bewegte sich für einen Zeitraum von rund 2 Monaten vor dem 15. September 2008 – dem Tag der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers – in der Größenordnung von etwa 200 €. Ursache für diesen kontinuierlichen Anstieg, der zuletzt entgegen dem allgemeinen Trend in der Finanzkrise erfolgte, war die Marktverknappung im Zusammenhang mit dem Beteiligungsaufbau durch die Musterbeklagte zu 1. In dem folgenden Monat stieg der Kurs in zwei Wellen von 207 € auf 398,84 € am 16. Oktober mit einem Höchststand von 452 € am 7. Oktober (vgl. etwa Kurshistorie Anlage MBPor 99 und Kursdiagramme im Schriftsatz der Musterbeklagten zu 1 vom 28. Juli 2017, Rn. 159, 186, 551, Bl. 1764, 1770, 1869 d.A.).

Unter dem 17. Oktober 2008 untersuchte das Analysehaus Bernstein Research die längerfristigen Kursgewinne der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 und führte diese u.a. auf die Optionsstrategien der Musterbeklagten zu 1 zurück. Die Analyse gelangte zu dem Schluss, dass die Musterbeklagte zu 1 ihren Anteil an der Musterbeklagten zu 2 wahrscheinlich auf deutlich über 55 %, möglicherweise auch auf mehr als 70 % aufstocken werde. Sie vermutete, die Musterbeklagte zu 1 habe Aktien an Hedgefonds verliehen und dadurch die hohe Volatilität der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 in den Vorwochen begünstigt (Anlage MK 47). Die Musterbeklagte zu 1 wies diese Vermutung gegenüber der Financial Times als „Märchen“ zurück (veröffentlicht am 21. Oktober 2008, Anlage MBPor 112):

„In a research note last week, Max Warburton, an analyst at Sanford Bernstein, blamed Porsche for the massive swings in VW´s share price. Mr Warburton suggested Porsche was fuelling the squeeze by lending stock to hedge funds. However, a spokesman at Porsche denied this, dismissing Mr Warburton´s ideas as a ‚fairytale‘. ‚We never lend any shares‘, he said.“

Nach dem 16. Oktober 2008 kam es zu einem deutlichen Kursverlust der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2. Der Schlusskurs lag am 24. Oktober 2008 bei 210,85 € (vgl. etwa Kursdiagramme im Schriftsatz der Musterklägerin vom 1. Mai 2017, Rn. 363, Bl. 919 d.A. und im Schriftsatz der Musterbeklagten zu 1 vom 28. Juli 2017, Rn. 186, 189, Bl. 1770, 1772 d.A., sowie Anlage MBPor 99). In der Woche vom 20. bis zum 24. Oktober 2008 musste die Musterbeklagte zu 1 der M. Bank aufgrund dieser Kursverluste Basissicherheiten und Nachschüsse in Höhe von jedenfalls deutlich mehr als 2 Mrd. € leisten.

Der Vorstand der Musterbeklagten zu 1 fasste am 26. Oktober 2008 den Beschluss, den Umfang der Kurssicherungsgeschäfte und der zu diesem Zeitpunkt gehaltenen Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 offen zu legen sowie die Beteiligung abhängig von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Jahr 2009 auf 75 % der Stammaktien zu erhöhen, um in der Folge einen Beherrschungsvertrag zu schließen. In der am selben Tage veröffentlichten Pressemitteilung heißt es (Anlage MK 5):

 „Porsche strebt Beherrschungsvertrag an

Volkswagenanteil auf 42,6 Prozent aufgestockt

Aufgrund der dramatischen Verwerfungen auf den Finanzmärkten hat sich die Porsche Automobil Holding SE, Stuttgart, am Wochenende entschlossen, ihre Aktien und Kurssicherungspositionen im Zusammenhang mit der Übernahme der Volkswagen AG, Wolfsburg, offen zu legen. Demnach hält die Porsche SE am Ende der vergangenen Woche 42,6 Prozent der Volkswagen Stammaktien sowie zusätzlich 31,5 Prozent cash gesettelte Optionen auf Volkswagen Stammaktien zur Kurssicherung, was in der Summe einen Betrag von 74,1 Prozent ergibt. Bei Auflösung dieser cash gesettelten Optionen erhält Porsche die Differenz zwischen dem dann aktuellen Volkswagen Kurs und dem darunterliegenden Absicherungskurs (dem sogenannten „Strike“) ausbezahlt. Die Volkswagen Papiere werden zum jeweils aktuellen Kurs gekauft.

Zielsetzung ist, sofern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen, im Jahr 2009 auf 75 Prozent aufzustocken und damit den Weg für einen Beherrschungsvertrag frei zu machen. An dem Fahrplan, noch im November/Dezember 2008 die 50 Prozent Hürde bei VW zu nehmen, wird unverändert festgehalten.

Porsche hat sich zu dieser Bekanntgabe entschlossen, nachdem offenkundig geworden ist, daß deutlich mehr Shortpositionen im Markt sind als erwartet. Die Offenlegung soll deshalb den sogenannten Shortsellern - also Finanzinstituten, die auf einen fallenden VW Kurs gewettet haben oder noch wetten - Gelegenheit geben, ihre Positionen in Ruhe und ohne größeres Risiko aufzulösen.

Hinzu kommt, dass nach Presseberichten vom Wochenende die EU-Kommission schon in überschaubarer Zukunft die von der Bundesregierung geplante Neuauflage des VW Gesetzes als europarechtswidrig einstufen wird. Es ist zu erwarten, dass in der Folge eine erneute Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht wird.

Auch die Tatsache, dass sich die Porsche Eigentümerfamilien Porsche und Piech geschlossen und uneingeschränkt hinter das Vorgehen der Porsche SE Vorstände Dr. W. W. und H. H. stellen, bestärkte den jetzt erfolgten Schritt zur Offenlegung. Wie berichtet, haben sich vergangene Woche die Familien eindeutig für eine Beherrschung des Volkswagen Konzerns durch Porsche ausgesprochen.“

Am 27. Oktober 2008 öffnete die Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 mit 350 € und erreichte einen Tageshöchstwert von 635 €. Der Eröffnungskurs lag am Folgetag bei 500 € mit einem Tageshöchststand von 1.005,01 € sowie einem Schlusskurs von 945 €.

Am 28. Oktober 2008 beschloss der Vorstand der Musterbeklagten zu 1, je nach Marktlage ihre Kurssicherungsgeschäfte in Höhe von bis zu 5 % der Volkswagen-Stammaktien aufzulösen. Am 29. Oktober 2008 veröffentlichte die Musterbeklagte zu 1 eine entsprechende Pressemitteilung (Anlage MK 57).

Die Vorzugsaktie der Musterbeklagten zu 1, die am 24. Oktober 2008 bei einem Kurs von 39,347 € schloss, eröffnete am 27. Oktober 2008 bei 37,953 €. Ihr Schlusskurs belief sich auf 35,774 €. An den beiden darauffolgenden Tagen kam es zu einem Kursanstieg von 39,321 € (Schlusskurs am 28. Oktober 2008) auf 53,896 € (Schlusskurs am 29. Oktober 2008). Das Handelsvolumen dieser Vorzugsaktie bewegte sich in den Tagen vom 24. bis zum 29. Oktober 2008 zwischen einem Volumen von 2.337.640 und 7.242.855 Stück. Insoweit wird auf die Darstellung unter Rn. 220 des Schriftsatzes der Musterklägerin vom 4. Oktober 2017 Bezug genommen.

Am 5. Januar 2009 erwarb die Musterbeklagte zu 1 zu einem Kaufpreis von jeweils 255,841 € weitere 6.266.907 Stammaktien der Musterbeklagten zu 2. Sie finanzierte dies durch Auflösung einer entsprechenden Anzahl von Kaufoptionen aus der Optionsstrategie II unter gleichzeitigem Rückkauf von Put-Optionen. Der Finanzvorstand der Musterbeklagten zu 1 H. verhandelte über die Refinanzierung des 10 Mrd. € - Kredits. Eine entsprechende Verlängerung des Kreditvertrags wurde am 24./25. März 2009 abgeschlossen.

Die Musterklägerin und die Beigeladenen verlangen in den Ausgangsverfahren Ersatz der ihnen aufgrund der dargestellten Kapitalmarktinformationen entstandenen Schäden.

Sie behaupten, der Gesellschafterausschuss sei das allein maßgebliche Entscheidungsgremium der Musterbeklagten zu 1 gewesen. Er habe durch einen „Grundlagenbeschluss“ vom 15. Juli 2005 als Ziel des Beteiligungsaufbaus den Erwerb von über 80 % der Stammaktien verbindlich festgelegt. Die Beschlüsse des Gesellschafterausschusses seien für die dem Aufsichtsrat der Musterbeklagten zu 1 angehörenden Anteilseignervertreter im Hinblick auf die Ausübung ihres Stimmrechts bindend gewesen. Den förmlichen Beschlussfassungen des Aufsichtsrats sei keine wesentliche Bedeutung für die Entscheidungsfindung mehr zugekommen.

Der Gesellschafterausschuss habe in einer Sitzung am 11. Februar 2008 klargestellt, dass allein der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags die getätigten Investitionen rechtfertigen könne. Spätestens am 3. März 2008 hätten die Vorstände der Musterbeklagten zu 1 Dr. W. und H. in Abstimmung mit dem Gesellschafterausschuss die „konkrete Beherrschungsabsicht“, mithin die Absicht gehabt, die Beteiligung am Stammkapital der Musterbeklagten zu 2 auf mindestens 75 % aufzustocken und – wie durch den Start der Optionsstrategien VII und VIII am 4. März 2008 geschehen – konkrete Maßnahmen einzuleiten, um die Anteilsaufstockung auf 75 % umzusetzen. Ferner habe das Ziel bestanden, einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abzuschließen, um den ausgelösten Kapitaleinsatz refinanzieren zu können. Bei dieser „konkreten Beherrschungsabsicht“ habe es sich um eine Ad-hoc-pflichtige Insiderinformation gehandelt.

Die Musterbeklagten zu 1 habe die Kommunikationsstrategie verfolgt, die wahren Absichten, mithin den bereits bestehenden Entschluss zu verschleiern, die Beteiligung auf 75 % der Stammaktien zu erhöhen. Mit den im Rahmen dieser Kommunikationsstrategie im Zeitraum ab dem 3. März 2008 abgegebenen Mitteilungen und Äußerungen, wie näher in Rn. 27 - 38 dargestellt, habe sie ihre „konkrete Beherrschungsabsicht“ grob unrichtig und irreführend dementiert.

Unabhängig davon hätte die Musterbeklagte zu 1 nicht nur die von ihr gehaltenen Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 – unter anderem bei Überschreiten von Meldeschwellen – offenlegen müssen, sondern auch die Optionsstrategien. Diese hätten zu einer synthetischen Nachbildung der Stammaktie geführt, so dass das wirtschaftliche Risiko bereits mit dem Aufbau der Optionen vollständig begründet gewesen sei. Es habe sich nicht um Kurssicherungsgeschäfte gehandelt, sondern vielmehr faktisch um den Kauf von Stammaktien der Musterbeklagten zu 2.

Es habe einen faktischen Abnahmezwang für die gesicherten Stammaktien gegeben. Die M. Bank habe sich für Optionsgeschäfte mittels Hedging abgesichert. Die Musterbeklagte zu 1 habe gewusst, dass sich der Markt der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 durch die Hedgingaktivitäten der M. Bank zunehmend verengte. Die Musterbeklagte zu 1 habe Kapitalmarktteilnehmer dahingehend instrumentalisiert, Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 leer zu verkaufen, um die entsprechenden Short-Positionen für die sich absichernde M. Bank und weitere Investmentbanken in der Hedgingkette zu schaffen.

Um die Umsetzung ihrer Beherrschungsabsicht nicht zu gefährden, habe die Musterbeklagte zu 1 in Kauf genommen, dass die Musterbeklagte zu 2 keine „saubere Dieseltechnologie“ entwickelt, sondern „Betrugssoftware“ eingesetzt habe.

Der Vorstand der Musterbeklagten zu 1 habe am 4. September 2008 gegenüber der Bank L. den Finanzierungsbedarf für eine Aufstockung von über 50 % hinaus auf 75 % auf weitere 10 Mrd. € quantifiziert und diese Aufstockung für das erste Quartal 2009 dargestellt. Spätestens im Oktober 2008 sei der Musterbeklagten zu 1 von verschiedenen Banken mitgeteilt worden, dass sowohl die Refinanzierung des bestehenden 10 Mrd. € - Kredits als auch eine darüberhinausgehende Einräumung von Krediten kurzfristig nicht möglich sei. Wegen der im Herbst 2008 bestehenden Banken- und Finanzmarktkrise hätten zudem die in die Hedgingkette eingebundenen Banken begonnen, ihr Risiko zu reduzieren, so dass sich die Zahl der Hedgingpartner reduziert und die Risikoprämien für Derivategeschäfte erhöht hätten. Der Kursverlust der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 vom 17. bis 24. Oktober 2008 habe bei der Musterbeklagten zu 1 zu einem drastischen Verlust des Wertes der Optionskombinationen sowie zu einem exorbitanten Liquiditätsabfluss aufgrund von Nachbesicherungspflichten geführt. Die Musterbeklagte zu 1 habe am 24. Oktober 2008 beim Rollen der Optionsstrategie I einen Verlust von ca. 200 Mio. € aus gekauften Call-Optionen sowie einen Verlust in Höhe von 2,3 Mrd. € aus den begebenen Put-Optionen realisiert. Die Liquiditätsbelastung betreffend Vorzugsaktien habe selbst unter Berücksichtigung frei gewordener Sicherheiten aufgrund der dortigen Herabsetzung des Strike-Preises bei mindestens 1,131 Mrd. € gelegen. Die Marktwertverluste der Optionsstrategien zwischen dem 20. und dem 24. Oktober 2008 hätten insgesamt zu einer Liquiditätsbelastung in Höhe von 3,875 Mrd. € geführt. Wegen des Kurssturzes seien die Partner der M. Bank dazu übergegangen, die von ihnen zur Absicherung gehaltenen Stammaktien in den Markt zu verkaufen, solange diese noch überbewertet bzw. werthaltig waren. Dies habe im Ergebnis dazu geführt, dass die Musterbeklagte zu 1 am 24. Oktober 2008 am Rande der Insolvenz und unmittelbar vor der Zahlungsunfähigkeit gestanden habe, weil sie nur noch über eine freie Liquidität in Höhe von 27 Mio. € verfügt habe. Die Musterbeklagte zu 1 habe anhand einer vorgenommenen Value-at-Risk Berechnung davon ausgehen müssen, dass ihr schon am 27. Oktober 2008 weitere Nachschussverpflichtungen in Höhe von 2,1 Mrd. € drohten. Sie habe nicht die Möglichkeit gehabt, die Optionen aufzulösen, ohne die Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 zu erwerben, weil dies zu weiteren Marktwertverlusten geführt hätte. Die Musterbeklagte zu 1 habe weder über die finanziellen Mittel verfügt, die Stammaktien zu erwerben, noch habe die Möglichkeit bestanden, die von ihr bereits gehaltenen Stammaktien zu verkaufen oder zu verpfänden. In dieser Situation hätte sie eine Gewinnwarnung veröffentlichen müssen.

Die stattdessen veröffentlichte Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 sei grob unrichtig gewesen. Hinter ihrer Veröffentlichung habe ausschließlich das Eigeninteresse der Musterbeklagten zu 1 gestanden, Leerverkäufer durch die Suggestion eines Kaufzwangs zum Schließen ihrer Positionen zu bewegen, sie aus dem Markt zu vertreiben und anschließend von weiteren Handelsaktivitäten abzuhalten, um einen weiteren Kursverlust der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 zu verhindern. Die Musterbeklagte zu 1 habe darüber hinaus die von ihr erlittenen Verluste bei den Put-Optionen verschwiegen, sodass die Marktteilnehmer davon hätten ausgehen müssen, dass die Musterbeklagte zu 1 weitere Stammaktien zu jedem beliebigen Preis werde erwerben können. Die Pressemitteilung sei auch deshalb irreführend, weil die Musterbeklagte zu 1 verschwiegen habe, dass die gemeinsam mit ihr handelnde Porsche GmbH Salzburg über einen Anteil an Stammaktien in Höhe von 2,37 % verfügte. Den Marktteilnehmern war bekannt, dass das Land Niedersachsen über einen Anteil von 20,1 % der Stammaktien verfügte, so dass die Pressemitteilung eine Marktenge suggeriert habe. Die Aussage, die Stammaktien zum aktuellen Kurs zu kaufen, sei objektiv so zu verstehen gewesen, dass die Musterbeklagte zu 1 den festen Entschluss habe und es ihr auch möglich sei, die durch Kurssicherungsgeschäfte gesicherten Stammaktien zu erwerben, um auf einen Anteil von 74,1 % zu kommen. Eine entsprechende Finanzierung sei der Musterbeklagten zu 1 aber nicht möglich gewesen. Die in der Pressemitteilung geäußerten Motive seien zudem unzutreffend gewesen. Die Eigentümerfamilien Po. und P. hätten sich nicht erst im Oktober 2008 geschlossen und uneingeschränkt hinter das Vorgehen der Musterbeklagten zu 1 gestellt. Die Erwähnung von Presseberichten im Hinblick auf die Reform des VW-Gesetzes sei ein konstruierter Vorwand gewesen. Positive Signale habe die europäische Kommission nicht erst im Oktober 2008, sondern bereits Anfang Juni 2008 mit der Einleitung eines erneuten Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland gegeben. Den angeblich am 26. Oktober 2008 gefassten Beschluss habe der Vorstand in der Sache lange zuvor gefasst, nämlich am 3. März 2008. Im Übrigen hätte die Musterbeklagte zu 1 als Emittent ihrer Vorzugsaktie die Inhalte der Pressemitteilung als Ad-hoc-Mitteilung veröffentlichen müssen, weil es sich bei der Aufstockung auf 74,1 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 und dem beabsichtigten Abschluss eines Beherrschungsvertrags um kursrelevante Informationen gehandelt habe. Mit dieser Pressemitteilung habe die Musterbeklagte zu 1 bewusst einen Short Squeeze auslösen wollen. Der Free Float der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 habe am 26. Oktober 2008 nur ca. 5 % betragen. Durch die Derivatgeschäfte, die die Musterbeklagten zu 1 nicht bekannt gegeben habe, habe diese zielgerichtet den Markt verengt. Die Investmentbank L. habe die Musterbeklagte zu 1 fortlaufend über die Zahl der Leerverkäufer informiert. Den Verantwortlichen der Musterbeklagten zu 1 sei am 26. Oktober 2008 bekannt gewesen, dass der Anteil der leerverkauften Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 bei mindestens 10 % lag und der Anteil der im Markt verfügbaren Stammaktien aufgrund der von der Musterbeklagten zu 1 eingegangenen physischen und synthetischen Beteiligung nicht ausgereicht habe, um die Nachfrage der Leerverkäufer zu bedienen.

Aufgrund gewinnabhängiger Vorstandsvergütungen hätten die damaligen Vorstände der Musterbeklagten zu 1 Dr. W. und H. ein erhebliches Eigeninteresse gehabt. Auch die Familien Po. und P. hätten von dem Marktverhalten der Musterbeklagten zu 1 und der Kursentwicklung der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 profitiert. Die Musterbeklagte zu 1 und die Porsche GmbH Salzburg hätten es daher auch vorsätzlich unterlassen, Geschäfte mit Aktien und Finanzinstrumenten der Musterbeklagten zu 2 gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden: BaFin) und der Musterbeklagten zu 2 mitzuteilen.

Den Verantwortlichen der Musterbeklagten zu 2 sei im Jahr 2008 bekannt gewesen, dass die Musterbeklagte zu 1 eine Übernahme und den Abschluss eines Beherrschungsvertrags konkret beabsichtige. Dieses Wissen hätten sowohl der damalige Vorstandsvorsitzende der Musterbeklagten zu 2 Dr. M. W. als auch die dem Aufsichtsrat der Musterbeklagten zu 2 angehörenden Dr. W., H., Prof. Dr. P., Dr. W. P. und der damalige niedersächsische Ministerpräsident C. W. gehabt. Prof. Dr. P. und Dr. W. Po. seien als Mitglieder des Aufsichtsrats und des Gesellschafterausschusses der Musterbeklagten zu 1 ebenso umfassend informiert gewesen wie Dr. W. und H. als deren Vorstand. Die Kenntnis des Vorstandsvorsitzenden Dr. W. ergebe sich aus von der Musterbeklagten zu 2 eingeholten Analysen und Studien zu den Plänen der Musterbeklagten zu 1 sowie aus Gesprächen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Prof. Dr. P.. Darüber hinaus habe der damalige Leiter des Wirtschaftsreferats in der niedersächsischen Staatskanzlei, Dr. M., kurz vor dem 10. März 2008 Ministerpräsident W. über den Inhalt einer Besprechung vom 25. Februar 2008 informiert. Bei dieser Besprechung in Berlin hätten Vertreter der Musterbeklagten zu 1 gegenüber Dr. M. ausdrücklich klargestellt, dass die Übernahme der Musterbeklagten zu 2 und der Abschluss eines Beherrschungsvertrags geplant sei. Der Musterbeklagten zu 2 sei das Wissen ihrer Aufsichtsratsmitglieder zu zurechnen.

Verschiedene Anleger hätten hierdurch Schäden erlitten. Sog. Early Seller, die Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 vor dem 26. Oktober 2008 verkauft haben, hätten sie in Kenntnis der Beherrschungsabsicht der Musterbeklagten zu 1 nicht verkauft. Leerverkäufer, die im Oktober 2008 auf einen fallenden Kurs der Stammaktie gesetzt hatten, hätten sich in Folge des Short Squeezes zu überhöhten Preisen eindecken müssen, um ihre vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen. Die von den Klägern der Ausgangsverfahren geltend gemachten Schäden belaufen sich auf mehrere Milliarden Euro.

Unter dem 13. April 2016 hat das Landgericht Hannover auf Grundlage des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes einen Vorlagebeschluss erlassen, der am 20. April 2016 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist. Mit Beschlüssen vom 12. Januar 2017, vom 11. September und 19. November 2018 sowie vom 29. März und 23. Mai 2022hat der Senat das Musterverfahren erweitert bzw. zugelassene Feststellungsziele berichtigt oder ergänzt, so dass nunmehr folgende Feststellungsziele Gegenstand des Musterverfahrens sind:

Komplex I:

I.1. Es wird festgestellt, dass die Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität eines Emittenten nicht deshalb entfällt, weil ein Mitglied des Aufsichtsrats des Emittenten über eine Insiderinformation verfügt, aufgrund eines Doppelmandats aber einer anderen Gesellschaft gegenüber nach Maßgabe nationalen Gesellschaftsrechts zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.

Komplex II:

II.1. Die Vorstände der Musterbeklagten zu 1, Dr. W. W. und H. H., hatten jeweils am 3. März 2008, 10. März 2008, 16. Juni 2008, 23. Juli 2008, 28. Juli 2008, 16. September 2008, 18. September 2008 und 5./6. Oktober 2008 die Zielsetzung, die Beteiligung der Musterbeklagten zu 1 am Stammkapital der Musterbeklagten zu 2 – gegebenenfalls auch noch im Jahr 2009 – auf mindestens 75 % aufzustocken, insbesondere um damit den Weg für einen Beherrschungsvertrag freizumachen, und hierzu auch konkrete Maßnahmen eingeleitet, insbesondere durch den Abschluss der Optionsstrategien VII und VIII.

II.2. Die Aufsichtsräte der Musterbeklagten zu 2, Dr. W. W., H. H., Prof. Dr. h.c. F. P., Dr. W. P. und C. W., hatten von der konkreten Beherrschungsabsicht i.S.d. Ziff. 1 Kenntnis zu den jeweils in Ziff. 1 genannten Daten.

II.3. Die in Ziff. 2 genannte Kenntnis der Aufsichtsräte ist der Musterbeklagten zu 2 seit dem 3. März 2008 zuzurechnen,

hilfsweise:

Die Musterbeklagte zu 2 muss sich seit dem 3. März 2008 so behandeln lassen, als ob sie Kenntnis von der konkreten Beherrschungsabsicht im Sinne der Ziff. 1 gehabt hätte.

II.3.a. Die in Ziff. 2 genannten Aufsichtsräte der Musterbeklagten zu 2 können sich nicht auf konfligierende Geheimhaltungspflichten berufen.

II.4. Die Musterbeklagte zu 2 hatte seit dem 3. März 2008 Kenntnis von der konkreten Beherrschungsabsicht i.S.d. Ziff. 1.

II.5. Die konkrete Beherrschungsabsicht der Musterbeklagten zu 1 stellt eine Insiderinformation i.S.d. § 13 WpHG dar.

II.6. Diese Insiderinformation betraf die Musterbeklagten zu 1 und zu 2 unmittelbar i.S.d. § 37b Abs. 1 WpHG.

II.7. Die Musterbeklagten zu 1 und zu 2 haben es unterlassen, diese Insiderinformation unverzüglich i.S.d. § 15 Abs. 1 WpHG zu veröffentlichen, insbesondere zu den in Ziff. 1 genannten Daten.

II.7.a. Diese Veröffentlichungspflicht oblag den Musterbeklagten zu 1 und zu 2 zumindest im Zeitraum vom 3. März 2008 bis 26. Oktober 2008; in diesem Zeitraum entstand diese Veröffentlichungspflicht täglich als jeweils eigenständige Pflicht aufs Neue.

II.8. Diese Unterlassung der Musterbeklagten zu 1 und zu 2 beruhte jeweils auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.

VIII.1. Eine Haftung der Musterbeklagten zu 1 aus §§ 37b, 37c WpHG umfasst auch Schäden aus Transaktionen in VW-Stammaktien; Anspruchsberechtigte, welche solche Transaktionen getätigt haben, sind insoweit aktivlegitimiert.

VIII.1.a. Anspruchsberechtigt gemäß §§ 37b, 37c WpHG sind Personen, die folgende Transaktionen getätigt haben:

a) Verkauf von VW-Stammaktien im Zeitraum vom 10. März 2008 bis 26. Oktober 2008, hilfsweise im Zeitraum vom 16. Juni 2008 bis 26. Oktober 2008;

b) Leerverkauf von VW-Stammaktien im Wege eines Kassageschäfts vor dem 26. Oktober 2008 und Durchführung eines Deckungsgeschäfts nach dem 26. Oktober 2008;

c) Leerverkauf von VW-Stammaktien im Wege eines unbedingten Termingeschäfts vor dem 26. Oktober 2008 und Durchführung eines Deckungsgeschäfts nach dem 26. Oktober 2008;

d) Verkauf von Call-Optionen auf VW-Stammaktien vor dem 26. Oktober 2008 und Durchführung eines Deckungsgeschäfts nach dem 26. Oktober 2008.

II.10. Indem die Musterbeklagten zu 1 und zu 2 die unverzügliche Mitteilung unterlassen haben, haben sie sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB gehandelt.

II.11. Die Unterlassung der Musterbeklagten zu 1 und zu 2 war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter vorsätzlich i.S.d. § 826 BGB.

Komplex III:

III.1. Die Ad-hoc-Mitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 3. März 2008 stellt eine Insiderinformation i.S.d. § 13 WpHG dar.

III.2. Die Insiderinformation bezüglich der Ad-hoc-Mitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 3. März 2008 betraf die Musterbeklagten zu 1 und zu 2 unmittelbar i.S.d. § 37b Abs. 1, § 37c Abs. 1 WpHG.

III.3. Es wird festgestellt, dass die Ad-hoc-Mitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 3. März 2008 wegen Verschweigens folgender Umstände fehlerhaft ist:

- Die Absicht der Musterbeklagten zu 1, 75 % der VW-Stammaktien zu erwerben (Beherrschungsabsicht);

- Die Entwicklung und Umsetzung von Optionsstrategien zum Erwerb von 75 % der VW-Stammaktien (Zugriffsstrategie);

- Die Entwicklung und Umsetzung einer Desinformationskampagne, um die Beherrschungsabsicht und die Zugriffsstrategie zu verheimlichen, zu leugnen und/oder irreführend darzustellen (Irreführungsstrategie);

- Der am 3. März 2008 gefasste Beschluss des Vorstands der Musterbeklagten zu 1, über 50 % der VW-Stammaktien zu erwerben.

III.4. Die Musterbeklagten zu 1 und 2 kannten die Unrichtigkeit der Insiderinformation bezüglich der Ad-hoc-Mitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 3. März 2008; hilfsweise: die Unkenntnis der Musterbeklagten zu 1 und 2 bezüglich der Unrichtigkeit dieser Ad-hoc-Mitteilung beruhte auf grober Fahrlässigkeit.

III.5. Die Musterbeklagte zu 1 war gemäß § 15 Abs. 2 S. 2 WpHG zur unverzüglichen Berichtigung der Ad-hoc-Mitteilung vom 3. März 2008 verpflichtet.

III.5.a. Diese Veröffentlichungspflicht bezüglich der Ad-hoc-Mitteilung vom 3. März 2008 oblag der Musterbeklagten zu 1 zumindest im Zeitraum vom 3. März 2008 bis 26. Oktober 2008; in diesem Zeitraum entstand diese Veröffentlichungspflicht täglich als jeweils eigenständige Pflicht aufs Neue.

III.5.b. Diese Berichtigung bezüglich der Ad-hoc-Mitteilung vom 3. März 2008 hat die Musterbeklagte zu 1 unterlassen.

III.5.c. Diese Unterlassung bezüglich der Ad-hoc-Mitteilung vom 3. März 2008 beruhte auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.

III.6. Indem die Musterbeklagte zu 1 die unverzügliche Berichtigung der Ad-hoc-Mitteilung vom 3. März 2008 unterlassen hat, hat sie sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB gehandelt.

III.7. Die Unterlassung der Musterbeklagten zu 1 war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter vorsätzlich i.S.d. § 826 BGB.

III.8. Die Veranlassung der Ad-hoc-Mitteilung vom 3. März 2008 durch die Musterbeklagte zu 1 war sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB.

III.9. Die Musterbeklagte zu 1 hat in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter durch diese Ad-hoc-Mitteilung vom 3. März 2008 vorsätzlich i.S.d. § 826 BGB gehandelt.

VIII.4.a. Die Musterbeklagte zu 2 war Mittäter oder Beteiligte i.S.d. § 830 BGB an den sittenwidrigen Handlungen der Musterbeklagten zu 1 bezüglich der Ad-hoc-Mitteilung vom 3. März 2008.

Komplex IV:

IV.1. Es wird festgestellt, dass die Pressemitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 10. März 2008 fehlerhaft ist

a) wegen Verschweigens folgender Umstände:

- Die Absicht der Musterbeklagten zu 1, 75 % der VW-Stammaktien zu erwerben (Beherrschungsabsicht);

- Die Entwicklung und Umsetzung von Optionsstrategien zum Erwerb von 75 % der VW-Stammaktien (Zugriffsstrategie);

- Die Entwicklung und Umsetzung einer Desinformationskampagne, um die Beherrschungsabsicht und die Zugriffsstrategie zu verheimlichen, zu leugnen und/oder irreführend darzustellen (Irreführungsstrategie);

- Der am 3. März 2008 gefasste Beschluss des Vorstands der Musterbeklagten zu 1, über 50 % der VW-Stammaktien zu erwerben;

b) wegen der Darstellung in der Pressemitteilung,

- dass die Wahrscheinlichkeit „äußerst gering“ sei, dass die Musterbeklagte zu 1 die für eine Aufstockung ihres Anteils an VW-Stammaktien „auf 75 Prozent“ erforderlichen Aktien „aus dem Streubesitz“ erlangen kann;

- dass der „Aufsichtsratsbeschluss [...] lediglich Mehrheitsbeteiligung“ betrifft;

- dass „Porsche [...] Spekulationen über die Aufstockung auf 75 Prozent bei VW“ als falsch zurückweist und die Spekulationen die „Realitäten in der Aktionärsstruktur“ übersähen.

IV.2. Die Musterbeklagten zu 1 und zu 2 kannten die Unrichtigkeit der Pressemitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 10. März 2008.

IV.5. Die Musterbeklagte zu 1 war am 10. März 2008 nach Herausgabe ihrer Pressemitteilung vom 10. März 2008 verpflichtet, deren unrichtige, unvollständige oder irreführende Aussagen per Ad-hoc-Mitteilung zu korrigieren, hilfsweise den von dieser Pressemitteilung am Kapitalmarkt erzeugten irreführenden Eindruck per Ad-hoc-Mitteilung zu korrigieren.

IV.6. Der Umstand,

dass die Pressemitteilung vom 10. März 2008 unrichtige, unvollständige oder irreführende Aussagen enthält,

hilfsweise,

dass mit dieser Pressemitteilung ein irreführender Eindruck am Kapitalmarkt erzeugt wird,

stellt eine Insiderinformation i.S.d. § 13 WpHG dar.

IV.7. Diese Insiderinformation bezüglich der Pressemitteilung vom 10. März 2008 betraf die Musterbeklagten zu 1 und zu 2 unmittelbar i.S.d. § 37b Abs. 1 WpHG.

IV.8. Die Musterbeklagte zu 1 hat es unterlassen, diese Insiderinformation bezüglich der Pressemitteilung vom 10. März 2008 unverzüglich i.S.d. § 15 Abs. 1 WpHG zu veröffentlichen.

IV.8.a Diese Veröffentlichungspflicht bezüglich der Pressemitteilung vom 10. März 2008 oblag der Musterbeklagten zu 1 zumindest im Zeitraum vom 10. März 2008 bis 26. Oktober 2008; in diesem Zeitraum entstand diese Veröffentlichungspflicht täglich als jeweils eigenständige Pflicht aufs Neue.

IV.9. Diese Unterlassung bezüglich der Pressemitteilung vom 10. März 2008 beruhte auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.

IV.10. Indem die Musterbeklagte zu 1 die unverzügliche Mitteilung bezüglich der Berichtigung der Pressemitteilung vom 10. März 2008 unterlassen hat, hat sie sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB gehandelt.

IV.11. Die Unterlassung der Musterbeklagten zu 1 bezüglich der Berichtigung der Pressemitteilung vom 10. März 2008 war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter auch vorsätzlich i.S.d. § 826 BGB.

IV.12. Die Veranlassung der Pressemitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 10. März 2008 durch die Musterbeklagte zu 1 war sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB.

IV.13. Die Veranlassung der Pressemitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 10. März 2008 durch die Musterbeklagte zu 1 war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter vorsätzlich i.S.d. § 826 BGB.

VIII.4.b. Die Musterbeklagte zu 2 war Mittäter oder Beteiligte i.S.d. § 830 BGB an den sittenwidrigen Handlungen der Musterbeklagten zu 1 bezüglich der Pressemitteilung vom 10. März 2008.

Komplex V:

V.3. Die Kenntnis der Aufsichtsräte der Musterbeklagten zu 2, Dr. W. W., H. H., Prof. Dr. h.c. F. P. und Dr. W. P., von dem Aufsichtsratsbeschluss vom 23. Juli 2008 ist der Musterbeklagten zu 2 seit dem 23. Juli 2008 zuzurechnen.

V.4. Die Musterbeklagte zu 2 hatte seit dem 23. Juli 2008 Kenntnis von dem Aufsichtsratsbeschluss vom 23. Juli 2008.

V.5. Der Aufsichtsratsbeschluss vom 23. Juli 2008 stellt eine Insiderinformation i.S.d. § 13 WpHG dar.

V.6. Diese Insiderinformation betraf die Musterbeklagten zu 1 und zu 2 unmittelbar i.S.d. § 37b Abs. 1 WpHG.

V.7.a. Diese Veröffentlichungspflicht betreffend den Aufsichtsratsbeschluss vom 23. Juli 2008 oblag den Musterbeklagten zu 1 und zu 2 zumindest im Zeitraum vom 23. Juli 2008 bis 26. Oktober 2008; in diesem Zeitraum entstand diese Veröffentlichungspflicht täglich als jeweils eigenständige Pflicht aufs Neue.

V.8. Diese Unterlassung der Musterbeklagten zu 1 und zu 2 betreffend den Aufsichtsratsbeschluss vom 23. Juli 2008 beruhte jeweils auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.

V.10. Indem die Musterbeklagten zu 1 und zu 2 die unverzügliche Mitteilung betreffend den Aufsichtsratsbeschluss vom 23. Juli 2008 unterlassen haben, haben sie sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB gehandelt.

V.11. Die Unterlassung der Musterbeklagten zu 1 und zu 2 von der unverzüglichen Mitteilung betreffend den Aufsichtsratsbeschluss vom 23. Juli 2008 war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter auch vorsätzlich i.S.d. § 826 BGB.

Komplex VI:

VI.1.a. Die Äußerung eines namentlich nicht genannten Pressesprechers der Musterbeklagten zu 1 vom 23. Juli 2008 war unrichtig, unvollständig oder irreführend.

VI.1.b. Die Äußerung des Finanzvorstandes der Musterbeklagten zu 1 H. H. in der FAZ vom 28. Juli 2008 war unrichtig, unvollständig oder irreführend.

VI.1.c. Es wird festgestellt, dass die Äußerung des Vorstandsmitglieds der Musterbeklagten zu 1 Dr. W. W., welche in der Pressemitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 16. September 2008 zitiert wird, fehlerhaft ist, weil

a) die Musterbeklagte zu 1 den Aufsichtsratsbeschluss vom 23. Juli 2008 verschweigt;

b) die Musterbeklagte zu 1 mit der Bezugnahme auf die Ad-hoc-Mitteilung vom 3. März 2008 suggeriert, dass sich die Beschlusslage gegenüber diesem Zeitpunkt nicht geändert habe.

VI.1.d. Die Äußerungen eines namentlich nicht benannten Sprechers der Musterbeklagten zu 1 sowie deren Finanzvorstands H. H., welche im Handelsblatt vom 18. September 2008 zitiert werden, waren unrichtig, unvollständig oder irreführend.

VI.1.e. Die Äußerung des Vorstandsmitglieds der Musterbeklagten zu 1 Dr. W. W. vom 5. Oktober 2008 in der FAS war unrichtig, unvollständig oder irreführend.

VI.2. Die Musterbeklagten zu 1 und zu 2 kannten die Unrichtigkeit der Äußerungen im Sinne der Ziff. 1 (fortan auch „Äußerungen“).

VI.5. Die Musterbeklagte zu 1 war nach der jeweiligen Äußerung vom 23. Juli 2008, 28. Juli 2008, 16. September 2008, 18. September 2008 und 5. Oktober 2008 verpflichtet,

deren unrichtige, unvollständige oder irreführende Aussagen per Ad-hoc-Mitteilung zu korrigieren,

hilfsweise,

den von diesen Äußerungen am Kapitalmarkt erzeugten irreführenden Eindruck per Ad-hoc-Mitteilung zu korrigieren.

VI.6. Der Umstand,

dass die Äußerungen vom 23. Juli 2008, 28. Juli 2008, 16. September 2008, 18. September 2008 und 5. Oktober 2008 unrichtige, unvollständige oder irreführende Aussagen enthalten,

hilfsweise,

dass mit diesen Äußerungen ein irreführender Eindruck am Kapitalmarkt erzeugt wird,

stellt eine Insiderinformation i.S.d. § 13 WpHG dar.

VI.7. Diese Insiderinformation bezüglich der Äußerungen vom 23. Juli 2008, 28. Juli 2008, 16. September 2008, 18. September 2008 und 5. Oktober 2008 betraf die Musterbeklagten zu 1 und zu 2 unmittelbar i.S.d. § 37b Abs. 1 WpHG.

VI.8.a. Diese Veröffentlichungspflicht bezüglich der Äußerungen vom 23. Juli 2008, 28. Juli 2008, 16. September 2008, 18. September 2008 und 5. Oktober 2008 oblag der Musterbeklagten zu 1 zumindest im Zeitraum vom 23. Juli 2008 bis 26. Oktober 2008; in diesem Zeitraum entstand diese Veröffentlichungspflicht täglich als jeweils eigenständige Pflicht aufs Neue.

VI.9. Diese Unterlassung bezüglich der Äußerungen vom 23. Juli 2008, 28. Juli 2008, 16. September 2008, 18. September 2008 und 5. Oktober 2008 beruhte auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.

VI.10. Indem die Musterbeklagte zu 1 die unverzügliche Ad-hoc-Mitteilung betreffend die Korrektur der unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Aussagen vom 23. Juli 2008, 28. Juli 2008, 16. September 2008, 18. September 2008 und 5. Oktober 2008 unterlassen hat, hat sie sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB gehandelt.

VI.11. Die Unterlassung der Musterbeklagten zu 1 einer unverzüglichen Ad-hoc-Mitteilung betreffend die Korrektur der unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Aussagen vom 23. Juli 2008, 28. Juli 2008, 16. September 2008, 18. September 2008 und 5. Oktober 2008 war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter auch vorsätzlich i.S.d. § 826 BGB.

VIII.4.c. Die Musterbeklagte zu 2 war Mittäter oder Beteiligte i.S.d. § 830 BGB an den sittenwidrigen Handlungen der Musterbeklagten zu 1 bezüglich der Äußerungen vom 23. Juli 2008, 28. Juli 2008, 16. September 2008, 18. September 2008 und 5. Oktober 2008.

VI.12. Die Verlautbarung dieser Äußerungen durch die Musterbeklagte zu 1 war sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB.

VI.13. Die Verlautbarung dieser Äußerungen durch die Musterbeklagte zu 1 war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter vorsätzlich i.S.d. § 826 BGB.

Komplex VII:

VII.1. Es wird festgestellt, dass die Pressemitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 26. Oktober 2008 fehlerhaft ist, weil

a) die von der Musterbeklagten zu 1 gehaltenen Put-Optionen verschwiegen werden;

b) die von der Porsche GmbH Salzburg gehaltenen VW-Stammaktien verschwiegen werden;

c) die Call-Optionen als „Kurssicherungspositionen“ bezeichnet werden;

d) die Pressemitteilung suggeriert,

- dass die Musterbeklagte zu 1 ohne weiteren Beschluss eines ihrer Organe den Erwerb von 75 % der VW-Stammaktien vollenden kann;

- dass der Vorstand der Musterbeklagten zu 1 am 26. Oktober erstmals die Absicht gefasst habe, 75 % der VW-Stammaktien zu erwerben;

e) die Musterbeklagte zu 1 eine Marktenge und somit den „Shortsellern“ einen Kaufzwang für VW-Stammaktien suggeriert, der tatsächlich nicht bestand, indem

- sie die von ihr gehaltenen VW-Stammaktien und Call-Optionen zusammenrechnete und „in der Summe [mit] eine[m] Betrag von 74,1 %“ angab;

- sie die „Shortseller“ zum „Auflösen“ ihrer „Positionen“ aufforderte;

- sie mit der Ankündigung der Zielsetzung eines Beherrschungsvertrages die endgültige Verknappung der VW-Stammaktie und somit die Notwendigkeit der Auflösung der Positionen hervorhob;

f) die Musterbeklagte zu 1 zu diesem Zeitpunkt bewusst eine rechtlich und wirtschaftlich nicht realistisch umsetzbare Zielsetzung (nämlich den Abschluss eines Beherrschungsvertrages) kommuniziert;

g) die von der Musterbeklagten zu 1 genannten Motive nicht die tatsächlichen Gründe für die Veröffentlichung der Pressemitteilung waren, nämlich

- die Behauptung, dass „dramatische Verwerfungen auf den Finanzmärkten“ und „deutlich mehr Shortseller im Markt als erwartet“ der Auslöser für die Veröffentlichung waren;

- die Erwartung, dass die „geplante Neuauflage des VW-Gesetzes“ „in überschaubarer Zukunft“ von der EU-Kommission als europarechtswidrig eingestuft werde;

- die Behauptung, dass „die Familien [sich vergangene Woche] eindeutig für eine Beherrschung des Volkswagen Konzerns durch Porsche ausgesprochen“ hätten.

Die Pressemitteilung zielte darauf ab, den Kapitalmarkt dahingehend zu manipulieren, dass

a) Leerverkäufer von VW-Stammaktien ihre Leerverkäufe nach Kenntniserlangung dieser Pressemitteilung eindeckten,

b) Personen, welche die in Komplex II zum Feststellungsziel VIII.1.a. Buchst. b) bis d) aufgeführten Transaktionen getätigt haben, nach Kenntniserlangung dieser Pressemitteilung Deckungsgeschäfte durchführten,

hilfsweise für den Fall, dass das Ziel der Kapitalmarktmanipulation nicht festgestellt wird,

und zielte darauf ab, einen weiteren Kursverfall zu verhindern und dadurch weitere Verluste aus den Optionsstrategien der Musterbeklagten zu 1 zu vermeiden.

VII.2. Die Musterbeklagten zu 1 und zu 2 kannten die Unrichtigkeit der Pressemitteilung und deren Ziel im Sinne der Ziff. 1.

VII.5. Die Musterbeklagte zu 1 war am 26. Oktober 2008 nach Herausgabe ihrer Pressemitteilung verpflichtet,

deren unrichtige, unvollständige oder irreführende Aussagen per Ad-hoc-Mitteilung zu korrigieren,

hilfsweise,

den von dieser Pressemitteilung am Kapitalmarkt erzeugten irreführenden Eindruck per Ad-hoc-Mitteilung zu korrigieren.

VII.6. Der Umstand,

dass die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 unrichtige, unvollständige oder irreführende Aussagen enthält,

hilfsweise,

dass mit dieser Pressemitteilung ein irreführender Eindruck am Kapitalmarkt erzeugt wird,

stellt eine Insiderinformation i.S.d. § 13 WpHG dar.

VII.7. Diese Insiderinformation im Hinblick auf die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 betraf die Musterbeklagten zu 1 und zu 2 unmittelbar i.S.d. § 37b Abs. 1 WpHG.

VII.8. Die Musterbeklagten zu 1 und zu 2 haben es unterlassen, diese Insiderinformation im Hinblick auf die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 unverzüglich i.S.d. § 15 Abs. 1 WpHG zu veröffentlichen.

VII.8.a. Ab dem 26. Oktober 2008 entstand diese Veröffentlichungspflicht betreffend die Insiderinformation im Hinblick auf die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 täglich als jeweils eigenständige Pflicht aufs Neue.

VII.9. Diese Unterlassung einer Veröffentlichung bezüglich des Umstands,

dass die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 unrichtige, unvollständige oder irreführende Aussagen enthält,

hilfsweise,

dass mit dieser Pressemitteilung ein irreführender Eindruck am Kapitalmarkt erzeugt wird,

beruhte auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.

VII.10. Indem die Musterbeklagten zu 1 und zu 2 die unverzügliche Mitteilung bezüglich des Umstands,

dass die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 unrichtige, unvollständige oder irreführende Aussagen enthält,

hilfsweise,

dass mit dieser Pressemitteilung ein irreführender Eindruck am Kapitalmarkt erzeugt wird,

unterlassen haben, haben sie sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB gehandelt.

VII.11. Die Unterlassung der Musterbeklagten zu 1 und zu 2 einer Veröffentlichung bezüglich des Umstands,

dass die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 unrichtige, unvollständige oder irreführende Aussagen enthält,

hilfsweise,

dass mit dieser Pressemitteilung ein irreführender Eindruck am Kapitalmarkt erzeugt wird,

war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter auch vorsätzlich i.S.d. § 826 BGB.

VII.12. Die Veranlassung der Pressemitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 26. Oktober 2008 durch die Musterbeklagte zu 1 war sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB.

VII.13. Die Veranlassung der Pressemitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 26. Oktober 2008 durch die Musterbeklagte zu 1 war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlagenentscheidungen Dritter vorsätzlich i.S.d. § 826 BGB.

Komplex VIII:

VIII.2. Eine Haftung der Musterbeklagten zu 1 aus § 826 BGB umfasst auch Schäden aus Transaktionen in VW-Stammaktien; Anspruchsberechtigte, welche solche Transaktionen getätigt haben, sind insoweit aktivlegitimiert.

VIII.3. Anspruchsberechtigt gemäß § 826 BGB sind Personen, die folgende Transaktionen getätigt haben:

a) Verkauf von VW-Stammaktien im Zeitraum vom 10. März 2008 bis 26. Oktober 2008, hilfsweise im Zeitraum vom 16. Juni 2008 bis 26. Oktober 2008;

b) Leerverkauf von VW-Stammaktien im Wege eines Kassageschäfts vor dem 26. Oktober 2008 und Durchführung eines Deckungsgeschäfts nach dem 26. Oktober 2008;

c) Leerverkauf von VW-Stammaktien im Wege eines unbedingten Termingeschäfts vor dem 26. Oktober 2008 und Durchführung eines Deckungsgeschäfts nach dem 26. Oktober 2008;

d) Verkauf von Call-Optionen auf VW-Stammaktien vor dem 26. Oktober 2008 und Durchführung eines Deckungsgeschäfts nach dem 26. Oktober 2008.

Komplex X:

X.1. Der Schadensersatzanspruch aus §§ 37b, 37c WpHG und aus § 826

BGB kann im Falle

a) von Leerverkäufen auch auf Ersatz des infolge der vorzeitigen Auflösung der Position entstandenen Schadens (Vertragsauflösungsschaden) gerichtet sein,

b) von in Komplex II zum Feststellungsziel VIII.1.a. Buchst. c) bis d) aufgeführten Transaktionen auch auf den Ersatz des Schadens gerichtet sein, der infolge der Durchführung eines Deckungsgeschäfts vor dem vertraglich vorgesehenen Verfallstag entstandenen ist (Vertragsauflösungsschaden).

X.2. Der im Rahmen des Schadensersatzanspruchs aus §§ 37b, 37c WpHG und aus § 826 BGB zu ersetzende Vertragsabschlussschaden berechnet sich

a) im Falle eines Leerverkaufs von VW-Stammaktien im Wege eines Kassageschäfts aus der Differenz zwischen den vom Verkäufer für das Deckungsgeschäft gemachten und dafür objektiv erforderlichen Aufwendungen und dem vom Vertragspartner des Leerverkaufs erhaltenen Kaufpreis;

b) im Falle eines Leerverkaufs von VW-Stammaktien im Wege eines unbedingten Termingeschäfts aus der Differenz zwischen den vom Verkäufer für das Deckungsgeschäft gemachten und dafür objektiv erforderlichen Aufwendungen und dem vom Vertragspartner des Leerverkaufs erhaltenen Kaufpreis;

c) im Falle eines Verkaufs von Call-Optionen auf VW-Stammaktien aus der Differenz zwischen den vom Verkäufer für das Deckungsgeschäft gemachten und dafür objektiv erforderlichen Aufwendungen und der vom Vertragspartner des Optionsgeschäfts erhaltenen Gegenleistung.

X.3. Der im Rahmen des Schadensersatzanspruchs aus §§ 37b, 37c WpHG und aus § 826 BGB zu ersetzende Vertragsauflösungsschaden berechnet sich

a) im Falle eines Leerverkaufs von VW-Stammaktien im Wege eines Kassageschäfts aus der Differenz zwischen den vom Verkäufer für das Deckungsgeschäft gemachten und dafür objektiv erforderlichen Aufwendungen und den Aufwendungen, die er ohne die Informationspflichtverletzung für das Deckungsgeschäft hätte machen müssen;

b) im Falle eines Leerverkaufs von VW-Stammaktien im Wege eines unbedingten Termingeschäfts aus der Differenz zwischen den vom Verkäufer für das Deckungsgeschäft gemachten und dafür objektiv erforderlichen Aufwendungen und den Aufwendungen, die er ohne die Informationspflichtverletzung am Verfallstag für das Deckungsgeschäft hätte machen müssen;

c) im Falle eines Verkaufs von Call-Optionen auf VW-Stammaktien aus der Differenz zwischen den vom Verkäufer für das Deckungsgeschäft gemachten und dafür objektiv erforderlichen Aufwendungen und den Aufwendungen, die er ohne die Informationspflichtverletzung am Verfallstag zur Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber dem Vertragspartner des Optionsgeschäfts hätte machen müssen.

X.4. Bei der Berechnung des Vertragsabschlussschadens und des Vertragsauflösungsschadens sind absichernde Gegengeschäfte nicht zu berücksichtigen,

hilfsweise nur insoweit zu berücksichtigen, als es sich um solche mit Bezug zu VW-Stammaktien handelte.

X.5. Für die Ersatzfähigkeit des Vertragsauflösungsschadens im Rahmen der §§ 37b, 37c WpHG und § 826 BGB muss

a) der Verkäufer im Falle eines Leerverkaufs von VW-Stammaktien im Wege eines Kassageschäfts nicht die Kausalität der Informationspflichtverletzung für die Durchführung des Deckungsgeschäfts darlegen und beweisen, sondern dass – wäre die haftungsauslösende Informationspflichtverletzung nicht begangen worden – der Kurs zum Zeitpunkt der Durchführung des Deckungsgeschäfts niedriger gewesen wäre als der vom Vertragspartner des Leerverkaufs erhaltene Kaufpreis;

b) der Verkäufer im Falle eines Leerverkaufs von VW-Stammaktien im Wege eines unbedingten Termingeschäfts nicht die Kausalität der Informationspflichtverletzung für die Durchführung des Deckungsgeschäfts vor dem vertraglich vorgesehenen Verfallstag darlegen und beweisen, sondern dass – wäre die haftungsauslösende Informationspflichtverletzung nicht begangen worden – der Kurs zum Zeitpunkt der Durchführung des Deckungsgeschäfts niedriger gewesen wäre als der vom Vertragspartner des Leerverkaufs erhaltene Kaufpreis;

c) der Verkäufer im Falle eines Verkaufs von Call-Optionen auf VW-Stammaktien nicht die Kausalität der Informationspflichtverletzung für die Durchführung des Deckungsgeschäfts vor dem vertraglich vorgesehenen Verfallstag darlegen und beweisen, sondern dass – wäre die haftungsauslösende Informationspflichtverletzung nicht begangen worden – der Kurs zum Zeitpunkt der Durchführung des Deckungsgeschäfts niedriger gewesen wäre als der Basispreis der Call-Option.

Komplex XI:

XI.1. Die VW-Stammaktie und auf diese bezogenen Optionen stellten einen eigenständigen sachlich und räumlich relevanten Markt i.S.d. § 19 Abs. 2 GWB dar in folgenden Zeiträumen:

a) vom 3. März 2008 bis 13. Januar 2009;

hilfsweise: vom 3. März 2008 bis 31. Oktober 2008.

hilfsweise

b) vom 16. Juni 2008 bis 13. Januar 2009;

hilfsweise: vom 16. Juni 2008 bis 31. Oktober 2008.

höchst hilfsweise

c) vom Zeitpunkt der Bekanntgabe der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 bis 13. Januar 2009;

hilfsweise: vom Zeitpunkt der Bekanntgabe der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 bis 31. Oktober 2008.

XI.2. Die Musterbeklagte zu 1 war hinsichtlich der VW-Stammaktie und der auf diese bezogenen Optionen marktbeherrschend i.S.d. § 19 Abs. 2 GWB in den in Ziff. 1 genannten Zeiträumen.

XI.3. In den in Ziff. 1 genannten Zeiträumen hat die Musterbeklagte zu 1 ihre marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt i.S.d. § 19 Abs. 1 GWB.

XI.4. Anspruchsberechtigt gemäß § 33 Abs. 1, 3 GWB sind Personen, die folgende Transaktionen getätigt haben:

a) Verkauf von VW-Stammaktien im Zeitraum vom 10. März 2008 bis 26. Oktober 2008, hilfsweise im Zeitraum vom 16. Juni 2008 bis 26. Oktober 2008;

b) Leerverkauf von VW-Stammaktien im Wege eines Kassageschäfts vor dem 26. Oktober 2008 und Durchführung eines Deckungsgeschäfts nach dem 26. Oktober 2008;

c) Leerverkauf von VW-Stammaktien im Wege eines unbedingten Termingeschäfts vor dem 26. Oktober 2008 und Durchführung eines Deckungsgeschäfts nach dem 26. Oktober 2008;

d) Verkauf von Call-Optionen auf VW-Stammaktien vor dem 26. Oktober 2008 und Durchführung eines Deckungsgeschäfts nach dem 26. Oktober 2008.

XI.5. Die Musterbeklagte zu 1 hat gegen § 19 Abs. 1 GWB verstoßen.

XI.6. Die Musterbeklagte zu 1 hat gegen Art. 82 EG-Vertrag (entspricht dem heutigen 102 AEUV) verstoßen.

XI.7. Die in Ziff. 5 und 6 genannten Verstöße der Musterbeklagten zu 1 erfolgten vorsätzlich oder fahrlässig i.S.d. § 33 Abs. 3 S. 1 GWB.

XI.8. Die Musterbeklagte zu 2 war Mittäter oder Beteiligte i.S.d. § 830 BGB an den Verstößen der Musterbeklagten zu 1 i.S.d. Ziff. 5. und 6.

Komplex XII:

XII.1. Unternehmen, welche

im Zeitraum vom 10. März 2008 bis 13. Januar 2009,

hilfsweise

im Zeitraum vom 10. März 2008 bis 31. Oktober 2008

VW-Stammaktien im Wege der in diesem Komplex zum Feststellungsziel XII.5. a) bis d) aufgeführten Transaktionen als Verkäufer anboten oder als Käufer nachfragten, standen mit der Musterbeklagten zu 1 in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis und waren daher Mitbewerber i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG im Verhältnis zur Musterbeklagten zu 1.

XII.2. Der Aufbau der Beteiligung der Musterbeklagten zu 1 an den VW-Stammaktien im Zeitraum vom 3. März 2008 bis 26. Oktober 2008 stellt eine Wettbewerbshandlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.

XII.3. Die in den Komplexen I. bis XI. genannte Ad-hoc-Mitteilung der Musterbeklagten zu 1 sowie ihre dort genannten Pressemitteilungen und sonstigen Äußerungen sind Wettbewerbshandlungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.

XII.4. Die in Ziff. 2 und 3 genannten Wettbewerbshandlungen der Musterbeklagten zu 1 waren unlauter i.S.d. § 3 UWG i.V.m. § 4 Nr. 1 UWG oder § 4 Nr. 10 UWG oder § 4 Nr. 11 UWG oder § 5 UWG.

XII.5. Die unlauteren Wettbewerbshandlungen der Musterbeklagten zu 1 i.S.d. Ziff. 4 waren zur Beeinträchtigung geeignet i.S.d. § 3 UWG hinsichtlich von Personen, die folgende Transaktionen getätigt haben:

a) Verkauf von VW-Stammaktien im Zeitraum vom 10. März 2008 bis 26. Oktober 2008;

b) Leerverkauf von VW-Stammaktien im Wege eines Kassageschäfts vor dem 26. Oktober 2008 und Durchführung eines Deckungsgeschäfts nach dem 26. Oktober 2008;

c) Leerverkauf von VW-Stammaktien im Wege eines unbedingten Termingeschäfts vor dem 26. Oktober 2008 und Durchführung eines Deckungsgeschäfts nach dem 26. Oktober 2008;

d) Verkauf von Call-Optionen auf VW-Stammaktien vor dem 26. Oktober 2008 und Durchführung eines Deckungsgeschäfts nach dem 26. Oktober 2008.

XII.6. Die unlauteren Wettbewerbshandlungen der Musterbeklagten zu 1 erfolgten vorsätzlich oder fahrlässig i.S.d. § 9 Satz 1 UWG.

XII.7. Die Musterbeklagte zu 2 war Mittäter oder Beteiligte i.S.d. § 830 BGB an den unlauteren Wettbewerbshandlungen der Musterbeklagten zu 1 i.S.d. Ziff. 2 bis 4.

Komplex XIII:

XIII.1. Zu Lasten der Musterbeklagten zu 1 und 2 liegen spätestens seit dem 26. Oktober 2008 die Voraussetzungen der §§ 849, 246 BGB vor.

XIII.2. Zu Lasten der Musterbeklagten zu 1 und 2 liegen spätestens seit dem 26. Oktober 2008 die Voraussetzungen der § 33 Abs. 3 Sätze 4 und 5 GWB, § 288 Abs. 2 BGB vor, falls es sich bei den Anspruchsberechtigten um keinen Verbraucher handelt.

Die Musterbeklagte zu 1 bestreitet, sich vor dem 26. Oktober 2008 auf einen Beteiligungsaufbau in der Größenordnung von 75 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 und auf den Abschluss eines Beherrschungsvertrages festgelegt zu haben.

Vor dem 26. Oktober 2008 habe es keine entsprechende Entscheidung des Vorstands gegeben, sondern lediglich Prüfungen und Diskussionen über die Reichweite des Beteiligungsaufbaus. Der Gesellschafterausschluss habe in seiner Sitzung am 11. Februar 2008 die Voraussetzungen und Folgen sowohl der Variante einer Aufstockung auf knapp über 50 % als auch einer Aufstockung auf 75 % der Stammaktien bei Abschluss eines Beherrschungsvertrags diskutiert.

Sie hebt hervor, dass Liquiditätsabflüssen in der Woche nach dem 17. Oktober 2008 Zuflüsse aus der vorangegangenen Zeit gegenüberstanden. Insbesondere bei den auf Stammaktien bezogenen Optionsstrategien sei im Saldo ein leichtes Liquiditätsplus verblieben. Bei den auf Vorzugsaktien bezogenen Optionsstrategien sei in der Woche nach dem 26. Oktober 2008 ein Liquiditätszufluss aufgrund freiwerdender Nachschusssicherheiten zu erwarten gewesen. Die Gesamtliquidität habe im Konzern der Musterbeklagten zu 1 am 26. Oktober 2008 rund 7,5 Mrd. € betragen, wovon rund 4,5 Mrd. € in Sicherheiten für die M. Bank gebunden gewesen seien. Freie Liquidität habe in Höhe von jedenfalls mehr als 2 Mrd. € zur Verfügung gestanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Musterklägerin vom 31. August 2022, der Musterbeklagten zu 1 vom 18. Juli 2022, der Musterbeklagten zu 2 vom 9. August 2022 und der E.-Beigeladenen vom 19. September 2022 geben dem Senat nach pflichtgemäßem Ermessen keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

Aus den Gründen

    C. Rechtliche Erwägungen

I. Statthaftigkeit des Vorlagebeschlusses

Der Vorlagebeschluss ist statthaft.

1. Bedenken gegen die Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses nach § 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG bestehen nicht.

a) Die in § 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG angeordnete Bindungswirkung greift nicht ein, wenn der geltend gemachte Anspruch schon nicht Gegenstand eines Musterverfahrens sein kann, also nicht unter § 1 Abs. 1 KapMuG fällt (BGH, Beschluss vom 4. Mai 2017 - III ZB 61/16, juris Rn. 10). Das ist hier aber nicht der Fall.

Der Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes ist u.a. dann eröffnet, wenn – wie vorliegend – in Rechtsstreitigkeiten Schadensersatzansprüche wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen geltend gemacht werden.

Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KapMuG sind öffentliche Kapitalmarktinformationen solche, die für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmt sind und Informationen über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten enthalten, die einen Emittenten von Wertpapieren oder Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen betreffen. Nicht entscheidend dabei ist, in welcher Form die Veröffentlichung erfolgt. Denn unter einer Kapitalmarktinformation ist nicht die Ad-hoc- oder Pressemitteilung als solche zu verstehen, sondern die darin enthaltene einzelne Information (Kruis in: Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl., § 1 Rn. 23). Kapitalmarktinformationen liegen daher immer dann vor, wenn eine Information über einen Umstand veröffentlicht wird, der (angeblich) in dem Emittenten oder der sonstigen Vermögensanlage seinen Grund hat (Kruis, a.a.O., § 1 Rn. 63). Dies gilt auch für Informationen, die durch eine Pressemitteilung (vgl. Kruis, a.a.O.) oder durch sonstige Äußerungen, etwa ein Fernseh- oder Zeitungsinterview, veröffentlicht werden; eine Schriftlichkeit ist nicht erforderlich (vgl. Kruis, a.a.O., § 1 Rn. 49; Toussaint in: BeckOK ZPO, 45. Ed., § 32b Rn. 3).

Gegenstand der Feststellungsziele sind hier die nach dem Vorbringen der Kläger der Ausgangsverfahren unrichtigen und unvollständigen Erklärungen der Musterbeklagten zu 1 in den im Jahr 2008 veröffentlichten Ad-hoc- und Pressemitteilungen zum Beteiligungsaufbau an der Musterbeklagten zu 2.

Das Musterverfahren ist nicht beschränkt auf die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens anspruchsbegründender oder anspruchsausschließender Voraussetzungen oder die Klärung von Rechtsfragen von sich aus dem Wertpapierhandelsgesetz oder ähnlichen Gesetzen ergebenden Schadensersatzansprüchen. Auch Feststellungen zu Schadensersatzansprüchen nach § 826 BGB, aus § 33 GWB oder § 9 UWG können im Musterverfahren getroffen werden. Die Anwendungsfälle von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 KapMuG stimmen darin überein, dass die Klage die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zum Gegenstand haben muss. Dabei kommt es aber nicht darauf an, ob Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, die auf bestimmten spezialgesetzlichen Regelungen beruhen; die vorgenannte Regelung umfasst alle Haftungstatbestände (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 2007 - X ARZ 381/06, juris Rn. 10 zu § 32b ZPO; Kruis, a.a.O., § 1 Rn. 70; Schultzky in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 32b Rn. 4).

b) Für die Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses kommt es auf die Aktivlegitimation der Kläger in den Ausgangsverfahren nicht an.

Das mit einem Musterverfahren befasste Oberlandesgericht ist befugt, das Vorliegen der allgemeinen Prozessvoraussetzungen zu prüfen (BGH, Beschluss vom 4. Mai 2017, a.a.O., juris Rn. 13; Beschluss vom 9. März 2017 - III ZB 135/15, juris Rn. 13; Vollkommer in: KK-KapMuG, 2. Aufl., § 11 Rn. 18). Der Gesetzgeber hat mit der Vorgabe der Bindungswirkung zwar das Risiko in Kauf genommen, dass rechtsfehlerhaft eingeleitete oder unzweckmäßige Musterverfahren durchgeführt werden. Er zwingt den Oberlandesgerichten die Durchführung jedoch dann nicht auf, wenn notwendige allgemeine Verfahrensvoraussetzungen fehlen. Hierzu gehört das Rechtsschutzbedürfnis, dessen Fehlen einen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigenden Mangel darstellt und zur Unzulässigkeit des verfahrenseinleitenden Antrags führt. Allerdings fehlt das Rechtsschutzbedürfnis nur in Ausnahmefällen (BGH, Beschluss vom 4. Mai 2017, a.a.O., juris Rn. 13 f.; Beschluss vom 9. März 2017, a.a.O., juris Rn. 13 f.).

Der Einwand der Musterbeklagten zu 2, dass die Musterklägerin als Klägerin des einzigen gegen sie gerichteten Ausgangsverfahrens vor dem Landgericht Hannover (18 O 89/15) nicht aktivlegitimiert sei, da der Musterklägerin die aus abgetretenem Recht geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen der Nichtigkeit der Abtretungen nicht zustünden, und damit bereits das Rechtsschutzbedürfnis im Ausgangsverfahren fehle, greift nicht durch. Aus § 13 Abs. 1, 2 und 4 KapMuG geht hervor, dass (selbst) der Wegfall des Musterklägers oder eine von ihm erklärte Rücknahme das Musterverfahren als solches unberührt lassen (BGH, Beschluss vom 4. Mai 2017, a.a.O., juris Rn. 16). Damit ist es dem mit dem Musterverfahren befassten Oberlandesgericht im Allgemeinen nicht gestattet, eigenständig zu prüfen und zu entscheiden, ob der Musterverfahrensantrag unzulässig ist, weil der zu Grunde liegende Rechtsstreit unabhängig von den geltend gemachten Feststellungszielen entscheidungsreif ist. Diesen Umstand hat gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG allein das (jeweilige) Prozessgericht zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 4. Mai 2017, a.a.O., juris Rn. 20). Der Aussetzungsbeschluss des Landgerichts Hannover vom 11. Mai 2016 in dem Ausgangsverfahren 18 O 89/15 besteht fort. Gegenteiliges hat die Musterbeklagte zu 2 nicht vorgetragen.

c) Unzulässig sind allerdings die Feststellungsziele VI.1.a., b., d. und e. und die weiteren Feststellungsziele in Komplex VI insoweit, als sie sich auf die vorgenannten unzulässigen Feststellungsziele beziehen. Diese sind ohne Sachentscheidung zurückzuweisen.

Soweit die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit einer Kapitalmarktinformation hinsichtlich mehrerer Aussagen festgestellt werden soll, handelt es sich bei jeder angeblich fehlerhaften oder unzureichenden Aussage um ein eigenständiges Feststellungsziel i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG, so dass jede einzelne beanstandete Aussage oder Auslassung in der Kapitalmarktinformation einen eigenständigen Streitgegenstand des Musterverfahrens bildet. Das Begehren im Musterverfahren kann nicht darauf gerichtet sein, nur generell zu klären, ob eine Kapitalmarktinformation fehlerhaft ist. Anspruchsbegründende Voraussetzungen i.S.d. § 2 Abs. 1 KapMuG sind die konkreten Umstände, die die Unrichtigkeit oder Auslassung der Kapitalmarktinformation im Einzelfall begründen sollen, mithin die konkreten Aussagen (BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, juris Rn. 33 f.) oder – im Falle des Verschweigens – die unterlassenen Aussagen.

Diesen Anforderungen wird die Formulierung in den vorgenannten Feststellungszielen nicht gerecht, in denen lediglich pauschal die Feststellung begehrt wird, dass Äußerungen der Vorstandsmitglieder der Musterbeklagten zu 1 oder ihrer Sprecher unrichtig, unvollständig oder irreführend waren. Ein auf die Feststellung einer fehlerhaften Kapitalmarktinformation gerichtetes Feststellungsziel ist nur dann hinreichend bestimmt formuliert, wenn es die beanstandete Aussage oder Auslassung der Kapitalmarktinformation selbst wiedergibt. Zwar ist für Inhalt und Reichweite des materiellen Klagebegehrens nicht allein der Wortlaut des Klageantrags maßgeblich; dieser ist vielmehr unter Berücksichtigung des zu seiner Begründung Vorgetragenen auszulegen, so dass dementsprechend auch der Umfang eines Feststellungsziels anhand des tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens auszulegen ist, das es ausfüllen soll (BGH, Beschluss vom 19. September 2017, a.a.O., juris Rn. 57). Es ist jedoch nicht Aufgabe des Oberlandesgerichts, sich aus dem Parteivorbringen die Umstände herauszusuchen, aufgrund derer eine Kapitalmarktinformation unrichtig, unvollständig oder irreführend ist, und dies in einer stattgebenden Entscheidung erstmals selbstständig auszuformulieren (BGH, Beschluss vom 19. September 2017, a.a.O., juris Rn. 65).

Soweit in weiteren Feststellungszielen eines Komplexes nachfolgend auf eine zuvor hinreichend bestimmt bezeichnete Unrichtigkeit einer Kapitalmarktinformation oder die unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Aussagen in der Kapitalmarktinformation Bezug genommen wird, steht dies der Bestimmtheit nicht entgegen. Bei diesen Formulierungen handelt es sich – so die Auslegung des Senats – um eine Bezugnahme auf die jeweils eingangs der einzelnen Komplexen aufgeführten konkreten Aussagen, die zur Fehlerhaftigkeit der Kapitalmarktinformationen führen sollen. Danach sind die weiteren Feststellungsziele in Komplex VI aber nur insoweit hinreichend bestimmt, als sie sich auf die Pressemitteilung vom 16. September 2008 (Feststellungsziel VI.1.c.) beziehen.

2. Das Musterverfahren ist auch insoweit statthaft, als es gegen die Musterbeklagte zu 2 gerichtet ist, obwohl diese allein in dem Ausgangsverfahren 18 O 89/15 vor dem Landgericht Hannover Beklagte ist und mithin das Quorum gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 KapMuG in ihrer Person nicht erfüllt ist.

Die Gleichgerichtetheit von Musterverfahrensanträgen beurteilt sich nämlich nicht nach der Identität der in Anspruch genommenen Schuldner, sondern nur aus dem Zusammenhang von Feststellungsziel und gleichem (haftungsbegründenden) Lebenssachverhalt. Stellt der weit zu verstehende Lebenssachverhalt gegenüber mehreren Schuldnern eine verbindende Einheit dar, sind alle darauf gestützten Musterverfahrensanträge gleichgerichtet, mögen sie sich auch gegen unterschiedliche Beklagte richten (Vollkommer, a.a.O., § 6 Rn. 28; Fullenkamp in: Vorwerk/Wolf, KapMuG, 1. Aufl., § 4 Rn. 22; i. Erg. auch Riedel in: Vorwerk/Wolf, KapMuG, 2. Aufl., § 4 Rn. 13). Eine solche Verbindung besteht hier, weil die Haftung der Musterbeklagten zu 2 auf ihrer von der Musterklägerin behaupteten Kenntnis der Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der von der Musterbeklagten zu 1 veröffentlichten Kapitalmarktinformationen beruhen soll.

II. Begründetheit der Feststellungsziele

Die hiernach zulässigen Feststellungsziele sind teilweise unbegründet, insbesondere soweit sie die vermeintliche Fehlerhaftigkeit von Kapitalmarktinformationen, entsprechende Kenntnisse der Musterbeklagten und die Sittenwidrigkeit dieser Vorgänge betreffen. Im Übrigen sind die Feststellungsziele gegenstandslos.

Für die Entscheidung über die einzelnen Feststellungsziele im Musterentscheid gelten folgende Grundsätze:

Das Oberlandesgericht hat im Kapitalanleger-Musterverfahren fortlaufend zu prüfen, ob für die einzelnen Feststellungsziele ein Sachentscheidungsinteresse fortbesteht. Das ist dann nicht der Fall, wenn auf Grundlage der bisherigen Ergebnisse durch die beantragte Feststellung keines der ausgesetzten Verfahren weiter gefördert werden kann (Vollkommer, a.a.O., § 11 Rn. 24 f.). An einer erschöpfenden Erledigung des Vorlagebeschlusses besteht in diesen Fällen kein berechtigtes Interesse, da das Musterverfahren nicht dazu dient, abstrakte Tatsachen- oder Rechtsfragen ohne Bezug zur Entscheidung in zumindest einem der ausgesetzten Ausgangsverfahren zu beantworten (BGH, Beschluss vom 19. September 2017, a.a.O., juris Rn. 49; Beschluss vom 22. November 2016 – XI ZB 9/13, juris Rn. 106; Vollkommer, a.a.O., Rn. 25). Ist die Entscheidungserheblichkeit einzelner Feststellungsziele aufgrund der vorausgegangenen Prüfung im Musterverfahren entfallen, ist der zugrundeliegende Vorlagebeschluss hinsichtlich dieser Feststellungsziele gegenstandslos geworden. Dies ist im Tenor und in den Gründen des Musterentscheids zum Ausdruck zu bringen (BGH, Beschluss vom 9. Januar 2018 – II ZB 14/16, juris Rn. 60; Beschluss vom 19. September 2017, a.a.O., juris Rn. 49; Beschluss vom 22. November 2016, a.a.O., juris Rn. 106; Beschluss vom 1. Juli 2014 – II ZB 29/12, juris Rn. 63).

Die hier von der Musterklägerin und den Beigeladenen formulierten Feststellungsziele, die im Zusammenhang mit etwaigen Ansprüchen aus § 826 BGB stehen, bezeichnen zum Teil nur einzelne, aus dem umfangreich vorgetragenen Sachverhalt herausgegriffene Umstände. Der Senat hat nicht nur diese Umstände in die Prüfung des § 826 BGB einbezogen, sondern darüber hinaus eine Gesamtbetrachtung des vorgetragenen Sachverhalts vorgenommen. Denn nur auf diese Weise ist eine Beurteilung möglich, ob auf der Grundlage der Ergebnisse des Musterverfahrens keines der ausgesetzten Verfahren weiter gefördert werden kann. Entgegen der von den sog. E.-Beigeladenen vertretenen Auffassung kann der Senat diese Gesamtwürdigung im vorliegenden Musterverfahren abschließend vornehmen. Einzelne Feststellungsziele zielen explizit auf die Beurteilung der Sittenwidrigkeit einzelner Kapitalmarktinformationen. Für die Annahme der Sittenwidrigkeit gem. § 826 BGB bedarf es immer einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblicher Umstände (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, juris Rn. 28). Es ist auch nicht vorgetragen, dass in einzelnen Ausgangsverfahren individuelle Umstände gegeben wären, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten. Der Senat hat die Parteien in der mündlichen Verhandlung auf diese Vorgehensweise hingewiesen.

1. Eine Haftung der Musterbeklagten zu 1 kommt ausgehend von den unstreitigen Tatsachen und den streitigen Behauptungen der Musterklägerin sowie der Beigeladenen bereits dem Grunde nach unter keinem Gesichtspunkt in Betracht. Der Vortrag ist unschlüssig.

a) Ersatzansprüche ergeben sich nicht aus § 37b bzw. § 37c WpHG i.V.m. § 15 WpHG (Normzitate betreffend das Wertpapierhandelsgesetz beziehen sich hier und im Folgenden auf die im Jahr 2008 geltende Fassung nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28. Oktober 2004 [BGBl. I Nr. 56, S. 2630 ff.], soweit nicht anders angegeben). Denn die Musterbeklagte zu 1 haftet aus §§ 37b, 37c WpHG für das Unterlassen der Veröffentlichung einer Insiderinformation bzw. für die Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen einem Dritten nur, wenn es um nachteilige Veräußerungs- oder Erwerbsgeschäfte des Dritten hinsichtlich von ihr emittierter Aktien oder darauf bezogener Finanzinstrumente geht und nicht – wie vorliegend – um Schadensersatz für Transaktionen der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 bzw. darauf bezogener Derivate, die die Musterbeklagte zu 1 nicht emittiert hatte. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, knüpft die Schadensersatzpflicht nur an nachteilige Veräußerungs- oder Erwerbsgeschäfte hinsichtlich der Aktien (Finanzinstrumente) des veröffentlichenden bzw. veröffentlichungspflichtigen Emittenten an (OLG Frankfurt, Urteil vom 18. April 2007 – 21 U 71/06, juris Rn. 71; OLG Braunschweig, Urteil vom 12. Januar 2016 – 7 U 59/14, juris Rn. 43 f.; Sethe in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl., §§ 37b, 37c Rn. 45 m.w.N.; Hellgardt in: Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., §§ 97, 98 Rn. 73).

Mangels planwidriger Regelungslücke ist eine analoge Anwendung von §§ 37b, 37c WpHG abzulehnen (vgl. zur analogen Anwendung auf andere Kapitalmarktinformationen als Ad-hoc-Mitteilungen: BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, juris Rn. 17). Eine Regelungslücke ist auch nicht betreffend Fälle anzunehmen, in denen ein Unternehmen mit dem Emittenten seit längerer Zeit personell und wirtschaftlich verbunden ist und an diesem eine maßgebliche Beteiligung hält. Der Vortrag der Musterklägerin, die Musterbeklagte zu 1 habe die Kontrolle über wesentliche operative Entscheidungen der Musterbeklagten zu 2, über sämtliche relevanten Informationen und über den Informationsfluss an den Kapitalmarkt ausüben können, rechtfertigt ebenfalls keine weitergehende Anwendung dieser Vorschriften. Eine Haftung der Musterbeklagten zu 1 aus einer Gesetzesanalogie zu §§ 37b, 37c WpHG auf Schäden in Bezug auf Transaktionen einer nicht von ihr emittierten Aktie kommt daher nicht in Betracht (so auch OLG Braunschweig, Urteil 12. Januar 2016 – 7 U 59/14, juris Rn. 42; OLG Stuttgart, Urteil vom 26. März 2015 – 2 U 102/14, juris Rn. 166).

b) Ersatzansprüche folgen nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a WpHG. Die Vorschrift des § 15a WpHG ist nach überwiegender Auffassung, der sich der Senat anschließt, kein Schutzgesetz, weil ihr keine individualschützende Wirkung zukommt (vgl. näher Pfüller in: Fuchs, WpHG, 2. Aufl., § 15a Rn. 200 f.; Zimmer/Osterloh in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., § 15a WpHG, Rn. 110, jew. m.w.N.; zu Art. 19 MAR jetzt Kumpan/Schmidt in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., Art. 19 VO (EU) 596/2014, Rn. 287; vgl. auch § 26 Abs. 2, 3 WpHG i.d. ab dem 1.8.2022 geltenden Fassung).

Entsprechendes gilt für § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15 WpHG (vgl. Pfüller, a.a.O., § 15 Rn. 539).

Auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 20a Abs. 1 WpHG folgen schon deshalb keine Ersatzansprüche, weil es sich bei § 20a Abs. 1 WpHG ebenfalls nicht um ein Schutzgesetz handelt (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, juris Rn. 19 ff.; Fleischer in: Fuchs, WpHG, 2. Aufl., § 20a Rn. 154, m.w.N.).

c) Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG kommt nicht in Betracht. Die in der Pressemitteilung veröffentlichten Informationen waren nicht in „Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand" i.S.d. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG enthalten. Unter ersteren versteht man alle Berichte, die den Vermögensstand des Unternehmens so umfassend wiedergeben, dass sie ein Gesamtbild über die wirtschaftliche Lage der Aktiengesellschaft ermöglichen und den Eindruck der Vollständigkeit erwecken; letztere sind Zusammenstellungen von Zahlenmaterialien, insbesondere alle Arten von Bilanzen, die einen Gesamtüberblick über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ermöglichen (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011, a.a.O., juris Rn. 18). Bei den streitbefangenen Mitteilungen der Musterbeklagten zu 1 ist weder das eine noch das andere der Fall.

d) Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 31 BGB scheiden schon mangels Stoffgleichheit des erstrebten Vermögensvorteils und des verursachten Vermögensschadens aus (vgl. näher BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 218/03, juris Rn. 31 f.; LG Stuttgart, Urteil vom 17. März 2014 – 28 O 183/13, juris Rn. 138 f.; OLG Stuttgart, Urteil vom 26. März 2015, a.a.O., juris Rn. 165). Vermögensverschiebungen fanden hier jedenfalls nicht unmittelbar zwischen der Musterklägerin bzw. den Beigeladenen und der Musterbeklagten zu 1 statt.

e) Eine Ersatzpflicht der Musterbeklagten zu 1 folgt – zunächst im Hinblick auf deren Handeln vor dem 26. Oktober 2008 – auch nicht aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB.

Zwar scheidet ein Anspruch aus § 826 BGB gegen die Musterbeklagte zu 1 auf Ersatz von Schäden, die die Ausgangskläger aufgrund ihrer Transaktionen von Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 erlitten haben, nicht bereits deshalb aus, weil nach §§ 37b, 37c WpHG nur der Anleger geschützt ist, der Finanzinstrumente des nach § 15 WpHG verpflichteten Emittenten gekauft oder verkauft hat. Die gesetzgeberische Wertung, dass die Haftung aus §§ 37b, 37c WpHG an die Veröffentlichungspflichten des Emittenten eben derjenigen Papiere anknüpft, die der Geschädigte im Vertrauen auf die Richtigkeit oder das Fehlen einer Insiderinformation erworben oder veräußert hat, beschränkt nur etwaige Ansprüche aus diesen Vorschriften. Sie begrenzt nicht den weiter gefassten Anwendungsbereich des § 826 BGB, der eine Generalklausel des allgemeinen deliktsrechtlichen Vermögensschutzes darstellt (Wagner in: MüKoBGB, 8. Aufl., § 826 Rn. 4). Dies folgt auch aus dem Wortlaut der § 37b Abs. 5, § 37c Abs. 5 WpHG sowie des § 15 Abs. 6 Satz 2 WpHG, der insoweit jeweils keine Einschränkungen enthält (vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Mai 2005 – II ZR 287/02, juris Rn. 15).

Die Kapitalmarktinformationen der Musterbeklagten zu 1 betreffend ihre Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 im Zeitraum vom 3. März bis vor dem 26. Oktober 2008, die Gegenstand der Feststellungsziele sind, waren aber nicht sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB.

aa) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Die Verletzung einer Ad-hoc-Mitteilungspflicht oder ein Verstoß gegen § 20a WpHG würde also nicht genügen. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15, juris Rn. 16).

Nach den von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätzen der Kapitalmarktinformationshaftung kann diese besondere Verwerflichkeit bei einer direkt vorsätzlichen unlauteren Beeinflussung des Sekundärmarktpublikums durch eine grob unrichtige Ad-hoc-Mitteilung indiziert sein (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, juris Rn. 28; Urteil vom 4. Juni 2007 – II ZR 147/05, juris Rn. 10; Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02, juris Rn. 49). Gleiches kann für die Verbreitung sonstiger grob falscher Informationen, die zu einer Anlageentscheidung führen, gelten (OLG Braunschweig, Urteil vom 12. Januar 2016 – 7 U 59/14, juris Rn. 54, 58 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 26. März 2015 – 2 U 102/14, juris Rn. 181; Oechsler in: Staudinger [Stand: 2021] § 826 Rn. 531), wobei diskutiert wird, ob in diesen Fällen strengere Anforderungen an eine Haftung zu stellen sind (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 181 f.; vgl. auch OLG Braunschweig, a.a.O., Rn. 59; Oechsler, a.a.O., Rn. 532). Einer Vielzahl grob unrichtiger Mitteilungen wird im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung ein größeres Gewicht als nur einer einzelnen grob unrichtigen Mitteilung zukommen, wenngleich eine Haftung nicht notwendig auf Fälle beschränkt ist, in denen eine Vielzahl grob unrichtiger Mitteilungen veröffentlicht wurden (anders aber: OLG Braunschweig a.a.O., Rn. 61). Auch die vorsätzliche Veröffentlichung nur einer einzelnen bewusst unwahren Kapitalmarktinformation kann unter Umständen als sittenwidrig anzusehen sein (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02, juris Rn. 48 ff.). Stets bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblicher Umstände (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011, a.a.O.).

Maßstab für die Bestimmung der Unrichtigkeit ist der Horizont eines verständigen Anlegers, der am Handel mit entsprechenden Finanzinstrumenten beteiligt ist, zum Zeitpunkt der Publikation der Meldung (OLG Braunschweig, a.a.O., Rn. 50 f. m.w.N.; vgl. zur Haftung nach §§ 37b, 37 c WpHG: Sethe in: Assmann/Schneider, 6. Aufl., §§ 37b, 37c, Rn. 68; Assmann in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl., Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rn. 78 ff. m.w.N.).

Die Unrichtigkeit einer Mitteilung kann sich auch daraus ergeben, dass sie in irreführender Weise unvollständig ist, also nicht alle Angaben enthält, die es dem Publikum ermöglichen, sich ein zutreffendes Bild von der veröffentlichten Information zu verschaffen. Irreführend sind Angaben, die zwar inhaltlich richtig sind, jedoch durch ihre Darstellung beim Empfänger der Information eine falsche Vorstellung über den geschilderten Sachverhalt nahelegen (vgl. Vogel in: Assmann/Schneider, 6. Aufl., § 20a Rn. 62; Mülbert in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl., Art. 12 VO Nr. 596/2014, Rn. 63), wenn also die Unwahrheit zwar nicht ausdrücklich zum Ausdruck kommt, aber nach der Verkehrsanschauung durch sonstiges Verhalten schlüssig miterklärt wird (vgl. Emittentenleitfaden der BaFin, Stand 15. Juli 2005, VI.3.2.1.4.). Maßgeblich ist dabei der Gesamteindruck der Mitteilung.

Die Bewertung des infrage stehenden Verhaltens der Musterbeklagten zu 1 anhand dieses Maßstabes kann der Senat aufgrund eigener Sachkunde vornehmen. Das insoweit notwendige kapitalmarkttechnische Wissen und die Sichtweise des Kapitalmarktes sind ihm durch umfangreichen Vortrag der Musterklägerin – insbesondere auch durch von ihr in Bezug genommene Ausführungen u.a. des Privatsachverständigen P. – und der Beigeladenen, durch Vortrag der Musterbeklagten, soweit dieser unstreitig ist, sowie durch diverse vorgelegte Analysen und Reaktionen des Finanzmarkts in ausreichender Weise vermittelt.

bb) Die Musterklägerin und die Beigeladenen machen geltend, dass die Musterbeklagte zu 1 sittenwidrig gehandelt habe, weil die infrage stehenden Kapitalmarktinformationen (vor dem 26. Oktober 2008) insbesondere die von der Musterklägerin so bezeichnete „konkrete Beherrschungsabsicht“ der Musterbeklagten zu 1 in grob unrichtiger Weise dementiert oder verschleiert hätten.

Dieser Vortrag greift nicht durch. Das Veranlassen der Mitteilungen stellt sich weder ihrem Inhalt nach noch bei der im Rahmen des § 826 BGB gebotenen Gesamtbetrachtung der weiteren Umstände als sittenwidrig dar.

(1) Diese Kapitalmarktinformationen suggerierten entgegen der Auffassung der Musterklägerin und der Beigeladenen nicht, dass nur eine Beteiligungsaufstockung auf knapp über 50 % – und nicht auf 75 % oder 80 % – geplant gewesen sei; jedenfalls waren sie insoweit nicht grob unrichtig. Auch unter anderen Gesichtspunkten waren sie nicht irreführend oder (grob) unrichtig.

Die Musterbeklagte zu 1 hat mit den infrage stehenden Kapitalmarktinformationen nicht irreführend oder verschleiernd über die Zielsetzung einer Aufstockung der Beteiligung auf 75 % oder 80 % und eines Beherrschungsvertrags informiert. Die Mitteilungen enthielten insoweit jedenfalls keine grobe Falschdarstellung, selbst wenn eine „konkrete Beherrschungsabsicht“ des Vorstands der Musterbeklagten zu 1 bestanden haben sollte, wie sie die Musterklägerin und die Beigeladenen vortragen. Nach diesem Vortrag sollen die Vorstandsmitglieder zielgerichtet eine solche Aufstockung der Beteiligung und den Abschluss eines Beherrschungsvertrages angestrebt haben. Dabei seien sie durch Festlegungen des sog. Gesellschafterausschusses gebunden gewesen und sie hätten mit dem Abschluss von Optionsstrategien bereits konkrete Maßnahmen zur Verwirklichung dieses Ziels eingeleitet.

Verständigen Kapitalmarktteilnehmern war schon aus vorangegangenen Mitteilungen (vgl. zur Gesamtschau unter Rn. 169 ff., zu entsprechenden Presseberichten und Analysen Rn. 185 ff.) bekannt, dass die Musterbeklagte zu 1 bereits vor März 2008 Pläne für eine Beteiligungsaufstockung verfolgt hatte, die über die jeweils konkret kommunizierten Beteiligungsziele hinausgingen und die durch Aktienoptionen abgesichert waren. Verschiedene weitere Umstände bestärkten diesen Eindruck, insbesondere Bemühungen der Musterbeklagten zu 1, eine Änderung des VW-Gesetzes hinsichtlich der Sperrminorität des Landes Niedersachsen herbeizuführen (näher: Rn. 195, 198 ff.). Für verständige Kapitalmarktteilnehmer bestand daher Grund für die Annahme, die Musterbeklagte zu 1 strebe möglicherweise eine Beteiligung von 75 % bzw. 80 % und einen Beherrschungsvertrag an. Die Mitteilungen wurden jedenfalls von einem erheblichen Teil der Fachpresse auch so verstanden, dass es das Ziel der Musterbeklagten zu 1 sei oder zumindest sein könne, die Beteiligung auf 75 % aufzubauen und einen Beherrschungsvertrag abzuschließen (näher u.a. Rn. 135, 141, 156, 161, 166, 193, 197).

Zu den in Rede stehenden Mitteilungen im Einzelnen:

(a) Die Musterbeklagte zu 1 hat mit den Veröffentlichungen der Ad-hoc-Mitteilung (Anlage MK 9) und der Pressemitteilung (Anlage MBPor 70) vom 3. März 2008 nicht verwerflich und damit nicht sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB gehandelt.

Nachdem der Vorstand und der Aufsichtsrat der Musterbeklagten zu 1 zuletzt am 24. März 2007 eine Aufstockung der Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 auf knapp über 30 % beschlossen hatten, beschlossen sie am 3. März 2008, dass die Beteiligung „auch auf über 50 %“ erhöht werden dürfe. Anders als in früheren Beschlüssen war eine Begrenzung nach oben nicht bestimmt.

Die Ad-hoc-Mitteilung vom selben Tag hatte folgenden Inhalt:

„Porsche Automobil Holding SE: Aufsichtsrat gibt grünes Licht für Mehrheitsbeteiligung an VW

Porsche Automobil Holding SE / Firmenübernahme

 (...)

Der Aufsichtsrat der Porsche Automobil Holding SE, Stuttgart, hat grünes Licht für die Erhöhung der Beteiligung an der Volkswagen AG auf über 50 Prozent gegeben. Das Kontrollgremium ermächtigte den Vorstand am Montag in einer außerordentlichen Sitzung, weltweit alle dafür notwendigen aufsichts- und kartellrechtlichen Schritte einzuleiten. Die Prüfungen der Aufsichtsbehörden werden voraussichtlich einige Monate dauern. Sobald die erforderlichen Freigaben vorliegen, kann die Porsche SE die Aktienmehrheit an Volkswagen erwerben. Dr. W. W., Vorstandsvorsitzender der Porsche SE: ‚Unser Ziel ist die Schaffung einer der innovativsten und leistungsstärksten Automobil-Allianzen der Welt, die dem verschärften internationalen Wettbewerb gerecht wird.' Eine Fusion der beiden Unternehmen ist nicht geplant.“

Mit der Pressemitteilung teilte die Musterbeklagte zu 1 über den Text der Ad-hoc-Mitteilung hinaus, deren letzter Satz dort allerdings nicht aufgenommen war, Folgendes mit:

„Sobald der Mehrheitserwerb erfolgt ist, wird die Volkswagen AG – neben der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG – ein weiterer Teilkonzern der Porsche Automobil Holding SE. Damit werden Arbeitnehmervertreter aus dem Volkswagen-Konzern in den Aufsichtsrat der Porsche Automobil Holding SE einziehen. Gemeinsam mit den Vertretern der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG werden sie die Arbeitnehmerseite im zwölfköpfigen Kontrollgremium der Holding bilden.

 (...)

Der Erwerb weiterer 20 Prozent an VW entspricht beim derzeitigen Börsenkurs von rund 150 Euro je Stammaktie einem Investment von knapp zehn Milliarden Euro.“

Die Musterklägerin macht geltend, dass diese Mitteilungen fehlerhaft seien, weil die Musterbeklagte zu 1 damit über den am 3. März 2008 gefassten Beschluss des Vorstands der Musterbeklagten zu 1, über 50 % – nach anderem Vortrag auch: über 75 % (z.B. Musterklagebegründung Rn. 696, 964) – der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 zu erwerben, sowie über ihre Absicht getäuscht habe, 75 % dieser Stammaktien zu erwerben (Beherrschungsabsicht). Weiter habe sie über die von ihr entwickelten und umgesetzten Optionsstrategien zum Erwerb von 75 % der Stammaktien (Zugriffsstrategie) in die Irre geführt, um die Beherrschungsabsicht und die Zugriffsstrategie zu verheimlichen, zu leugnen und/oder irreführend darzustellen (Irreführungsstrategie) (Feststellungsziel III.3. in der Fassung des 2. Erweiterungsbeschlusses). Dies ist nicht der Fall. Die Mitteilungen informieren weitgehend zutreffend, jedenfalls aber nicht grob unrichtig oder irreführend über die gefassten Beschlüsse und Absichten.

(aa) Die Ad-hoc-Mitteilung und die Pressemitteilung vom 3. März 2008 waren nicht deshalb unrichtig oder irreführend, weil sie suggeriert hätten, dass eine Beteiligungsaufstockung auf lediglich knapp über 50 % geplant gewesen sei, selbst wenn die Vorstände der Musterbeklagten zu 1, wie von der Musterklägerin behauptet, damals bereits eine „konkrete Beherrschungsabsicht“ über die Musterbeklagte zu 2 gehabt hätten.

Die Ad-hoc-Mitteilung und die Pressemitteilung waren offen dahingehend formuliert, dass der Aufsichtsrat der Musterbeklagten zu 1 grünes Licht für die Erhöhung der Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 auf über 50 % gegeben habe. Unabhängig davon, dass die Musterbeklagte zu 1 lediglich eine Entscheidung ihres Aufsichtsrats mitteilte, war die Formulierung „auf über 50 Prozent“ nicht auf eine konkrete Beteiligungshöhe beschränkt. Dies war gerade für den verständigen Kapitalmarktteilnehmer – sowohl bei isolierter Betrachtung dieser Mitteilungen als auch im Vergleich dieser Mitteilungen zu früheren Informationen über Beteiligungserhöhungen – ersichtlich. Diese Sprachregelung wurde auch tatsächlich in diesem Sinne verstanden, so beispielsweise in dem sog. Bernstein-Report vom 17. Oktober 2008 (Anlage MK 47, S. 5), der diese Formulierung als recht offen formulierte Erklärung („rather open-ended statement“) herausstellte.

Es kann deshalb offenbleiben, ob sich die beschlossene Ermächtigung tatsächlich entsprechend dem Vortrag der Musterbeklagten zu 1 nur auf eine Beteiligungserhöhung auf knapp über 50 % oder entsprechend dem Vortrag der Musterklägerin auf eine Beteiligungserhöhung auf bis zu 74,9 % oder sogar mehr bezog. Die Mitteilungen schlossen ein weitergehendes Verständnis nicht aus, dass ein Beteiligungsaufbau von 75 % oder mehr möglich sei und auch durch den Aufsichtsrat in Zukunft beschlossen werden könne.

Die Mitteilungen schlossen auch nicht aus, dass Verantwortliche der Musterbeklagten zu 1 bereits einen weitergehenden Anteilsaufbau in den Blick genommen und Vorbereitungen hierfür getroffen hatten. Auch angesichts der Kommunikation früherer Beteiligungserhöhungen (dazu näher Rn. 179) und des Umstand, dass die Musterbeklagte zu 1 diese Erhöhungen erkennbar jeweils bereits vorab durch Aktienoptionen abgesichert hatte (dazu näher Rn. 182, 185 ff.), war für den verständigen Kapitalmarktteilnehmer auch zum vorliegenden Zeitpunkt naheliegend, dass ein weitergehender Beteiligungsaufbau durch Aktienoptionen abgesichert war oder zukünftig abgesichert werden sollte.

Nichts Anderes ergibt sich aus dem letzten Absatz der Pressemitteilung, in dem die Kosten eines Erwerbs von 20 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 vorgerechnet wurden. Zum einen ließ auch dies schon der Formulierung nach die Möglichkeit einer zukünftigen weiteren Beteiligungsaufstockung offen. Die lediglich auf eine 20%ige Aufstockung bezogene Berechnung war auch bei einer angenommenen Absicht einer weitergehenden Beteiligungsaufstockung nicht sinnlos, weil eine Aufstockung der physischen Beteiligung auf über 50 % hinaus ohnehin noch weiter in der Zukunft lag. Tatsächlich hielt die Musterbeklagte zu 1 noch im September 2008 Anteile an der Musterbeklagten zu 2 in Höhe von lediglich knapp über 35 %. Eine Aufstockung auf 42,6 % erfolgte erst im Oktober. Die Möglichkeit einer Aufstockung auf über 75 % war auch nach dem Vortrag der Musterklägerin und der Beigeladenen ursprünglich erst im 1. Halbjahr 2009 vorgesehen, auch wenn zwischenzeitlich ein früherer Erwerb jedenfalls diskutiert worden sei („Projekt Blitz“). Schon da die Aktienkursentwicklung derart langfristig nicht vorhersehbar ist, wäre eine weitergehende Berechnung in der Pressemitteilung objektiv unsinnig gewesen.

Auch aus dem Umstand, dass aktienrechtlich eine Beteiligung von knapp über 50 % eine andere Relevanz als eine Beteiligung von über 75 % hat, lässt sich aus den Mitteilungen nicht schlussfolgern, dass Letztere ausgeschlossen sein sollte.

Die Ad-hoc-Mitteilung (Anlage MK 9) war auch nicht deshalb grob unrichtig oder irreführend, weil sie mit der Aussage schloss, eine Fusion sei nicht geplant. Der Begriff der Fusion ist nicht abschließend definiert. Im engeren gesellschaftsrechtlichen Sinn wird er regelmäßig für die Verschmelzung zweier Unternehmen verwandt (vgl. etwa Hölters, Handbuch Unternehmenskauf, 9. Aufl., Rn. 7.263), die hier jedenfalls nicht beabsichtigt war. Weitergehend wird der Begriff der Fusion etwa im kartellrechtlichen Zusammenhang auch auf die Zusammenlegung zweier Unternehmen zu einer wirtschaftlichen Einheit angewandt, die dauerhaft einer einheitlichen Leitung unterstellt werden (Wessely/Wegner in: MüKoEuWettbR, 3. Aufl., Art. 3 FKVO Rn. 18; Hölters a.a.O.; vgl. auch Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht, 3. Aufl., Art 3 FKVO Rn. 10). Auch eine solche faktische Fusion war nicht geplant. Der allenfalls beabsichtigte Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages unterfällt im kartellrechtlichen Sinne nicht einer Fusion nach Art. 3 Abs. 1 lit. a) FKVO, sondern vielmehr einem Zusammenschluss durch Kontrollerwerb nach Art. 3 Abs. 1 lit. b) FKVO (Wessely/Wegner a.a.O., Rn. 60). Ob der Begriff der Fusion darüber hinaus teilweise auch auf die vorliegend infrage stehenden Fälle von Beherrschungsverträgen angewandt wird, wie die Musterklägerin behauptet, kann offenbleiben. Verständige Marktteilnehmer konnten sich jedenfalls nicht darauf verlassen, dass die fragliche Aussage einen derart weiten Inhalt haben sollte.

(bb) Dass die Musterbeklagte zu 1 eine weitere Beteiligungsaufstockung und einen Beherrschungsvertrag anstrebte, sofern dessen Abschluss möglich wäre, lag für verständige Marktteilnehmer nicht fern, nachdem sie seit September 2005 ihre Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 kontinuierlich aufgestockt und diese Aufstockung der physischen Beteiligung auch dem Markt mitgeteilt hatte (dazu näher Rn. 179). Auch die von der Musterklägerin vorgetragene fundamentale Überbewertung der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 spätestens seit Anfang 2008 ließ den Rückschluss auf eine damit im Zusammenhang stehende erhebliche Nachfrage als naheliegende Erklärung zu (dazu näher Rn. 202; zu weiteren Gesichtspunkten auch Rn. 195 ff.).

(cc) Wie sich aus verschiedenen Presseartikeln und Analystenberichten ergibt, haben die angesprochenen Anlegerkreise die Ad-hoc-Mitteilung und die Pressemitteilung auch so verstanden, dass sie einen zukünftigen weiteren Beteiligungsaufbau nicht ausschließen. Zum Teil wurden ausdrücklich weitergehende Überlegungen der Musterbeklagten zu 1 angenommen, den Beteiligungsaufbau auf 75 % auszuweiten, wie insbesondere in den Presseberichten vom 8. März 2008 in FOCUS-online (Anlage MK 40) und vom 10. März 2008 in der Zeitschrift FOCUS (Anlage MK 41), die Anlass für die nachfolgend betrachtete Pressemitteilung vom 10. März 2008 waren. Die Einzelheiten der Berichterstattung sind im Zusammenhang mit der Erörterung dieser Pressemitteilung vom 10. März 2008 dargestellt. Obwohl verschiedene weitere Analystenberichte überwiegend auch diese Pressemitteilung vom 10. März 2008 („Porsche weist Spekulationen über Aufstockung auf 75 Prozent bei VW zurück“) berücksichtigt haben, wird aus ihnen doch deutlich, dass sie auch die Mitteilungen vom 3. März 2008 nicht dahin verstanden, dass die Musterbeklagte zu 1 keine weitere Beteiligungsaufstockung erwöge (näher u.a. Rn. 135).

(dd) Auch wenn die Ad-hoc-Mitteilung und die Pressemitteilung damit interpretationsfähig waren, waren sie doch nicht unrichtig, jedenfalls nicht grob unrichtig. Nach zutreffender Auffassung sind mehrdeutige Formulierungen, die ein Analyst durchschauen kann, zumindest grundsätzlich nicht sittenwidrig (OLG Stuttgart, Urteil vom 26. März 2015, a.a.O., Rn. 186 ff.).

Nichts Anderes ergäbe sich unter Zugrundelegung des Vortrags, nach der Auffassung des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart spreche einiges dafür, dass der Aufsichtsrat am 3. März 2008 de facto grünes Licht für eine Aufstockung der Beteiligung auf über 75 % gegeben habe, weil der Beschluss des Aufsichtsrats vom 3. März 2008 keine Deckelung nach oben vorgesehen habe (vgl. dazu OLG Stuttgart, Beschluss vom 18. August 2014 – 1 Ws 68/14, juris Rn. 21). Die Mitteilungen entsprächen dem, weil sie ebenfalls keine Begrenzung nach oben darstellten und das Verständnis zuließen, dass der Aufsichtsratsbeschluss auch eine weitergehende Beteiligungsaufstockung deckte.

(ee) Die Musterklägerin macht geltend, dass die Ad-hoc- und die Pressemitteilung auch deshalb irreführend seien, weil dem zitierten Aufsichtsratsbeschluss keine Bedeutung zugekommen sei; denn der Vorstand hätte angesichts der synthetischen Beteiligung längst – zumindest formlos – für eine Übernahmeoption entschieden. Auch dieser Vortrag greift nicht durch. Denn selbst wenn der Vorstand der Musterbeklagten zu 1 bereits zu diesem Zeitpunkt eine „konkrete Beherrschungsabsicht“ gehabt haben sollte, kann diese auch nach dem Vortrag der Musterklägerin und der Beigeladenen doch nicht endgültig darauf gerichtet gewesen sein, eine entsprechende Beteiligungsaufstockung ohne Rücksicht insbesondere auf möglicherweise entgegenstehende erhebliche äußere Hindernisse (dazu unten, Rn. 205 ff.) durchzuführen. Auch bei Annahme einer „konkreten Beherrschungsabsicht“ der Vorstände der Musterbeklagten zu 1 in diesem Sinn kamen dem Aufsichtsratsbeschluss und dem Vorstandsbeschluss vom 3. März 2008, die sich auf eine konkrete und – nach Vorliegen der erforderlichen Freigaben – zeitnahe Aufstockung der Beteiligung bezogen, daher jedenfalls eigenständige Bedeutung zu. Die Information über diese Beschlüsse war nicht überflüssig.

(ff) Gleichfalls führt es nicht zur Fehlerhaftigkeit der Ad-hoc-Mitteilung, dass die Musterbeklagte zu 1 den an demselben Tag getroffenen Vorstandsbeschluss nicht veröffentlicht hat. Eine Kapitalmarktinformation informiert über einzelne Umstände und enthält nicht notwendig eine vollständige Gesamtdarstellung. Zudem werden in der Ad-hoc-Mitteilung und der Pressemitteilung das Einverständnis des Vorstandsvorsitzenden Dr. W. mit dem Beteiligungsaufbau wiedergegeben. Damit ist dem Kapitalmarkt bekannt, dass jedenfalls der Vorstandsvorsitzende der Musterbeklagten zu 1 eine dem Beschluss des Aufsichtsrats gleichgerichtete Auffassung vertritt. Die Mitteilung des förmlichen Vorstandsbeschlusses hätte daher keine wesentlich weitergehende Relevanz gehabt; ihr Unterlassen konnte keine wesentliche Fehlvorstellung bei dem Kapitalmarktpublikum hervorrufen. Jedenfalls war mit dieser Auslassung keine grobe Irreführung verbunden.

(gg) Die von der beigeladenen H. GmbH beanstandete Unrichtigkeit der Pressemitteilung dahin, die Ausführungen zum Einzug von Arbeitnehmervertretern der Musterbeklagten zu 2 in den Aufsichtsrat der Musterbeklagten zu 1 seien falsch und vermittelten dem Leser ein falsches Bild von dem Einfluss auf die Musterbeklagte zu 2, ist bereits nicht Gegenstand des Musterverfahrens. Darüber hinaus hatte dieser Aspekt auch keine maßgebliche Bedeutung für die Beurteilung der Absicht zur weiteren Beteiligungsaufstockung und der möglichen Beherrschungsabsicht. Ihm kommt daher für die Beurteilung der Verwerflichkeit keine wesentliche Bedeutung zu.

(hh) Dass die Musterbeklagte zu 1 die behauptete „konkrete Beherrschungsabsicht“ und die Optionsstrategie einschließlich des aktuellen Bestands der Optionspositionen nicht veröffentlichte, ist nach den folgenden diesbezüglichen Erwägungen zur Verwirklichung des Tatbestands des § 826 BGB durch Unterlassen (unten, Rn. 236 ff.) nicht geeignet, den Vorwurf der Sittenwidrigkeit zu begründen. Eine entsprechende (sittliche) Verpflichtung bestand nicht. In Konsequenz hierzu bestand auch keine Verpflichtung, darüber aufzuklären, dass insbesondere die behauptete Beherrschungsabsicht verschwiegen werde.

(b) Bei der im Rahmen des § 826 BGB gebotenen Gesamtbetrachtung stellt sich auch weder das Veranlassen der Pressemitteilung vom 10. März 2008 (Anlage MK 10 / MBPor 77) noch deren unterlassene Berichtigung als sittenwidrig dar. Die Pressemitteilung enthält keine grobe Falschdarstellung, selbst wenn eine „konkrete Beherrschungsabsicht“ des Vorstands des Musterbeklagten zu 1 bestanden haben sollte.

Die Pressemitteilung hatte – ausweislich der Anlage MK 10 – folgenden Inhalt:

„Porsche weist Spekulationen über Aufstockung auf 75 Prozent bei VW zurück

Aufsichtsratsbeschluss betrifft lediglich Mehrheitsbeteiligung

Die Porsche Automobil Holding SE, Stuttgart weist Medienberichte zurück,

wonach das Unternehmen beabsichtige, seinen VW-Anteil auf 75 % aufzustocken. Die Spekulation, auf 75 % zu gehen, übersehe die Realitäten in der Aktionärsstruktur von VW. Vor dem Hintergrund, dass das Land Niedersachsen als zweiter Großaktionär über 20 % der Anteile an Volkswagen hält, ist die Wahrscheinlichkeit äußerst gering, die dafür notwendigen Aktien aus dem Streubesitz zu erwerben.

Hintergrund der aktuellen Medienberichte sind offenbar Börsengerüchte, die auf Gedankenspiele von Analysten und Investoren zurückgehen.“

(aa) Dieser Pressemitteilung waren Presseberichte vom 8. März 2008 in FOCUS-online (Anlage MK 40) und vom 10. März 2008 in der Zeitschrift FOCUS (Anlage MK 41) vorangegangen, die ausführten, die Musterbeklagte zu 1 wolle nach internen Planungen ihre Anteile an der Musterbeklagten zu 2 auf 75 % aufstocken.

Das im Text der Pressemitteilung und auch in der Überschrift („Porsche weist Spekulationen über Aufstockung auf 75 Prozent bei VW zurück“) enthaltene Dementi war in seiner Reichweite relativiert:

Zum einen lenkt die Unterüberschrift in der Pressemitteilung („Aufsichtsratsbeschluss betrifft lediglich Mehrheitsbeteiligung“) die Blickrichtung auf den Aufsichtsratsbeschluss vom 3. März 2008, wobei letzteres Datum zwar nicht ausdrücklich genannt war, aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs aber auf der Hand lag. In dem als Anlage MBPor 77 vorgelegten Ausdruck der Pressemitteilung finden sich die beiden Überschriften zwar in umgekehrter Reihenfolge; inhaltlich änderte sich hierdurch aber nichts. Dadurch, dass die Musterbeklagte zu 1 das Dementi in formaler Hinsicht nur mit dem Inhalt des Aufsichtsratsbeschlusses begründete, blieb trotz des dem Wortlaut nach weitergehenden Dementis die unausgesprochene Möglichkeit, dass über den Aufsichtsratsbeschluss hinaus weitere Überlegungen, Planungen und möglicherweise auch Absichten bestanden haben, die auch eine Anteilsaufstockung auf über 75 % umfassten. Dies war für einen verständigen Kapitalmarktteilnehmer, der zwischen einzelnen durch Vorstand und Aufsichtsrat zu beschließenden Zwischenschritten einer Beteiligungserhöhung und möglichen weitergehenden, auf ein letztendliches (Übernahme-)Ziel gerichteten Plänen unterschied, auch naheliegend.

Zum anderen lässt auch die im Text der Pressemitteilung folgende inhaltliche Begründung unausgesprochen die Möglichkeit weitergehender Überlegungen oder Absichten offen. Die Aussagen, die Spekulationen in den Medienberichten übersähen die Realitäten in der Aktionärsstruktur der Musterbeklagten zu 2 und die Wahrscheinlichkeit sei äußerst gering, die für eine Aufstockung auf 75 % notwendigen Aktien aus dem Streubesitz zu erwerben, implizierten, dass die Musterbeklagte zu 1 zumindest Überlegungen hinsichtlich einer entsprechenden Beteiligungsaufstockung angestellt hatte. Sie ließen sich auch dahin verstehen, dass eine entsprechende Aufstockung in Betracht komme, wenn sich entweder die Aktionärsstruktur ändere oder es sonst gelänge, die notwendigen Aktien zu erwerben. Hierfür spricht – wenn auch eher mit untergeordneter Bedeutung –, dass diese Aussage im Indikativ („ist [...] äußerst gering“) und nicht im Konjunktiv („wäre [...] äußerst gering“) formuliert war.

Zwar stand in der Pressemitteilung der Aussagegehalt des Dementis im Vordergrund. Dennoch drängte sich gerade Analysten, professionellen Anlegern und allgemein verständigen Kapitalmarktteilnehmern, die Pressemitteilungen nicht nur für sich genommen genau lesen und analysieren, sondern auch vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Plausibilität betrachten, auf, dass die Pressemitteilung kein kategorisches Dementi enthielt. Besonders deutlich herausgestellt ist dies in dem sog. Bernstein-Report vom 17. Oktober 2008 (Anlage MK 47, S. 5), der sich bei der Diskussion der Frage, welchen Anteil an der Musterbeklagten zu 2 die Musterbeklagte zu 1 halte, ausdrücklich auf diese Pressemitteilung bezog, diese als sorgfältig formuliert („carefully worded“) charakterisierte und es im Anschluss hieran als möglich erachtete, dass die Musterbeklagte zu 1 zukünftig einen Anteil von insgesamt 70 % oder mehr halten werde.

Die Pressemitteilung war damit jedenfalls nicht grob falsch. Sie ist allenfalls missverständlich formuliert oder einen Interpretationsspielraum zulassend (so OLG Braunschweig, Urteil vom 12. Januar 2016 - 7 U 59/14, juris Rn. 63 ff.), möglicherweise auch gewollt missverständlich (OLG Stuttgart, Urteil vom 26. März 2015, a.a.O., juris Rn. 187 f.), ohne dass sie aber geeignet gewesen wäre, verständige Kaitalmarktteilnehmer in wesentlicher Weise irrezuführen.

(bb) Auch die Ausführungen im letzten Absatz der Pressemitteilung, wonach die jüngsten Medienberichte auf „Börsengerüchte“ und „Gedankenspiele von Analysten und Investoren“ zurückgeführt werden, geben der Pressemitteilung keinen falschen oder irreführenden Inhalt.

Ein kategorisches Dementi hätte erkennbar deutlich einfacher und klarer erfolgen können als durch die umständliche Zurückweisung von Berichten und Gerüchten, die nicht auf Informationen der Musterbeklagten zu 1 selbst beruhten. Zugleich gab die Musterbeklagte zu 1 damit – deutlich erkennbar – gerade keine Interna über den aktuellen Stand ihrer Pläne preis. Im Gegenteil schloss dieser Bezug gerade nicht aus, dass die Musterbeklagte zu 1 selbst entsprechende Überlegungen hatte.

(cc) Dafür, dass diese Pressemitteilung von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht als kategorisches Dementi verstanden wurde, spricht zudem, dass der Beteiligungsaufbau von 75 % auch in der Folgezeit Gegenstand von Analystenberichten war und insoweit als mögliche Option der Musterbeklagten zu 1 angesehen wurde (vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 26. März 2015, a.a.O., juris Rn. 190):

Analysten von JP Morgan kamen in ihrer Analyse vom 12. März 2008 (S. 3 f., in Anlagenkonvolut MBPor 138) unter ausdrücklicher Berücksichtigung der infrage stehenden Pressemitteilung zu der Einschätzung, dass die Musterbeklagte zu 1 u.a. das Erreichen einer absoluten Kontrolle als strategische Option zu berücksichtigen haben werde. Eine Analyse von M.M. Warburg & Co. vom 26. März 2008 (in Anlagenkonvolut MBPor 138) setzte sich mit den unterschiedlichen am Markt bestehenden Auffassungen auseinander, ob sich die Musterbeklagte zu 1 mit 50 % begnügen oder aber kurzfristig eine Beteiligung von mehr als 75 % anstreben werde, wobei der Analyst von M.M. Warburg & Co. nach eigener Einschätzung eine weitere Aufstockung auf über 75 % als unwahrscheinlich ansah. Diese Einschätzung wurde in der „Morning Mail“ von M.M. Warburg & Co. vom 10. April 2008 (in Anlagenkonvolut MBPor 138) wiederholt, dort aber eine Aufstockung auf über 75 % für den Fall einer vollständigen Aufhebung des VW-Gesetzes für möglich gehalten. In einem Bericht vom 21. April 2008 (in Anlagenkonvolut MBPor 138) befassten sich die Analysten von Goldman Sachs Global Investment Research nicht nur mit der Optionsstrategie der Musterbeklagten zu 1, sondern kamen auch zu der Einschätzung, dass diese eine Beherrschung der Musterbeklagten zu 2 anstrebe und daher eine Beteiligung von 75,1 % aufbauen werde. Nach den vorgenannten Analystenberichten wurde maßgeblich als Empfehlung für eine Anlageentscheidung darauf abgestellt, dass die Musterbeklagte zu 1 zum angekündigten Beteiligungsaufbau weiterhin im großen Umfang Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 kaufen und entsprechende Optionsgeschäfte tätigen werde. In einer Analyse der Landsbanki vom 28. Mai 2008 (in Anlagenkonvolut MBPor 138) wurde angenommen, das letztendliche Ziel der Musterbeklagten zu 1 sei der Abschluss eines Beherrschungsvertrages mit der Musterbeklagten zu 2. Gleiches haben die MainFirst Bank AG in einer Analyse vom 18. September 2008 (in Anlagenkonvolut MBPor 138) und UBS in einer Analyse vom 17. Oktober 2008 (Seite 5, in Anlagenkonvolut MBPor 138) vertreten. Auch die bereits angesprochene Analyse der Sanford C. Bernstein & Co., LLC vom 17. Oktober 2008 gelangte – unter ausdrücklicher Berücksichtigung der Pressemitteilung vom 10. März 2008 – zu dem Schluss, dass die Musterbeklagte zu 1 ihren Anteil an der Musterbeklagten zu 2 wahrscheinlich auf deutlich über 55 %, möglicherweise auch auf mehr als 70 % aufstocken werde (Anlage MK 47).

(dd) Bei dem weiteren Inhalt der Pressemitteilung zur Realisierbarkeit einer Anteilsaufstockung auf 75 % handelte es sich um eine Einschätzung der Musterbeklagten zu 1 zur Wahrscheinlichkeit, insgesamt 75 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 erwerben zu können. Einschätzungen und Prognosen sind nur dann unrichtig, wenn sie sich auf eine falsche Tatsachenbasis gründen oder aus – auch richtigen – Tatsachen gezogene Schlussfolgerungen schlechterdings nicht vertretbar sind (vgl. Emittentenleitfaden der BaFin, Stand 15. Juli 2005, VI.3.2.1.3.).

Die Musterklägerin hat nicht dargelegt, dass diese in der Pressemitteilung geäußerte Bewertung unrichtig gewesen wäre. Selbst wenn die von der Musterbeklagten zu 1 abgeschlossenen Optionen nach dem Vortrag der Musterklägerin den Zugriff auf physische Aktien verschafften, wäre zu diesem Zeitpunkt der Zugriff auf lediglich insgesamt gut 61 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 gesichert gewesen. Die Musterklägerin geht selbst davon aus, dass die Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 im Besitz des Landes Niedersachsen unverkäuflich und damit für die Musterbeklagte zu 1 nicht verfügbar waren. Darüber hinaus geht die Musterklägerin davon aus, dass Indexfonds aufgrund ihrer Anlagebedingungen die von ihnen gehaltenen Aktien grundsätzlich nicht haben verkaufen, sondern allenfalls verleihen können, und auch andere institutionelle Anleger nicht bereit gewesen seien, ihre Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 zu verkaufen, solange die Preise gestiegen seien. Selbst wenn die Musterbeklagte zu 1 angenommen hätte, dass durch den steigenden Aktienkurs Leerverkäufer „angelockt“ worden wären, vermittels derer sie auch Zugriff auf eigentlich unverkäufliche Aktien hätte erhalten können, wäre dies doch nur eine zunächst spekulative Erwartung, ohne dass der Erwerb der nötigen Aktien dadurch gesichert oder auch nur wahrscheinlich gewesen wäre. Diese „Realitäten in der Aktionärsstruktur“ stellten tatsächlich Hindernisse für einen Beteiligungsaufbau auf mehr als 75 % dar. Dass die Musterbeklagte zu 1 nach dem Vortrag der Musterklägerin selbst nicht davon ausgegangen sein mag, dass ein Beteiligungsaufbau der fraglichen Größenordnung unrealistisch sei, ist für die Beurteilung der objektiven Vertretbarkeit der Bewertung nicht wesentlich.

Selbst wenn man jedoch mit der Musterklägerin aus dem Umstand, dass es der Musterbeklagten zu 1 später gelungen ist, eine „synthetische“ Beteiligung in Höhe von insgesamt rund 75 % aufzubauen, darauf schließt, dass bereits aus der Perspektive ex ante die Umsetzung einer solchen Beteiligungsaufstockung nicht unrealistisch gewesen wäre, rechtfertigte dies jedenfalls nicht, die wiedergegebene Einschätzung als grob unrichtig einzuordnen. Ohnehin hätte dies vorausgesetzt, dass die Aktienoptionen der Musterbeklagten zu 1 entsprechend dem Vortrag der Musterklägerin den Zugriff auf die physischen Aktien sicherten.

Gegen eine Unvertretbarkeit der mitgeteilten Einschätzung spricht im Übrigen auch, dass eine Aufstockung auf 75 % ohnehin allenfalls in fernerer Zukunft erfolgen konnte. Die aufsichtsbehördliche und kartellrechtliche Prüfung für eine Aufstockung auf über 50 % standen noch aus. Zudem würde bereits diese Aufstockung auf über 50 % einen nicht unerheblichen Zeitraum in Anspruch nehmen; tatsächlich wurde diese Schwelle erst im Januar 2009 überschritten. Zudem hätte selbst eine Beteiligungsaufstockung auf 75 % ohne Änderungen der Regelungen zur Sperrminorität im VW-Gesetz und der Satzung der Musterbeklagten zu 2 – oder der Feststellung ihrer Europarechtswidrigkeit – nicht ausgereicht, um einen Beherrschungsvertrag durchzusetzen (vgl. näher unten, Rn. 205 ff.).

(ee) Die Pressemitteilung suggerierte entgegen der Auffassung der Musterklägerin auch nicht, dass die Musterbeklagte zu 1 keinerlei Vorkehrungen für eine mögliche zukünftige Aufstockung getroffen, insbesondere keine Optionsgeschäfte abgeschlossen habe. Aus der dargestellten Einschätzung zur Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden Beteiligungsaufstockung lässt sich allein der Schluss ziehen, dass der dafür erforderliche Anteilserwerb jedenfalls nicht oder zumindest nicht weitgehend gesichert und der Erfolg solcher Bemühungen unsicher sei. Dies traf zu.

Dass sich die Musterbeklagte zu 1 im Hinblick auf einen späteren weiteren Anteilserwerb durch Optionen abgesichert hatte, nahmen im Übrigen weitgehend auch Analysten an, zum Teil auch, dass sie daran verdiene. Solche Analysen und Berichte lagen bereits vor dem 10. März 2008 vor, so in der der Financial Times Deutschland vom 3. September 2007, der Süddeutschen Zeitung vom 3. September 2007, der Stuttgarter Zeitung vom 18. September 2007 (alle Anlagenkonvolut MBPor 109), der MainFirst Bank AG vom 1. Oktober 2007 (dort insb. S. 7 – 9) und der UBS Investment Research vom 3. Oktober 2007 (jeweils in Anlage MBPor 111), der FAZ vom 14. November 2007, der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 14. November 2007 und der Financial Times Deutschland vom 4. März 2008 (alle Anlagenkonvolut MBPor 109). Auch nach der Presserklärung vom 10. März 2008 gingen Analysten von entsprechenden – zumindest möglichen – Optionsstrategien der Musterbeklagten zu 1 aus, so die Analyse von Goldman Sachs Global Investment Research vom 21. April 2008 (in Anlagenkonvolut MBPor 111/138) sowie – unter ausdrücklicher Berücksichtigung auch der Pressemitteilung vom 10. März 2008 – der sog. Bernstein-Report vom 17. Oktober 2008 (Anlage MK 47, S. 5 f.). Die Analyse von M.M. Warburg & Co. vom 26. März 2008 (in Anlagenkonvolut MBPor 138) äußerte zwar Zweifel an weitergehenden Optionsstrategien, stützte diese aber nicht auf den Inhalt der Pressemitteilung vom 10. März 2008 oder anderer Mitteilungen der Musterbeklagten zu 1.

Entgegen der Auffassung der sog. E.-Beigeladenen hat die Musterbeklagte zu 1 mit dieser Pressemitteilung auch nicht dementiert, Put-Optionen verkauft zu haben.

(ff) Schließlich ist im Rahmen einer Gesamtabwägung aller Umstände zu berücksichtigen, dass die Pressemitteilung in Reaktion auf die Presseberichte über einen weitergehenden Beteiligungsaufbau erfolgte.

Für den Fall einer – hier nicht vorliegenden – Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG sollte ein Emittent auf Gerüchte im Markt zwar grundsätzlich keine gegensätzlichen Erklärungen abgeben oder durch Dementis widersprüchliche Signale setzen (Pfüller in: Fuchs, WpHG, 2. Aufl., § 15 Rn. 490; Assmann in: Assmann/Schneider, 6. Aufl., § 15 Rn. 170). Vielmehr solle er eine strikte „no comment policy“ verfolgen, um eine Irreführung der Öffentlichkeit zu vermeiden (Pfüller, a.a.O.). Auch sonst besteht kein Recht zur Lüge. Der Umstand, dass in der Öffentlichkeit Spekulationen aufgekommen sind, die einem Unternehmen ungelegen kommen, weil sie Kosten verursachen können, gibt dem Unternehmen keine Legitimierung dafür, der Öffentlichkeit gegenüber grob falsche Erklärungen abzugeben und so Marktteilnehmer zu nachteiligen Vermögensdispositionen zu veranlassen (OLG Stuttgart, Urteil vom 26. März 2015, a.a.O., juris Rn. 184). Auf der anderen Seite soll der Emittent durch Dritte nicht mit der gezielten Streuung von Gerüchten und dabei erzielten „Zufallstreffern“ zur Ad-hoc-Publizität gezwungen werden (vgl. für den Fall einer Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG: Pfüller, a.a.O.). Vorliegend musste die Musterbeklagte zu 1 davon ausgehen, dass ein Schweigen in ihrer konkreten Lage möglicherweise als Bestätigung der Gerüchte gewertet worden wäre (so auch OLG Braunschweig, Urteil vom 12. Januar 2016, a.a.O., juris Rn. 72).

Auch unter Berücksichtigung dieser Wertungen war die Veröffentlichung der zwar – möglicherweise auch gezielt – missverständlichen, aber jedenfalls nicht grob unrichtigen oder irreführenden Pressemitteilung in der Gesamtschau auch dann nicht verwerflich, wenn sie, wie die Musterklägerin behauptet, bezweckte, weitere Kursanstiege infolge der Presseberichte vom 8./10. März 2008 zu verhindern.

(c) Nach der Behauptung der Musterklägerin hat ein namentlich nicht bekannter Sprecher der Musterbeklagten zu 1 gegenüber dem Manager Magazin, so wie in dem dortigen Artikel vom 23. Juli 2008 (Anlage MK 42) zitiert, geäußert: „Wir reden heute über die Mehrheit“. Selbst vor dem Hintergrund, dass der Aufsichtsrat den Vorstand am Tag dieser Veröffentlichung vorsorglich – nach Vortrag der Musterbeklagten zu 1 u.a. vor dem Hintergrund der bevorstehenden Mitbestimmung der Arbeitnehmervertreter der Musterbeklagten zu 2 im Aufsichtsrat der Musterbeklagten zu 1 – im Rahmen eines Vorratsbeschlusses ermächtigte, die Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 auch auf 75 % derer Stammaktien aufzustocken, war diese behauptete Äußerung gegenüber der Presse jedenfalls nicht grob unrichtig oder irreführend.

Die Äußerung stellte kein kategorisches Dementi einer möglichen weitergehenden Absicht dar, sondern war sogar dem ausdrücklichen Wortlaut des Presseartikels nach offen formuliert. Dem wörtlichen Zitat war die Aussage vorangestellt, der Sprecher wolle sich zu weiteren Anteilskäufen, die zu einer Aufstockung auf bis zu knapp 80 % führen könnten, nicht äußern. Dies und die Einschränkung, man rede „heute“ über die Mehrheit, lässt ausdrücklich die Möglichkeit offen, dass weitere Anteilskäufe zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen könnten, die die Beteiligung deutlich erhöhten. Aus Sicht eines verständigen Kapitalanlegers wird mit dieser Erklärung ein Beteiligungsaufbau von über 75 % in der Zukunft gerade nicht ausgeschlossen. Der Pressesprecher hat sich lediglich zum Mehrheitserwerb zu dem damaligen Zeitpunkt im Juli 2008 erklärt. Gerade der Zusatz, sich zu weiteren Anteilskäufen nicht äußern zu wollen, ließ zudem zumindest die Interpretation zu, dass diesbezüglich auch bereits Überlegungen erfolgt waren.

Die Erklärung, man rede „heute“ über die Mehrheit, schloss sowohl für sich genommen als auch in dem zuvor dargestellten Kontext ebenfalls nicht aus, dass interne Gespräche, Überlegungen oder Planungen betreffend eine weitergehende Anteilsaufstockung erfolgten. Für den verständigen Kapitalmarktteilnehmer war vielmehr ersichtlich, dass sich die Aussage nur auf die konkret anstehenden nächsten Schritte und nicht auf erst weiter in der Zukunft liegende und unsichere Ziele bezog.

Die Äußerung des Sprechers war auch nicht deshalb unrichtig oder irreführend, weil sich die „synthetische“ Beteiligung – also die Summe des Aktien- und Optionsbestands – einschließlich der von der Porsche GmbH Salzburg gehaltenen Optionen zu dem damaligen Zeitpunkt bereits auf rund 75 % belaufen habe und die Musterbeklagte zu 1 die M. Bank bereits am Folgetag angewiesen habe, den Optionsaufbau bei über 75 % auszusetzen. Diese Optionen sollten einen späteren Beteiligungsaufbau wirtschaftlich ermöglichen. Nach dem Vortrag der Musterklägerin sicherten sie zwar auch den Zugriff auf „physische“ Aktien. Einem physischen Beteiligungsaufbau kamen sie aber schon deshalb nicht gleich, weil der Kauf physischer Aktien jedenfalls erhebliche weitere Liquidität erforderte.

 (d) Auch die Äußerungen des Finanzvorstandes H. im Interview gegenüber der FAZ, das am 28. Juli 2008 veröffentlicht wurde (Anlage MK 72, Bl. 2438 ff. d.A.), waren nicht unrichtig, jedenfalls nicht grob irreführend.

Die Aussage, die Musterbeklagte zu 1 habe fest vor, im Laufe des Jahres 2008 die „51-Prozent-Grenze“ zu überschreiten, kam dem späteren tatsächlichen Ablauf nahe. Die Musterbeklagte zu 1 stockte ihre Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 im Dezember 2008 auf 47,37 % und am 5. Januar 2009 auf 50,76 % auf (vgl. Gutachten Dr. V. vom 15. Oktober 2009 [im Folgenden: V.-GA], Anlage MK 37, Rn. 55). Zu einem möglichen weiteren Beteiligungsaufbau im Jahr 2009 äußerte sich H. nicht.

Die Aussage, nachdem die Musterbeklagte zu 1 die nächsten Etappen genommen habe, werde es wieder um operative Themen gehen, ließ zwar durchaus die Interpretation zu, es sei nur eine Aufstockung auf diesen Anteil geplant. Ebenso konnte die Bezeichnung der genannten Schritte als „nächste Etappen“ aber bedeuten, dass es noch weitere, sich daran anschließende Etappen geben werde. Jedenfalls stellte diese Aussage keine grobe Irreführung dar.

Diese Aussagen waren auch nicht deshalb falsch, weil die genannte Beteiligungsschwelle unter Einbeziehung der Optionspositionen der Musterbeklagten zu 1 bereits damals überschritten gewesen wäre. Die Aussagen zur Beteiligungshöhe bezogen sich nicht auf Optionsgeschäfte, sondern auf den tatsächlichen Beteiligungsaufbau.

Zudem wies H. in dem FAZ-Interview ausdrücklich darauf hin, Kurssicherungsgeschäfte insbesondere durch cash-gesettelte Optionen getätigt zu haben, um den Preis für weitere Käufe abzusichern. Einzelheiten zu den Optionsgeschäften hatte er ausdrücklich nicht offen gelegt, allerdings sogar eingeräumt, dass die Musterbeklagte zu 1 an diesen möglicherweise noch verdienen könne. Gleiches war auch Gegenstand des Berichtes im Manager Magazin vom 29. Juli 2008 (Anlage MBPor 108).

 (e) Die Pressemitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 16. September 2008 (Anlage MK 11) war ebenfalls nicht unrichtig oder grob irreführend. Gegenstand dieser Mitteilung war der Erwerb von weiteren 4,89 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2, womit die Beteiligung „insgesamt 35,14 Prozent der Stimmrechte“ erreiche. Die in diesem Zusammenhang zitierte Äußerung des Vorstandsvorsitzenden Dr. W., das Ziel bleibe weiterhin, „den Anteil an Volkswagen auf über 50 % zu erhöhen“, gab keine Begrenzung noch oben wieder. Sie verhielt sich nicht zu einer möglichen über 50 % hinausgehenden Beteiligung. Der verständige Kapitalanleger erwartete von einer solchen Äußerung auch nicht, dass eine umfassende Information in allen Einzelheiten erfolgte.

Der Markt verstand diese Pressemitteilung auch nicht dahingehend, dass die Musterbeklagte zu 1 einen weitergehenden Beteiligungsaufbau ausschließen wollte. Beispielsweise ging etwa die MainFirst Bank AG nur zwei Tage später in ihrer Analyse vom 18. September 2008 (Anlage MBPor 138) davon aus, dass das langfristige Ziel der Musterbeklagten zu 1 sei, die Musterbeklagte zu 2 zu beherrschen.

Eine Fehlerhaftigkeit der Äußerung ergibt sich weiter nicht daraus, dass sie den Aufsichtsratsbeschluss vom 23. Juli 2008 nicht erwähnte. Zwar nahm sie am Ende der Mitteilung den Aufsichtsratsbeschluss vom 3. März 2008 in Bezug. Die vorrangig kommunizierte Anteilsaufstockung auf gut 35 % erfolgte jedoch aufgrund dieses letztgenannten Beschlusses. Dass die Beschlusslage unverändert geblieben sei, wurde damit nicht, jedenfalls aber nicht eindeutig erklärt.

Dass diese Pressemitteilung die Höhe der „synthetischen“ Beteiligung nicht darstellte, ist entsprechend den obigen Erwägungen (Rn. 149) unerheblich.

 (f) Auch die – von der Musterbeklagten zu 1 bestrittenen und von der Musterklägerin und den Beigeladenen nicht unter Beweis gestellten – Äußerungen eines namentlich nicht benannten Porsche-Sprechers, die der Artikel von Spiegel-online vom 18. September 2008 (Anlage MK 43) sowie der Bericht der Hannoversche Allgemeine Zeitung vom selben Tag, auf die sich der vorgenannte Artikel bezog (MBPor 154, Bl. 2676), zum Gegenstand hatten, waren jedenfalls nicht grob irreführend. Der Sprecher wird dort dahin zitiert, „H. habe lediglich eine theoretische Möglichkeit angesprochen. Derzeit stehe ein Beherrschungsvertrag nicht zur Debatte und sei auch ‚völlig unrealistisch‘."

Entgegen der Auffassung der Musterklägerin bestätigte der Sprecher dort eine vermeintlich bestehende Beschränkung des zu erwartenden Beteiligungsaufbaus auf 50 % nicht. Die Äußerung des Sprechers bezog sich dem Zitat nach auf die in der Hannoversche Allgemeine Zeitung wiedergegebene Aussage des Finanzvorstands H., der erstmals einen Beherrschungsvertrag ins Spiel gebracht habe; der Sprecher bezeichnete dies als bloß theoretische Möglichkeit, ein Beherrschungsvertrag stehe „derzeit“ nicht zur Debatte und sei auch völlig unrealistisch. Dies ließ – gerade auch in Zusammenschau mit der in Bezug genommenen Äußerung H.s – die Interpretation zu, dass ein solcher Plan zu einem späteren Zeitpunkt verwirklicht werden könnte, wenn die rechtlichen und wirtschaftlichen Umstände dies ermöglichen sollten, insbesondere der Abschluss eines Beherrschungsvertrages nicht mehr aufgrund des damals geltenden VW-Gesetzes völlig unrealistisch wäre.

Entsprechend wurde die behauptete Äußerung des Sprechers der Musterbeklagten zu 1 auch nicht als Dementi verstanden. Der Artikel in der Hannoversche Allgemeine Zeitung zitiert die Äußerung und befasst sich im Anschluss mit Umständen, die für und gegen eine weitergehende Aufstockung und den Abschluss eines Beherrschungsvertrages sprechen. Schon nach der dortigen Überschrift („Porsche will VW zum Befehlsempfänger machen“) geht der Autor des Artikels von einer solchen Möglichkeit aus. Ausdrücklich konstatiert er, die Musterbeklagte zu 1 „schweige sich darüber aus“, bei welchem Punkt sie „mit dem Zukaufen aufhören“ wolle. Auch der Bericht von Spiegel-online steht unter der Überschrift, die Musterbeklagte zu 1 erwäge einen weiteren Machtausbau. Dieser Artikel führt gerade auch den Umstand, dass sie sich „so vehement“ gegen eine Novelle des VW-Gesetzes wehre, als Indiz für entsprechende Absichten an.

Zwar stand die geäußerte Einschätzung, der Abschluss eines Beherrschungsvertrages sei „völlig unrealistisch“, in einem Spannungsverhältnis dazu, dass die Musterbeklagte zu 1 versuchte, eine Änderung des VW-Gesetzes zu erreichen, und dass sie unter anderem im September 2008 über die Finanzierung einer Anteilsaufstockung auf 75 % mit verschiedenen Banken verhandelte und dabei auch eine entsprechende Aufstockung im Jahre 2009 in den Blick nahm; ferner lag bereits ein auf die weitere Anteilsaufstockung bezogener Vorratsbeschluss ihres Aufsichtsrates vor. Aber auch der Vortrag der Musterklägerin lässt nicht erkennen, dass sich die Musterbeklagte zu 1 zu diesem Zeitpunkt definitiv – selbst für den Fall, dass der Abschluss eines Beherrschungsvertrages weiterhin insbesondere mangels entsprechender Änderung des VW-Gesetzes unrealistisch bleiben sollte – auf eine entsprechende Beteiligungsaufstockung festgelegt hätte. Darüber hinaus liegen der wiedergegebenen Einschätzung durchaus Tatsachen zu Grunde, die diese objektiv rechtfertigen, sodass eine mögliche Irreführung jedenfalls nicht grob wäre.

 (g) Weiter waren die Äußerung des Vorstandsvorsitzenden Dr. W. auf dem Pariser Autosalon, die in dem Artikel von Finanzen.net vom 2. Oktober 2008 (Anlage MK 44) sowie in dem am 6. Oktober 2008 veröffentlichten Interview mit der FAZ (Anlage MK 45) wiedergegeben sind, nicht falsch oder grob irreführend. Dr. W. wird dort mit den Aussagen zitiert: „Die Situation bei Volkswagen dürfte sich beruhigen, sobald Porsche ihren Anteil auf über 50% in der zweiten Jahreshälfte angehoben habe, (...). Porsche wolle sich die Option auf eine Beteiligung von 75% an Volkswagen offen halten, (...). Dies sei im Moment aber eine ‚rein theoretische Möglichkeit‘.“ (Anlage MK 44) sowie: „Wir wären schlechte Unternehmer, wenn wir jetzt sagen würden, wir schließen langfristig eine Beherrschung aus. 75 Prozent sind heute kein Thema, das ist klar. Die theoretische Möglichkeit aber wollen wir uns erhalten. Dies heute aufzugeben, nur um Ruhe hineinzubekommen, wäre falsch. Das würde man uns eines Tages vorwerfen – zu Recht.“ (Anlage MK 45).

Dr. W. wies dort ausdrücklich darauf hin, dass sich die Musterbeklagte zu 1 die Option auf eine Beteiligung von 75 % offen halte – der Artikel vom 2. Oktober 2008 stand sogar unter dieser Überschrift –, bzw. dass die Musterbeklagte zu 1 eine Beherrschung langfristig nicht ausschließe. Daraus wurde – auch in Zusammenhang mit vorangegangenen Berichten über den Einsatz von Optionen zur Absicherung weiterer Beteiligungsaufstockungen – deutlich, dass die Musterbeklagte zu 1 konkrete Überlegungen im Hinblick auf eine Beteiligungsaufstockung auf 75 % und den Abschluss eines Beherrschungsvertrages angestellt hatte. Die Bezeichnung insbesondere der Anteilsaufstockung auf 75 % als bloße theoretische Möglichkeit, die „heute kein Thema“ sei, schwächte zwar die Aussage „Wir wären schlechte Unternehmer, wenn wir jetzt sagen würden, wir schließen langfristig eine Beherrschung aus“, ab. Dies war aber jedenfalls nicht grob unrichtig oder irreführend.

Zudem hatte Dr. W. in dem Interview ausgeführt, gegen das damals geltende VW-Gesetz zu kämpfen, und die Erwartung geäußert, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis dieses nicht mehr zu halten sei. Diese letztgenannten Äußerungen ließen erkennen, dass die Musterbeklagte zu 1 durchaus konkrete Schritte unternahm, um den Abschluss eines Beherrschungsvertrages zu ermöglichen.

Auch Analysten gingen weiterhin davon aus, das letztendliche Ziel der Musterbeklagten zu 1 sei der Abschluss eines solchen Beherrschungsvertrages mit der Musterbeklagten zu 2 – so UBS in einer Analyse vom 17. Oktober 2008 (Seite 5, Anlage MBPor 138) –, oder hielten eine Anteilsaufstockung auf mehr als 70 % zumindest für möglich – so Sanford C. Bernstein & Co., LLC in einer Analyse vom selben Tag (Anlage MK 47, sog. Bernstein-Report, S. 5; vgl. weiter Rn. 185 ff.).

 (h) Schließlich hat die Musterbeklagte zu 1 entgegen der Darstellung der Musterklägerin auch nicht die Äußerungen des Analysten Warburton in dem sog. Bernstein-Report (Anlage MK 47) in unzutreffender Weise als „Märchen“ bezeichnet. Die entsprechende Äußerung gegenüber der Financial Times (veröffentlicht am 21. Oktober 2008, Anlage MBPor 112) bezog sich vielmehr dezidiert auf die Vermutung, die Musterbeklagte zu 1 habe Aktien an Hedgefonds verliehen und dadurch die hohe Volatilität der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 in den Vorwochen begünstigt. Dass diese Vermutung zugetroffen hätte, sodass ihre Zurückweisung falsch gewesen wäre, hat die Musterklägerin nicht dargelegt und ist auch nicht sonst ersichtlich.

Die Beschränkung dieses Dementis ausdrücklich auf diese untergeordnete Teilaussage der Analyse war darüber hinaus objektiv geeignet, die Aufmerksamkeit des verständigen Kapitalmarktteilnehmers darauf zu lenken, dass die übrigen Aussagen der Analyse insbesondere betreffend die Aufstockungsabsicht und die Optionsstrategien – auch im Hinblick auf Put-Optionen – nicht dementiert wurden.

 (2) Auch bei einer Würdigung aller maßgeblicher Gesichtspunkte im Rahmen von § 826 BGB hat die Musterbeklagte zu 1 mit der streitgegenständlichen Kapitalmarktkommunikation nicht verwerflich und sittenwidrig gehandelt. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung sind die nachfolgend genannten Umstände zu berücksichtigen (vgl. zu weiteren Gesichtspunkten auch Rn. 355 ff.).

Unter anderem lag den Mitteilungen das Muster zugrunde, nur auf einzelne Aspekte einzugehen und weitere Umstände und Überlegungen im Rahmen des rechtlich Zulässigen nicht vollständig offenzulegen. Diese Strategie war für Marktteilnehmer erkennbar und wurde verbreitet – beispielsweise in Analysen und Presseberichten – auch so erkannt. Sie führte nicht zu einer Irreführung der Marktteilnehmer. Im Übrigen waren für verständige Marktteilnehmer verschiedene weitere Umstände ersichtlich, die naheliegend darauf schließen ließen, dass sich die Musterbeklagte zu 1 zumindest die Option weiterer Beteiligungserhöhungen und den späteren Abschluss eines Beherrschungsvertrages offenhielt. Beispielsweise waren die verbreitet wahrgenommenen Anstrengungen der Musterbeklagten zu 1, eine Änderung der Satzung der Musterbeklagten zu 2 und des VW-Gesetzes hinsichtlich der dort geregelten Sperrminorität herbeizuführen, naheliegend nicht anders erklärbar. Ferner ließen die erheblichen Optionspositionen der Musterbeklagten zu 1 solche Überlegungen erkennen. Diese Schlüsse wurden auch gezogen. Im Einzelnen:

 (a) Diese Kapitalmarktkommunikation war nicht deshalb sittenwidrig, weil die Musterbeklagte zu 1 eine übergreifende Kommunikationsstrategie verfolgte.

Diese Kommunikationsstrategie soll nach Auffassung der Musterklägerin und der Beigeladenen die Beherrschungsabsicht der Musterbeklagten zu 1 verschleiert haben. Nach dem Vortrag der beigeladenen H. GmbH soll diese Strategie bereits seit dem Jahr 2006 vorgesehen haben, bis zur vollständigen Umsetzung des Übernahmeplans mit Beherrschungsabsicht sämtliche Fragen der Öffentlichkeit nach einem weiteren Beteiligungsaufbau zurückzuweisen und unter zusätzlicher Verwendung der Wörter „gegenwärtig“, „derzeit“ oder „zur Zeit“ die aktuellen Übernahmeabsichten zu verschleiern; Fragen zu der Übernahmeabsicht sollten als „bloße Spekulation abgetan werden“.

Tatsächlich erfolgte die Kommunikation regelmäßig dergestalt, dass die Musterbeklagte zu 1 – für Kapitalmarktteilnehmer erkennbar – nur auf bestimmte Aspekte einging und über weitergehende Pläne und Überlegungen zum weiteren Beteiligungsaufbau im Rahmen des rechtlich Zulässigen keine nähere Auskunft gab.

Auch die von der Musterklägerin konkret beanstandeten Informationen bezogen sich im Wesentlichen – teilweise ausdrücklich – nur auf die von Vorstand bzw. Aufsichtsrat beschlossenen konkreten nächsten Schritte. Sie enthielten keine bestimmten Aussagen zu darüber hinausgehenden Zielen, Plänen und Absichten der Musterbeklagten zu 1. Soweit sie sich daneben – etwa in Reaktion auf entsprechende Gerüchte – auch auf solche weitergehenden Absichten bezogen, dementierten sie diese nicht eindeutig, sondern waren für verständige Kapitalmarktteilnehmer ersichtlich gezielt nicht abschließend formuliert.

Diese Mitteilungen verneinten Überlegungen betreffend einen weitergehenden Beteiligungsaufbau und dessen Absicherung erkennbar gerade nicht klar. Die eine Übernahmeabsicht dementierende Mitteilung vom 10. März 2008 (Anlage MK 10) war zumindest nach der Überschrift nur auf einen vorangegangenen Aufsichtsratsbeschluss bezogen. Nach dem Bericht vom 23. Juli 2008 wollte sich ein Sprecher gerade nicht zu weiteren Aufstockungsplänen äußern und erklärte, „heute“ über die Mehrheit zu reden (Anlage MK 42). Die behauptete, in einem Bericht vom 18. September 2008 wiedergegebene Äußerung eines Sprechers der Musterbeklagten zu 1 betreffend einen Beherrschungsvertrag ging zwar dahin, dieser sei „völlig unrealistisch“, war zugleich aber dahin eingeschränkt, ein solcher stehe „derzeit“ nicht zur Debatte (Anlage MK 43). Der Vorstandsvorsitzende Dr. W. bezeichnete Anfang Oktober 2008 die Option auf eine Beteiligung von 75 % zwar als „rein theoretische Möglichkeit“, erklärte aber ausdrücklich, sich diese offenhalten (Anlage MK 44) bzw. sie langfristig nicht ausschließen zu wollen (Anlage MK 45).

Verständige Kapitalmarktteilnehmer konnten gerade durch diese Kommunikationstechnik erkennen, dass die Musterbeklagte zu 1 in diesem Zusammenhang nicht „alle Karten auf den Tisch legte“. Klare Dementi hätte die Musterbeklagte zu 1 ersichtlich jeweils einfacher und eindeutiger zum Ausdruck bringen können. Schon deshalb waren die Kapitalmarktinformationen auch insoweit nicht (grob) irreführend.

Auch vor dem Hintergrund der vorangegangenen Kapitalmarktinformationen der Musterbeklagten zu 1 (vgl. dazu im Folgenden, Rn. 178 ff.), die es zumindest als möglich erscheinen ließen, dass die Musterbeklagte zu 1 weitergehende Überlegungen anstellte, die über die jeweils kommunizierten Zwischenschritte hinausgingen, und vor dem Hintergrund des entsprechenden Verständnisses dieser Informationen durch den Kapitalmarkt erweckten diese Aussagen nicht den Eindruck, dass solche weitergehenden Pläne und Absichten ausgeschlossen werden sollten. Sie waren damit auch in dieser Gesamtschau jedenfalls nicht grob irreführend.

(b) Verständigen Kapitalmarktteilnehmern war bekannt, dass die Musterbeklagte zu 1 schon vor März 2008 Pläne betreffend eine Beteiligungsaufstockung verfolgt hatte, die über die jeweils konkret kommunizierten Beteiligungsziele hinausgingen und die durch Aktienoptionen abgesichert waren. Die streitgegenständlichen Kapitalmarktinformationen fügten sich in das schon in der Vergangenheit erkennbare Kommunikationsschema ein. Sie ließen auch in dieser Gesamtschau erkennen, dass über die kommunizierten Schritte hinausgehende Ziele nicht ausgeschlossen waren.

(aa) Unter anderem aufgrund der Mitteilungen der Musterbeklagten zu 1 vom 24. März 2007, vom 3. und 30. April 2007 sowie vom 4. Juni 2007 (Anlagen MBPor 64 - 68) war bekannt, dass die Musterbeklagte zu 1 einen Anteil von rund 31 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 hielt. In der zeitgleich mit der Ad-hoc-Mitteilung vom 3. März 2008 veröffentlichten Pressemitteilung (Anlage MBPor 70) wies die Musterbeklagte zu 1 ferner darauf hin, dass ein Anteilserwerb weiterer 20 % bei dem damaligen Börsenkurs von rund 150 € je Stammaktie ein Investment von knapp 10 Mrd. € bedeuten würde.

Diese insoweit umgesetzten Pläne hatte die Musterbeklagte zu 1 im Vorfeld erkennbar nur eingeschränkt kommuniziert. Schon mit Pressemitteilung vom 20. Oktober 2005 (Anlage MBPor 105) hatte sie einen Bericht dementiert, ihre Beteiligung auf 24,9 % aufstocken zu wollen, und dies dahin näher ausgeführt, zitierte angebliche Äußerungen nicht getätigt zu haben. Am 6. März 2007 hatte der Vorstandsvorsitzende Dr. W. erklärt, es gäbe „zur Zeit“ keine Pläne, die über eine 29,9%ige Beteiligung hinausgingen (Anlage B-H. 4, Bl. 1655). Bereits am 24. März 2007 hatte sie demgegenüber die beabsichtigte Überschreitung der Kontrollschwelle von 30 % ad hoc mitgeteilt; es stünde „gegenwärtig noch nicht fest, (...) ob, wann und zu welchen Konditionen“ weitere Zukäufe erfolgten (MBPor 64 f.; vgl. auch MBPor 158). Nach einem Pressebericht vom 26. März 2007 im manager magazin online (Anlage B-H. 5, Bl. 1656) werde eine Übernahme „derzeit“ aber nicht angestrebt. In diesem Bericht wurde ausdrücklich herausgestellt, dass die Musterbeklagte zu 1 bereits im September 2005 betont hatte, „auf keinen Fall“ die Schwelle von 30 % erreichen zu wollen.

Nach verschiedenen Presseberichten Anfang September 2007 hatte die Musterbeklagte zu 1 erklärt, es gebe keine Entscheidung des Aufsichtsrats, auf „über 31 % zu gehen“. Zugleich wurde der Finanzvorstand H. mit der Aussage zitiert, „man habe sich natürlich Optionen auf VW-Aktien gesichert, um diese dann eines Tages gegebenenfalls ausüben zu können“ (div. Presseberichte in Anlagenkonvolut MBPor 109). Dem Kapitalmarkt war damit bekannt, dass es nicht nur allgemeine Überlegungen gab, die auf eine Beteiligungsaufstockung über die ausdrücklich kommunizierten Beteiligungsschwellen hinaus abzielten, sondern dass die Musterbeklagte zu 1 diese nicht näher dargestellten Pläne auch bereits konkret durch Optionsgeschäfte abgesichert hatte. Dabei war für den Kapitalmarkt auch erkennbar, dass diese Optionsgeschäfte einen erheblich über die bis dahin kommunizierte Beteiligungsgröße hinausgehenden Beteiligungsaufbau absichern sollten, weil der nächste strategische Schritt eine Mehrheitsbeteiligung war. So analysierte die Main Bank AG am 1. Oktober 2007, die Musterbeklagte zu 1 habe zwischen den Zeilen klar zum Ausdruck gebracht, ihre Beteiligung bald auf über 50 % erhöhen zu können, und ging von dem letztendlichen Ziel einer Beteiligung von 75 % und dem Abschluss eines Beherrschungsvertrages aus (in Anlagenkonvolut MBPor 139). Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete am 14. November 2007 (in Anlagenkonvolut MBPor 109) darüber, dass durch die Optionen die nötigen Aktien für die „Mehrheit bei VW“ gesichert wurden. Nach dem Bericht der Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 14. November 2007 (in Anlagenkonvolut MBPor 109) erwartete der Kapitalmarkt damals eine Mehrheitsbeteiligung.

Darüber hinaus hatte die Musterbeklagte zu 1 sowohl in ihrem Geschäftsbericht für das Geschäftsjahr 2006/2007 (Anlage MBPor 106) als auch mit Halbjahresfinanzbericht zum 31. Januar 2008 (Anlage MBPor 107) mitgeteilt, dass sie zur Absicherung der Aufstockung ihres Anteils an der Musterbeklagten zu 2 Kurssicherungsgeschäfte in Form von Aktienoptionen mit Barausgleich abgeschlossen und darüber hinaus Aktienoptionen mit verschiedenen Basiswerten zur Liquiditätsbeschaffung eingesetzt habe. Dass es sich dabei um Aktienoptionen mit einem großen Umfang handelte, ergab sich schon daraus, dass diese mit 10,5 Mrd. € aktiviert und mit 13,5 Mrd. € passiviert waren, auch wenn diesen Bilanzansätzen für sich genommen nicht entnommen werden kann, dass sie allein Optionen betrafen, die sich auf Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 bezogen (vgl. insoweit auch etwa die hierauf bezogene Analyse der Privatsachverständigen M. vom 31. August 2012, Anlage B-H. 3, Bl. 1611 ff. d.A., S. 6 ff., 17 ff., 29 ff.; vgl. näher auch Rn. 474 ff.). Wenn der Finanzvorstand H. demgegenüber in dem Pressebericht der Financial Times Deutschland vom 3. September 2007 (in Anlagenkonvolut MBPor 109) dahin zitiert wird, die Musterbeklagte zu 1 habe sich „einige Optionen gesichert“, war dies eine für den verständigen Kapitalmarktteilnehmer erkennbare Untertreibung, die nicht geeignet war, ein Fehlverständnis herbeizuführen.

Im Anschluss an die Ziehung der Kreditlinie über 10 Mrd. € am 20. Februar 2008 hat die Musterbeklagte zwar in einer Pressemitteilung ausgeführt, die Kreditmittel kurzfristig zinsbringend anlegen zu werden (dazu u.a. Vortrag RA B. im Verhandlungstermin am 28. Mai 2019; wiedergegeben in Anlage MK 136, S. 11 sowie im Verhandlungstermin am 25. Juni 2019; wiedergegeben in Anlage MK 138, S. 25; s. auch Bl. 11745). Auch diese damalige, für sich genommen möglicherweise irreführende Mitteilung führt nicht dazu, dass die hier streitgegenständlichen Kapitalmarktmitteilungen fehlerhaft oder irreführend oder sonst in der Gesamtschau sittenwidrig gewesen wären. Für sich genommen wäre diese Angabe zwar möglicherweise geeignet, den Umfang des Optionsaufbaus zu verschleiern, weil sie bei isolierter Betrachtung die Annahme nahe gelegt haben mag, dass die Musterbeklagte zu 1 diese umfangreichen Mittel nicht auch zum Aufbau der Optionspositionen verwenden werde. Dabei kann offen bleiben, ob der genutzte Begriff der zinsbringenden Anlage von verständigen Kapitalmarktteilnehmern als Anlage in verzinsliche Wertpapiere im engeren Sinne und nicht bloß als Synonym für eine gewinnbringende Anlage zu verstehen war. Jedenfalls ist nicht vorgetragen, dass Kapitalmarktteilnehmer diese Mitteilung tatsächlich dahin verstanden hätten, dass diese Mittel nicht für den Aufbau der physischen und synthetischen Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 verwandt worden wären und sie deshalb im Unklaren über den Umfang insbesondere des Aufbaus der Optionspositionen gewesen wären. Aus den vorgelegten Analystenberichten folgt eine derartige Rezeption der Aussage in der Pressemitteilung vom 20. Februar 2008 ebenfalls nicht.

Auch die Zeitschrift FOCUS kam in ihrem Bericht vom 10. März 2008 (Anlage MK 41) zu dem Schluss: „Mit immer neuen Optionen finanziert H. bis heute die Aufstockung der VW-Anteile.“

 (bb) Die Fachpresse berichtete zudem wiederholt gerade auch über diese Kommunikations- und Absicherungsstrategien der Musterbeklagten zu 1 und nahm an, dass die Musterbeklagte zu 1 eine über die jeweils kommunizierten Schritte hinausgehende Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 und ggf. auch den Abschluss eines Beherrschungsvertrages anstrebe.

Soweit Analystenberichte und sonstige Anlagen lediglich in englischer Sprache vorliegen, ist deren Berücksichtigung bei der Entscheidung auch ohne eine von den Parteien beigefügte Übersetzung – hier wie im Folgenden – nicht durch § 184 GVG ausgeschlossen. Das Gericht kann fremdsprachige Schriftstücke verwerten, wenn die mit der Entscheidung befassten Richter der Sprache hinreichend mächtig sind (OLG Celle, Urteil vom 26. Mai 2016 – 13 U 76/15, juris Rn. 49). Dies ist der Fall.

Grundsätzlich befasste sich etwa die Analyse der MainFirst Bank AG vom 1. Oktober 2007 (S. 4, in Anlagenkonvolut MBPor 111) unter der Überschrift, niemand solle von Porsche erwarten, vorzeitig seine nächsten Schritte bekanntzugeben, näher mit dieser Kommunikationsstrategie. Die Betonung liege regelmäßig auf Ausdrücken wie „zur Zeit nicht, im Moment nicht, gegenwärtig nicht“. Diese Aussagen schlössen aber nicht aus, dass die Musterbeklagte zu 1 bereits in naher Zukunft neue Entscheidungen treffe.

In dieser ausführlichen Analyse begründete die MainFirst Bank AG weiter ihre Auffassung, dass es das letztendliche Ziel der Musterbeklagten zu 1 sei, die Beteiligung auf 75 % aufzubauen und einen Beherrschungsvertrag abzuschließen. Es sei davon auszugehen, dass die Musterbeklagte zu 1 sich Aktienkurse durch cash-gesettelte Optionen gesichert habe; einen Großteil dieser Optionen habe sie vermutlich bereits vor Januar 2006 begründet. Auch den Verkauf von Put-Optionen nahm diese Analyse an.

In einer Analyse vom 3. Oktober 2007 (in Anlagenkonvolut MBPor 111, S. 1 f., 3, 7 f.) nahm UBS Ltd. an, dass die Musterbeklagte zu 1 beabsichtige, die Anteile an der Musterbeklagten zu 2 bald auf über 50 % zu erhöhen, und zu diesem Zweck sowohl Call-Optionen gekauft als auch Put-Option verkauft habe. Auch Citi Investment Research ging in einer Analyse vom 23. Oktober 2007 davon aus, dass die Musterbeklagte zu 1 den Erwerb von 75 % der Aktien und den Abschluss eines Beherrschungsvertrages anstrebe und dies durch Optionsgeschäfte abgesichert habe. Die Analyse enthielt auch die Feststellung starker Handelsaktivitäten betreffend „VW-Puts“ (in Anlagenkonvolut MBPor 139).

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung fasste in einem Bericht vom 13. November 2007 zusammen, dass die Musterbeklagte zu 1 vor jeder der in mehreren Schritten erfolgten Erhöhung der „VW-Anteile“ „Optionen auf VW-Aktien“ erworben hatte (zit. nach V.-GA, Anlage MK 37, S. 29 Fn. 7).

Auch darüber hinaus hatte die Presse verschiedentlich darüber berichtet, dass sich die Musterbeklagte zu 1 für zukünftige Anteilsaufstockungen durch Optionen abgesichert habe, zum Teil auch, dass sie daran verdiene, so in der Financial Times Deutschland vom 3. September 2007 und vom 4. März 2008, der Süddeutschen Zeitung vom 3. September 2007, der Stuttgarter Zeitung vom 18. September 2007, der FAZ vom 14. November 2007, der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 14. November 2007 (alle Anlagenkonvolut MBPor 109), der Citigroup vom 4. März 2008 (S. 3, in Anlagenkonvolut MBPor 139) und näher analysiert von Goldman Sachs am 21. April 2008 (S. 8, in Anlagenkonvolut MBPor 138; vgl. im Übrigen auch die Zitate unter Rn. 193, 197, 200 ff., 478).

 (cc) Dass die hier infrage stehenden Kapitalmarktinformationen der Musterbeklagten zu 1 in Analysen oder sonstigen Berichten dahingehend verstanden worden wären, dass eine Beteiligungserhöhung auf über 75 % und der Abschluss eines Beherrschungsvertrages ausgeschlossen wären, entsprechende Planungen nicht existierten oder keine Optionsgeschäfte zur Absicherung einer solchen weiteren Beteiligungserhöhung getätigt worden wären, ist nicht näher dargelegt.

Im Gegenteil hat etwa die Goldman Sachs Group Inc. in einer Analyse vom 15. August 2008 (in Anlagenkonvolut MBPor 128) bei der Bestimmung des Kursziels die Spekulationen um einen weiteren Anteilsausbau berücksichtigt. Eine Analyse von „FOCUS Money“ vom 2. Oktober 2008 (in Anlagenkonvolut MBPor 128) nahm an, dass die Musterbeklagte zu 1 ihren Anteil massiv ausbauen werde, wenn das VW-Gesetz falle; es gebe Gerüchte, dass sie bereits Optionen habe, um auf 75 % aufstocken zu können. Auf weitere entsprechende Analysen wird auch im Folgenden eingegangen.

Diese und die nachgenannten Analysen lassen weiter erkennen, dass der Kapitalmarkt das Kommunikationsverhalten der Musterbeklagten zu 1 auch ausgehend von einer bereits gefassten „konkreten Beherrschungsabsicht“ jedenfalls nicht als verwerflich ansah.

 (dd) Auch im Übrigen bestand für verständige Anleger Grund zu der Annahme, die Musterbeklagte zu 1 strebe als eine Möglichkeit eine Beteiligung von 75 % bzw. 80 % und nachfolgend den Abschluss eines Beherrschungsvertrages an.

 (aaa) Es war bekannt, dass zur Finanzierung des Vorhabens der Musterbeklagten zu 1 u.a. die Kreditlinie von insgesamt 10 Mrd. € zur Verfügung stand (vgl. nur Bericht im Handelsblatt vom 4. März 2008, Anlage MBPor 72 a.E.).

 (bbb) Der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages war für die Musterbeklagte zu 1 schon zur Refinanzierung ihrer Investitionen von erheblicher Bedeutung. Analysten von Goldman Sachs Global Investment Research äußerten am 21. April 2008 die Einschätzung, der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages sei der einzige wirtschaftlich nachvollziehbare Grund, der schon das ursprüngliche Investment der Musterbeklagten zu 1 in die Musterbeklagte zu 2 rechtfertigen könne (S. 10, in Anlagenkonvolut MBPor 138). Zu der wirtschaftlichen Bedeutung eines solchen Schritts äußerten sich zuvor bereits Analysten von JPMorgan in einer Analyse vom 12. März 2008 (S. 3 f., in Anlagenkonvolut MBPor 138) und von M.M. Warburg & Co. in einer Analyse vom 10. April 2008 (S.3, in Anlagenkonvolut MBPor 138).

 (ccc) Die Musterbeklagte zu 1 unternahm Anstrengungen, auch im Wege von Lobbytätigkeit eine Aufhebung u.a. der im VW-Gesetz enthaltenen Regelung zur Sperrminorität zu erreichen. Gleichfalls versuchte sie, eine Änderung der Satzung der Musterbeklagten zu 2 u.a. in diesem Punkt zu erreichen. Nachdem ein entsprechender Ergänzungsantrag zur Hauptversammlung, der Gegenstand ihrer Pressemitteilung vom 14. März 2008 (Anlage MBPor 78 = MBPor 123) war, keinen Erfolg hatte, versuchte sie, ihr Anliegen im Klagewege durchzusetzen. Diese Klage war letztlich erfolglos; ein Urteil erging allerdings erst nach dem hier streitgegenständlichen Zeitraum (LG Hannover, Urteil vom 27. November 2008 – 21 O 61/08, juris). Diese Bemühungen der Musterbeklagten zu 1 ließen es zumindest als naheliegend erscheinen, dass sie für den Fall des Erwerbs einer 75%igen Beteiligung die Voraussetzungen dafür schaffen wollte, Entscheidungen, die grundsätzlich der Regelung betreffend die Sperrminorität unterfielen, auch gegen den Willen des Landes Niedersachsen durchzusetzen, wie insbesondere den Abschluss eines Beherrschungsvertrages.

Bereits in der Pressemitteilung vom 24. März 2007 über die beabsichtigte Aufstockung auf bis zu 31 % (MBPor 65) hatte die Musterbeklagte zu 1 als einen Hintergrund für diese Aufstockung auf über 30 % den erwarteten Fall des VW-Gesetzes bezeichnet.

Diese Anstrengungen der Musterbeklagten zu 1 waren verständigen Kapitalmarktteilnehmern bekannt. Sie waren Gegenstand sowohl verschiedener Pressemitteilungen der Musterbeklagten zu 1 als auch verschiedener sonstiger Presseberichte und Analysen, in denen sie teilweise ausdrücklich in einen Zusammenhang mit der Annahme gestellt wurden, die Musterbeklagte zu 1 arbeite auf den Abschluss eines Beherrschungsvertrages hin.

In einem Pressebericht vom 10. März 2008 stellte die Zeitschrift Focus im Zusammenhang mit der angenommenen Absicht einer Beteiligungsaufstockung auf 75 % heraus, dass u.a. die Sperrminorität des Landes Niedersachsen die „Machtpläne“ der Musterbeklagten zu 1 beeinträchtige, letztere aber im Kampf um das VW-Gesetz auf Hilfe aus Brüssel hoffen könne (Anlage MK 41, S. 3 f.). Die Independent Research GmbH analysierte unter dem 28. Mai 2008, die Musterbeklagte zu 1 wolle sich scheinbar vor einer weiteren Anteilsaufstockung mehr Klarheit verschaffen; „sollte die Sperrminorität von 20 % doch EU-gesetzeskonform sein, hätte Porsche nicht die gewünschten unternehmerischen Entscheidungsbefugnisse bei Volkswagen“ (in Anlagenkonvolut MBPor 128). Das Manager Magazin analysierte am 23. Juli 2008: „Das jüngst novellierte VW-Gesetz sichert dem Land mit diesem Anteil eine Sperrminorität zu, die nach dem deutschen Aktienrecht üblicherweise ein Viertel der Stimmrechte erfordert. Porsche läuft gegen dieses Sonderrecht des Landes Sturm, (...). Mit der Sperrminorität kann Niedersachsen derzeit verhindern, dass Porsche wichtige Unternehmensentscheidungen wie die Schließung eines Werks oder einen Gewinnabführungsvertrag verlangen könnte. (...)“ (Anlage MK 42). Ein Bericht der Wirtschaftswoche vom 12. September 2008 hatte entsprechende Bemühungen der Musterbeklagten zu 1 zum Gegenstand und zitierte den Vorsitzenden der IG-Metall dahingehend, die Musterbeklagte zu 1 wolle das VW-Gesetz kippen, um einen Beherrschungsvertrages abschließen zu können (Anlage MBPor 86). Spiegel-online berichtete am 18. September 2008 über Erwägungen der Musterbeklagten zu 1 betreffend den Abschluss eines Beherrschungsvertrages und betrachtete gerade den Umstand, dass sie sich „so vehement“ gegen eine Novelle des VW-Gesetzes wehre, die nach wie vor eine entsprechende Regelung zur Sperrminorität enthalten sollte, als Indiz für entsprechende Absichten (Anlage MK 43). Eine Analyse des Anlegermagazins „FOCUS Money“ vom 2. Oktober 2008 äußerte die Annahme, die Musterbeklagte zu 1 werde ihre Anteile massiv ausbauen, wenn das VW-Gesetz falle (in Anlagenkonvolut MBPor 128). In einem am 6. Oktober 2008 veröffentlichten Interview mit der FAZ (Anlage MK 45) äußerte der Vorstandsvorsitzende der Musterbeklagten zu 1 Dr. W., gemeinsam mit der EU-Kommission gegen das VW-Gesetz zu kämpfen und zu erwarten, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis es falle (weitere Berichte im Manager Magazin vom 23. Mai 2008 [Anlage MBPor 97], Analyse der SeeNews Germany vom 18. Juni 2008 [in Anlagenkonvolut MBPor 81]).

 (ddd) Im Übrigen hatten verständige Anleger jedenfalls Anhaltspunkte für einen nachhaltigen Nachfrageüberhang nach Stammaktien der Musterbeklagten zu 2. Die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtete am 18. September 2008 im Zusammenhang mit der Überlegung, ob die Musterbeklagte zu 1 einen Beherrschungsvertrag anstrebe, dass an der Börse „jede freie VW-Aktie schnell einen Käufer“ finde (Anlage MBPor 154, Bl. 2676). Auch die von der Musterklägerin vorgetragene fundamentale Überbewertung der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 spätestens seit Anfang 2008 ließ den Rückschluss auf eine damit im Zusammenhang stehende erhebliche Nachfrage als naheliegende Erklärung zu. In Zusammenschau mit den dem Markt zumindest dem Grunde nach bekannten Kurssicherungsgeschäften durch cash-gesettelte Aktienoptionen und entsprechenden physischen Hedging-Geschäften stellt dies ebenfalls ein Indiz für eine erhebliche Nachfrage zumindest auch im Zusammenhang mit Kurssicherungsgeschäften der Musterbeklagten zu 1 dar.

 (c) Die einzelnen Mitteilungen waren entgegen der Auffassung der Musterklägerin und der Beigeladenen auch nicht deshalb unrichtig oder irreführend, weil die kommunizierten Organbeschlüsse nur zum Schein gefasst worden, die entsprechenden Schritte tatsächlich aber informell längst beschlossen gewesen wären. Soweit die Kapitalmarktinformationen Organbeschlüsse zum Gegenstand hatten, handelte es sich bei diesen nicht um „vermeintliche“ Beschlüsse, die tatsächlich aufgrund längst informell gefasster Beschlüsse obsolet gewesen wären. Diese Auffassung verkennt den Unterschied zwischen den auf ein letztendliches Ziel gerichteten Plänen, die bereits frühzeitig gefasst worden sein mögen, und den zur Realisierung dieses Ziels notwendigen, beschlossenen und umgesetzten Zwischenschritten.

Die Musterbeklagte zu 1 hatte zwar nach dem Vortrag der Musterklägerin und der Beigeladenen die konkrete Absicht, die Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 auf über 75 % bzw. auf über 80 % aufzustocken und einen Beherrschungsvertrag zu schließen. Diese Absicht war aber nur in Zwischenschritten zu realisieren, die auch nach dem klägerischen Vortrag gerade in zeitlicher Hinsicht von äußeren Umständen abhingen.

 (aa) Die Umsetzung des vorgetragenen Übernahmeplanes hing von äußeren Rahmenbedingungen ab. Diese ließen eine sofortige oder auch nur in zeitlicher Hinsicht klar festzulegende Umsetzung bis auf Weiteres nicht zu. Es war auch zu keinem Zeitpunkt sicher, dass sich dies ändern würde. Schon deshalb kann auch der Vortrag der Musterklägerin, eine Beteiligungsaufstockung auf über 75 % und der Abschluss eines Beherrschungsvertrages sei von den maßgeblich handelnden Personen als alternativlos angesehen worden, nicht dahin verstanden werden, dass die Möglichkeit, diese Zielsetzungen zu überdenken und gegebenenfalls zu korrigieren, ausgeschlossen worden sei, was auch lebensfremd gewesen wäre.

 (aaa) Die Musterklägerin trägt zwar vor, die Finanzierung einer Anteilsaufstockung auf über 75 % wäre im Jahr 2008 – bis zur Bankenkrise im Herbst des dortigen Jahres – gesichert gewesen, wenn die bestehende Kreditlinie von insgesamt 10 Mrd. € gezogen und zudem eine Anleiheemission mit einem Volumen von ca. 7 Mrd. € vorgenommen worden wäre. Im Juli 2008 habe ein Bankenkonsortium die Machbarkeit der Übernahme bestätigt und ihre Finanzierung grundsätzlich zugesagt; bereits im Dezember 2007 habe L. die Finanzierung schriftlich zugesagt (Vortrag RA T. im Verhandlungstermin am 9. April 2019; wiedergegeben in Anlage MK 135, S. 15).

Gleichzeitig trägt die Musterklägerin aber vor, dass Finanzierungskonditionen im Hinblick auf eine weitere Kreditgewährung für die Anteilsaufstockung erst bei einem sog. Kick-Off-Meeting am 22. September 2008 mit verschiedenen Banken hätten festgelegt werden sollen. Den Großteil der sich ursprünglich auf 35 Mrd. € belaufenden Kreditlinie habe die Musterbeklagte zu 1 zuvor noch zurückgegeben.

 (bbb) Eine solche Beteiligungsaufstockung erforderte zudem aufsichtsbehördliche und kartellrechtliche Genehmigungen. Die Genehmigungen für eine Aufstockung auf über 50 % lagen jedenfalls selbst im September 2008 noch nicht vor.

 (ccc) Darüber hinaus setzte insbesondere der Abschluss eines Beherrschungsvertrages eine Aufhebung oder wesentliche Änderung des VW-Gesetzes oder jedenfalls die Feststellung der Europarechtswidrigkeit der dort geregelten Sperrminorität oder eine – nicht abzusehende – Änderung der Haltung des Landes Niedersachsen hierzu voraus. Der europäische Gerichtshof erklärte zwar in einem Urteil vom 23. Oktober 2007 das Zusammenspiel des damals geltenden 20%igen Höchststimmrechts und der 20%igen Sperrminorität für europarechtswidrig (Urteil vom 23. Oktober 2007 – C-112/05, juris). Umstritten war in der Folgezeit aber, ob die Regelung betreffend die Sperrminorität auch für sich genommen gegen Europarecht verstieß. Nach dem in Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs eingebrachten Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 25. September 2008 (BT-Drs. 16/10389) sollte die 20%ige Sperrminorität weiter gelten. Dies war bereits Gegenstand der am 16. Januar 2008 vorgestellten Eckpunkte des Bundesjustizministeriums für die Gesetzesnovelle (vgl. Anlage MB VW 6).

Selbst wenn die maßgeblichen Personen nach dem Vortrag der Musterklägerin davon ausgegangen sein mögen, dass diese Regelung – auch unter Berücksichtigung eines möglichen weiteren Vertragsverletzungsverfahrens – nicht zu halten sein werde, ist ihr Vortrag nicht dahin zu verstehen, dass deren Absicht dahin gegangen wäre, eine entsprechende Beteiligungsaufstockung ohne Wenn und Aber ohne Berücksichtigung dieser äußeren Rahmenbedingungen vorzunehmen, oder dass sie gar unter Verkennung dieser Rahmenbedingungen in jedem Fall angenommen hätten, einen Beherrschungsvertrag abschließen zu können.

Noch weitergehender formulieren die E.-Beigeladenen etwa im Schriftsatz vom 4. Oktober 2021 (S. 3), die für die Musterbeklagte zu 1 handelnden Personen seien nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs davon ausgegangen, dass sowohl die im VW-Gesetz als auch die in der Satzung der Musterbeklagten zu 2 enthaltenen Regelungen zur Sperrminorität bereits „unmittelbar“ nicht anwendbar seien. Auch dieser Vortrag ist aber nur dahin zu verstehen, dass es sich hierbei um den von der Musterbeklagten zu 1 vertretenen Rechtsstandpunkt gehandelt habe. Schon aus dem von den E.-Beigeladenen dort in Bezug genommenen weiteren Vortrag der Musterklägerin ergibt sich, dass der Musterbeklagten zu 1 bekannt war, dass dieser Standpunkt u.a. von der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Niedersachsen nicht geteilt wurde. Deutlich wird diese – auch nach dem Vortrag der Musterklägerin und der Beigeladenen – von der Musterbeklagten zu 1 berücksichtigte Unsicherheit auch aus dem weiteren Vortrag der Musterklägerin und der Beigeladenen: Zur Durchsetzung der „fundamentalen These der vollständigen Europarechtswidrigkeit“ und zur Umsetzung im Rahmen der Novellierung des VW-Gesetzes habe die Musterbeklagte zu 1 „an allen Fronten“ gekämpft; der Widerstand Niedersachsens habe „gebrochen“ werden sollen (Vortrag RA B. im Verhandlungstermin am 25. Juni 2019; wiedergegeben in Anlage MK 138, S. 15, 17). Der anwaltliche Berater Dr. B. habe der Musterbeklagten zu 1 zu Alternativplanungen für den Fall geraten, dass sie nicht die erforderliche Mehrheit erlangen könne (E-Mail vom 28. Februar 2008, zitiert im Vortrag von RA B. im Verhandlungstermin am 25. Juni 2019; wiedergegeben in Anlage MK 138, S. 16).

 (bb) Hätte die Musterbeklagte zu 1 trotz dieser Abhängigkeit der Umsetzung der behaupteten Übernahmeabsicht von äußeren Umständen kommuniziert, dass sie „in jedem Fall“ einen Beherrschungsvertrag mit der Musterbeklagten zu 2 abschließen werde, wäre gerade dies grob unrichtig und irreführend gewesen, weil es den Eindruck erweckt hätte, dass sie hierzu unabhängig von der weiteren Entwicklung der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen in der Lage sein werde.

 (cc) Die Musterbeklagte zu 1 hatte sich auch nicht informell dahingehend festgelegt, in jedem Fall – also ohne Wenn und Aber und unabhängig von der Entwicklung äußerer Rahmenbedingungen und in einem zeitlich klar abgesteckten Rahmen – ihre Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 auf über 75 % aufzustocken und einen Beherrschungsvertrag abzuschließen. Auch nach dem Vortrag der Musterklägerin hat sie eine derartige Absicht nicht gefasst, die letztlich wirtschaftlich unsinnig gewesen wäre.

Der von der Musterklägerin regelmäßig verwandte Begriff der „konkreten Beherrschungsabsicht“ ist ausfüllungsbedürftig und wird von der Musterklägerin auch teilweise durch die Formulierung des Feststellungsziels II.1. und im Übrigen insbesondere in der Begründung der Musterklage ausgefüllt. Sie versteht den Begriff der Absicht als zielgerichtetes Streben der Vorstände der Musterbeklagten zu 1, die durch Festlegungen des Gesellschafterausschusses gebunden gewesen seien, ohne dass dies zwingend einen förmlichen Beschluss vorausgesetzt hätte. Die Beherrschungsabsicht sei demgemäß das zielgerichtete Streben nach dem Abschluss eines Beherrschungsvertrags und einer Aufstockung der Beteiligung auf über 75 %. Diese Absicht habe, so die Musterklägerin, bereits seit dem 15. Juli 2005, spätestens aber Anfang März 2008 vorgelegen.

Dabei differenziert die Musterklägerin selbst zutreffend zwischen der auf das letztendliche Ziel des Abschlusses eines Beherrschungsvertrags gerichteten Absicht und der Umsetzung in einzelnen Zwischenschritten, indem sie den Begriff der „konkreten Beherrschungsabsicht“ in der Musterklagebegründung dahin definiert, dass er kumulativ sowohl die Übernahmeabsicht als auch den Beginn der konkreten Umsetzung der Anteilsaufstockung umfasst. Eine darüber hinausgehende Festlegung auf die Erreichung dieses Ziels zu einem bestimmten Zeitpunkt oder auch nur darauf, dieses Ziel auf jeden Fall ohne Rücksicht auf mögliche entgegenstehende Umstände zu erreichen, haben die Musterklägerin und die Beigeladenen demgegenüber nicht behauptet, auch wenn einzelner Tatsachenvortrag für sich genommen in diese Richtung gehend verstanden werden könnte.

Auch die beigeladene H. GmbH versteht die behauptete konkrete Beherrschungsabsicht als „Agenda“, welche bestimmte Zwischenstufen vorsehe, und unter anderem auch verschiedene gesondert zu treffende Gremienentscheidungen zur Anteilsaufstockung und die Umsetzung dieser Entscheidungen erfordere; sie differenziert damit wie die Musterklägerin zwischen der auf das letztendliche Ziel gerichteten Beherrschungsabsicht und notwendigen Zwischenschritten, die – wie insbesondere einzelne Anteilsaufstockungen – jeweils gesonderte Entscheidung des Vorstands und Aufsichtsrats erfordern. Auch die sog. E.-Beigeladenen heben die Abhängigkeit der Umsetzung der Beherrschungsabsicht etwa in ihrem Schriftsatz vom 28. April 2022 (Rn. 17 ff.) hervor.

Im Einzelnen ergibt sich aus folgenden Gesichtspunkten, dass bereits nach dem Vortrag der Musterklägerin und der Beigeladenen nicht von einer Festlegung der Musterbeklagten zu 1 auf den Abschluss eines Beherrschungsvertrags auf jeden Fall und ohne Rücksicht auf mögliche entgegenstehende Umstände auszugehen ist:

 (aaa) Die Musterklägerin trägt vor, bereits auf einer Sitzung des Gesellschafterausschusses am 15. Juli 2005 hätten die Gesellschafter auf der Basis einer umfangreichen Stellungnahme von L. und F. verschiedene Beteiligungsszenarien diskutiert und eine „Gesamtübernahme“ der Musterbeklagten zu 2 befürwortet. Hierdurch hätten sie den Organen der Musterbeklagten zu 1 verbindlich die Zielsetzungen für einen Erwerb von (damals) mehr als 80 % der Stammaktien vorgegeben. Diesen Beschluss bezeichnet die Musterklägerin verschiedentlich als Grundsatzentscheidung oder Grundsatzbeschluss. Hierdurch wurde aber nur das letztendliche Ziel definiert, ohne festzulegen, wie, wann, mit welchen Zwischenschritten und in welchen Abhängigkeiten von äußeren Rahmenbedingungen es erreicht werden sollte.

Am 7. und 12. März 2007 hätten die Familienaktionäre beschlossen, die 30 %-Schwelle zu überschreiten und mittel- bis langfristig eine Mehrheit von mehr als 50 % anzustreben; selbst einen Erwerb von 100 % der Anteile hätten sie nicht ausgeschlossen. Dies verdeutlicht eine jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt noch bestehende Offenheit hinsichtlich des letztlich zu realisierenden Beteiligungsziels und insbesondere hinsichtlich der konkreten Umsetzung.

Am 11. Februar 2008 habe der Gesellschafterausschuss verschiedene Beteiligungsszenarien diskutiert und anschließend klargestellt, dass allein der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages die bereits getätigten Investitionen rechtfertigen und die beschlossenen Ziele realisieren könne. Konkrete Schritte wurden auch hier aber nicht beschlossen.

Noch am 2. Juli 2008 seien bei einem Familientreffen Chancen und Risiken verschiedener dargestellter Szenarien diskutiert worden und es sei den Vorständen eine Freigabe für „alle dargestellten Handlungsoptionen, d. h. insbesondere auch hinsichtlich eines Überschreitens der 75 %-Beteiligungsschwelle und der Verfolgung eines Beherrschungsvertrages“ erteilt worden. Anschließend habe ein detaillierter Arbeitsplan für die weitere Aufstockung der Beteiligung erstellt werden sollen. Auch hier gab es mithin keine konkreteren Festlegungen.

Am 18. Juli 2008 habe der Gesellschafterausschuss förmlich beschlossen, dass der Aufsichtsrat den Vorstand der Musterbeklagten zu 1 ermächtigen solle, die Beteiligung auf über 75 % hinaus zu erhöhen und die notwendigen Finanzierungsmaßnahmen zu ergreifen, was entsprechend am 23. Juli 2008 erfolgte. Auch hier wurde nur das letztendliche Ziel gebilligt bzw. festgelegt oder bestätigt, ohne aber konkrete Schritte zu dessen Verwirklichung zu beschließen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der behaupteten Zusage von Prof. Dr. P., als Leiter der Hauptversammlung der Musterbeklagten zu 2 bei einer Abstimmung über einen Beherrschungsvertrag von einem Quorum von 75 % auszugehen. Eine solche Abstimmung lag ohnehin noch in ferner Zukunft; sie setzte zumindest den vorherigen Erwerb einer Beteiligung von 75 % voraus.

Die Musterklägerin trägt weiter vor, es seien anschließend am 25. August 2008 mit Anwälten der Kanzlei F. pp. weitere Schritte zum Abschluss eines Beherrschungsvertrages erörtert worden. Dabei geht auch die Musterklägerin nicht davon aus, dass der Zeitpunkt einer abschließenden Umsetzung der Beherrschungsabsicht für die maßgeblich beteiligten Personen festgestanden hätte. Vielmehr sei etwa in dem Projekt „Alternative Blitz“ im August/September 2008 erwogen worden, das Beteiligungsziel von 75 % blitzartig bereits im November 2008 zu erreichen, ohne dieses Projekt abschließend weiterzuverfolgen. Die sog. Pfinztalrunde habe einen weniger ambitionierten Zeitplan verfolgt. Die Überlegungen der Musterbeklagten zu 1 hätten sich auch auf einen Abschluss des angestrebten Beteiligungsaufbaus im 1. Halbjahr 2009 und – bedingt durch Finanzierungsschwierigkeiten – später auf einen Abschluss im 2. Halbjahr 2009 bezogen. Die Liquiditätsplanung der Musterbeklagten zu 1 sei zumindest Mitte des Jahres 2008 vom Zustandekommen eines Beherrschungsvertrages im Geschäftsjahr 2009/2010 ausgegangen.

 (bbb) Nach der Behauptung der Musterklägerin sollen Beschlüsse der Gremien der Musterbeklagten zu 1 zwar nicht notwendig schriftlich getroffen worden sein. Selbst wenn der Gesellschafterausschuss aber mündlich weitergehende Entscheidungen getroffen hätte – die die Musterklägerin und die Beigeladenen jedoch schon nicht näher darlegen –, hätten diese ersichtlich nicht zu einer Bindung der Organe der Musterbeklagten zu 1 geführt, die Beteiligung unabhängig von der weiteren Entwicklung auf 75 % oder 80 % aufzustocken.

Soweit nach der Behauptung u.a. der Musterklägerin Entscheidungen des Gesellschafterausschusses den Vorstand faktisch gebunden haben sollen – eine rechtliche Bindung existierte ersichtlich nicht –, konnte diese Bindung schon angesichts der dargestellten Unwägbarkeiten hinsichtlich des Vorliegens der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Umsetzung des Vorhabens und dessen zeitlichen Fortgangs naheliegend allenfalls dahingehend bestanden haben, mit allen Kräften das Ziel einer Beteiligungsaufstockung auf über 75 % und des Abschlusses eines Beherrschungsvertrages zu erreichen und etwaige Widerstände auf dem Weg dorthin zu überwinden, nicht aber, dieses Ziel auch tatsächlich zu einem bestimmten Zeitpunkt oder auch nur überhaupt auf jeden Fall zu erreichen. Entsprechend bezieht sich die Musterklägerin in diesem Zusammenhang auch auf ein Schreiben der damaligen Vorstände der Musterbeklagten zu 1 vom 7. Oktober 2008 an Dr. W. Po. (Musterklagebegründung Rn. 609), in dem diese ausführten, Gesellschafter, Aufsichtsrat und Vorstand seien sich einig, so schnell wie möglich einen Beherrschungsvertrag erreichen zu müssen. Dazu seien verschiedene Wege diskutiert und beschrieben worden, hier seien sie bereits unterwegs. Eine konkretere Festlegung war hiernach auch zu diesem verhältnismäßig späten Zeitpunkt noch nicht erfolgt.

Auch der von der Musterklägerin behauptete spätestens am 3. März 2008 mündlich gefasste und nicht dokumentierte Beschluss des Vorstands der Musterbeklagten zu 1, die Beteiligung auf über 75 % aufzustocken und einen Beherrschungsvertrag abzuschließen, hätte ersichtlich keinen weitergehenden Inhalt als die vorstehend dargestellte Festlegung dieses Ziels gehabt. Insbesondere ist dem Vortrag der Musterklägerin und der Beigeladenen nicht zu entnehmen, dass der behauptete mündliche Beschluss des Vorstands konkretere Einzelheiten zur Art und zum Zeitpunkt der Umsetzung oder gar eine Bindung dahingehend beinhaltet hätte, die „Beherrschungsabsicht“ unbedingt ohne Rücksicht auf möglicherweise entgegenstehende Umstände durchzusetzen. Nichts Anderes ergibt sich vor dem Hintergrund, dass der Vorstand dem Gesellschafterausschuss am 18. Juli 2008 erläutert habe, die Liquiditätsplanung gehe von einem Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages im Jahr 2010 aus. Auch dies bestätigt lediglich entsprechende Planungen, nicht aber eine bindende Festlegung.

Dass die Musterbeklagte zu 1 nach der Behauptung der Musterklägerin keine konkreten Alternativplanungen zu dem Szenario des letztlichen Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages hatte – minimalistische Alternativplanungen seien lediglich aus Gründen rechtlicher Vorsicht erfolgt –, zeigt allenfalls, wie auch beispielsweise im Schriftsatz vom 30. August 2019 (Seite 6) formuliert, dass die Musterbeklagte zu 1 dieses Ziel verfolgte, nicht aber, dass Alternativen unabhängig von äußeren Umständen vollständig ausgeschlossen gewesen wären.

Im Übrigen hatte der rechtliche Berater der Musterbeklagten zu 1 Dr. B. in einer E-Mail vom 28. Februar 2008 empfohlen, „vorsorglich auch Planungen durchzuführen, wie die Beteiligung zu führen sei, wenn wir nicht die für einen Beherrschungsvertrag erforderliche Mehrheit erreichen“ (Vortrag RA T., Stenografisches Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8. April 2019 [Anlage MK 134], S. 40; Vortrag RA B., Stenografisches Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2019 [Anlage MK 138] S. 16). Auch dies zeigt, dass die Musterbeklagte zu 1 auch nach dem Vortrag der Musterklägerin die Abhängigkeit der behaupteten Zielsetzung von äußeren Rahmenbedingungen gesehen hat.

 (ccc) Die Musterklägerin und die Beigeladenen tragen weiter vor, die Beherrschungsabsicht habe sich dadurch konkretisiert, dass die Musterbeklagte zu 1 spätestens Anfang März 2008 damit begonnen habe, die physische und synthetische Beteiligung auf über 75 % auszubauen. Am 4. März 2008 habe sich der kumulierte Bestand von Aktien und Optionspositionen bereits auf gut 61 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 belaufen; die Optionsstrategien hätten eine Aufstockung auf bis zu 81,5 % zum Ziel gehabt. Hiermit seien erhebliche Investitionen verbunden gewesen, die nur im Hinblick auf die Refinanzierung durch den angestrebten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag wirtschaftlich vertretbar gewesen seien. Zudem hätten die Optionspositionen eine derartige Größe erreicht, dass eine Auflösung dieser Positionen nicht mehr ohne erhebliche Verluste möglich gewesen wäre. Aufgrund der Größe der Optionspositionen habe schon faktisch keine Alternative zum weiteren Beteiligungsaufbau und zum Abschluss eines Beherrschungsvertrages bestanden. Deshalb und weil das mit der Kursentwicklung der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 zusammenhängende wirtschaftliche Risiko bereits mit dem Aufbau der Optionen aufgrund der synthetischen Nachbildung der Aktie vollständig begründet worden sei, habe die Übernahmestrategie keine Optionalität aufgewiesen.

Auch dieser Vortrag lässt eine wesentliche weitere Konkretisierung des Vorstandswillens der Musterbeklagten zu 1 nicht erkennen. Der Aufbau der Optionsstrategien, die die weitere Beteiligungsaufstockungen wirtschaftlich absichern sollten, lässt nicht darauf schließen, dass die Organe der Musterbeklagten zu 1 über die vorstehend genannten Beschlüsse des Gesellschafterausschusses hinaus gebunden und zwingend auf eine – auch zeitlich konkrete – weitere Beteiligungsaufstockung festgelegt gewesen wären. Zwar lassen die von der Musterklägerin umfangreich dargelegten – teilweise bestrittenen – wirtschaftlichen Konsequenzen der Optionsstrategien erkennen, dass nach diesem Vortrag zumindest ab März 2008 das Ziel einer Aufstockung der Beteiligung auf über 75 % – und nachfolgend der Abschluss eines Beherrschungsvertrages – (auch) für den Vorstand der Musterbeklagten zu 1 Priorität gegenüber anderen Beteiligungsszenarien gehabt und sich der Vorstand gerade auch durch diese Optionsstrategien und deren wirtschaftliche Folgen auf dieses letztendliche Ziel ausgerichtet hätte. Hiervon zu trennen war aber die Frage, wie sich dieses Ziel konkret erreichen ließe. Insbesondere lag für die Musterbeklagte zu 1 offen zu Tage, dass sie ohne Änderung des VW-Gesetzes oder eine Mithilfe des Landes Niedersachsen keinen Beherrschungsvertrag erreichen konnte (dazu näher Rn. 209). Beide Voraussetzungen waren zumindest ungewiss und, wie sich später zeigte, tatsächlich nicht gegeben. Es mag sein, dass – wie die Musterklägerin behauptet – eine Aufgabe der Übernahmepläne aufgrund der Optionspositionen mit gravierenden wirtschaftlichen Nachteilen für die Musterbeklagte zu 1 verbunden gewesen wäre. Ausgeschlossen war etwa eine marktschonende Auflösung der Optionen oder eine Übertragung auf einen dritten Investor aber nicht, wie – ex post – die weitere Entwicklung im Jahre 2009 zeigte. Dass die Musterbeklagte zu 1 insoweit nach der Behauptung der Musterklägerin keine konkreten Alternativplanungen vorgenommen hatte, lässt nicht darauf schließen, dass sie davon ausgegangen wäre, die durch die Optionsgeschäfte gesicherten Aktien zwingend abnehmen zu müssen.

 (ddd) Der Umstand, dass der Vorstand jeweils die Optionsstrategien abschloss und mit deren Aufbau begann, bevor Aufsichtsrat und Vorstand entsprechende Beteiligungsaufstockungen beschlossen hatten, lässt entgegen der Auffassung der Musterklägerin aus den vorgenannten Gründen ebenso wenig darauf schließen, dass dem Optionsaufbau korrespondierende Beteiligungsaufstockungen jeweils bereits frühzeitiger – informell – bindend beschlossen worden wären. Vielmehr dienten die Optionsstrategien gerade der frühzeitigen wirtschaftlichen Sicherung eines Aktienkursniveaus, das bei fortschreitender Umsetzung der Übernahmepläne absehbar gestiegen wäre. Trotz der erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen waren sie nicht mit einem tatsächlichen Anteilserwerb gleichzusetzen.

 (eee) Gleiches gilt für den Erwerb von Vorzugsaktien der Musterbeklagten zu 2 durch die Musterbeklagte zu 1 bzw. insbesondere die Eingehung von Optionsgeschäften, denen diese Vorzugsaktien als Basiswert zugrunde lagen. Diese Geschäfte hatten nach dem Vortrag der Musterklägerin zwar den Zweck, spätere im Falle eines Abschlusses eines Beherrschungsvertrages zu leistende Abfindungen abzusichern. Sie stellten eine der Vorbereitungsmaßnahmen dar, um eine Beteiligungserhöhung auf 75 % (bzw. 80 %) und den Abschluss eines Beherrschungsvertrages zu erreichen. Auch unter Berücksichtigung dieser Geschäfte wären entsprechende Entscheidungen der Musterbeklagten zu 1 aber nicht als unbedingte Festlegung dahingehend zu verstehen, diese Absicht in jedem Fall umzusetzen.

 (fff) Die Musterklägerin behauptet zwar, die Musterbeklagte zu 1 sei spätestens im März 2008 davon ausgegangen, sämtliche (vermeintlichen) Hindernisse aus dem Weg räumen zu können, sie habe insbesondere die durch das VW-Gesetz und die Satzung der Musterbeklagten zu 2 begründete Sperrminorität nicht als dauerhaftes Hindernis angesehen. Auch damit legten die Organe der Musterbeklagten zu 1 ihren Planungen zwar eine solche Prognose zugrunde, sich aber nicht frühzeitig darauf fest, die Beteiligungsaufstockung ohne Berücksichtigung der äußeren Rahmenbedingungen vorzunehmen. Die Musterklägerin führt in anderem Zusammenhang – bezogen auf die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 – selbst aus, es sei eine Selbstverständlichkeit, dass ein Beteiligungsaufbau von stimmigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhänge.

Die weitere Behauptung, die Musterbeklagte zu 1 habe ihren Plan auch gegen alle Widerstände und rechtliche Restriktionen umsetzen wollen, ist zu pauschal, um hieraus die tatsächlich fernliegende Annahme folgern zu können, die Organe der Musterbeklagten zu 1 hätten beispielsweise die Pläne einer Anteilsaufstockung auf über 75 % auch dann weiterverfolgt, wenn endgültig festgestanden hätte, dass aufsichtsbehördliche oder kartellrechtliche Genehmigungen nicht erteilt worden wären oder die im VW-Gesetz und der Satzung der Musterbeklagten zu 2 begründete Sperrminorität auch europarechtlich Bestand gehabt hätte.

 (ggg) Eine frühzeitige Festlegung der Musterbeklagten zu 1 auf eine erheblich über 50 % hinausgehende Beteiligung lässt sich entgegen der Auffassung der Musterklägerin nach den vorstehenden Erwägungen auch nicht dem behaupteten Umstand entnehmen, der Vorstand habe in der Aufsichtsratssitzung am 3. März 2008 auf Nachfrage ausgeführt, die zu beschließende Erhöhung auf über 50 % umfasse grundsätzlich auch eine vollständige Übernahme; „heute“ werde aber nur über eine Erhöhung auf 50,1 % bis 74,9 % abgestimmt.

f) Eine Ersatzpflicht der Musterbeklagten zu 1 aus § 826 BGB besteht auch nicht wegen eines Unterlassens im Zeitraum vom 3. März bis vor dem 26. Oktober 2008.

Die Musterklägerin wirft der Musterbeklagten zu 1 vor, verschiedene Umstände, die sie unter dem Begriff der „konkreten Beherrschungsabsicht“ zusammenfasst, nicht unverzüglich u.a. nach § 15 Abs. 1 WpHG veröffentlicht zu haben, insbesondere die Absicht der Vorstände Dr. W. und H., die Beteiligung der Musterbeklagten zu 1 an der Musterbeklagten zu 2 auf 75 % aufzustocken und einen Beherrschungsvertrag abzuschließen. Sie wirft ihr ferner die unterlassene Mitteilung vor, konkrete Maßnahmen hierfür eingeleitet zu haben, insbesondere am 20. Februar 2008 die Kreditlinie in Höhe von 10 Mrd. € gezogen zu haben, um sie für den weiteren Beteiligungsaufbau zu verwenden, sowie am 4. März 2008 die Optionsstrategien VII und VIII abgeschlossen und in der Folgezeit den Optionsbestand aufgebaut zu haben. Auch dieses von der Musterklägerin beanstandete Unterlassen erfüllte nicht den Tatbestand einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung im Sinn des § 826 BGB.

Allgemein verletzt ein Unterlassen die guten Sitten nur dann, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht oder einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen – entsprechend den vorgenannten allgemeinen Grundsätzen – wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden verwerflich machen (BGH, Urteil vom 20. Juli 2017 – IX ZR 310/14, juris Rn. 16; Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15, juris Rn. 16; Urteil vom 20. November 2012 – VI ZR 268/11, juris Rn. 25 m.w.N.; OLG München, Urteil vom 18. Mai 2011 – 20 U 4879/10, juris Rn. 65). Stets bedarf es dabei einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, juris Rn. 28).

Die Musterbeklagte zu 1 traf auch unter Zugrundelegung des Vortrags der Musterklägerin und der Beigeladenen keine Handlungspflicht, die unter dem Begriff der „konkreten Beherrschungsabsicht“ zusammengefassten Umstände im Wege einer Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen oder sonst bekannt zu machen, aufgrund derer Verletzung die Schädigung gerade der Musterklägerin und der Beigeladenen als sittenwidrig zu bewerten wäre. Eine solche Handlungspflicht ergab sich weder aus §§ 21 f. WpHG noch auch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen, insbesondere nicht aus Ingerenz oder Treu und Glauben. Soweit Mitteilungspflichten aus § 15 WpHG oder § 15a WpHG in Betracht kamen, war ihr Bestehen fraglich. Sie waren zumindest nicht offensichtlich. Bereits dies spricht dagegen, eine etwaige Verletzung dieser Pflichten als verwerflich einzuordnen. Schäden aufgrund von Transaktionen von Aktien der Musterbeklagten zu 2 oder hierauf bezogenen Optionen fielen zudem bereits nicht in den Schutzbereich etwaiger die Musterbeklagte zu 1 treffender Publizitätspflichten. Jedenfalls war der Umstand, dass die Musterbeklagte zu 1 ihre „konkrete Beherrschungsabsicht“ nicht näher offenlegte, bei einer Gesamtbetrachtung nicht geeignet, ihr Handeln als sittenwidrig erscheinen zu lassen. Im Einzelnen:

aa) Die Musterbeklagte zu 1 teilte das Überschreiten der Meldeschwellen nach §§ 21 f. WpHG unter Berücksichtigung des tatsächlichen Aktienbestandes jeweils zutreffend mit. Dass sie dabei die sog. synthetische Beteiligung aufgrund der cash-gesettelten Optionen unberücksichtigt ließ, war rechtlich nicht zu beanstanden und auch nicht nach sittlichen Maßstäben für sich genommen und in der Gesamtschau mit weiteren Umständen verwerflich.

 (1) Eine Mitteilungspflicht gem. §§ 21, 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 25 WpHG bestand im Jahr 2008 für die auf Barausgleich gerichteten Optionsgeschäfte in Deutschland nicht (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 26. März 2015 – 2 U 102/14, juris Rn. 191 ff.; LG Stuttgart, Urteil vom 17. März 2014 – 28 O 183/13, juris Rn. 148 m. w. N.; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 62; vgl. auch die Gesetzesbegründung der Bundesregierung zur Neuregelung in § 25a WpHG, BT-Drs. 17/3628, S. 1, 17, 19).

Erst mit der Einführung des § 25a WpHG durch das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz zum 1. Februar 2012 sind Derivate mit Barausgleich von den Mitteilungspflichten nach §§ 21 ff. WpHG erfasst worden. Bis dahin waren bei Call-Optionen die unterlegten Aktien nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG dem Investor nur dann zuzurechnen, wenn er bei Ausübung der Option nicht nur einseitig den Kaufvertrag über den Erwerb der Aktien, sondern zugleich die Übereignung bewirken konnte. Dazu musste der Verkäufer im Optionsvertrag die dingliche Übertragungserklärung bereits verbindlich und unwiderruflich abgegeben haben. Erhielt der Investor bei der Optionsausübung lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Lieferung der Aktien, wurden ihm die Basiswerte nicht zugerechnet (Cascante/Topf, AG 2009, 53, 62; Baums/Sauter, ZHR 173 [2009], 454, 463 ff., 469 f., 473 Fn. 66; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 345 ff.; B. in: Kölner Kommentar zum WpHG, 2. Aufl., § 22 Rn. 108, 147; Pressemitteilung der BaFin vom 21. August 2008 [Anlage MBPor 110]).

Soweit die Musterklägerin der Ansicht ist, dass die Optionsstrategien einen endgültigen, verpflichtenden und keineswegs bloß optionalen Charakter gehabt hätten, da ihr wirtschaftliches Resultat einem Forward- bzw. Termingeschäft entsprochen habe, ist dies für die Mitteilungspflicht nach §§ 21 ff. WpHG unbeachtlich. Dass die M. Bank als Verkäuferin der Put-Optionen eine dingliche Übertragungserklärung unwiderruflich abgegeben hätte, behauptet auch die Musterklägerin nicht. Sie macht vielmehr nur geltend, dass die Kombination von Kauf- und Verkaufsoptionen dem tatsächlichen („physischen“) Erwerb der entsprechenden Aktien (sog. „synthetische Beteiligung“) wirtschaftlich entsprochen habe. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Musterklägerin als Anlage MK 32 vorgelegten Stellungnahme des Privatgutachters P. vom 29. Januar 2016, der unter 2.2.3 gleichfalls nicht von einem tatsächlichen Erwerb der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 ausgeht. Eine Anwendung von § 21 Abs. 1 WpHG entgegen dem klaren Wortlaut auf lediglich cash-gesettelte Optionen ist selbst dann nicht gerechtfertigt, wenn innerhalb einer Hedging-Kette zur Absicherung physische Aktien gehalten werden und ein faktischer, wirtschaftlicher Zwang bestehen mag, diese bei Auflösung der Optionen zu erwerben (vgl. gegen eine analoge Anwendung auch Baums/Sauter, ZHR 173 [2009], 454, 463 ff., 469 f., 473 Fn. 66; Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 340, 345 ff.).

Auf die rechtsvergleichenden Überlegungen der Musterklägerin kommt es nicht an.

(2) Dass die Musterbeklagte zu 1 die auf Barausgleich gerichteten Optionen möglicherweise einsetzte, um Meldepflichten nach §§ 21, 25 WpHG zu vermeiden, war auch nicht sonst verwerflich im Sinn des § 826 BGB.

Der Gesetzgeber hat diese Meldepflichten gezielt u.a. mithilfe kasuistisch geregelter Einzeltatbestände eingegrenzt (näher: Baums/Sauter a.a.O., 470). Diese bewusste gesetzgeberische Entscheidung ist auch bei der Beurteilung der Verwerflichkeit eines diese Lückenhaftigkeit ausnutzenden Verhaltens zu berücksichtigen und steht einer maßgeblichen Berücksichtigung dieses Umstandes entgegen.

Der Einsatz der auf Barausgleich gerichteten Kaufoptionen ermöglichte es im Übrigen zwar unter Umständen, nicht nur Aktienkurse für den weiteren Beteiligungsaufbau, sondern nach dem Vortrag der Musterklägerin auch den tatsächlichen Zugriff auf entsprechende Aktienbestände zu sichern, die meldepflichtig gewesen wären, wenn die Optionen auf die Lieferung physischer Aktien gerichtet gewesen wären. Auch insoweit gilt aber, dass nach der gesetzlichen Regelung eine Mitteilungspflicht gerade nicht bestand.

Darüber hinaus hatte die Musterbeklagte zu 1 dem Kapitalmarkt bereits mitgeteilt, den zukünftigen Beteiligungsaufbau durch solche auf Barausgleich gerichteten Optionen abgesichert zu haben (vgl. u.a. Geschäftsbericht für das Geschäftsjahr 2006/2007, S. 167 [Anlage MBPor 106], dazu näher Rn. 474 ff.), was auch Gegenstand der Presseberichterstattung war (Zitate im Einzelnen unter Rn. 478).

Dem verständigen Kapitalmarktteilnehmer war bekannt, dass diese auf Barausgleich gerichteten Optionen damals nicht den Meldepflichten unterlagen und damit geeignet waren, gerade ohne Auslösung solcher Meldepflichten einen Beteiligungsaufbau vorzubereiten (vgl. nur die ausführliche Analyse der Main Bank AG vom 1. Oktober 2007, S. 7 ff. „Cash settled options are so handy“, in Anlagenkonvolut MBPor 111). Er musste deshalb davon ausgehen, dass die Summe des physischen Aktienbestandes sowie der eine Beteiligungserhöhung absichernden Aktienoptionen – gegebenenfalls auch die Höhe einer sog. synthetischen Beteiligung – Meldeschwellen überschritt, ohne Meldepflichten auszulösen. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten war es nämlich naheliegend, dass die Musterbeklagte zu 1 zum Zeitpunkt der Ankündigung einer Beteiligungserhöhung auf über 50 % diesen angekündigten Anteilserwerb durch Aktienoptionen wirtschaftlich abgesichert hatte. Entsprechende Mitteilungen nach §§ 21 ff. WpHG waren aber nicht erfolgt. Die Musterbeklagte zu 1 hatte den Kapitalmarkt damit nicht im Unklaren darüber gelassen, dass Beteiligungserhöhungen auch über die Meldeschwellen des § 21 WpHG hinaus abgesichert gewesen sein konnten.

Damit war die Vorgehensweise der Musterbeklagten zu 1 allgemein erkennbar, selbst wenn der genaue Optionsbestand unbekannt blieb. Aus der Sicht des verständigen Kapitalmarktteilnehmers war dies nicht verwerflich.

bb) Eine Verletzung von Publizitätspflichten nach § 15 WpHG, indem die Musterbeklagte zu 1 ihre Beteiligungsziele und die Maßnahmen, um diese zu erreichen, nicht weitergehend (ad hoc) mitteilte, wäre schon im Ausgangspunkt nicht geeignet, die geltend gemachte Haftung aus § 826 BGB zu begründen, weil entsprechende Schäden nicht vom Schutzzweck dieser gesetzlichen Regelung umfasst waren. Unabhängig davon waren entsprechende mögliche Pflichtverletzungen zumindest nicht geeignet, das Verhalten der Musterbeklagten zu 1 als verwerflich erscheinen zu lassen. Soweit entsprechende Publizitätspflichten überhaupt bestanden haben könnten, waren sie jedenfalls nicht offensichtlich.

(1) Eine Verletzung von aus § 15 WpHG folgenden Handlungspflichten wäre schon unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Norm nicht geeignet, die geltend gemachten Ersatzansprüche aufgrund fehlgeschlagener Investitionen in Aktien der Musterbeklagten zu 2 oder in hierauf bezogene Optionen zu begründen.

(a) Die Haftung aus § 826 BGB ist auf solche Schäden begrenzt, die typischerweise in den Schutzbereich der verletzten (sittlichen) Pflicht fallen; der Geschädigte muss vom persönlichen Schutzbereich der jeweils verletzten Pflicht umfasst sein, soweit sich seine Schädigung nicht sonst als sittenwidrig darstellt (BGH, Urteil vom 11. November 1985 – II ZR 109/84, juris Rn. 16 f.; Wagner in: MüKoBGB, 8. Aufl., § 826 Rn. 49; Wilhelmi in: Erman, BGB, 16. Aufl., § 826 Rn. 16; Reichold in: jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 826 Rn. 76). Das schadensauslösende Verhalten muss sich gerade auch in Bezug auf den Geschädigten als sittenwidrig darstellen (BGH, Urteil vom 20. Februar 1979 – VI ZR 189/78, juris Rn. 18; Urteil vom 7. Mai 2019 – VI ZR 512/17, juris Rn. 8).

(b) Bei der hier in Rede stehenden Informationsdeliktshaftung für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen wird die Integrität der Willensentschließung des potentiellen Anlegers vor einer unlauteren irreführenden Beeinträchtigung durch falsche Ad-hoc-Publizität geschützt (BGH, Urteil vom 3. März 2008 – II ZR 310/06, juris Rn. 15, 17). Geschützt ist unter Berücksichtigung der § 15 WpHG zugrunde liegenden Wertungen allerdings nicht jeder (potentielle) Anleger auf dem Kapitalmarkt, sondern nur derjenige, der einen Schaden im Zusammenhang mit Transaktionen von Insiderpapieren erlitten hat, die der Verpflichtete emittiert hat oder deren Preis nach § 12 S. 1 Nr. 3 WpHG von Finanzinstrumenten abhing, die der Verpflichtete emittiert hat.

Die Musterklägerin und die Beigeladenen haben nach ihrem Vortrag einen Schaden aber nicht im Zusammenhang mit Transaktionen von Aktien der Musterbeklagten zu 1 oder hierauf bezogenen Finanzinstrumenten erlitten, sondern im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten, die sich auf Aktien der Musterbeklagten zu 2 bezogen. Sie waren damit nicht von dem persönlichen Schutzbereich der (rechtlichen und sittlichen) Handlungspflicht erfasst (vgl. grundsätzlich – auch gestützt auf rechtspolitische Erwägungen: Hellgardt in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl., § 97 WpHG, Rn. 73 a.E.; allg. auch Wagner/Köster, WM 2020, 1711, 1716 [bei Fn. 80]).

Abgesehen davon, dass das vorliegend infrage stehende wertpapierrechtliche Handlungsgebot nach § 15 WpHG ohnehin keinen individuellen Schutz einzelner Anleger bezweckt, weshalb diese Norm – wie ausgeführt (Rn. 86) – auch kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB war, knüpften die Handlungspflichten an die (potentielle) Bedeutung ihrer Erfüllung für den Kurs der durch das jeweilige Unternehmen emittierten Aktien (oder hierauf bezogener Finanzinstrumente) an. Die mögliche Beeinflussung des Preises anderer Finanzinstrumente begründete keine Veröffentlichungspflicht.

Soweit das Wertpapierhandelsrecht in diesem Zusammenhang in §§ 37b, c WpHG Schadensersatzpflichten begründete, erfassten diese nur den Schaden, der einem Dritten aufgrund des Erwerbs oder der Veräußerung gerade von dem Verpflichteten emittierter Finanzinstrumente entsteht (näher Rn. 83). Der Schaden aufgrund der Investition in andere Finanzinstrumente war hiernach nicht geschützt. Diese Regelungen konkretisieren den Schutzzweck der Haftung (zu §§ 97 f. WpHG n.F.: Hellgardt in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl., § 97 WpHG, Rn. 69).

Der Bundesgerichtshof hat zwar eine Beschränkung der Rechtsfolgen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung i.S.d. § 826 BGB im Hinblick auf den Schutzzweckzusammenhang im Bereich der Kapitalmarktinformationshaftung insoweit abgelehnt, als die Haftung über die Regelung in §§ 37b, c WpHG hinaus auch Vorstände des Emittenten treffen kann, die (grob) falsche Ad-hoc-Mitteilungen veranlasst haben (BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02, juris Rn. 43). Um falsche Miteilungen durch Vorstände des Emittenten der Papiere der Anspruchsteller – hier: der Vorstände der Musterbeklagten zu 2 – geht es vorliegend aber nicht. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs lässt nicht den Schluss zu, dass im Falle (grob) fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen jeder irgendwie hierdurch Geschädigte ersatzberechtigt wäre; sie betraf im Übrigen eine Haftung aufgrund positiven Tuns und nicht aufgrund eines Unterlassens. Auch die dort in Bezug genommene Erwägung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, ein Haftungsausschluss in Fällen betrügerischer oder sittenwidriger Schädigung „Dritter“ wäre mit den Grundsätzen der Rechtsordnung nicht vereinbar (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 12/7918, S. 102), rechtfertigt nicht, entgegen allgemeinen Grundsätzen eine Haftung unabhängig davon anzunehmen, ob das (sittliche) Gebot gerade den Schutz des konkret Geschädigten bezweckt. Vielmehr ist die Schädigung eines Dritten nur in diesem Fall überhaupt sittenwidrig.

(c) Dass das Handlungsgebot des § 15 WpHG selbst nicht – und zwar auch nicht reflexartig – den Schutz beliebiger Anleger bezweckt, die einen Schaden aufgrund von Transaktionen von anderen Finanzinstrumenten als den von dem Handlungsverpflichteten emittierten erlitten haben, schließt zwar nicht grundsätzlich aus, dass der Schutzzweck einer an diese Vorschrift anknüpfenden sittlichen Handlungspflicht weiterreicht. Einer Erstreckung auf weitere Anleger steht jedoch zumindest im Regelfall die fehlende Schutzwürdigkeit ihres etwaigen Vertrauens entgegen. Diese Anleger dürfen nicht darauf vertrauen, dass ein nicht emittierendes Unternehmen ihnen gegenüber zum Schutz ihres Vermögens Ad-hoc-Pflichten einhält.

Während ein Anleger schon aufgrund der Regelung der §§ 15, 37b, 37c WpHG darauf vertrauen darf, durch den Emittenten über Umstände informiert zu werden, die für den Kurs des von ihm gehaltenen Finanzinstruments relevant sind, lässt sich die Rechtfertigung eines Vertrauens gegenüber dritten Unternehmen, die die fraglichen Finanzinstrumente nicht emittiert haben, aus diesen gesetzlichen Regelungen nicht herleiten.

Insoweit unterscheidet sich die Schutzwürdigkeit beim Unterlassen einer Kapitalmarktinformation von der (aktiven) Veröffentlichung einer grob unrichtigen Kapitalmarktinformation. Dort steht nicht das Vertrauen eines Anlegers infrage, dass eine für ihn relevante Information überhaupt veröffentlicht wird, sondern vielmehr das Vertrauen darin, dass tatsächlich veröffentlichte Informationen nicht grob unrichtig sind.

(2) Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass außerhalb des Verhältnisses des Anlegers zum Emittenten der Finanzinstrumente eher strengere Haftungsvoraussetzungen bestehen (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 12. Januar 2016, a.a.O., Rn. 52, 59; LG Braunschweig, Urteil vom 30. Juli 2014 – 5 O 401/13, juris Rn. 37, 55 ff.), sofern eine Haftung nicht wie hier bereits am fehlenden Schutzzweckzusammenhang scheitert.

(3) Selbst wenn man die Verletzung einer Publizitätspflicht nach § 15 WpHG unterstellte und annähme, dass die Schäden der Ausgangskläger vom Schutzzweck der Norm erfasst wären, fehlte es jedenfalls an besonderen Umständen, die das Unterlassen wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden verwerflich machten, insbesondere die Handlungspflicht zu einem sittlichen Gebot erwachsen ließen. Allgemein muss für einen Anspruch aus § 826 BGB unter dem Gesichtspunkt der Informationsdeliktshaftung das Verhalten des Schädigers gegen Mindestanforderungen des lauteren Rechtsverkehrs auf dem Kapitalmarkt verstoßen (BGH, Urteil vom 3. März 2008 – II ZR 310/06, juris Rn. 10 m.w.N.). Das ist im Hinblick darauf, dass die Musterbeklagte zu 1 die von der Musterklägerin unter dem Stichwort „konkrete Beherrschungsabsicht“ vorgetragenen Umstände nicht weitergehend mitteilte, nicht der Fall, insbesondere, weil eine solche Handlungspflicht jedenfalls nicht offensichtlich bestand:

(a) Soweit vereinzelt vertreten wird, eine sittenwidrige Schädigung durch eine unterlassene Ad-hoc-Mitteilung käme schon grundsätzlich nicht in Betracht, weil es an einem qualifizierten Vertrauenstatbestand fehle (so: Rützel, AG 2003, 69, 73; noch weitergehender: Holzborn/Foelsch, NJW 2003, 932, 939), folgt der Senat dem so allerdings nicht. Insbesondere im Verhältnis des Anlegers zum jeweiligen Emittenten bzw. zu dessen Vorständen – das vorliegend allerdings nicht infrage steht – kommt ein besonderes Vertrauen auf die Einhaltung der kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten durchaus in Betracht (die grundsätzliche Möglichkeit einer solchen Haftung nimmt auch der BGH an: Urteil vom 20. Juli 2021 – II ZR 152/20, juris Rn. 19 f.).

(b) In Fällen aktiven Tuns hat die Rechtsprechung eine Sittenwidrigkeit regelmäßig angenommen, wenn das Sekundärmarktpublikum bewusst durch grob unrichtige Ad-hoc-Mitteilungen in die Irre geführt wird, damit sich ein Vorstandsmitglied bereichern kann (näher: Rn. 94). Diese Wertung stützt sich zum einen darauf, dass die Verantwortlichen durch die Veröffentlichung inhaltlich grob unrichtiger Ad-hoc-Mitteilungen gezeigt hätten, dass ihnen jedes Mittel recht sei, um in den potentiellen Anlegern falsche Vorstellungen über den Wert des Unternehmens hervorzurufen und über die einsetzende Nachfrage den Aktienkurs „zu pushen“. Zum anderen wird dieses Verhalten deshalb als sittenwidrig eingestuft, weil die Verantwortlichen dort in erheblichem Umfang Aktien des Emittenten besaßen und deshalb von dem mit der unrichtigen Mitteilung bezweckten „Pushen“ der Kurse selbst in eigennütziger Weise profitierten (BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 217/03, juris Rn. 49 f.; vgl. hierzu auch Hellgardt in: Assmann/Schneider/Müllbert, 7. Aufl., § 97 WpHG, Rn. 161).

Hiermit ist die vorliegende Fallkonstellation schon deshalb nicht vergleichbar, weil die Verantwortlichen der Musterbeklagten zu 1 nicht durch grob unrichtige Kapitalmarktinformationen aktiv eine Täuschung des Publikums herbeigeführt und damit nicht gezeigt haben, dass ihnen jedes Mittel zur persönlichen Bereicherung recht war. Darüber hinaus diente ihr von der Musterklägerin vorgetragenes Verhalten zwar zweifelsfrei Zwecken der Musterbeklagten zu 1 und auch eigenen Zwecken. Diese Eigennützigkeit ist jedoch ihrem sittlichen Unwertgehalt nach nicht mit der Eigennützigkeit des Verantwortlichen eines Unternehmens vergleichbar, der dessen Aktienkurs in die Höhe treiben will, um sich aufgrund des manipulativ in die Höhe getriebenen Kurses selbst zu bereichern (näher auch Rn. 362 ff.).

(c) Soweit die Rechtslehre die Möglichkeit einer sittenwidrigen Schädigung durch pflichtwidrig unterlassene Ad-hoc-Mitteilungen diskutiert (nicht näher problematisiert in BGH, Urteil vom 20. Juli 2021 – II ZR 152/20, juris Rn. 19 f.), knüpft sie weitgehend an die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Kapitalmarktinformationshaftung an. Sie dürfte sich – entsprechend der dort entschiedenen Sachverhalte – im Wesentlichen auf Konstellationen beziehen, in denen ein Anleger Schadensersatz vom Emittenten des Finanzinstruments bzw. von den Vorständen des Emittenten dieses Finanzinstruments begehrt, auf das sich seine Anlageentscheidung bezieht, mithin bereits auf anders gelagerte Sachverhalte als den vorliegenden. Insoweit wird zudem vertreten, an die Sittenwidrigkeit unterlassener Pflichtmitteilungen seien allgemein höhere Anforderungen zu stellen (Fleischer DB 2004, 2031, 2034; vgl. auch OLG Braunschweig, Urteil vom 12. Januar 2016, a.a.O., Rn. 55).

Auch unter Berücksichtigung dieser Literaturansichten kommt eine Haftung der Musterbeklagten zu 1 nicht in Betracht:

(aa) Die wohl herrschende Lehre zieht eine Sittenwidrigkeit in Betracht, wenn zu einem rechtswidrigen Schweigen eine verwerfliche Motivation, etwa die angestrebte persönliche Bereicherung, hinzutritt (Hellgardt a.a.O., § 97 WpHG, Rn. 162 m.w.N.; Oechsler in: Staudinger [2021], § 826 BGB, Rn. 523; Fleischer, ZIP 2005, 1805, 1806; ders., DB 2004, 2031, 2034; Möllers, JZ 2005, 75, 76; Krause ZGR 2002, 799, 824 f.).

Eine solche eigennützige Gesinnung liegt hier jedenfalls nicht in einem das Sittenwidrigkeitsurteil rechtfertigenden Maße vor, auch wenn u.a. die Vorstandsmitglieder der Musterbeklagten zu 1 über die gewinnabhängige Vorstandsvergütung vom Erfolg der Optionsstrategien profitiert haben (näher Rn. 362 ff.). Auch soweit nach dem Vortrag der Musterklägerin die Kommunikationsstrategie der Musterbeklagten zu 1 erhöhte Kosten des Beteiligungsaufbaus vermeiden sollte, ist dies in seinem Unwertgehalt nicht mit den diskutierten Fällen eines eigennützigen Verhaltens vergleichbar (dazu näher Rn. 368).

(bb) Darüber hinaus wird vertreten, dass eine Sittenwidrigkeit in Fällen des direkten Vorsatzes in Betracht kommt, wenn die Veröffentlichungsbedürftigkeit offensichtlich ist (Möllers JZ 2005, 75, 76; Fuchs in: Fuchs, 2. Aufl., Vor §§ 37b, 37c, Rn. 37; Möllers/Leisch in: KK-WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, c, Rn. 452; dag. Hellgardt, a.a.O.; vgl. auch unten, Rn. 278).

Dieser Ansatz erscheint zu weitgehend. Richtig ist allerdings, dass im Einzelfall ein objektiv eindeutig rechtswidriges Unterlassen ein Indiz dafür sein kann, dass dem Verantwortlichen jedes Mittel recht ist, seine Ziele durchzusetzen, und in diesem Ausnahmefall bereits für sich genommen die Sittenwidrigkeit begründen mag. Auch kann die Evidenz eines Rechtsverstoßes im Rahmen der gebotenen Gesamtschau eher für die Annahme einer Sittenwidrigkeit sprechen, selbst wenn weitere Umstände – etwa die eigennützige Gesinnung – für sich genommen diese Bewertung noch nicht rechtfertigten.

Dies kann hier offenbleiben. Die Musterbeklagte zu 1 hatte schon keinen direkten Vorsatz betreffend die Verletzung möglicher aus § 15 WpHG folgender Publizitätspflichten. Dass sie von einer Kursrelevanz der entsprechenden Informationen für von ihr emittierte Aktien ausgegangen wäre und damit bewusst gegen solche Publizitätspflichten verstoßen hätte, behauptet die Musterklägerin bereits nicht. Im Gegenteil ergibt sich aus der von der Musterklägerin in Bezug genommenen E-Mail des rechtlichen Beraters der Musterbeklagten zu 1 Dr. B. vom 25. Oktober 2008 (zitiert in der Musterklagebegründung vom 1. Mai 2017, Rn. 422, wobei der Begriff „Nolde-Aktie“ dort für die Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 verwandt wurde; vgl. auch Schriftsatz vom 15. Oktober 2018, Rn. 175 ff.), dass dieser selbst für die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 keine Ad-hoc-Relevanz für die Musterbeklagte zu 1, wohl aber eine Kursrelevanz für die Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 sah. Soweit die Musterklägerin aus der zugleich angeratenen Rückfrage bei der BaFin schlussfolgert, dass Dr. B. sich nicht vollständig sicher gewesen sei, ob die dortige Pressemitteilung nicht vielleicht doch ad-hoc-pflichtig sei, lässt weder dies noch der Umstand, dass die Musterbeklagte zu 1 diesem Rat nicht folgte, einen Rückschluss auf einen direkten Vorsatz oder auch nur auf bedingten Vorsatz zu.

Selbst bei Annahme einer aus § 15 WpHG folgenden Publikationspflicht wäre diese, wie nachfolgend (Rn. 277 ff.) erörtert, nicht derart offensichtlich, dass dies das entsprechende Sittenwidrigkeitsurteil für sich genommen oder in der Gesamtschau mit den weiter relevanten Umständen rechtfertigte.

 (cc) Die Auffassung, schon jedes vorsätzliche Unterlassen einer nach § 15 Abs. 1 WpHG gebotenen Ad-hoc-Mitteilung sei sittenwidrig, weil der Gesetzgeber für die Befreiung von der Ad-hoc-Mitteilungspflicht in § 15 Abs. 3 WpHG eine klare Regelung geschaffen habe, deren Missachtung allein bereits den Vorwurf der Sittenwidrigkeit rechtfertige (Sethe in: Assmann/Schneider, 6. Aufl., §§ 37b, c, Rn. 144), teilt der Senat nicht. Dass die Musterbeklagte zu 1 nicht das Verfahren der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG wählte, rechtfertigt nicht in jedem Fall einer auch nur fraglichen Veröffentlichungsbedürftigkeit den Vorwurf einer besonderen Verwerflichkeit. Zudem handelte die Musterbeklagte zu 1 – wie dargestellt – nicht vorsätzlich.

 (dd) Teilweise wird auch die Ansicht vertreten, jedenfalls Geschäfte mit besonders hohem Finanzvolumen, die nicht nur erhebliche Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage haben, sondern auch von existenzieller Bedeutung für das Unternehmen sind, seien solche offensichtlich veröffentlichungsbedürftigen Tatsachen (so: Möllers a.a.O.; Möllers/Leisch in: KK-WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, c, Rn. 452; zu diesem Gesichtspunkt auch: LG Stuttgart, Vorlagebeschluss vom 28. Februar 2017 – 22 AR 1/17 Kap, juris Rn. 82; Urteil vom 24. Oktober 2018 – 22 O 101/16, juris Rn. 443). Dies überzeugt so allgemein schon aufgrund der Möglichkeit, dass der Markt entsprechende Informationen antizipiert hat, nicht. Zudem hatten die Optionsgeschäfte vorliegend zwar ein sehr hohes Finanzvolumen, bedrohten die Existenz der Musterbeklagten zu 1 aber jedenfalls vor Mitte Oktober 2008 auch nach dem Vortrag der Musterklägerin und der Beigeladenen nicht, jedenfalls nicht konkret.

 (d) Ein etwaiger Verstoß gegen § 15 Abs. 1 WpHG wäre unter Berücksichtigung der Gesamtumstände schon deshalb nicht geeignet, das Verhalten der Musterbeklagten zu 1 als sittenwidrig erscheinen zu lassen, weil jedenfalls keine offensichtliche Pflicht der Musterbeklagten zu 1 bestand, die unter dem Begriff der „konkreten Beherrschungsabsicht“ zusammengefassten Umstände im Wege einer Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen.

Allgemein besteht eine sittliche Pflicht zur Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen allenfalls dann, wenn die Veröffentlichungsbedürftigkeit der fraglichen Tatsache offenkundig ist (OLG Braunschweig, Urteil vom 12. Januar 2016, a.a.O., Rn. 55; Förster in: BeckOK § 826 BGB [Stand: 1. Mai 2022], Rn. 188; vgl. auch oben, Rn. 271; vgl. zu Fällen fraglicher Kursrelevanz: Möllers, WM 2003, 2393, 2395). Ist diese demgegenüber zweifelhaft, ist nicht nur die Vorwerfbarkeit des Unterlassens gemindert. Auch das mögliche Vertrauen von Anlegern wäre nicht in gleichem Maße schutzwürdig. Das Unterlassen ist in diesen Fällen nach seinem sittlichen Unwertgehalt nicht mit der Veröffentlichung grob unrichtiger Informationen vergleichbar.

Eine solche offensichtliche Mitteilungspflicht bestand nicht gem. § 15 Abs. 1 WpHG.

Der u.a. von der Musterklägerin regelmäßig verwandte Begriff der „konkreten Beherrschungsabsicht“ bezeichnet die Absicht, die Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 auf über 75 % aufzustocken und einen Beherrschungsvertrag abzuschließen (näher: Rn. 213 ff.). Auch nach dem Verständnis der Musterklägerin war damit nicht verbunden, dass diese Absicht kurzfristig oder auch nur zu einem abschließend festgelegten Zeitpunkt vollständig hätte umgesetzt werden sollen oder unbedingt in dem Sinne gewesen wäre, die genannten Ziele ohne Berücksichtigung der tatsächlich bestehenden Rahmenbedingungen zu realisieren. Diese behauptete Absicht der Musterbeklagten zu 1 stellte auch unter Berücksichtigung dessen, dass die Musterbeklagte zu 1 schon erste Schritte zu ihrer Umsetzung unternommen hatte, keine offensichtlich veröffentlichungspflichtige Insiderinformation dar.

Eine Insiderinformation im Sinne von § 15 Abs. 1 WpHG ist nach § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst bezieht und die geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. Diese Voraussetzungen waren hier jedenfalls nicht offenkundig erfüllt. Verständige Marktteilnehmer hatten aufgrund der verfügbaren Informationen Anhaltspunkte für eine Beherrschungsabsicht der Musterbeklagten zu 1. Verschiedene Marktbeobachter gingen in Analysen und Berichten ausdrücklich auf diese Beherrschungsabsicht ein. Die als unterlassen beanstandete Veröffentlichung hatte daher keine offensichtliche oder naheliegende Kursrelevanz.

 (aa) Allerdings stellten die in Frage stehenden Umständen überwiegend hinreichend konkrete Informationen dar.

 (aaa) Bei der behaupteten Übernahme- und Beherrschungsabsicht des Vorstands der Musterbeklagten zu 1, der Absicht der Beteiligungsaufstockung auf über 75 %, dem Vorstandsbeschluss vom 3. März 2008, dem „Vorratsbeschluss“ vom 23. Juli 2008, der Befassung des Gesellschafterausschusses, dem jeweiligen Abschluss der Optionsstrategien und den vorgetragenen Finanzierungsmaßnahmen handelte es sich nach dem Vortrag der Musterklägerin um einzelne Zwischenschritte auf dem Weg zu einer Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 mit 75 % ihrer Stammaktien und zum Abschluss eines Beherrschungsvertrags. Der Umstand, dass es sich um einzelne Zwischenschritte handelt, sperrt eine Einordnung als Insiderinformationen nicht. Denn bei einem zeitlich gestreckten Vorgang können nicht nur der am Ende der Entwicklung stehende Umstand oder das Ereignis, sondern auch die mit der Verwirklichung des Umstands oder des Ereignisses verknüpften Zwischenschritte präzise Informationen i.S.d. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 und Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 sein (EuGH, Urteil vom 28. Juni 2012 – C-19/11, juris Rn. 38). Dementsprechend kommt jedes einzelne Ereignis auf dem Weg zu einem beabsichtigten Ergebnis als Insiderinformation nach § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG in Betracht (BGH, Beschluss vom 23. April 2013 – II ZB 7/09, juris Rn. 15).

 (bbb) Die infrage stehenden Umstände stellten hinsichtlich dieser behaupteten Zwischenschritte hinreichend konkrete bzw. präzise Informationen dar.

 (α) Dies ist zwar bei bloßen Überlegungen nicht der Fall, die bisher über den engen persönlichen Bereich nicht hinausgelangt sind (BGH, Beschluss vom 23. April 2013, a.a.O., juris Rn. 19). Im Gegensatz dazu stellen die – wie von der Musterbeklagten zu 1 selbst vorgetragen – fortlaufend auf deren Machbarkeit geprüften Szenarien des Beteiligungsaufbaus Überlegungen dar, die nicht aus dem Anwendungsbereich des § 13 WpHG herausfallen. Denn diese Szenarien, die zumindest auch eine Beteiligung von 75 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 und einen Beherrschungsvertrag beinhalteten, thematisierte die Musterbeklagte zu 1 über einen engen persönlichen Bereich hinaus bereits unternehmensintern unter Hinzuziehung externer Berater; sie waren Gegenstand von Sitzungen des Vorstands und des Aufsichtsrats. Ob letztere bereits einen entsprechenden Beschluss gefasst hatten, ist nicht entscheidend. Bereits ein einer Beschlussfassung vorausgehender Planungsakt kann ausreichen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2013, a.a.O., juris Rn. 26: nicht abgeschlossener unternehmensinterner Entscheidungsprozess; Assmann in: Assmann/Schneider, 6. Aufl., § 15 Rn. 60; Emittentenleitfaden der BaFin, Stand 15. Juli 2005, IV.2.2.7). Die bloße Absicht des Vorstands kann daher eine Insiderinformation sein (Assmann, a.a.O., Rn. 59; Pfüller in: Fuchs, 2. Aufl., § 15 Rn. 142).

 (β) Bei den dargestellten Zwischenschritten handelt es sich um bereits eingetretene Ereignisse und nicht – wie bei der Beteiligungsaufstockung auf 75 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 und dem Abschluss eines Beherrschungsvertrags – um künftige Umstände und Ereignisse. Nur für die Information über künftige Ereignisse kommt es auf die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Ereignisses an, um sie als präzise Informationen zu qualifizieren (EuGH, Urteil vom 28. Juni 2012, a.a.O., juris Rn. 55; vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. April 2013, a.a.O., juris Rn. 17).

 (γ) Für solche künftigen Ereignisse war allerdings eine für die Annahme einer Ad-hoc-Mitteilungspflicht hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit zu den maßgeblichen Zeitpunkten im Frühjahr/Sommer 2008 nicht gegeben. Diese künftigen Ereignisse hingen von verschiedenen Voraussetzungen ab, deren Eintritt im Zeitpunkt der Mitteilungen unsicher war:

Einem Beherrschungsvertrag stand zunächst objektiv entgegen, dass das Land Niedersachsen mehr als 20 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 hielt, deshalb nach § 4 Abs. 3 des VW-Gesetzes und nach § 25 Abs. 2 der Satzung der Musterbeklagten zu 2 insbesondere im Hinblick auf den Abschluss eines solchen Beherrschungsvertrages über eine Sperrminorität verfügte und keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass es dem Abschluss eines solchen Beherrschungsvertrages zustimmen würde. Zwar erklärte der Europäische Gerichtshof Teile des VW-Gesetzes mit Urteil vom 23. Oktober 2007 für europarechtswidrig. Der daraufhin novellierte Entwurf des VW-Gesetzes der Bundesregierung vom 16. Januar 2008 sah aber eine Aufrechterhaltung der Sperrminorität vor. Dieser Gesetzesentwurf wurde am 25. September 2008 in den Bundestag eingebracht. Die Musterbeklagte zu 1 bemühte sich zwar, eine weitergehende Änderung zu erreichen, die Erfolgsaussichten waren jedoch offen und – wie sich später herausstellte – letztlich nicht gegeben. Die Musterbeklagte zu 1 versuchte zudem ohne Erfolg, in der Hauptversammlung der Musterbeklagten zu 2 am 24. Mai 2008 zu erreichen, dass § 25 Abs. 2 der Satzung gestrichen werde.

Selbst für den Fall einer Änderung der vorgenannten Regelungen musste die Musterbeklagte zu 1 für den Abschluss eines Beherrschungsvertrages zumindest über 75 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 erwerben. Dass ihr dies gelingen könnte, war angesichts des von dem Land Niedersachsen gehaltenen Anteils von gut 20 % und weiterer von institutionellen Investoren gehaltener Anteile jedenfalls bis zum Abschluss des Optionsaufbaus am 24. Juli 2008 zumindest zweifelhaft. Darüber hinaus war auch die Finanzierung einer solchen weiteren Aufstockung nicht abschließend gesichert (näher: Rn. 137 ff., 310; vgl. auch Rn. 408 ff. zum Zeitraum ab Oktober 2008).

Es kann daher hier offen bleiben, ob darüber hinaus auch eine mögliche Uneinigkeit der Aktionäre der Musterbeklagten zu 1 ein Risiko für die Umsetzung der Beteiligungsabsicht darstellte.

 (bb) Eine Insiderinformation setzt weiter voraus, dass die nicht öffentlich bekannten Umstände geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsenpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen (Kursrelevanz). Ob diese Voraussetzung hier vorlag, kann offen bleiben. Für die Beurteilung der Ersatzpflicht der Musterbeklagten zu 1 genügt die Feststellung, dass eine solche Kursrelevanz jedenfalls nicht offensichtlich war.

Der Markt hatte in dem infrage stehenden Zeitraum durchgehend Kenntnis davon, dass die Musterbeklagte zu 1 ihren Anteil an der Musterbeklagten zu 2 wiederholt erheblich ausbauen wollte. Die Musterbeklagte zu 1 hatte die beschlossenen jeweils konkret bevorstehenden Schritte des Anteilsaufbaus ausreichend bekannt gemacht. Der Markt ging zudem davon aus, dass sie diese beabsichtigten Aufstockungen durch Optionen vorbereitet hatte. In der Gesamtschau dieser Umstände hätte es das Anlegerverhalten nach Überzeugung des Senats nicht offensichtlich beeinflusst, wenn die Musterbeklagte zu 1 zusätzlich mitgeteilt hätte, zu einem späteren Zeitpunkt eine noch höhere Beteiligung zwecks Abschluss eines Beherrschungsvertrages anzustreben, zumal die Umsetzbarkeit dieser weiteren Pläne unsicher war. Zudem war aus der Kapitalmarktkommunikation der Musterbeklagten zu 1 nicht nur erkennbar, dass Überlegungen und Planungen betreffend eine weitergehende Beteiligungsaufstockung nicht nur nicht ausgeschlossen waren; der Kapitalmarkt ging vielmehr verbreitet von solchen weitergehenden Plänen aus.

Im Einzelnen:

 (aaa) Maßgeblich für die Publizitätspflicht der Musterbeklagten zu 1 ist allein das Kursbeeinflussungspotential der infrage stehenden Informationen für die Vorzugsaktien der Musterbeklagten zu 1 oder hierauf bezogene Finanzinstrumente, nicht aber für die Stamm- oder Vorzugsaktien der Musterbeklagten zu 2.

Eine Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 WpHG besteht nur dann, wenn die Insiderinformation den Emittenten selbst oder die von ihm emittierten Finanzinstrumente betrifft (vgl. Assmann in: Assmann/Schneider, § 15 Rn. 56). Die Musterbeklagte zu 1 war daher nicht verpflichtet, Informationen zu veröffentlichen, die lediglich für den Kurs der Aktien der Musterbeklagten zu 2, nicht aber für den Kurs der von ihr selbst emittierten Vorzugsaktien relevant sein konnten.

Eine Veröffentlichungspflicht im Hinblick auf Finanzinstrumente der Musterbeklagten zu 2 ergibt sich nicht aus dem von der Musterklägerin behaupteten Umstand, dass jedenfalls seit dem 3. März 2008 ein faktisches Konzernverhältnis mit der Musterbeklagten zu 2 bestanden habe. Die Veröffentlichungspflicht nach § 15 WpHG besteht ausschließlich für den Emittenten, den die Information unmittelbar betrifft. Die Regelung des § 15 WpHG enthält keine Konzernklausel, so dass die bloße Zugehörigkeit zu einem Konzern, dem auch ein Inlandsemittent von Finanzinstrumenten angehört, keine Ad-hoc-Publizitätspflicht begründet (Assmann in: Assmann/Schneider, 6. Aufl., § 15 Rn. 48; Pfüller in: Fuchs, 2. Aufl., § 15 Rn. 206). Im Rahmen des § 15 WpHG ist somit eine gesonderte Betrachtung jeder einzelnen Konzerngesellschaft geboten (Trennungsprinzip). Jedes Konzernunternehmen ist im Hinblick auf die Ad-hoc-Publizität grundsätzlich als selbstständiges Unternehmen zu betrachten, das nur dann Adressat der Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 WpHG ist, wenn es selbst ein Inlandsemittent ist, den die in Frage stehende Insiderinformation unmittelbar betrifft (Assmann in: Assmann/Schneider, § 15 Rn. 48). Zwar werden Zurechnungen für Fälle diskutiert, in denen die Muttergesellschaft jederzeit uneingeschränkt auf Insiderinformationen in der Tochtergesellschaft zugreifen kann (so etwa: Pfüller, a.a.O., m.w.N.). Dies betrifft aber nur die Wissenszurechnung; auch bei Annahme einer solchen Zurechnung entsteht die Publizitätspflicht nur für dasjenige Unternehmen, für dessen Finanzinstrumente die Information kursrelevant ist (Spindler/Speier, BB 2005, 2031, 2032 f./2034).

 (bbb) Entscheidend für die Kursrelevanz ist, ob ein verständiger Anleger die Information über den jeweiligen Umstand als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde. Das Kursbeeinflussungspotential einer Information ist in objektiv-nachträglicher Ex-ante-Prognose zu ermitteln (BGH, Beschluss vom 23. April 2013, a.a.O., juris Rn. 22; Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, juris Rn. 41). Dabei kommt es nicht darauf an, dass mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden kann, dass sich der potenzielle Einfluss der Information auf die Kurse der betreffenden Finanzinstrumente in eine bestimmte Richtung auswirken wird, wenn sie öffentlich bekannt werden (EuGH, Urteil vom 11. März 2015 – C-628/13, juris Rn. 38). Unerheblich ist weiter, ob der Handelnde die Information für kurserheblich hielt oder nicht, oder ob der Kurs des betroffenen Papiers nach Bekanntwerden der Information tatsächlich eine Veränderung erfährt (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011, a.a.O., juris Rn. 41). Der tatsächliche Kursverlauf kann aber Indizwirkung haben, wenn andere Umstände als das öffentliche Bekanntwerden der Insiderinformation für eine erhebliche Kursänderung praktisch ausgeschlossen werden können (BGH, Beschluss vom 23. April 2013, a.a.O., juris Rn. 23; Urteil vom 13. Dezember 2011, a.a.O.).

Entgegen der möglicherweise von der Musterklägerin und der beigeladenen H. GmbH vertretenen Auffassung folgt aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Fall Lafonta (Urteil vom 11. März 2015 – C-628/13, juris) nicht, dass der Abschluss von Derivatepositionen zur Absicherung einer Beteiligungsaufstockung und die dem zugrunde liegenden Planungen der übernehmenden Gesellschaft allgemein stets kursrelevante Informationen wären. Zwar nahm das vorlegende Gericht dort ersichtlich eine Kursrelevanz an. Die Entscheidung des europäischen Gerichtshofs betrifft die Auslegung des Merkmals der Kursrelevanz aber nicht unmittelbar (EuGH, a.a.O., Rn. 29). Sie enthält zwar ein obiter dictum dahingehend, dass eine Information auch dann eine solche Relevanz haben kann, wenn sie es nicht erlaubt, die Änderung des Kurses der betreffenden Finanzinstrumente in eine bestimmte Richtung vorherzusehen (a.a.O. Rn. 34; dazu auch Zetsche, AG 2015, 381, 384 f.), löst sich aber nicht von den bereits zuvor entwickelten diesbezüglichen Grundsätzen, auch wenn sie die Tendenz erkennen lässt, insoweit geringe Voraussetzungen an die Publizitätspflicht zu stellen. Im Übrigen konnte die Musterbeklagte zu 1 diese Wertungen des Europäischen Gerichtshofs nicht kennen, weil die Entscheidung erst weit nach 2008 fiel. Damit ist ein möglicher Verstoß gegen diese Wertungen ohnehin nur eingeschränkt geeignet, einen Sittenwidrigkeitsvorwurf zum damaligen Zeitpunkt zu begründen.

 (ccc) Der Anspruchsteller trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen (für Ansprüche auf Grundlage von §§ 37b, 37c WpHG: OLG Düsseldorf, Urteil vom 7. April 2011 – 6 U 7/10, juris Rn. 117; Sethe in: Assmann/Schneider, 6. Aufl., §§ 37b, 37c Rn. 79). Bei dem Tatbestandsmerkmal der Kursrelevanz handelt es sich nicht um eine dem Beweis zugängliche Tatsache, sondern um einen Erfahrungssatz (Sethe, a.a.O., Rn. 81), hier in Form der Ex-ante-Prognose. Die Tatsachengrundlage, auf der die Prognose beruht, ist vom Kläger darzulegen und zu beweisen (Sethe a.a.O.). Aus den Vorschriften des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes ergibt sich keine andere Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Dieses Gesetz trifft keine materiell-rechtlichen Regelungen und legt dementsprechend die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast nicht abweichend von den allgemeinen Grundsätzen fest (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2014 – XI ZB 12/12, juris Rn. 107; Vollkommer in: KK-KapMuG, 2. Aufl., § 11 Rn. 115).

Diese objektiv-nachträgliche Ex-ante-Prognose kann der Senat – soweit hier erforderlich – aufgrund eigener Sachkunde treffen. Der Vortrag der Musterverfahrensbeteiligten hat dem Senat eine zuverlässige Kenntnis der Gesamtumstände verschafft und ihn in die Lage eines mit den Marktgegebenheiten vertrauten, börsenkundigen Anlegers versetzt, dem alle verfügbaren Informationen bekannt sind. Zwar mag die abschließende Feststellung eines fehlenden Kursbeeinflussungspotenzials nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens möglich sein. Dass ein solches Beeinflussungspotenzial aber zumindest nicht offensichtlich war, kann der Senat auf der Grundlage des umfangreichen Sachvortrags aus eigener Sachkunde feststellen. Es bedarf insoweit keiner Einholung eines Sachverständigengutachtens, um den Standpunkt eines verständigen Anlegers zu ermitteln (vgl. Sethe a.a.O.; Möllers/Leisch in: KK-WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, c, Rn. 152; allg. i. Erg. auch: BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, juris Rn. 43 f.; vgl. zum Verkehrsverständnis auch BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 – I ZR 113/10, juris Rn. 13 f.).

 (ddd) Auf der Grundlage des Vorbringens der Musterklägerin und der Beigeladenen sowie des unstreitigen Vorbringens der Musterbeklagten kann der Senat feststellen, dass weder die behauptete Beherrschungsabsicht im Vorstand und dessen Absicht der Beteiligungsaufstockung auf über 75 % noch der auf den Anteilserwerb von über 50 % gerichtete Vorstandsbeschluss, der „Vorratsbeschluss“ vom 23. Juli 2008, die Befassung des Gesellschafterausschusses mit dem Beteiligungsaufbau, die konkrete Finanzierung der Übernahme noch der Abschluss und die genaue Ausgestaltung sowie der Bestand der Optionsstrategien offensichtlich geeignet waren, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Vorzugsaktie der Musterbeklagten zu 1 erheblich zu beeinflussen. Dass ein verständiger Anleger die Informationen über die vorgenannten Zwischenschritte bei einer Anlagenentscheidung insbesondere zu den im Komplex II im Feststellungsziel II.1. genannten Zeitpunkten am 3. März 2008, am 10. März 2008, am 16. Juni 2008, am 23. Juli 2008, am 28. Juli 2008, am 16. September 2008, am 18. September 2008 und am 5./6. Oktober 2008 berücksichtigt hätte, war jedenfalls nicht offensichtlich oder auch nur naheliegend.

Der verständige – also mit den Marktgegebenheiten vertraute, börsenkundige – Anleger (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011, a.a.O., juris Rn. 41), der zum Zeitpunkt seines Handelns alle verfügbaren Informationen kennt und in seine Entscheidung mit einbezieht (vgl. Mennicke/Jakovou in: Fuchs, 2. Aufl., § 13 Rn. 141), berücksichtigt daneben auch, wie andere Marktteilnehmer voraussichtlich reagieren werden; dies umfasst auch „irrationale Reaktionen“ (Pfüller in: Fuchs, 2. Aufl., § 15 Rn. 195). Der verständige Anleger wird eine Information bei seiner Anlageentscheidung – nur – dann berücksichtigen, wenn ein Kauf- oder Verkaufsanreiz gegeben ist und ihm das Geschäft lohnend erscheint. Danach scheiden solche Fälle aus, in denen die Verwertung einer nicht öffentlich bekannten Information von vornherein keinen nennenswerten wirtschaftlichen Vorteil verspricht und damit kein Anreiz besteht, die Information zu verwenden (Emittentenleitfaden der BaFin, Stand 15. Juli 2005, III.2.1.4). Der Kurs wird nicht nur von den Informationen über das betreffende Unternehmen selbst, sondern auch von der Verfassung des Gesamtmarkts oder der Branche sowie von zusätzlichen Faktoren wesentlich geprägt (Emittentenleitfaden der BaFin, Stand 15. Juli 2005, III.2.1.4; Pfüller, a.a.O., Rn. 197, 198). Es sind daher für die Anlagenentscheidung die Gesamttätigkeit des Emittenten, die Verlässlichkeit der Informationsquelle und sonstige Marktvariablen, die das entsprechende Finanzinstrument beeinflussen dürften, zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 23. April 2013, a.a.O., Rn. 22). Sofern der Markt eine Information bereits beispielsweise als Gerücht oder „Übernahmefantasie“ vorweggenommen hat, reduziert dies ein mögliches Preisbeeinflussungspotenzial (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2018 – II ZB 24/14, juris Rn. 61; Emittentenleitfaden der BaFin, Stand 15. Juli 2005, III.2.1.14).

Im Einzelnen gilt vorliegend dabei Folgendes:

 (α) Die Einschätzung des Kursbeeinflussungspotentials der Information über die „konkrete Beherrschungsabsicht“ am und nach dem 3. März 2008 hat die von der Musterbeklagten zu 1 an diesem Tag veröffentlichte Ad-hoc-Mitteilung zu berücksichtigen. Darin teilte die Musterbeklagte zu 1 mit, dass ihr Aufsichtsrat grünes Licht für die Erhöhung der Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 auf über 50 % gegeben habe. Zudem wurde in der Ad-hoc-Mitteilung der Vorstandsvorsitzende Dr. W. mit der Äußerung zitiert: „Unser Ziel ist die Schaffung einer der innovativsten und leistungsstärksten Automobil-Allianzen der Welt, die dem verschärften internationalen Wettbewerb gerecht wird.“ Damit war dem Kapitalmarkt bekannt, dass der Vorstand, jedenfalls aber der Vorsitzende des aus Dr. W. und dem Finanzvorstand H. bestehenden Vorstandes der Musterbeklagten zu 1 eine dem Beschluss des Aufsichtsrats gleichgerichtete Auffassung vom Beteiligungsaufbau vertrat. Dass der Vorstand insoweit bereits einen förmlichen Beschluss gefasst hatte, hatte für die Anlageentscheidung des verständigen Anlegers keine weitergehende Bedeutung. Die Information, dass auch der Vorstand einen entsprechenden Beschluss der Beteiligungserhöhung gefasst hatte, war daher aufgrund der veröffentlichten Umstände nicht kursrelevant.

 (β) Dem verständigen Anleger war bewusst, dass die Musterbeklagte zu 1 in der Folgezeit nach den von den Aufsichts- und Kartellbehörden noch zu erteilenden Freigaben in großem Umfang Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 erwerben werde. Aufgrund der Pressemitteilungen der Musterbeklagten zu 1 vom 24. März 2007, vom 3. und 30. April 2007 sowie vom 4. Juni 2007 (Anlagen MBPor 64 - 68) war zudem öffentlich bekannt, dass die Musterbeklagte zu 1 einen Anteil von rund 31 % dieser Stammaktien hielt. In der zeitgleich mit der Ad-hoc-Mitteilung vom 3. März 2008 veröffentlichten Pressemitteilung (Anlage MBPor 70) wies die Musterbeklagte zu 1 ferner darauf hin, dass ein Anteilserwerb weiterer 20 % bei dem damaligen Börsenkurs von rund 150 € je Stammaktie ein Investment von knapp 10 Mrd. € bedeuten würde. Auch weitere dem Markt bekannte Umstände ließen die Absicht der Musterbeklagten zu 1 erkennen (vgl. dazu näher Rn. 178 - 202).

Dem verständigen Marktteilnehmer war damit bekannt, dass die Musterbeklagte zu 1 aktuell und auch zukünftig Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 in einem erheblichen Umfang zu erheblichen Kosten erwerben werde.

Betreffend den künftigen Umstand eines Beteiligungsaufbaus auf 75 % und den Abschluss eines Beherrschungsvertrags wird ein verständiger Anleger zudem nach den Regeln der allgemeinen Erfahrung in einer umfassenden Würdigung der bereits verfügbaren Anhaltspunkte (EuGH, Urteil vom 28. Juni 2012 – C-19/11, juris Rn. 44, 56) beurteilen, ob eher mit dem Eintreten des künftigen Ereignisses als mit seinem Ausbleiben zu rechnen ist, wobei die Wahrscheinlichkeit nicht zusätzlich hoch sein muss (BGH, Beschluss vom 23. April 2013, a.a.O., juris Rn. 29).

Ein verständiger Anleger hätte vor diesem Hintergrund einer Information über eine „konkrete Beherrschungsabsicht“ des Vorstands der Musterbeklagten zu 1 mit dem eingangs bezeichneten Inhalt naheliegend keine weitere erhebliche Relevanz für seine Anlageentscheidung beigemessen. Während die Ad-hoc-Mitteilung vom 3. März 2008 eine Entscheidung des Aufsichtsrats der Musterbeklagten zu 1 über eine konkret und verhältnismäßig zeitnah anstehende Beteiligungserhöhung betraf, stellte die weitergehende Absicht im Vorstand bzw. im Gesellschafterausschuss erst einen ersten Planungsschritt für einen weitergehenden Beteiligungsaufbau dar. Zudem waren die Informationen über den angekündigten Beteiligungsaufbau auf über 50 % und über den bislang nicht angekündigten weiteren Aufbau auf 75 % gleichgelagert und jeweils in die Zukunft gerichtet, so dass ein weitergehender Kauf- oder Verkaufsanreiz eher nicht gegeben war, zumal die Erreichung der weitergehenden Ziele eines Beteiligungsaufbaus auf über 75 % und des Abschlusses eines Beherrschungsvertrages von weitergehenden Voraussetzungen – insbesondere auch der Änderung des VW-Gesetzes – abhing. Außerdem konnte ein verständiger Anleger davon ausgehen, dass die Musterbeklagte zu 1 den Kapitalmarkt über eine Aufstockung auf 75 % zumindest dann informieren werde, wenn diese konkret bevorstehe. Aus der Offenlegung der „konkreten Beherrschungsabsicht“ hätte ein verständiger Anleger daher vor dem 26. Oktober 2008 zwar die Information ziehen können, dass die Musterbeklagte zu 1 auch in weiterer Zukunft Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 kaufen werde, soweit dies den Rahmenbedingungen nach möglich und im Hinblick auf den angestrebten Abschluss eines Beherrschungsvertrages zielführend wäre. Dies stellte im Hinblick auf Anlageentscheidungen in die Vorzugsaktien der Musterbeklagten zu 1 aber keinen über den Inhalt der Ad-hoc-Mitteilung vom 3. März 2008 wesentlich hinausgehenden Erkenntnisgewinn dar.

Es war zudem zunächst ungewiss, ob und wann die Musterbeklagte zu 1 überhaupt auf insgesamt 75 % – bzw. ohne Aufhebung der Regelungen zur Sperrminorität auf insgesamt 80 % – der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 zugreifen könnte.

Mit Abschluss des Optionsaufbaus am 24. Juli 2008 hatte die Musterbeklagte zu 1 nach dem Vortrag der Musterklägerin zwar Zugriff auf insgesamt 75 % der Stammaktien. Abgesehen von der verbleibenden Unsicherheit betreffend die Fortgeltung der Sperrminorität hatte die Musterbeklagte zu 1 aber die Übernahme dieser Stammaktien wirtschaftlich noch nicht zweifelsfrei gesichert. Die an der Finanzierung der Übernahme beteiligten Banken gingen zwar von der Machbarkeit dieses Vorhabens aus, dies aber zuletzt mit einer zeitlichen Perspektive bis zum 1. Halbjahr 2009; die für eine Anteilsaufstockung auf bis zu 75 % erforderlichen Kredite hatte die Musterbeklagte zu 1 noch nicht erhalten.

Im zeitlichen Zusammenhang hiermit hatte zudem der Aufsichtsrat der Musterbeklagten zu 1 deren Vorstand zwar förmlich ermächtigt, die Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 auch über die Schwelle von 75 % zu erhöhen und die notwendigen Finanzierungsmaßnahmen zu ergreifen. Mit dieser Ermächtigung, die einer Entscheidung des Gesellschafterausschusses vom 18. Juli 2008 folgte, war die Entscheidung für die entsprechende Anteilsaufstockung aber weder zwingend gefallen noch stand eine solche weitere Aufstockung konkret bevor. Auch wenn der Wunsch des Gesellschafterausschusses klar gewesen sein und den Vorstand in seinen Bemühungen gebunden haben mag, oblag die letztliche Entscheidung dem Vorstand, der sie unter Berücksichtigung der weiteren Rahmenbedingungen treffen musste.

 (γ) Weiter war dem verständigen Kapitalmarktteilnehmer bekannt, dass die Musterbeklagte zu 1 in ihrem im Herbst 2007 veröffentlichten Geschäftsbericht für das Geschäftsjahr 2006/2007 (Anlage MBPor 106) und ähnlich auch mit dem Halbjahresfinanzbericht zum 31. Januar 2008 (Anlage MBPor 107) bereits mitgeteilt hatte, dass sie zur Absicherung der Aufstockung ihres Anteils an der Musterbeklagten zu 2 Kurssicherungsgeschäfte in Form von Aktienoptionen mit Barausgleich abgeschlossen und darüber hinaus Aktienoptionen mit verschiedenen Basiswerten zur Liquiditätsbeschaffung eingesetzt habe. Dass es sich dabei um Aktienoptionen mit einem großen Umfang handelte, ergab sich schon daraus, dass diese mit 10,5 Mrd. € aktiviert und mit 13,5 Mrd. € passiviert waren, auch wenn diesen Bilanzansätzen für sich genommen nicht entnommen werden kann, dass sie allein Optionen betrafen, die sich auf Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 bezogen (vgl. auch Rn. 182, 474 ff.).

Zudem berichtete die Presse verschiedentlich über die Optionsstrategie der Musterbeklagten zu 1 (näher dazu Rn. 185 ff.).

Dass der genaue Optionsbestand und der Umfang der damit nach dem Vortrag der Musterklägerin verbundenen Marktenge bei den Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 nicht bekannt waren, ist – anders als betreffend diese Stammaktien – im Hinblick auf Anlageentscheidungen in Bezug auf die Vorzugsaktien der Musterbeklagten zu 1 nicht unmittelbar von Bedeutung.

Mit der vorhandenen Information über die Optionsgeschäfte hatte der verständige Kapitalmarktteilnehmer grundsätzlich Kenntnis davon, dass hiermit bei entsprechender Marktentwicklung ein potentielles wirtschaftliches Risiko für die Musterbeklagte zu 1 verbunden war. Ein abstraktes Risiko war unabhängig davon erkennbar, ob der Optionsbestand auf eine Beteiligungserhöhung auf 50 % oder auf 75 % gerichtet war. Auch bei Absicherung einer Aufstockung auf nur 50 % waren die zur Liquiditätsbeschaffung eingesetzten Aktienoptionen erkennbar mit erheblichen – abstrakten – wirtschaftlichen Risiken verbunden. Wie in den bereits in Bezug genommenen Analysen näher ausgeführt, war es für den Markt naheliegend, dass die Musterbeklagte zu 1 insoweit in erheblichem Umfang Put-Optionen verkauft hatte. Das genaue Ausmaß dieses Risikos war für den verständigen Marktteilnehmer zwar nicht erkennbar. Er hatte weder Kenntnis von dem genauen Optionsbestand – insbesondere auch nicht von dem Verkauf sog. freistehender Put-Optionen – noch von der genauen Ausgestaltung.

Allerdings bestand auch nach dem Vortrag der Musterklägerin bis Mitte Oktober 2008 kein konkretes erhebliches Risiko, weil aufgrund der mit den Optionsstrategien verbundenen Nachfrage ein gleichbleibender bzw. leicht steigender Kurs der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 garantiert gewesen sei. Wären dem verständigen Anleger diese Umstände insgesamt bekannt gewesen, hätte er damit dem abstrakt mit den Optionsstrategien verbundenen Risiko keine wesentliche Bedeutung für die Anlageentscheidung betreffend Vorzugsaktien der Musterbeklagten zu 1 beigemessen.

 (δ) Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Kapitalmarkt teilweise – wenn auch nicht einheitlich – sogar ausdrücklich davon ausging, dass die Musterbeklagte zu 1 eine Beherrschung der Musterbeklagten zu 2 anstrebte (vgl. näher Rn. 188 f., 193, 197, 200 f.). Verschiedene Erklärungen der Musterbeklagten zu 1 und sonstige Umstände – etwa deren Bestrebungen, eine Änderung des VW-Gesetzes herbeizuführen (näher: Rn. 198 ff.) – ließen dahingehende Überlegungen auch naheliegend erscheinen. Diese Erwartungen („Übernahmefantasien“) reduzierten ein etwaig verbleibendes Kursbeeinflussungspotenzial zusätzlicher Informationen weiter.

Die Auffassung der Musterklägerin, die mit der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 mitgeteilten Umstände seien für den Kapitalmarkt völlig neu und überraschend gewesen, trifft daher nicht zu. Überraschend mögen zwar insbesondere der Zeitpunkt des konkreten Beschlusses, der genaue Umfang der Kurssicherungsstrategien und die damit verbundene Marktenge gewesen sein. Dies ändert jedoch nichts an dem jedenfalls nicht offensichtlichen Kursbeeinflussungspotenzial dieser und weiterer Details vor dem 26. Oktober 2008.

 (ε) Der tatsächliche Kursverlauf der Vorzugsaktien der Musterbeklagten zu 1 indiziert keine Kursrelevanz der infrage stehenden Informationen.

Nach dem Bericht des Handelsblatts vom 4. März 2008 (Anlagenkonvolut MBPor 72 a.E.) zeigte sich „die Börse“ zwar überrascht über die Ankündigung der Musterbeklagten zu 1 vom 3. März 2008, ihren Anteil an der Musterbeklagten zu 2 auf über 50 % aufstocken zu wollen; die „Porsche-Aktie“ habe um knapp 3 % „zugelegt“. Aus dieser Reaktion auf die konkret und zeitnah bevorstehende Beteiligungserhöhung lassen sich aber keine tragfähigen Rückschlüsse ziehen, wie der Kapitalmarkt auf die Mitteilung der „konkreten Beherrschungsabsicht“ reagiert hätte, deren weitergehende Umsetzung – wie dargestellt – in der Zukunft lag und unsicherer war.

Die Kursentwicklung der Porsche-Vorzugsaktie in den Tagen nach dem 3. März 2008 hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Musterklägerin trotz des Hinweis- und Auflagenbeschlusses des Senats vom 11. September 2017 nicht dargelegt.

Hinweise auf eine Kursrelevanz dieser Informationen folgen ebenso wenig aus der Kursentwicklung nach dem 26. Oktober 2008, mithin nach der Veröffentlichung der Absicht einer Anteilsaufstockung und Beherrschung der Musterbeklagten zu 2. Aus den vorgetragenen Daten für den Zeitraum vom 20. bis 31. Oktober 2008 (Schriftsatz vom 4. Oktober 2017 [Rn. 220], Bl. 3330 d.A.) ergibt sich zwar ein deutlich erhöhtes Handelsvolumen nach der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008, wobei dieses allerdings bereits am 24. Oktober 2008 gegenüber den Vortagen deutlich angestiegen war, so dass dies für sich genommen keine Rückschlüsse auf eine Kurserheblichkeit zulässt. Ein deutlicher Kurssprung auf rund 56 € ist erst am 29. Oktober 2008 zu verzeichnen, möglicherweise beeinflusst durch die an diesem Tag erfolgte Ankündigung, einen Teil der Optionspositionen aufzulösen. Der weitere Vortrag der Musterklägerin mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2018 (dort Rn. 365), der Kurs der Vorzugsaktien sei unmittelbar nach der Veröffentlichung der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 von unter 40 € auf über 60 € gestiegen, bezieht sich ersichtlich auf diesen Kursanstieg ab dem 29. Oktober. Der Schlusskurs am 24. Oktober 2008 mit 39,347 € und die Eröffnungs- und Schlusskurse am 27. und 28. Oktober 2008 zwischen 37,953 € und 39,321 € bewegen sich ebenso wie der Tageshöchstkurs am 28. Oktober 2008 mit 42,552 € in einer „üblichen“ Bandbreite. Dass der Tiefstkurs von 32,149 € am 27. Oktober 2008 unüblich niedrig gewesen wäre und Rückschlüsse auf eine Kursrelevanz zuließe, ist dem Vortrag nicht zu entnehmen. Auch die Schwankungsbreite der Kurse am 27. und 28. Oktober 2008 von gut 26 % lässt entgegen der Auffassung der Musterklägerin keine Rückschlüsse auf eine Kursrelevanz zu; bereits an den beiden Tagen des 23. und 24. Oktober 2008 gab es eine ähnliche Schwankungsbreite.

Es gibt daher – ex post – keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Kursrelevanz. Ohnehin sind Rückschlüsse aus der Kursentwicklung in diesem späteren Zeitraum auf die Kursrelevanz der in Frage stehenden Umstände vor dem 26. Oktober 2008 allenfalls sehr eingeschränkt möglich, weil dort jedenfalls die Kursentwicklung der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2, deren Auswirkungen auf die Kursentwicklung der Vorzugsaktie der Musterbeklagten zu 1 ebenfalls in Frage stehen, nach dem Vortrag der Musterklägerin durch die besondere Situation nicht nur einer Marktenge, sondern auch eines hohen Anteils an Leerverkäufen geprägt war.

Rückschlüsse auf eine Kursrelevanz für die Vorzugsaktie der Musterbeklagten zu 1 aus einer möglichen Beeinflussung des Kurses der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 durch die Erklärung vom 3. März 2008 sind nicht schlüssig dargelegt und auch nicht sonst ersichtlich. Die Musterklägerin stützt sich insoweit darauf, dass die Handelsaktivität in den Tagen des 8. bis 10. März 2008 die Kursrelevanz der Information belegte; diese Handelsaktivität habe im Zusammenhang mit Presseberichten vom 8. und 10. März 2008 über die Übernahme und den Abschluss eines Beherrschungsvertrags (Anlagen MK 40, 41) gestanden. Eine solche Kursrelevanz wird aber durch die als Anlage MBPor 99 vorgelegte Kurshistorie der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 gerade nicht bestätigt. Am Freitag, den 7. März 2008, belief sich der Schlusskurs auf 151,75 €, am Montag, den 10. März 2008, auf 154,25 € und am Dienstag, den 11. März 2008, auf 154,51 € und stieg in den folgenden Tagen bis zum 14. März 2008 auf 157,15 €. Größere Kursprünge waren erst ab dem 17. bis zum 26. März 2008 zu vermerken, als der Kurs bis auf 186,54 € stieg. Eine unmittelbare Kursbeeinflussung lässt sich daher weder auf die Presseartikel noch auf die Pressemitteilung vom 10. März 2008 zurückführen. Auch in den vorangegangenen Tagen lässt sich eine Auswirkung jedenfalls der tatsächlich erfolgten Mitteilungen auf den Aktienkurs nicht erkennen. Der Eröffnungskurs der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 am 3. März 2008, dem Tag der Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung, betrug 149,1 €. Der Tagesschlusskurs belief sich auf 152,35 € mit einem Höchstkurs bei 154,3 €. Auch in den darauffolgenden Tagen lag er zwischen 150,29 € und 154,44 €. Solche Kursänderungen liegen im Rahmen der üblichen Schwankungsbreite üblicher Börsentage.

Nach dem zumindest nicht ausdrücklich bestrittenen Vortrag der Musterbeklagten zu 1 war auch die BaFin nach einer Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kursverlauf der Vorzugsaktien der Musterbeklagten zu 1 insbesondere im September und Oktober 2008 (einschließlich den Tagen nach dem 26. Oktober 2008) dem allgemeinen Markttrend folgte und die Veröffentlichung der Musterbeklagten zu 1 zu keiner eigenständigen Kursentwicklung führte (Bl. 1958, 3444). Auf diese vorgetragene Untersuchung kommt es aber nicht mehr entscheidend an.

 (ζ) Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Emittentenleitfaden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Der – eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift darstellende (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, juris Rn. 44) – Emittentenleitfaden (Stand 15. Juli 2005, IV.2.2.4) führt in dem Katalog veröffentlichungspflichtiger Insiderinformationen sowohl Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsverträge als auch den Erwerb von wesentlichen Beteiligungen als Fallkonstellationen an, bei denen sich die Frage der Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung stellt. Dass bei diesen Fallgestaltungen in der Regel von einem erheblichen Preisbeeinflussungspotential auszugehen wäre, nahm aber auch die BaFin (anders als im Emittentenleitfaden 2009) nicht an. Im Übrigen ging es – nach der Behauptung der Musterklägerin – nur um den künftigen Umstand eines Beherrschungsvertrags, so dass zu berücksichtigen war, ob dieser Umstand nach allgemeiner Erfahrung in Zukunft überhaupt eintreten würde (vgl. auch Rn. 287 ff.). Den Erwerb einer wesentlichen Beteiligung hat die Musterbeklagte zu 1 durch die Ad-hoc-Mitteilung bekannt gemacht.

 (cc) Ob schließlich auch ein Fall des rechtmäßigen Alternativverhaltens vorläge, weil sich die Musterbeklagte zu 1 für einen Aufschub der Veröffentlichung gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG entschieden hätte, wenn sie das – unterstellte – Vorliegen einer Insiderinformation erkannt hätte, und ob die Voraussetzungen für eine solche „Selbstbefreiung“ vorgelegen haben (vgl. dazu etwa BGH, Beschluss vom 23. April 2013 – II ZB 7/09, juris Rn. 33 ff.), muss hiernach nicht entschieden werden.

 (dd) Weitergehende Publizitätspflichten bestehen nicht deshalb, weil kursrelevante Falschinformationen über konkrete selbstbezogene Umstände, welche ein Emittent auf anderem Wege als durch Ad-hoc-Mitteilung in den Kapitalmarkt gegeben hat, eine Pflicht zur unverzüglichen Publizierung einer berichtigenden Ad-hoc-Mitteilung auslösten (OLG München, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – Kap 3/10, juris Rn. 462 f.). Die infrage stehenden Pressemitteilungen und weiteren Kapitalmarktinformationen der Musterbeklagten zu 1 waren weder (grob) falsch noch in kursrelevanter Weise (grob) irreführend (vgl. auch Rn. 330 ff.).

 (ee) Zudem waren die Publizitätspflichten nach § 15 WpHG zum damaligen Zeitpunkt in der rechtlichen Diskussion noch nicht vollständig aufgearbeitet. Insbesondere die maßgeblichen Entscheidungen zur Publizitätspflicht bei zeitlich gestreckten Vorgängen (EuGH, Urteil vom 28. Juni 2012 – C-19/11, juris; BGH, Beschluss vom 23. April 2013 – II ZB 7/09, juris) sind erst deutlich nach dem hier infrage stehenden Zeitraum ergangen.

cc) Eine allgemeine Rechtspflicht, die angenommene „konkrete Beherrschungsabsicht“ zu veröffentlichen, bestand auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Ingerenz (vgl. dazu etwa LG Stuttgart, Vorlagebeschluss vom 28. Februar 2017 – 22 AR 1/17 Kap, juris Rn. 82).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt eine Garantenstellung aus Ingerenz ein pflichtwidriges Vorverhalten voraus (BGH, Beschluss vom 8. März 2017 – 1 StR 466/16, juris Rn. 26; vgl. auch BGH, Urteil vom 26. September 2005 – II ZR 380/03, juris Rn. 27). An einem solchen pflichtwidrigen Vorverhalten der Musterbeklagten zu 1 fehlt es hier. Der Beteiligungsaufbau ab dem Jahr 2005, den die Musterbeklagte zu 1 durch Kapitalmarktinformationen bekannt gemacht hat, und der Abschluss der einzelnen Optionsstrategien waren zulässig.

Auch die Veröffentlichung einer fehlerhaften Pressemitteilung kann die Pflicht zu deren Korrektur auslösen. Dies ist für den Fall anerkannt, dass die weiteren Voraussetzungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 WpHG vorliegen (vgl. nur OLG München, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – KAP 3/10, juris Rn. 449 ff.). Hier bestand eine solche Publizitätspflicht zumindest nicht offensichtlich. Die einzelnen Veröffentlichungen der Musterbeklagten zu 1 insbesondere zum Beteiligungsaufbau waren – wie ausgeführt – auch nicht falsch, jedenfalls nicht grob falsch. Gleiches gilt umso mehr für die Ad-hoc-Mitteilungen und Pressemitteilungen vor dem 3. März 2008. Diese früheren Mitteilungen wirkten darüber hinaus in dem streitgegenständlichen Zeitraum, in dem Impulse für Anlageentscheidungen der Musterklägerin und der Beigeladenen gesetzt worden sein mögen, nicht mehr fort (vgl. dazu etwa die Erwägungen des Senats unter III.1. in dem Beschluss vom 12. Januar 2017, an denen der Senat festhält). Dies gilt gleichfalls für die im Anschluss an die Ziehung der Kreditlinie über 10 Mrd. € am 20. Februar 2008 erfolgte Mitteilung, diese Kreditmittel kurzfristig zinsbringend anzulegen. Dass hierdurch ein – zumal im hier streitgegenständlichen Zeitraum – korrekturbedürftiges Fehlverständnis hervorgerufen worden wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (näher: Rn. 183 ff.). Diese vorangegangenen Umstände lösten deshalb jedenfalls keine Korrekturpflicht aus, die ihrerseits einem sittlichen Gebot entspräche und im Rahmen der infrage stehenden Haftung nach § 826 BGB relevant wäre.

dd) Es bestand auch keine aus § 242 BGB folgende, auf möglichem Vertrauen der Marktteilnehmer beruhende oder sonst etwa sittlich gebotene Handlungspflicht, und zwar auch nicht zur Veröffentlichung des Vorratsbeschlusses des Aufsichtsrats vom 23. Juli 2008.

Entgegen der Ansicht der Musterklägerin schafft der Umstand, dass die Musterbeklagte zu 1 in der Vergangenheit Ermächtigungsbeschlüsse des Aufsichtsrats in Bezug auf den Beteiligungsaufbau – teilweise auch im Wege von Ad-hoc-Mitteilungen – veröffentlicht hatte, keinen Vertrauenstatbestand, auch in Zukunft so zu verfahren.

Dem steht bereits entgegen, dass die Veröffentlichungspflicht nicht im Belieben des Emittenten steht, sondern eine Kursrelevanz voraussetzt. Es ist in jedem Einzelfall vom Emittenten zu prüfen, ob bei einem Vorratsbeschluss die Voraussetzungen des § 15 WpHG vorliegen. Allein der Umstand, dass in der Vergangenheit Ermächtigungsbeschlüsse des Aufsichtsrats bekannt gemacht wurden, reicht nicht aus.

Der Beschluss des Aufsichtsrats vom 23. Juli 2008, den Vorstand vorsorglich auf Vorrat zu ermächtigen, die Beteiligung an der Musterbeklagten zu 1 auch auf über 75 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 aufzustocken, unterschied sich wesentlich insbesondere von dem durch eine Ad-hoc-Mitteilung bekannt gemachten Aufsichtsratsbeschluss vom 24. März 2007, der den Vorstand ermächtigt hatte, die Beteiligung auf bis zu 31 % zu erhöhen. Letztgenannten Ermächtigungsbeschluss setzte der Vorstand zeitnah um. Die Beteiligungsaufstockung stand im Zeitpunkt des Ermächtigungsbeschlusses und der Information hierüber ersichtlich konkret und hinreichend wahrscheinlich bevor. Die Situation bei Veröffentlichung des Aufsichtsratsbeschlusses vom 3. März 2008 war vergleichbar. Demgegenüber bestehen auch nach dem klägerischen Vortrag keine Anhaltspunkte dafür, dass der Ermächtigungsbeschluss vom 23. Juli 2008 zeitnah umgesetzt werden sollte. Vielmehr erklärt die Musterbeklagte zu 1 diesen Vorratsbeschluss – ohne dass es hierauf letztlich ankäme – durchaus plausibel damit, dass sie durch die vorgezogene Ermächtigung mögliche Probleme wegen der bevorstehenden Mitbestimmung der Arbeitnehmervertreter der Musterbeklagten zu 2 im Aufsichtsrat der Musterbeklagten zu 1 vermeiden wollte.

Dass die Musterbeklagte zu 1 durch Pressemitteilung vom 15. November 2006 einen Vorratsbeschluss des Aufsichtsrates vom selben Tag bekannt gemacht hatte, der ebenfalls nicht zeitnah umgesetzt und schließlich durch den weiteren Ermächtigungsbeschluss vom 24. März 2007 überholt wurde, begründete kein schützenswertes Vertrauen der Marktteilnehmer darin, dass die Musterbeklagte zu 1 auch Ermächtigungsbeschlüsse, deren Umsetzung nicht konkret bevorsteht, stets bekanntmachen werde. Ein solches Vertrauen setzte schon im Ausgangspunkt eine regelmäßige, sich häufig wiederholende, vergleichbare Handhabung voraus, an der es hier bereits fehlt.

Ohne dass es hierauf noch ankäme, wäre bei der gebotenen Gesamtbetrachtung noch die Motivation und die Vorstellung der Musterbeklagten zu 1 zu berücksichtigen. Diese hat ausgeführt, nach Hinzuziehung ihrer Rechtsberater zu dem Ergebnis gekommen zu sein, dass aufgrund des bloßen Vorratscharakters keine Veröffentlichungspflicht bestehe.

ee) Ob Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten für sog. Directors‘ Dealings nach § 15a WpHG bestanden, braucht nicht entschieden zu werden. Sie waren jedenfalls nicht offensichtlich.

Nach verbreiteter Auffassung können bei einem Verstoß gegen § 15a WpHG Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB in Betracht kommen (Pfüller in: Fuchs, 2. Aufl., § 15a Rn. 199; Sethe in: Assmann/Schneider, 6. Aufl., § 15a Rn. 141; Zimmer/Osterloh in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., § 15a WpHG Rn. 110). Zweifel hieran bestehen allerdings insoweit, als diese Vorschrift lediglich Mitteilungspflichten gegenüber der BaFin sowie dem Emittenten begründet. Vorschriften, die den Schutz der Allgemeinheit oder die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts betreffen, kommen zur Konkretisierung der individualschützenden Vorschrift des § 826 BGB allenfalls eingeschränkt in Betracht (dazu: Fuchs in: Fuchs, 2. Aufl., vor §§ 37b, 37c Rn. 33). Dies kann ebenso offen bleiben wie die Frage, ob die Musterbeklagte zu 1 überhaupt gegen § 15a WpHG verstoßen hat. Denn selbst ein solcher Verstoß reichte – auch in der Gesamtschau – für ein Verwerflichkeitsurteil nicht aus.

 (a) Nach § 15a Abs. 1 S. 1, 2 WpHG könnte eine Pflicht der Musterbeklagten zu 1 bestanden haben, ihre Geschäfte mit Aktien der Musterbeklagten zu 2 und mit hierauf bezogenen Optionen der Musterbeklagten zu 2 sowie der BaFin mitzuteilen. Die Musterbeklagte zu 2 wäre dann nach § 15a Abs. 4 WpHG verpflichtet gewesen, diese Informationen zu veröffentlichen. Anders als etwa nach §§ 21, 22 WpHG waren insoweit grundsätzlich auch Optionsgeschäfte mitteilungspflichtig, die auf Barausgleich gerichtet waren (Pfüller, a.a.O., Rn. 140a).

§ 15a Abs. 1 S. 1 WpHG begründete eine Pflicht zur Mitteilung von eigenen Geschäften mit Aktien der Musterbeklagten zu 2 und hierauf bezogenen Derivaten für Personen, die bei der Musterbeklagten zu 2 Führungsaufgaben nach § 15a Abs. 2 WpHG wahrnehmen. Solche Führungsaufgaben hatten als Mitglieder des Aufsichtsrats der Musterbeklagten zu 2 die Vorstände der Musterbeklagten zu 1 Dr. W. und H. sowie die Mit-Anteilseigner der Musterbeklagten zu 1 Dr. W. P. und Prof. Dr. F. P..

§ 15a Abs. 1 S. 1, 2, Abs. 3 S. 2, 3 WpHG erstreckte diese Mitteilungspflicht u.a. auf juristische Personen, bei denen solche Personen Führungsaufgaben wahrnehmen, die direkt oder indirekt von einer solchen Person kontrolliert werden, die zugunsten einer solchen Person gegründet wurden oder deren wirtschaftliche Interessen weitgehend denen einer solchen Person entsprechen. Es kommt in Betracht, dass es sich bei der Musterbeklagten zu 1 um eine hiervon erfasste juristische Person handelte. Allerdings ist der Wortlaut von § 15a Abs. 3 S. 2, 3 WpHG nach allgemeiner Auffassung zu weit gefasst und teleologisch zu reduzieren, um nur solche Fälle zu erfassen, die vom Regelungszweck, nämlich der Verhinderung von Umgehungssachverhalten, betroffen sind.

Die BaFin vertritt die Auffassung, dass nur die Geschäfte solcher Gesellschaften zu erfassen seien, bei denen für die natürliche Person eine Möglichkeit besteht, sich einen nennenswerten wirtschaftlichen Vorteil zu sichern; ein solch nennenswerter wirtschaftlicher Vorteil könne zum Beispiel dann erzielt werden, wenn die Führungsperson (...) an der Gesellschaft mit mindestens 50 % beteiligt ist, mindestens 50 % der Stimmrechte an der Gesellschaft hält oder ihr mindestens 50 % der Gewinne der Gesellschaft zugerechnet werden (BaFin, Emittentenleitfaden 2005, S. 72 f.; Emittentenleitfaden 2009, S. 87; zustimmend: OLG Stuttgart, Urteil vom 17. November 2010 – 20 U 2/10, juris Rn. 699; Sethe in: Assmann/Schneider, 6. Aufl., § 15a Rn. 56 f.; wohl ebenso: Heinrich in: KK-WpHG, 2. Aufl., § 15a Rn. 48; krit.: Pfüller in: Fuchs, 2. Aufl., § 15a Rn. 106b; ders. in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., § 23 Rn. 30 [offen jetzt in: 3. Aufl., § 22 Rn. 47]; Zimmer/Osterloh, a.a.O., Rn. 75; Osterloh, Directors‘ Dealings, 458 ff.; Sethe/Hellgardt in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl., Art. 19 VO (EU) Nr. 596/2014, Rn. 52).

Diese von der BaFin formulierten Grenzen von jeweils 50 % der Beteiligung an der Musterbeklagten zu 1, der Stimmrechte oder der Gewinnzurechnung wurden von den genannten Personen, die Führungsaufgaben bei der Musterbeklagten zu 2 wahrnahmen, auch nach dem Vortrag der Musterklägerin und der Beigeladenen nicht überschritten. Die Vorstände der Musterbeklagten zu 1 Dr. W. und H. erhielten hiernach in dem fraglichen Zeitraum Gewinnbeteiligungen in Höhe von 1,0 % bzw. 0,2 % des um 100 Mio. € gekürzten Ergebnisses des Porsche-Konzerns. Die Mit-Anteilseigner der Musterbeklagten zu 1 Dr. W. P. und Prof. Dr. F. P. verfügten hiernach in dem maßgeblichen Zeitraum selbst über unmittelbare Beteiligungsquoten an der Musterbeklagten zu 1 von jeweils etwa 15 %. Nur unter Hinzurechnung der Stimmrechtsanteile der weiteren Stammaktionäre – weitere Mitglieder der Familien Po. und P. – wäre die genannte Stimmrechtsquote überschritten. Gewinne von „rund“ 50 % der Musterbeklagten zu 1 waren ihren Familien nach diesem Vortrag auch nur in der Gesamtschau zurechenbar.

Diese Gesichtspunkte könnten dafür sprechen, § 15a Abs. 1, 3 WpHG hier nicht anzuwenden. Das kann aber letztlich offenbleiben.

 (b) Selbst wenn die Musterbeklagte zu 1 solche Mitteilungspflichten verletzt haben sollte, wäre ihr Verhalten – insbesondere die unterlassene Veröffentlichung ihrer „konkreten Beherrschungsabsicht“ und der zugrundeliegenden Umstände – noch nicht sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB. Hierauf ist der Senat in dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2022 näher eingegangen.

 (aa) Der mögliche Verstoß gegen § 15a WpHG war unter Berücksichtigung der von der BaFin im Emittentenleitfaden formulierten Maßstäbe jedenfalls nicht eindeutig. Es ist nicht ersichtlich, dass die Musterbeklagte zu 1 sich absichtlich über eindeutige Verhaltenspflichten hinweggesetzt hätte. Das Oberlandesgericht Stuttgart (a.a.O., Rn. 695 ff.) hat einen solchen Verstoß im Hinblick auf letztlich denselben Sachverhalt verneint.

 (bb) Ferner sind die Interessen des Kapitalmarkts, denen die Mitteilungspflichten nach § 15a WpHG dienen, hier schon nicht konkret betroffen. Selbst wenn die Musterbeklagte zu 1 eine entsprechende Mitteilungspflicht verletzt haben und dies für einen Schaden von Kapitalmarktteilnehmern kausal geworden sein sollte, fehlte es doch an einem funktionalen Zusammenhang gerade mit den durch die Regelung des § 15a WpHG verfolgten Zielen.

 (aaa) Der Regelung des § 15a WpHG liegt die Erwägung zugrunde, dass Personen mit Führungsaufgaben im Regelfall einen Wissensvorsprung über die Verhältnisse des Emittenten haben und ihre Geschäfte mit Wertpapieren des Emittenten deshalb für das breite Publikum Rückschlüsse auf die gegenwärtige oder künftige Unternehmensentwicklung erlauben können; diese Geschäfte haben damit eine sog. Indikatorwirkung (Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 14/8017, S. 87). Die Mitteilungspflicht soll bewirken, dass das breite Anlegerpublikum an einem solchen Wissensvorsprung indirekt teilhat (Pfüller, a.a.O., Rn. 22, 24; Sethe, a.a.O. [6. Aufl.], Rn. 12 f.).

Im vorliegenden Fall beruhten die konkreten Wertpapier- und Derivategeschäfte der Musterbeklagten zu 1 demgegenüber nicht auf einem speziellen Wissensvorsprung ihrer Vorstände und Anteilseigner, die diese gerade in ihrer Funktion als Aufsichtsräte der Musterbeklagten zu 2 erlangt hätten. Dadurch, dass die Musterbeklagte zu 1 keine Mitteilungen nach § 15a WpHG vorgenommen hat, hatte sie dem Kapitalmarkt in der Sache kein derartiges Insiderwissen vorenthalten. Die Musterklägerin behauptet zwar mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2008, das Eingehen des erheblichen Risikos durch den Verkauf von Put-Optionen sei nur dadurch zu erklären, dass die Musterbeklagte zu 1 die Kontrolle über wesentliche operative Entscheidung der Musterbeklagten zu 2, sämtliche relevanten Informationen und den Informationsfluss an den Kapitalmarkt habe ausüben können. Diese Behauptung ist bereits zu pauschal und könnte damit unbeachtlich sein. Sie steht aber zusätzlich im Widerspruch zu grundlegendem Vortrag unter anderem aus der Musterklagebegründung (u.a. Rn. 247, 252 ff., 345 ff.) und dem Schriftsatz vom 4. Oktober 2017. Dort trägt die Musterklägerin vor: Voraussetzung für den Erfolg des Übernahmeplans sei ein gleichbleibender oder leicht steigender Kurs der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 gewesen. Die kontinuierliche Nachfrage nach diesen Aktien aufgrund der Hedging-Geschäfte in Verbindung mit der hierdurch erzeugten Marktverengung habe diese Kursentwicklung garantiert. Der Aktienkurs habe sich damit nicht nur vom allgemeinen Markttrend, sondern auch von dem inneren Wert der Aktie entkoppelt. Dies habe ein künstliches Preisniveau geschaffen und an sich angezeigte Kursrückgänge verhindert. Dieser Mechanismus habe erst nach dem 15. September 2008 versagt. Hiernach kam der tatsächlichen operativen Tätigkeit und der Kapitalmarktkommunikation der Musterbeklagten zu 2 und damit einem möglichen diesbezüglichen speziellen Wissensvorsprung der Personen mit Führungsaufgaben der Musterbeklagten zu 1 in dieser Zeit gerade keine wesentliche Bedeutung für die Umsetzung des Übernahmeplans zu.

Nach dem Vortrag der Musterklägerin enthielt die Musterbeklagte zu 1 zwar Informationen zum Umfang des Beteiligungsaufbaus als solchem vor – und damit indirekt auch zu einer mit diesem Beteiligungsaufbau selbst zusammenhängenden möglichen künftigen Wertentwicklung der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2. Diese Umstände standen aber nicht im Zusammenhang mit möglichem Insiderwissen der Führungspersonen der Musterbeklagten zu 1 aus ihrer Tätigkeit als Aufsichtsräte der Musterbeklagten zu 2. § 15a WpHG dient – anders als §§ 21 f. WpHG – nicht dem Zweck, allgemein Transparenz über Beteiligungsverhältnisse zu schaffen.

 (bbb) § 15a WpHG dient zwar auch dem Zweck, bereits den Anschein eines Ausnutzens von Insiderwissen zu vermeiden und allgemein die Redlichkeit des Marktes zu fördern (BT-Drs. 14/8017, S. 88; Pfüller, a.a.O., Rn. 23, 27; Sethe, a.a.O. [6. Aufl.], Rn. 14). Diese allgemein präventiven Funktionen mögen vorliegend durch eine Verletzung der Mitteilungspflicht berührt gewesen sein. Die mögliche Schädigung der vorliegend beteiligten Anleger ist hierauf aber nicht zurückzuführen.

 (cc) Darüber hinaus war das Verhalten der Musterbeklagten zu 1 nicht deshalb sittenwidrig, weil sie ein auf unterbliebenen Mitteilungen nach § 15a WpHG beruhendes Vertrauen der Anleger darin ausgenutzt hätte, dass hiernach mitteilungspflichtige Geschäfte nicht erfolgt wären. Vielmehr war dem verständigen Kapitalmarktteilnehmer schon aufgrund der Presse- und Ad-hoc-Mitteilungen und der Meldungen nach § 21 f. WpHG ersichtlich, dass die Musterbeklagte zu 1 die fraglichen Geschäfte nicht nach § 15a WpHG für mitteilungspflichtig hielt, solche Mitteilungen jedenfalls nicht vornahm.

g) Auch in einer übergreifenden Gesamtschau stellt sich das Verhalten (Handeln und Unterlassen) der Musterbeklagten zu 1 in dem Zeitraum vor dem 26. Oktober 2008 nicht als verwerflich dar. Diese Kapitalmarktkommunikation ist insbesondere weder aufgrund ihrer Auswirkungen auf den Kurs der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 noch aufgrund der Verfolgung eigener Ziele durch die Musterbeklagte zu 1 oder aufgrund des behaupteten Zusammenhangs mit dem „Diesel-Abgasskandal“ sittenwidrig (vgl. zu weiteren Gesichtspunkten schon Rn. 169 ff.).

aa) Dass die Musterbeklagte zu 1 nicht von sich aus über ihre Überlegungen im Hinblick auf eine mögliche Aufstockung ihrer Anteile an der Musterbeklagten zu 2 auf 75 % und einen möglichen Beherrschungsvertrag sowie den zur Sicherung solcher Schritte erfolgten Aufbau von Optionspositionen im Detail informierte und teilweise Nachfragen oder Gerüchten mit Presseäußerungen begegnete, die jeweils interpretationsfähig waren und teilweise bei entsprechender Interpretation bei Außerachtlassung der sonstigen Umstände auch dahin verstanden werden konnten, dass Entsprechendes nicht beabsichtigt sei, reicht auch in einer Gesamtschau nicht aus, um ihr Verhalten als sittenwidrig im Sinn des § 826 BGB einzustufen. Die Äußerungen waren jeweils so formuliert, dass verständige Marktteilnehmer – zumal insbesondere professionelle Anleger – ebenso wie Analysten erkennen konnten, dass die Musterbeklagte zu 1 abschließende Dementis gezielt vermied. Auch im Ergebnis erweckte die Musterbeklagte zu 1 – wie die verschiedenen in Bezug genommenen Analystenberichte belegen – insoweit im Wesentlichen keinen unrichtigen Eindruck. Dass die einzelnen Äußerungen und das Unterlassen einer Information über die „konkrete Beherrschungsabsicht“ nach dem Vortrag der Musterklägerin Teil einer übergreifenden Kommunikationsstrategie war, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Wegen der Einzelheiten wird auf die obigen Erwägungen (Rn. 171 ff.) Bezug genommen.

Gerade dass Analysten teilweise unter ausdrücklicher Berücksichtigung der Kapitalmarktinformationen der Musterbeklagten zu 1 von deren Ziel ausgegangen waren, die Musterbeklagte zu 2 zu beherrschen (dazu Rn. 135, 185 ff.), zeigt schon, dass diese Kommunikationsstrategie nach den Maßstäben des verständigen Kapitalmarktteilnehmers nicht verwerflich war.

bb) Die Kommunikationsstrategie der Musterbeklagten zu 1 war nicht deshalb verwerflich, weil sie gemeinsam mit dem Beteiligungsaufbau einschließlich der Hedging-Aktivitäten dazu führte – und nach dem Vortrag der Musterklägerin auch führen sollte –, dass der Kurs der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 mit einer leicht steigenden Tendenz stabil gehalten und zu starke Kursanstiege vermieden werden sollten.

Dieser Beteiligungsaufbau und die ihn flankierende Kommunikationsstrategie waren nicht unter Verstoß gegen § 20a WpHG marktmanipulativ. Auf spezielle Gesichtspunkte des sog. Cornering und allgemein das Verhältnis zu der Mitteilung vom 26. Oktober 2008 wird im dortigen Zusammenhang eingegangen (Rn. 543 ff.). Die Musterklägerin setzt sich diesbezüglich nicht mit der umfassenden Würdigung des Privatsachverständigen V. in seinem von ihr vorgelegten Gutachten vom 15. Oktober 2009 (Anlage MK 37) auseinander. Der Senat schließt sich dessen Erwägungen an.

Auch abgesehen davon ist die behauptete Kursbeeinflussung nicht als verwerflich einzustufen. Der verständige Kapitalmarktteilnehmer rechnet damit, dass einerseits die durch eine Beteiligungsaufstockung generierte Nachfrage kurssteigernd wirkt und dass andererseits die übernehmende Gesellschaft kein Interesse an Kursübertreibungen oder übermäßigen Kurssteigerungen im Vorfeld der Übernahme hat und deshalb eine eher zurückhaltende Informationspolitik verfolgen wird.

cc) Eine die Ersatzpflicht nach § 826 BGB auslösende Verwerflichkeit dieser Kommunikationsstrategie lässt sich ebenso wenig damit begründen, dass die Musterbeklagte zu 1 es billigend in Kauf genommen hätte, dass die Doppelmandatsträger wesentliche Informationen nicht an die Musterbeklagte zu 2 weiterleiteten, so dass diese einer ihr im Falle einer solchen Kenntnis obliegenden Ad-hoc-Pflicht nicht habe nachkommen können. Dieser Vorwurf läuft letztlich darauf hinaus, dass die Musterbeklagte zu 1 ihre Übernahmepläne weiter verfolgte, obwohl der Kapitalmarkt hierüber nicht vollständig informiert war. Es bestehen indes keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kapitalmarkt darauf vertraute, von der Musterbeklagten zu 2 über Übernahmepläne der Musterbeklagten zu 1 informiert zu werden, was gerade wiederum vorausgesetzt hätte, dass u.a. diese Doppelmandatsträger ihre gegenüber der Musterbeklagten zu 1 bestehenden Geheimhaltungspflichten (dazu näher Rn. 631 ff.) verletzt hätten.

dd) Das fragliche Verhalten der Musterbeklagten zu 1 war trotz der teilweise offenen und – im Hinblick auf die Äußerung vom 10. März 2008 – möglicherweise missverständlichen Formulierung nicht deshalb verwerflich, weil die Musterbeklagte zu 1 mit dieser zurückhaltenden Informationspolitik eigene Ziele fördern wollte, insbesondere, wie die Musterklägerin vorträgt, einen übermäßigen Kursanstieg der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 vermeiden und sich den Zugriff auf diese Aktien auch bei zunehmender Marktenge erhalten wollte.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird in Fällen der Kapitalmarktinformationshaftung der Gesichtspunkt einer angestrebten persönlichen Bereicherung bislang nur zusätzlich zur groben Unrichtigkeit der Mitteilung berücksichtigt (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02, juris Rn. 49 f.; Oechsler in: Staudinger [Stand: 2021], § 826 Rn. 523; dag. MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl., § 826 Rn. 117). Einzelne obergerichtliche Entscheidungen stellten demgegenüber schwerpunktmäßig auf eine (gesteigerte) Absicht der persönlichen Bereicherung ab, ohne dass die Begründung erkennen ließ, dass die – dort wohl jeweils vorliegende – grobe Unrichtigkeit der Mitteilungen ebenso Voraussetzung des Verwerflichkeitsurteils war (so: OLG Frankfurt, Urteil vom 17. März 2005 – 1 U 149/04, juris Rn. 21; den Umstand der „dreisten und sich ständig wiederholenden Lüge“ stärker betonend: OLG München, Urteil vom 20. April 2005 – 7 U 5303/04, juris Rn. 10; vgl. in aktienrechtlichem Zusammenhang auch BGH, Urteil vom 22. Juni 1992 – II ZR 178/90, juris Rn. 96; so auch: Sethe in: Assmann/Schneider, 6.Aufl., §§ 37b, 37c Rn. 143).

Das hier der behaupteten „Kommunikationsstrategie“ zu Grunde liegende Gewinnstreben der Musterbeklagten zu 1 war nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden nicht als sittlich anstößig zu bewerten.

 (1) Zwar kann im Rahmen des § 826 BGB eine angestrebte persönliche Bereicherung einen die Verwerflichkeit begründenden Umstand darstellen (Fleischer, ZIP 2005, 1805, 1806; ders., DB 2004, 2031, 2034; Möllers, JZ 2005, 75, 76; Krause ZGR 2002, 799, 824 f.). So kann es wegen des verfolgten Zwecks sittenwidrig sein, wenn der Vorstand eines Unternehmens eine Täuschung vornimmt, um Aktien des Unternehmens noch zu einem guten Kurs verkaufen oder eigene Aktien noch preiswert kaufen zu können. In diesen Fallkonstellationen wird Insiderwissen zur persönlichen Bereicherung auf Kosten und durch Täuschung des Anlegerpublikums ausgenutzt; dies sei wegen der eigennützigen Gesinnung als verwerflich zu qualifizieren (Möllers, WM 2003, 2393, 2394; so auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. Januar 2010 - 15 U 230/09, juris Rn. 58; Sethe, a.a.O., Rn. 143).

 (2) Eine solche eigennützige Gesinnung ist hier aber nicht darin zu sehen, dass die Vorstandsmitglieder der Musterbeklagten zu 1 über die gewinnabhängige Vorstandsvergütung im Ergebnis von dem Erfolg der Optionsstrategien für die Musterbeklagte zu 1 partizipiert haben. Die Vorstände der Musterbeklagten zu 1 Dr. W. und H. erhielten nach dem Vortrag der Musterklägerin Gewinnbeteiligungen in Höhe von rund 66 Mio. € bzw. 13 Mio. € für das Geschäftsjahr 2006/2007 und in Höhe von rund 98 Mio. € bzw. 30 Mio. € für das Geschäftsjahr 2007/2008, die überwiegend auf den mit den Derivategeschäften erzielten Buchgewinnen beruhten.

Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die Vorstandsmitglieder der Musterbeklagten zu 1 mit dem Aufbau der Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 vorwiegend eigene Ziele statt der Interessen der Musterbeklagten zu 1 verfolgten. Zudem hing der Erfolg der Optionsstrategien nicht unmittelbar mit der Kursentwicklung der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 zusammen (vgl. allg. auch Möllers/Leisch in: KK-WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, c Rn. 453). Die Musterbeklagte zu 1 war jedenfalls bis Mitte Oktober 2008 weder an deutlich steigenden noch an deutlich fallenden Kursen interessiert. Steigende Kurse hätten trotz der Optionsstrategien zur Verteuerung des Beteiligungsaufbaus und fallende Kurse aufgrund der Put-Optionen zu Liquiditätsabflüssen führen können. Steigende Kurse führten zwar (kurzfristig) zu Buchgewinnen, die sich auf die gewinnabhängige Vorstandsvergütung auswirkten. Hierbei handelte es sich aber selbst nach dem Vortrag der Musterklägerin nicht um das mit der Kommunikationsstrategie verfolgte Ziel der Musterbeklagten zu 1.

 (3) Dabei ist nicht zu verkennen, dass die Pressemitteilung vom 10. März 2008 und allgemein die Kommunikationsstrategie der Musterbeklagten zu 1 nach dem Vortrag der Musterklägerin den angestrebten Beteiligungsaufbau „verschleiern“ sollte, um einen Kursanstieg zu verhindern und damit erhöhte Kosten des Beteiligungsaufbaus zu vermeiden. Diese Vermeidung erhöhter Kosten ist jedoch in ihrem Unwertgehalt mit den diskutierten Fällen eines eigennützigen Verhaltens nicht vergleichbar. Ein gewisses Gewinnstreben ist jedem wirtschaftlichen Handeln immanent. Dass ein solches Gewinnstreben vorliegend auch von den Marktteilnehmern nicht als sittlich anstößig bewertet wird, zeigt schon die verbreitete Einschätzung der Pläne der Musterbeklagten zu 1 in den vorgelegten Analysen. Die Analysten haben – ersichtlich unter Berücksichtigung marktüblicher Gepflogenheiten – nicht angenommen, weitergehende Beteiligungsabsichten seien nach den veröffentlichten Informationen ausgeschlossen. Zudem ist im Hinblick auf eine mögliche Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG anerkannt, dass das Interesse eines Bieters an der Nichtveröffentlichung eines Übernahmevorhabens zur Vermeidung einer Verteuerung des Kaufpreises ein berechtigtes Interesse darstellen kann (vgl. Pfüller in: Fuchs, 2. Aufl., § 15 Rn. 448 m.w.N.). Selbst wenn die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 WpHG letztlich nicht vorgelegen haben mögen, ist diese Wertung im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung zu berücksichtigen.

ee) Weitergehend wird teilweise bereits die bewusste Täuschung des Anlegerpublikums im Rahmen von Pflichtveröffentlichungen, aber auch bei freiwilligen Kapitalmarktinformationen als sittenwidrig angesehen, ohne besondere eigennützige Motive und möglicherweise auch ohne eine grobe Unrichtigkeit zu verlangen (Fuchs in: Fuchs, 2. Aufl., vor §§ 37b, 37c Rn. 34 ff., wobei allerdings die Erwägungen in Fn. 96 Zweifel erwecken, ob nicht eine grobe Unrichtigkeit vorausgesetzt wird). Dieser Auffassung folgt der Senat, jedenfalls soweit eine grobe Unrichtigkeit der Veröffentlichungen nicht vorausgesetzt werden sollte, nicht. Denn dies vernachlässigte den gesteigerten Unwertgehalt, der dem Sittenwidrigkeitsvorwurf zu eigen ist (vgl. etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, 13. Aufl., S. 451; Deutsch, JZ 1963, 385, 389; ders., Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl., Rn. 66 a.E.; in dogmatischer Hinsicht kritisch: Oechsler, WM 2015, 853, 856; eine Haftung aber ebenfalls auf „besonders schwere Sorgfaltsverstöße“ beschränkend: ders. in: Staudinger [2021], § 826 BGB, Rn. 523).

ff) Die Musterklägerin sieht das Verhalten der Musterbeklagten zu 1 in einer Gesamtschau auch deshalb als verwerflich an, weil die Musterbeklagte zu 1 es im Interesse ihrer Übernahmeabsicht in Kauf genommen und möglicherweise auch veranlasst habe, dass die Musterbeklagte zu 2 die Entwicklung einer sauberen Dieseltechnologie vernachlässigt und stattdessen unzulässige Abschalteinrichtungen verwandt habe. Zum einen habe die Musterbeklagte zu 1 bereits frühzeitig eine Kooperation und Überkreuzbeteiligung der Musterbeklagten zu 2 mit der DaimlerChrysler AG verhindert, die die Entwicklung einer sauberen Dieseltechnologie zum Inhalt gehabt hätte, indem sie am 25. September 2005 angekündigt habe, sich mit 20 % an der Musterbeklagten zu 2 beteiligen zu wollen, und indem sie die Absetzung des früheren Vorstandsvorsitzenden der Musterbeklagten zu 2 P. betrieben habe. Eine Kooperation und Überkreuzbeteiligung der Musterbeklagten zu 2 mit der DaimlerChrysler AG habe nicht im Interesse der Musterbeklagten zu 1 gelegen, weil sie dem von der Musterbeklagten zu 1 angestrebten Erwerb von insgesamt 75 % oder 80 % der Anteile an der Musterbeklagten 2 entgegengestanden und allgemein die Zusammenarbeit beider Musterbeklagter behindert hätte. Zum anderen habe die Musterbeklagte zu 1 die eigene Entwicklung einer sauberen Dieseltechnologie durch die Musterbeklagte zu 2 verhindert, weil diese kostenintensiv gewesen wäre, eine erfolgreiche Umsetzung des Übernahmeplanes aber vorausgesetzt habe, dass die nach dem Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages „zu plündernde Kriegskasse“ der Musterbeklagten zu 2 hinreichend gefüllt war.

Auch dieser Vortrag der Musterklägerin lässt die hier infrage stehenden Kapitalmarktinformationen in der Gesamtschau nicht als sittenwidrig erscheinen:

 (1) Gegenstand des Musterverfahrens sind Ansprüche wegen falscher, irreführender oder unterlassener Kapitalmarktinformationen (vgl. auch § 1 Abs. 1 KapMuG). Zwar ist zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer solchen Kapitalmarktinformation im Wege einer Gesamtbetrachtung auch eine mögliche verwerfliche Gesinnung und dabei insbesondere die Absicht zu berücksichtigen, die hinter dem Informationsverhalten steht. Allerdings besteht zwischen den hier behaupteten unternehmerischen Entscheidungen und dem Informationsverhalten ein allenfalls mittelbarer und entfernter Bezug.

Selbst wenn man zugrunde legte, dass die Musterbeklagte zu 1 zur Ermöglichung der Beteiligungsaufstockung oder zur rückwirkenden Finanzierung tatsächlich den u.a. von der Musterklägerin unter dem Stichwort „Dieselgate“ umschriebenen Sachverhalt im Sinne eines Eventualvorsatzes billigend in Kauf genommen oder gar veranlasst hätte, führte dies nicht dazu, dass das Informationsverhalten der Musterbeklagten zu 1 über den Aufbau einer Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 als verwerflich zu beurteilen wäre. Das Ziel eines (möglichen) Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags war für sich genommen nicht verwerflich. Wenn die Musterbeklagte zu 1 es verfolgen wollte, musste nach eigenem Vortrag der Musterklägerin eine Überkreuzbeteiligung der Musterbeklagten zu 2 und der DaimlerChrysler AG ohnehin – unabhängig von der „Dieselgate-Thematik“ – ausscheiden, weil sich im Falle einer solchen Beteiligung der DaimlerChrysler AG an der Musterbeklagten zu 2 die notwendige 75 %- oder 80 %-Beteiligung der Musterbeklagten zu 1 nicht realisieren ließe. Eine dahingehende unternehmensstrategische Entscheidung wäre rechtlich nicht zu beanstanden gewesen. Soweit die Musterklägerin in diesem Zusammenhang behauptet, dass die Musterbeklagte zu 2 schon im Jahr 2006 die Entscheidung getroffen habe, „teure Entwicklungsprobleme durch den Einsatz sogenannter defeat devices kostengünstig zu umgehen“ und dass sich die Übernahme nur so hätte finanzieren lassen, hat dies mit der Frage der Verwerflichkeit der streitgegenständlichen Kapitalmarktinformationen aus dem Jahr 2008 über den Beteiligungsaufbau der Musterbeklagten zu 1 nur so entfernt zu tun, dass es im Rahmen der Gesamtschau nicht wesentlich ins Gewicht fällt. In der Terminologie der „Mittel-Zweck-Relation“ war die Abgasmanipulation nicht der „Zweck“ der angegriffenen Kapitalmarktkommunikation.

 (2) Darüber hinaus ist schon nicht mit Substanz dargelegt, dass die Musterbeklagte zu 1 – ihre Vorstände oder auch ihre Mehrheitsgesellschafter – die als „Dieselgate“ bezeichnete Entwicklung als konkrete mögliche Folge des beabsichtigten Beteiligungsaufbaus im Interesse dieses Beteiligungsaufbaus gewollt oder auch nur billigend in Kauf genommen hätten.

Noch im Ansatz – wenn auch wohl nicht ausreichend – substantiiert ist zwar dargelegt, dass die Musterbeklagte zu 1 durch „Einsetzung“ des neuen Vorstandsvorsitzenden der Musterbeklagten zu 2 W. und möglicherweise auch durch die Bekanntgabe der Absicht ihrer Beteiligungserhöhung auf 20 % eine ursprünglich geplante Überkreuzbeteiligung der Musterbeklagten zu 2 mit der DaimlerChrysler AG zum Scheitern gebracht habe, so dass der Musterbeklagten zu 2 der Zugriff auf die sog. Clean-Diesel-Technologie der DaimlerChrysler AG verwehrt geblieben sei. Eine solche unternehmensstrategische Entscheidung ist für sich genommen aber nicht sittenwidrig und impliziert auch nicht, dass sich die Musterbeklagte zu 1 bewusst gewesen wäre, dass die Musterbeklagte zu 2 zur Entwicklung einer solchen „sauberen“ Dieseltechnologie selbst nicht in der Lage war.

Der weitergehende Vortrag betreffend die Veranlassung oder zumindest Inkaufnahme von Abgasmanipulationen ist jedenfalls auch prozessual unbeachtlich. Er beschränkt sich durchgehend auf pauschale Behauptungen, die eine genaue zeitliche und inhaltliche Einordnung der behaupteten entsprechenden Kenntnisse und Handlungen insbesondere der Vorstände nicht zulassen. „Man“ habe von entsprechenden Investitionen abgesehen, da die freie Liquidität für die Refinanzierung der Übernahme benötigt worden sei. Bereits 2006 sei nach Erkenntnissen US-amerikanischer Justizbehörden die Entscheidung getroffen worden, teure Entwicklungsprobleme durch den Einsatz sog. „defeat devices“ kostengünstig zu umgehen. Nur so hätten die Ziele der Familien Po. und P. erreicht werden können. Die Übernahme habe den Dieselbetrug verursacht. Nachdem Anfang des Jahres 2006 die damaligen Vorstände der Musterbeklagten zu 1 in den Aufsichtsrat der Musterbeklagten zu 2 eingerückt seien, habe „man“ nach Berufung des engen P.-Vertrauten W. unmittelbaren Zugriff auf die Entscheidungen des Vorstands der Musterbeklagten zu 2 gehabt. Folgerichtig sei u.a. auf die kostenträchtige Entwicklung einer sauberen Dieseltechnologie verzichtet worden. Stattdessen habe „man“ sich zum Einsatz einer Betrugssoftware entschlossen. Die damaligen Vorstände der Musterbeklagten zu 1 hätten als Mitglieder des Aufsichtsrats der Musterbeklagten zu 2 u.a. Sonderinformationen zu der Entwicklung des Motors EA 189 und zu den Problemen bei der Abgasreinigung gehabt. „Man“ habe die Musterbeklagte zu 2 bereits 2005/2006 veranlasst, zugunsten der eigenen Übernahmepläne auf die Entwicklung tatsächlich emissionsarmer Dieselmotoren zu verzichten. Diese Unternehmenspolitik sei konzernweit durchgesetzt worden. Die Übernahme gefährdende Mehrausgaben und Investitionen seien durch die Einflussnahme der Musterbeklagten zu 1 bzw. der Eigentümerfamilien gezielt verhindert worden. Hierdurch verursachte Schäden seien billigend in Kauf genommen worden.

Diese Behauptungen hat die Musterbeklagte zu 1 bestritten und zutreffend als unsubstantiiert und ins Blaue hinein aufgestellt und damit als prozessual unbeachtlich charakterisiert. Deshalb und aufgrund der Offensichtlichkeit der mangelnden Substanz des Vortrags war ein gerichtlicher Hinweis insoweit entbehrlich.

Die Musterklägerin und die Beigeladenen haben nicht einmal Anhaltspunkte für eine Kenntnis zum einen der für die Musterbeklagte zu 1 verantwortlichen Personen und zum anderen bereits in dem hier maßgeblichen Zeitraum vor 2008 vorgetragen. Die Musterklägerin hat vielmehr in diesem Zusammenhang unter anderem einen Bericht der Süddeutsche.de vom 26. Juli 2018 vorlegt (Anlagen MK 83 und MK 85, Bl. 6017, 6024), wonach ein „hochrangiger VW-Techniker“ den früheren Vorstandsvorsitzenden der Musterbeklagten zu 2 W. dahin belastet habe, dieser habe „bereits“ im Frühjahr 2015 – also sieben Jahren nach dem hier in Rede stehenden Geschehen – im Detail von den Abgasmanipulationen gewusst. Entgegen der Auffassung der Musterklägerin besteht angesichts der mangelnden Substanz und des offensichtlich ins Blaue hinein aufgestellten Vortrags auch keine sekundäre Darlegungslast der Musterbeklagten dazu, wann welche jeweils verantwortliche Person Kenntnis unter anderem von dem Einsatz der Manipulationssoftware erlangt hatte.

gg) Soweit die Musterklägerin weiter vorträgt, die Musterbeklagte zu 1 habe der Musterbeklagten zu 2 durch eine „parasitäre“ Zusammenarbeit und eine „Pervertierung“ gesellschaftsrechtlicher Entscheidungsstrukturen geschadet, ist dies für die infrage stehende Beurteilung der Sittenwidrigkeit der Schädigung von Kapitalmarktteilnehmern durch die infrage stehenden Kapitalmarktinformationen ohne Bedeutung.

hh) Ebenso wenig führt es zur Sittenwidrigkeit der Kommunikationsstrategie, dass diese dazu geführt habe, Leerverkäufer „anzulocken“, und die Musterbeklagte zu 1 dies auch bezweckt habe, um den in die Hedging-Kette eingebundenen Banken Zugriff auf Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 zur Absicherung ihrer Positionen zu gewähren und damit mittelbar den eigenen Zugriff sicherzustellen. Die jeweiligen Leerverkäufer trafen ihre Entscheidung eigenverantwortlich, ohne durch grob unrichtige oder irreführende Kapitalmarktinformationen der Musterbeklagten zu 1 provoziert worden zu sein. Dass die Musterbeklagte zu 1 darauf gebaut haben mag, dass Kapitalmarktteilnehmer auf fallende Kurse der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 – möglicherweise auch für den Fall eines Scheiterns oder eines sonstigen Endes der Übernahmeaktivitäten der Musterbeklagten zu 1 – spekuliert und deshalb diese Leerverkäufe getätigt haben, begründet keine solche Verwerflichkeit.

Dabei ist es nicht von Bedeutung, dass es sich bei den Ausgangsklägern teilweise um Hedgefonds und Leerverkäufer handelt (vgl. näher auch Rn. 565).

ii) Schließlich liegen auch die subjektiven Voraussetzungen eines sittenwidrigen Verhaltens der Musterbeklagten zu 1 nicht vor, ohne dass es hierauf noch entscheidend ankäme.

 

Die Haftung nach § 826 BGB setzt grundsätzlich voraus, dass der Schädiger die Tatumstände kennt, die sein Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen. Handelt er nach einer vertretbaren Gesetzesauslegung, ist dies regelmäßig nicht sittenwidrig. Auch wenn es den Schädiger allein noch nicht entlastet, dem Rat eines Rechtsanwalts gefolgt zu sein, fehlt die für die Annahme einer Sittenwidrigkeit erforderliche Kenntnis, wenn er der redlichen Überzeugung war, entsprechend handeln zu dürfen. Auch ein grob leichtfertiges, gewissenloses Verhalten kann allerdings sittenwidrig sein, wenn sich der Schädiger einer Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände bewusst verschließt. Hierfür genügt, dass starke Verdachtsmomente für solche Umstände bestehen, der Handelnde aber eine sich bietende Möglichkeit der Aufklärung bewusst nicht wahrnimmt (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 – II ZR 299/90, juris Rn. 19 ff.; Urteil vom 10. Februar 2015 – VI ZR 569/13, juris Rn. 17; Urteil vom 21. April 2009 – VI ZR 304/07, juris Rn. 20 ff.; Sprau in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 826 Rn. 8 f.; Förster in: BeckOK BGB [63. Ed.], § 826 Rn. 28, jew. m.w.N.).

Vorliegend bestehen auch nach dem Vortrag der Musterklägerin und der Beigeladenen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Vorstände der Musterbeklagten zu 1 sich derart gewissenlos über die rechtlichen und sittlichen Maßstäbe hinweggesetzt hätten. Allein der Umstand, dass sie ihre Überlegungen zu dem Beteiligungsaufbau und dem etwaigen späteren Abschluss eines Beherrschungsvertrages nicht in vollem Umfang offengelegt haben, genügt für die Annahme objektiv sittenwidrigen Verhaltens nicht. Hinzukommen müssten vielmehr weitere Umstände, unter anderem, dass die tatsächlichen Mitteilungen in einem solchen Maß unvollständig waren, dass eine dadurch etwaig hervorgerufene Irreführung unter Berücksichtigung der Erwartungshaltung verständiger Kapitalmarktteilnehmer als „grob“ einzustufen wäre, oder dass weitere Voraussetzungen einer Offenlegungspflicht vorgelegen hätten, beispielsweise eine Kursrelevanz für Vorzugsaktien der Musterbeklagten zu 1. Auch insoweit hätten die Vorstände der Musterbeklagten zu 1 Kenntnis haben oder sich dieser Kenntnis grob leichtfertig und gewissenlos verschlossen haben müssen.

Nach dem Vortrag der Musterklägerin und der Beigeladenen soll die die tatsächlichen Absichten der Musterbeklagten zu 1 „verschleiernde“ Kommunikationsstrategie zwar dem Ziel gedient haben, den weiteren Beteiligungsaufbau zu ermöglichen bzw. nicht zu gefährden. Dies lässt aber nicht den Rückschluss zu, dass die Vorstände der Musterbeklagten zu 1 die erforderlichen Kenntnisse hatten oder sich diesen bewusst und leichtfertig verschlossen hätten. Im Gegenteil lassen es einzelne auch von der Musterklägerin und den Beigeladenen vorgetragene Umstände naheliegend erscheinen, dass die Musterbeklagte zu 1 auch unter ständiger rechtsanwaltlicher Beratung und teilweise unter Beteiligung der BaFin zwar rechtliche Spielräume ausgenutzt hatte, aber sorgfältig bemüht war, diese rechtlichen Grenzen nicht zu überschreiten (vgl. abgrenzend zu diesem Grundsatz auch Musterklagebegründung Rn. 415). Eine solche Sorgfalt erscheint schon deshalb naheliegend, weil die Musterbeklagte zu 1 mit dem Beteiligungsaufbau und den diesen begleitenden Kommunikationsakten ersichtlich im Fokus der Öffentlichkeit stand und damit rechnen musste, dass jegliche Fehler und Grenzüberschreitungen zu rechtlichen Konsequenzen führten. Bereits vor diesem Hintergrund ließe selbst eine fehlerhafte Bewertung einzelner für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit maßgeblicher Umstände für sich genommen nicht den Schluss auf ein leichtfertiges oder gar vorsätzlich Verhalten zu, zumal entsprechende Bewertungen – wie gezeigt – zumindest nicht offensichtlich waren. Weiterer Vortrag, der dennoch die Annahme eines leichtfertigen und gewissenlosen Verhaltens zuließe, fehlt.

h) Eine Ersatzpflicht der Musterbeklagten zu 1 aus § 826 i.V.m. § 31 BGB besteht weiter auch nicht aufgrund ihres Verhaltens im Zusammenhang mit der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 (Anlage MK 5; vgl. zum Text Rn. 40).

aa) Die Pressemitteilung war weder unrichtig noch irreführend, jedenfalls aber nicht grob unrichtig oder grob irreführend.

Kern der Mitteilung ist, dass die Musterbeklagte zu 1 den Stand ihrer physischen und synthetischen Beteiligung an der Musterbeklagten zu 2 mitteilt, dass sie an dem Fahrplan festhält, noch im November/Dezember 2008 „die 50 Prozent Hürde“ zu nehmen und dass es ihr Ziel sei, „sofern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen, im Jahr 2009 auf 75 Prozent aufzustocken“.

Die mitgeteilten Anteile trafen zu. Auch die Darstellung weiterer Umstände war richtig. Soweit sich die Pressemitteilung nicht zu weiteren Einzelheiten verhielt, etwa der finanziellen Lage der Musterbeklagten zu 1 und der genauen Struktur ihrer Optionspositionen, war die Pressemitteilung in der Gesamtschau nicht (grob) unrichtig oder irreführend. Im Einzelnen:

 (1) Die mitgeteilten Anteile der Musterbeklagten zu 1 – 42,6 % Stammaktien und 31,5 % cash-gesettelte Optionen, die der Kurssicherung dienten – trafen zu.

Die Pressemitteilung war nicht etwa deshalb unrichtig oder irreführend, weil die Musterbeklagte zu 1 die von der Porsche GmbH Salzburg gehaltenen Anteile nicht mit anführte. Bei der Porsche GmbH Salzburg handelt es sich um ein selbstständiges Unternehmen. In der Pressemitteilung hat die Musterbeklagte zu 1 ihren eigenen Beteiligungsaufbau mit Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 und cash-gesettelte Optionen zur Kurssicherung dargestellt. Sie war nicht verpflichtet, den Beteiligungsaufbau von dritten Unternehmen bekannt zu geben. Eine solche umfassendere Offenlegung suggerierte die Pressemitteilung auch nicht.

Insoweit fehlte es zudem an einem Zurechnungszusammenhang zwischen der fehlenden Mitteilung über die Anteile der Porsche GmbH Salzburg und einer möglichen Anlageentscheidung der angesprochenen Marktteilnehmer. Denn die Mitteilung, dass die Porsche GmbH Salzburg weitere Anteile in Höhe von 2,37 % hielt, hätte den Kaufdruck allenfalls verstärken, nicht aber mindern können.

 (2) Die Aussage, einen Beherrschungsvertrag anzustreben, daran festzuhalten, noch im November/Dezember 2008 50 % der (physischen) Anteile der Musterbeklagten 2 zu übernehmen („die 50 Prozent Hürde bei VW zu nehmen“), und zu beabsichtigen, diesen Anteil im Jahr 2009 auf 75 % aufzustocken, „sofern die Rahmenbedingungen stimmen“, war richtig. Weder war die damit kommunizierte Absicht objektiv nicht mehr umsetzbar noch hatte die Musterbeklagte zu 1 die gerade auch nach dem Vortrag der Musterklägerin zunächst bestehende Absicht vor dem 26. Oktober 2008 wieder aufgegeben oder ihre Umsetzung für ausgeschlossen gehalten. Dass sie Risiken betreffend diese Umsetzung gesehen haben mag, führt nicht zu einer Unrichtigkeit der Pressemitteilung oder einer Irreführung durch diese.

 (a) Verständige Marktteilnehmer mussten die Aussage der Musterbeklagten zu 1, dass sie anstrebe, einen Beherrschungsvertrag abzuschließen, und dass sie bereits 42,6 % der Stammaktien sowie zusätzlich 31,5 % cash-gesettelte Optionen auf diese Stammaktien zur Kurssicherung halte, zwar dahin verstehen, dass die Musterbeklagte zu 1 nicht nur diese Absicht hatte, sondern auch von der Möglichkeit ausging, jedenfalls die durch die Optionspositionen bezüglich des Kurses „gesicherten“ Stammaktien – im Rahmen des dargestellten Zeitplans – zu erwerben, um auf einen Anteil von zunächst 74,1 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 zu kommen. Sie suggerierte damit aber nicht, dass die Möglichkeit dieser weiteren Aufstockung (wirtschaftlich und rechtlich) gesichert sei.

Die mitgeteilte Zielsetzung, „im Jahr 2009 auf 75 Prozent aufzustocken und damit den Weg für einen Beherrschungsvertrag freizumachen“, stand ausdrücklich unter dem Vorbehalt stimmender wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Diese Einschränkung bezog sich entgegen der Auffassung der Musterklägerin nicht nur auf den angestrebten Abschluss eines Beherrschungsvertrages, sondern auch auf die Aufstockung auf einen Anteil von 75 %. Hingegen erweckte die Pressemitteilung nicht den Eindruck, dass wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die Aufstockung auf einen Anteil von insgesamt 74,1 % keine Rolle spielten. Selbst die Ankündigung, bis zum Jahresende „die 50 Prozent Hürde bei VW zu nehmen“, wurde nur als „Fahrplan“ und nicht als definitive Festlegung dargestellt. Die vorgenommene Einschränkung war entgegen der Auffassung der Musterklägerin auch nicht bloß dahin zu verstehen, dass eine Aufstockung nach den gegebenen Umständen ohne weiteres realisierbar gewesen wäre und allenfalls durch Veränderungen der Rahmenbedingungen hätte verhindert werden können. Bereits die bis dahin nicht erfolgte Aufhebung der Regelung der Sperrminorität im VW-Gesetz veranschaulichte dem verständigen Marktteilnehmer, dass die genannten Ziele auch unter den damals gegebenen Bedingungen nicht ohne weiteres umzusetzen waren.

Nichts Anderes lässt sich der Formulierung entnehmen, die Aktien würden zum jeweils aktuellen Kurs gekauft. Diese Aussage steht ersichtlich im Zusammenhang mit der Darstellung des Mechanismus der cash-gesettelten Optionen. Sie wird von den angesprochenen Marktteilnehmern nicht dahin verstanden, dass ein Erwerb der Aktien definitiv, in jedem Fall erfolgen werde. Gegenteiliges lässt sich auch nicht aus der englischen Fassung der Pressemitteilung schlussfolgern, „the Volkswagen shares will be bought in each case at market price.“ Der Ausdruck „in each case“ wird entgegen der Auffassung der Musterklägerin jedenfalls überwiegend nicht im Sinne von „in jedem Fall“, sondern vielmehr im Sinne von „jeweils“ verstanden, so dass die entsprechende Aussage in der englischen Fassung der Pressemitteilung mit derjenigen der deutschen Fassung übereinstimmt. Den Bedeutungsgehalt des bezeichneten englischen Ausdrucks kann der Senat aus eigener Sachkunde feststellen, ohne ein Gutachten einzuholen. Sämtliche Mitglieder des Senats sind der englischen Sprache hinreichend mächtig. Er stimmt mit dem Inhalt allgemein zugänglicher Wörterbuchdateien überein (vgl. etwa bei www.linguee.de [Verwendung meistens im Sinne von „jeweils“, seltener im Sinne von „in jedem Fall“], www.dict.cc [„jeweils“; dem Ausdruck „in jedem Fall“ entspreche der Ausdruck „in each and every case“]; ähnlich: de.pons.com [„im Einzelfall“]). Selbst wenn dieser Ausdruck abhängig vom jeweiligen Kontext im Einzelfall auch im Sinne von „in jedem Fall“ verstanden werden kann, lag ein solches Verständnis auch der englischsprachigen Fassung schon aufgrund des folgenden Absatzes fern, in dem der Erwerb jedenfalls eines über 50 % hinausgehenden Anteils wiederum ausdrücklich unter dem Vorbehalt passender wirtschaftlicher Rahmenbedingungen stand und auch der Erwerb eines Anteils von 50 % nur als unveränderte Absicht dargestellt wurde.

 (b) Es ist nicht in beachtlicher Weise dargelegt oder sonst ersichtlich, dass die Musterbeklagte zu 1 am 26. Oktober 2008 ihre Übernahmeabsicht aufgegeben hätte oder davon ausgegangen wäre, dass deren Umsetzung ausgeschlossen gewesen wäre.

 (aa) Die Musterklägerin und die Beigeladenen tragen zwar verschiedentlich vor, die Musterbeklagte zu 1 sei von einer mangelnden Umsetzbarkeit ausgegangen und habe ihre Absicht aufgegeben. Hierbei handelt es sich aber im Kern nur um Schlussfolgerungen aus der behaupteten Kenntnis der Musterbeklagten zu 1 von den Umständen, die einer Finanzierbarkeit oder auch nur einer ausreichenden Liquidität entgegengestanden hätten (vgl. beispielweise Musterklagebegründung Rn. 478, 778, 840, 847; Schriftsatz der Beigeladenen vom 6. April 2018 Rn. 47; Schriftsatz der Musterklägerin vom 28. Januar 2019 Rn. 94 f.). Schwierigkeiten betreffend die weitere Kreditvergabe und Liquiditätsrisiken schlossen aber eine Fortführung der Übernahme in dem kommunizierten zeitlichen Rahmen und unter dem genannten Vorbehalt der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen prognostisch nicht aus (näher: Rn. 407 ff.). Dass die Musterbeklagte zu 1 Kenntnis von diesen Umständen hatte, lässt deshalb den von der Musterklägerin und den Beigeladenen gezogenen Schluss auf die Kenntnis einer mangelnden Umsetzbarkeit des Übernahmeplans bzw. dessen Aufgabe nicht zu. Letztere Behauptungen sind damit bereits ohne hinreichende Substanz.

Beweisantritte beziehen sich jeweils auch nur auf die mangelnde Finanzierbarkeit und Liquiditätsschwierigkeiten bzw. die Kenntnis der zugrundeliegenden Umstände, nicht jedoch auf eine Kenntnis der mangelnden Umsetzbarkeit des Übernahmeplans bzw. dessen Aufgabe.

 (bb) Der Vortrag zu der vermeintlichen Aufgabe des Übernahmeplans ist auch inkonsistent.

Nach dem Vortrag der Musterklägerin hat die Musterbeklagte zu 1 ihren Übernahmeplan zumindest bis Anfang Oktober 2008 verfolgt (Musterklagebegründung Rn. 334 ff., 615 sowie Feststellungsziel II.1.), obwohl ihr zumindest nach dem sog. Kick-off-Meeting mit verschiedenen Banken am 22./25. September 2008 maßgebliche Schwierigkeiten der Kreditvergabe bekannt gewesen seien.

Vereinzelt hat die Musterklägerin vorgetragen, die Musterbeklagte zu 1 habe den Übernahmeplan am 26. Oktober 2008 als endgültig gescheitert angesehen und ihn aufgegeben. Demgegenüber hat sie aber auch klargestellt, die Musterbeklagte zu 1 habe einen Kursverfall der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 nicht als sicher, sondern nur als drohend angenommen (Schriftsatz vom 28. Januar 2019 Rn. 99). In der Musterklagebegründung hatte sie ihren Vortrag noch dahin präzisiert, die Musterbeklagte zu 1 habe angenommen, ihre mitgeteilte Strategie sei „auf absehbare Zeit“ nicht umsetzbar gewesen (a.a.O. Rn. 778). Die E.-Beigeladenen haben vorgetragen, die Musterbeklagte habe ihre Übernahmeabsichten „bedroht“ gesehen und die weitere Börsenentwicklung „fürchten“ müssen (Schriftsatz vom 14. März 2019, Rn. 26). Die vollständige Übernahme sei nicht mehr möglich gewesen, solange Banken keine weiteren Kredite gaben; die Musterbeklagte zu 1 habe Zeit für weitere Gespräche mit Kreditgebern gewinnen wollen (Vortrag im Termin zur mündlichen Verhandlung am 5. September 2019, vgl. auch Anlage MK 142, S. 13 f.). Sie habe sich „Luft zum Überleben“ verschaffen wollen (Schriftsatz der Beigeladenen vom 14. März 2019, Rn. 81). Dieser Vortrag impliziert gerade nicht, dass sie den Übernahmeplan endgültig für gescheitert gehalten und aufgegeben hätte.

 (cc) Auch das Verhalten der Musterbeklagten zu 1 lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass die kommunizierte Möglichkeit der beabsichtigten Anteilsaufstockung nicht gegeben gewesen wäre oder die Musterbeklagte zu 1 dies auch nur angenommen hätte. Das Gegenteil ist der Fall.

Die Musterbeklagte zu 1 hatte noch am 2. Oktober 2008 8,75 Mio. Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 (3,48 %) und am 7. Oktober 2008 weitere 13,3 Mio. dieser Stammaktien (5,29 %) erworben. Im Dezember 2008 stockte sie ihre Beteiligung von 42,6 % auf 47,37 % und am 5. Januar 2009 auf 50,76 % auf (vgl. Anlage MK 37 [V.-GA], Rn. 54 f.). Im März 2009 führte die Musterbeklagte zu 1 Kreditverhandlungen mit dem Ziel, ihre Beteiligung von 50,8 % durch Ausübung von Optionen um weitere 20 % zu erhöhen. Bis zum Vorstandswechsel am 23. Juli 2009 setzte die Musterbeklagte zu 1 die Optionsstrategien fort (vgl. Anlage MK 37 [V.-GA] Rn. 108 f., 123 f.). Diese Bewertung des Handelsverhaltens der Musterbeklagten zu 1 entspricht im Übrigen auch der Auffassung der BaFin, die keine Anhaltspunkte dafür gesehen hat, dass die Musterbeklagte zu 1 die Mitteilung am 26. Oktober 2008 veröffentlichte, weil sie steigende Kurse herbeiführen musste, da ihr ansonsten zu starke Verluste aus ihren Short-Put-Positionen entstanden wären; vielmehr entspreche das Handelsverhalten der Musterbeklagten zu 1 ihrer Darstellung, dass ein langfristiger Aufbau einer synthetischen Long-Position in Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 angestrebt worden sei, die der Finanzierung von weiteren Aktienkäufen habe dienen sollen (Vermerk vom 27. März 2009 – WA 23-Wp5115-2008/0061, auszugsweise wiedergegeben im V.-GA, Rn. 342).

Gegenteiliges lässt sich auch der in der Welt Online vom 12. Mai 2009 (Anlage B-H. 11, Bl. 1678) veröffentlichten Äußerung von Prof. Dr. P. nicht entnehmen, gestiegene Zinsen hätten im Oktober 2008 eine Übernahme unrealistisch gemacht. Diese Aussage bezog sich auf das damalige Zinsniveau und damit auf eine mögliche Übernahme zum damaligen Zeitpunkt, die aber auch nicht angekündigt wurde. Vielmehr teilte die Musterbeklagte zu 1 eine Zielsetzung mit, im Jahr 2009 auf 75 % aufzustocken, sofern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen würden. Zudem hatte Prof. Dr. P. in einem am 23. Oktober 2008 veröffentlichten Interview (Anlage MBPor 91) – mithin noch vor der Entwicklung, die nach der Behauptung der Musterklägerin am Wochenende des 24./25. Oktober 2008 zu der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 geführt haben soll und damit unbeeinflusst von den dort vermeintlich entwickelten Überlegungen – angegeben, „ein Zusammengehen von Volkswagen und Porsche“ sei „richtig“; es sei nichts gegen eine Beherrschung einzuwenden.

 (dd) Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass der Vortrag der Musterklägerin und der Beigeladenen zu einer Aufgabe der Übernahmeabsicht nicht ausreichend ist.

 (c) Die Darstellung der Übernahmeabsicht in der Pressemitteilung war auch nicht deshalb unrichtig, weil festgestanden hätte, dass die Musterbeklagte zu 1 mangels Liquidität damals absehbar nicht in der Lage gewesen wäre, die „gesicherten“ Aktien physisch zu erwerben, oder eine solche Unfähigkeit jedenfalls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit absehbar gewesen wäre.

 (aa) Unstreitig konnte die Musterbeklagte zu 1 einen solchen weiteren Anteilserwerb im fraglichen Umfang nicht aus vorhandener Liquidität finanzieren, sondern benötigte hierfür Kredite. Unstreitig ist auch, dass bisherige Kreditlinien weitgehend erschöpft waren. Dass bei Veröffentlichung der Pressemitteilung aber festgestanden hätte oder auch nur mit hinreichender Wahrscheinlichkeit absehbar gewesen wäre, dass eine für die entsprechende Anteilsaufstockung erforderliche Gewährung weiterer Kredite ausgeschlossen gewesen wäre, haben die Musterklägerin und die Beigeladenen nicht schlüssig dargelegt.

Dabei ist im Ausgangspunkt weitgehend unstreitig, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Kreditvergaben aufgrund der Bankenkrise seit September 2008 deutlich verschlechtert hatten. Auch nach der Darstellung der Musterbeklagten zu 1 waren beteiligte Banken deshalb jedenfalls im Hinblick auf die kurzfristige Bereitstellung zusätzlichen Fremdkapitals zurückhaltend. Dennoch konnte die Musterbeklagte zu 1 von der Möglichkeit der Finanzierung ausgehen. Die Musterklägerin trägt zwar einerseits vor, dem damaligen Finanzvorstand der Musterbeklagten zu 1 sei spätestens im Herbst 2008 signalisiert worden, dass jegliche weitere Finanzierung der Übernahme durch angesprochene Banken ausscheide; Wünschen nach einer Finanzierung des für die Übernahme erforderlichen Betrags in Höhe von etwa 20 Mrd. € sei eine deutliche Absage erteilt worden. Andererseits trägt die Musterklägerin vor, die B. Bank sei am 14. Oktober 2008 davon ausgegangen, dass die Musterbeklagte zu 1 ihren physischen Anteil an der Musterbeklagten zu 2 noch im ersten Quartal 2009 auf über 75 % aufstocken werde. Auch die Bank L. habe am 13./14. Oktober 2008 zwar das Ziel einer entsprechenden Anteilsaufstockung noch im ersten Quartal 2009 gerade aufgrund der Finanzierungsschwierigkeiten korrigiert, sei aber von einer Realisierbarkeit im zweiten Quartal 2009 ausgegangen (Musterklagebegründung Rn. 335 f.). Beide Banken waren nach dem Vortrag der Musterklägerin an den Finanzierungsgesprächen vom 22./25. September 2008 (sog. Kick-off-Meeting) beteiligt und hatten damit Kenntnis der insoweit maßgeblichen Rahmenbedingungen. Die Bank L. hatte die vorstehende Einschätzung nach dem Vortrag der Musterklägerin sogar vorgenommen, obwohl sie sich selbst an der Refinanzierung des bereits früher gewährten 10 Mrd.-Euro-Kredites nicht habe beteiligen wollen. L. habe sogar nach der Veröffentlichung der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 keine Verwunderung gezeigt, sondern nur auf „weiteren Diskussionsbedarf“ zu den „angebotenen Finanzierungen“ verwiesen (Musterklagebegründung Rn. 336). Auch wenn angesprochene Banken eine weitere Kreditvergabe im Herbst 2008 ausgeschlossen haben sollten, durfte die Musterbeklagte zu 1 ebenso wie die genannten Banken eine Finanzierung der weiteren Aufstockung im ersten Halbjahr 2009 für möglich halten. Sie war am 26. Oktober 2008 lediglich „auf absehbare Zeit“ nicht umsetzbar (Musterklagebegründung, Rn. 778).

Dem steht auch der Vortrag der beigeladenen H.-GmbH nicht entgegen, die Finanzierungsgespräche im September 2008 seien erfolglos verlaufen und auf das Frühjahr 2009 verschoben worden. Vielmehr impliziert auch dieser Vortrag gerade, dass eine Kreditvergabe letztlich nicht ausgeschlossen wurde. Soweit sie weiter vorträgt, die im Oktober 2008 erheblich gestiegenen Zinsen hätten eine weitere Finanzierung unrealistisch gemacht, bezieht sich auch dies nur auf das damals aktuelle Zinsniveau. Vergleichbar trägt die Musterklägerin bereits in der Musterklagebegründung vor, „kurzfristig“ habe kein weiteres zusätzliches Fremdkapital mehr aufgenommen werden können. Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2018 hat sie weiter ausgeführt, eine weitere erhebliche Kreditvergabe in dem erforderlichen Umfang sei „zu diesem Zeitpunkt“ fernliegend gewesen.

 (bb) Ebenfalls stand damals weder fest noch war mit hinreichender Wahrscheinlichkeit absehbar, dass die Musterbeklagte zu 1 deshalb zur Realisierung der dargestellten Übernahmeabsicht nicht in der Lage gewesen wäre, weil ihre Insolvenz gedroht hätte. Der diesbezügliche Vortrag der Musterklägerin geht dahin, dass freie Liquidität der Musterbeklagten zu 1 aufgrund vorangegangener Kursverluste sowohl der Stammaktie als auch der Vorzugsaktie der Musterbeklagten zu 2 nur noch in geringem Umfang vorhanden gewesen sei und aufgrund eines weiter zu erwartenden Kursverfalls Nachschussverpflichtungen gedroht hätten, die die vorhandene Liquidität überstiegen hätten.

Unergiebig ist dabei zunächst der pauschale Hinweis auf erhebliche Verluste in den Optionsstrategien aufgrund des Kursverfalls der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 in den Wochen vor dem 24. Oktober 2008. Diesen Verlusten standen erhebliche Gewinne aufgrund des vorangegangenen Kursanstiegs gegenüber (vgl. näher unten, Rn. 414 f., 427). Die isolierte Berücksichtigung dieser Kursverluste lässt deshalb eine ausreichende Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Musterbeklagten zu 1 nicht zu.

Auch die von der Musterklägerin weiter vorgetragenen Umstände ermöglichen nicht den Schluss, dass die Insolvenz der Musterbeklagten zu 1 mit auch nur hinreichender Wahrscheinlichkeit bevorgestanden hätte oder dass die Übernahmepläne aufgrund der wirtschaftlichen Lage der Musterbeklagten zu 1 auch nur mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht mehr durchführbar gewesen wären.

 (aaa) Die Darstellung der freien Liquidität der Musterbeklagten zu 1 am 26. Oktober 2008 durch die Musterklägerin stimmt jedenfalls weitgehend mit den Darlegungen der Musterbeklagten zu 1 überein. Letztere hatte vorgetragen, die Liquidität der Musterbeklagten zu 1 als Einzelgesellschaft habe am 31. Juli 2008 etwa 8 Mrd. €, was als solches nicht bestritten ist, und am 16. Oktober 2008 etwa 6,9 Mrd. € betragen. In der Folgewoche bis zum 24. Oktober sei es aufgrund des Kursrückgangs zu Liquiditätsabflüssen gekommen, die in etwa den vorherigen durch einen Kursanstieg verursachten Zuflüssen von rund 2,3 Mrd. € in der Optionsstrategie I entsprochen hätten. Hiernach hätte sich die Liquidität der Musterbeklagten zu 1 als Einzelgesellschaft am 24. Oktober 2008 – dem letzten Handelstag vor dem 26. Oktober 2008 – auf rund 4,6 Mrd. € belaufen. Hiervon seien der M. Bank als Barsicherheiten rund 4,5 Mrd. €, nach früherem Vortrag rund 4,6 Mrd. €, verpfändet gewesen. Dies deckt sich weitgehend mit den auf Annahmen der Staatsanwaltschaft Stuttgart gestützten Darlegungen der Musterklägerin und der beigeladenen H. GmbH, die freie Liquidität habe sich am 24. Oktober auf rund 27 Mio. € bzw. auf rund 326 Mio. € belaufen (vgl. dazu auch die in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Stuttgart enthaltene tabellarische Aufstellung, abgedruckt unter 3.3.3 des Gutachtens des Privatsachverständigen P. vom 4. Oktober 2017, Anlage MK 73, S. 20 [Bl. 3033 d.A.]). Trotz der Unterschiede im Detail bestanden auch hiernach keine Anhaltspunkte für eine Zahlungsunfähigkeit oder gar für eine Überschuldung der Musterbeklagten zu 1.

Das Gutachten des Privatsachverständigen P. vom 4. Oktober 2017 (Anlage MK 73), dessen Inhalt sich die Musterklägerin zu eigen gemacht hat, enthält zwar einzelne Schlussfolgerungen, die der Darstellung des Liquiditätsverlaufs durch die Musterbeklagte zu 1 widersprechen. So sei es insbesondere im Zeitraum vom 31. Juli 2008 bis zum 16. Oktober 2008 in der Optionsstrategie I nur zu einem Zufluss in Höhe von rund 1,9 Mrd. € gekommen, wohingegen die Musterbeklagte zu 1 einen Zufluss in Höhe von 2,3 Mrd. € vorgetragen hat. Zum 24. Oktober 2008 habe es einen Abfluss aufgrund von Nachschusssicherheiten in dieser Strategie in Höhe von rund 2,5 Mrd. € gegeben. Darüber hinaus sei es schon bis zum 16. Oktober 2008 in den Strategien V und VIII zu Abflüssen in Höhe von rund 700 Mio. € gekommen (Anlage MK 73, Nr. 3.1.4.), bis zum 24. Oktober 2008 sogar in Höhe von rund 404 Mio. € und 660 Mio. € (a.a.O., Nr. 3.4.15.). Diese Annahmen hätten zwar zur Konsequenz, dass die freie Liquidität der Musterbeklagten zu 1 bereits zur Begleichung dieser Nachschusspflichten nicht ausgereicht hätte – ein Schluss, den die Musterklägerin so ausdrücklich nicht zieht. Auch dies rechtfertigte jedoch aus verschiedenen Gründen nicht die Annahme einer Zahlungsunfähigkeit oder gar einer Überschuldung der Musterbeklagten zu 1 am 24. Oktober 2008:

Zum einen hat die Musterbeklagte zu 1 vorgetragen, die Liquidität im Konzern habe am 31. Juli 2008 rund 11,4 Mrd. € betragen – was als solches nicht bestritten ist – und habe sich am 24. Oktober 2008 auf rund 7,5 Mrd. € belaufen, so dass abzüglich der Barsicherheiten eine freie Liquidität in Höhe von rund 3 Mrd. € im Konzern (2 Mrd. € unter Berücksichtigung nur der Porsche AG) vorhanden gewesen sei. Selbst wenn es entsprechend der Annahmen des Privatsachverständigen P. zu höheren Abflüssen gekommen wäre, wäre insoweit jedenfalls noch freie Liquidität vorhanden gewesen (so auch P. in der mündlichen Verhandlung am 3. September 2019, Anlage MK 140, S. 33 rechts). Die Musterklägerin hat zwar vorgetragen, die freie Liquidität habe nicht für die Abdeckung von Derivaterisiken zur Verfügung gestanden, weil die Porsche AG ansonsten das operative Geschäft hätte einstellen müssen. Dieser Gesichtspunkt mag zwar einem vollständigen Zugriff auf Liquiditätsreserven der Tochtergesellschaften entgegengestanden haben, ohne einen solchen Zugriff aber insgesamt auszuschließen. Der Einwand der beigeladenen H. GmbH, ein Zugriff sei ausgeschlossen gewesen, weil die Bonität der Musterbeklagten zu 1 infrage gestanden habe und Verlustausgleichsansprüche gefährdet gewesen wären, greift schon mangels konkreter Gefährdung der Bonität der Musterbeklagten zu 1 (dazu sogleich) nicht durch.

Weiter wären nach dem Vortrag der Musterklägerin und der Beigeladenen Liquiditätsdefizite der Musterbeklagten zu 1 ohnehin im Wesentlichen darauf zurückzuführen gewesen, dass diese im September und Oktober 2008 – abzüglich von Erlösen aus den Optionsstrategien – saldiert rund 3,2 Mrd. € für den Erwerb weiterer Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 aufgewandt hatte. Jedenfalls zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe hätte die Möglichkeit bestanden, einen Teil dieser Aktien zu verleihen oder sogar kursschonend zu verkaufen, ohne deshalb den geplanten Anteilsaufbau insgesamt aufzugeben. Die von der Musterklägerin in Bezug genommene sog. Negative-Pledge-Klausel des Konsortialkreditvertrages stand dem nicht entgegen, da diese allenfalls die Verwertung des Aktienbestandes als Sicherheit für weitere Liquiditätsbeschaffungen untersagte.

Die Musterklägerin behauptet zwar, dass eine Auflösung der Derivatepositionen ohne den entsprechenden Erwerb der „gesicherten“ Aktien zu einem massiven Kursverlust, einer Entwertung der Put-Optionen und damit zu Ausgleichszahlungen in Milliardenhöhe geführt hätte. Dieser Vortrag ist aber mit Substanz nur auf die vollständige Auflösung der Derivatepositionen oder die Auflösung zumindest eines wesentlichen Teils davon bezogen (beispielsweise Schriftsatz vom 4. Oktober 2017, Rn. 51, 54). Dass die Auflösung nur eines untergeordneten Teils dieser Positionen zur Abdeckung eines vorübergehenden Liquiditätsbedarfs nicht möglich gewesen wäre, ist demgegenüber nicht mit Substanz dargelegt. Dass eine solcher Verkauf eines Teils der Aktien oder die Auflösung eines Teils der Optionspositionen möglich gewesen wäre, ohne dass dies zu für die Musterbeklagte zu 1 nicht mehr hinnehmbaren Konsequenzen geführt hätte, zeigt schon die Auflösung eines Teils der Optionen nach dem 29. Oktober 2008, die letztlich zu einer Normalisierung des Kursniveaus, nicht aber zu einem Kursrutsch beigetragen hatte, aufgrund dessen die Put-Optionen entwertet worden wären.

Ohne dass es hierauf noch entscheidend ankäme, hätte die Musterbeklagte zu 1 schließlich auch die Möglichkeit gehabt, Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 zumindest im Rahmen der Optionsstrategie I, bei der dies vertraglich gegenüber der M. Bank vorgesehen war, im Austausch gegen Barsicherheiten an die M. Bank zu verpfänden. Die in § 20.5 (a) des Konsortialkreditvertrages vom 27. Juni 2007 (auszugsweise in Anlage MBPor 163) enthaltene Negative-Pledge-Klausel galt nach § 20.5 (b) (xi) nicht für Sicherungsrechte, die gemäß Rahmenverträgen (...) für Derivatekonstruktionen (...) mit einer Bank oder einem Finanzinstitut geschlossen werden, begründet oder geduldet werden. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Musterbeklagten zu 1 bestand ein solcher Rahmenvertrag für Derivategeschäfte für die Optionsstrategien.

 (bbb) Weitere erhebliche Liquiditätsabflüsse aufgrund zukünftiger Kursverluste der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 waren nicht konkret zu erwarten.

Liquiditätsabflüsse drohten bei fallenden Kursen in jedem Fall im Rahmen der auf Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 bezogenen Optionsstrategie I, bei der die Ausübungspreise bei jedem Rolltermin entsprechend des jeweiligen Aktienkurses neu festgesetzt wurden. Der Ausübungspreis am 26. Oktober 2008 lag bei 210,52 €. Bei Unterschreiten dieses Kurses um mehr als 2 % bzw. 5 % waren Nachschusssicherheiten zu leisten. Lag der tatsächliche Kurs beim nächsten Rolltermin unter dem Ausübungspreis, war die Differenz von der Musterbeklagten zu 1 zu zahlen, wobei bereits geleistete Nachschusssicherheiten teilweise angerechnet werden konnten. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Musterbeklagte zu 1 bereits Sicherheiten in Höhe von rund 4,5 Mrd. € geleistet hatte.

Bei den Optionsstrategien mit fixem Ausübungspreis drohten Nachschusspflichten im Rahmen der Pflicht zur Stellung temporärer Sicherheiten zwischen den Rollterminen erst dann, wenn der aktuelle Kurs das 1,4-fache (bzw. bei Vorzugsaktien das 1,3-fache) des Ausübungspreises unterschritt. Der Ausübungspreis lag in den Strategien II, III und VII bei 85 €, 93 € und 120 €. Nachschusssicherheiten wären daher hier erst bei einem Aktienkurs unterhalb von 119 €, 130,20 € bzw. 168 € zu leisten gewesen. In der Strategie VI, die freistehende Put-Optionen umfasste, lag der Ausübungspreis jedenfalls unterhalb von 145 €, so dass Nachschusssicherheiten jedenfalls erst bei Kursen unterhalb von 203 € zu leisten gewesen wären.

Nach der – allerdings einzelne Effekte ausblendenden – Berechnung in dem von den sog. E.-Beigeladenen in Auftrag gegebenen und vorgelegten Gutachten der Privatsachverständigen A. und N. vom 12. März 2019 im Zusammenhang mit der dort vorgenommenen sog. VaR-Analyse (Anlage B-E._3 zum Schriftsatz vom 14. März 2019, S. 26 [Bl. 8099], in deutscher Übersetzung Anlage B-E._4 [Bl. 8139]) wäre beispielsweise selbst bei einem Kurs der Stammaktie von 178,53 € (und einem Kurs der Vorzugsaktie in Höhe von 39,83 €) nach Abzug von Nachschussforderungen in Höhe von 792 Mio. € noch eine Liquidität in Höhe von 1,842 Mrd. € verblieben. In dem von der Musterklägerin in Auftrag gegebenen und vorgelegten Gutachten des Privatsachverständigen P. vom 20. November 2015 (Anlage MK 35, S. 56) geht dieser bei einem Kurs der Stammaktie von 176,91 € und einem Kurs der Vorzugsaktie von 39,56 € von Nachschusspflichten in Höhe von insgesamt 2,128 Mrd. € aus.

Der Schlusskurs der Stammaktie am 24. Oktober 2008 von 210,85 € lag noch so deutlich über diesen Ausübungspreisen bzw. für die Liquidität kritischen Kursen, dass zumindest nicht konkret abzusehen war, dass der Kurs kurzfristig nach dem Wochenende des 25./26. Oktober 2008 unter diese Schwellen zu fallen drohte. Ausgehend von der im Konzern vorhandenen und der Musterbeklagten zu 1 zumindest zur Verfügung stehenden Liquidität drohte damit auch ohne den Verkauf von Aktien oder deren Verpfändung im Austausch gegen Barsicherheiten die Zahlungsunfähigkeit zumindest nicht unmittelbar. Aber auch über einen solchen kurzen Zeitraum hinaus waren konkret keine erheblichen und liquiditätswirksamen Kursverluste zu erwarten.

Zwar bringt die Musterklägerin vor, dass – auch kurzfristig – erheblich fallende Kurse zu erwarten waren, aufgrund derer die Insolvenz der Musterbeklagten zu 1 drohte. Hinreichende Anknüpfungstatsachen für diese Prognose sind aber nicht dargelegt oder sonst erkennbar. Dies kann der Senat – auch unter Berücksichtigung der vorgelegten Parteigutachten – aus eigener Sachkunde feststellen. Ein Gutachten zu der fiktiven weiteren Kursentwicklung ist deshalb nicht einzuholen, zumal dies ohne nähere Anknüpfungstatsachen insoweit auf eine unzulässige Ausforschung hinausliefe.

 (α) Konkrete Anhaltspunkte für einen erheblichen weiteren Kursverlust der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 ergeben sich nicht aus dem bisherigen Kursverlauf.

Nachdem ihr Kurs in der ersten Jahreshälfte 2008 zunächst relativ kontinuierlich leicht angestiegen war und sich für einen Zeitraum von rund 2 Monaten vor dem 15. September 2008 in der Größenordnung von etwa 200 € bewegt hatte, stieg er in dem folgenden Monat in zwei Wellen von 207 € auf 398,84 € am 16. Oktober, mit einem Höchststand von 452 € am 7. Oktober (vgl. etwa Kurshistorie Anlage MBPor 99 und Kursdiagramme im Schriftsatz der Musterbeklagten zu 1 vom 28. Juli 2017, Rn. 159, 186, 551, Bl. 1764, 1770, 1869 d.A.). Der Auslöser für diese letztgenannten Kursbewegungen ist streitig. Nach dem Vortrag der Musterklägerin beruhten sie im Wesentlichen auf einem kurzfristigen Nachfrageüberhang nach der Insolvenz der Bank Lehman Brothers, nach dem Vortrag der Musterbeklagten handelte es sich um sog. Short Squeezes aufgrund der Nachfrage von Leerverkäufern. Jedenfalls handelte es sich um kurzfristige Kursübertreibungen aufgrund eines auf einer Sondersituation beruhenden Nachfrageüberhangs.

Ab dem 17. Oktober 2008 kam es zu einem deutlichen Kursrückgang auf gut 242 €. In den Folgetagen fiel der Kurs weiter auf rund 201 € am 24. Oktober 2008; der Schlusskurs lag dort bei 210,85 € (vgl. etwa Kursdiagramme im Schriftsatz der Musterklägerin vom 1. Mai 2017, Rn. 363, Bl. 919 d.A. und im Schriftsatz der Musterbeklagten zu 1 vom 28. Juli 2017, Rn. 186, 189, Bl. 1770, 1772 d.A., sowie Anlage MBPor 99). Er entsprach damit am letzten Handelstag vor der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 in etwa wieder dem durchschnittlichen Kurs des letzten halben Jahres (vgl. etwa Kursdiagramm im Schriftsatz der Musterbeklagten zu 1 vom 28. Juli 2017, Rn. 186 und Rn. 192, Bl. 1770, 1773 d.A.).

Dieser Kursverlauf spricht für sich genommen nicht dafür, dass zu erwarten gewesen wäre, dass der Kurs in nächster Zeit deutlich weiter fallen werde. Die akuten Übertreibungen im September/Oktober 2008 waren korrigiert. Der zwischenzeitlich erhebliche Kursverlust hatte sich bereits seit dem 21. Oktober abgeschwächt. Im Tagesverlauf des 24. Oktober war es nach anfänglichen leichten Verlusten zwar zu einem volatilen Verlauf gekommen, der sich aber in etwa zwischen 202 € und 210 € mit steigender Tendenz zum Handelsschluss bewegte. Vielmehr lag bei Betrachtung allein dieses Verlaufes die Annahme näher, dass der Kurs sich nunmehr wieder auf dem Niveau von gut 200 € einpendeln werde, das er von Ende Juli bis Mitte September vor den Kursübertreibungen gehalten hatte, auch wenn in diesem Zusammenhang kurzfristige weitere Schwankungen nicht auszuschließen gewesen sein dürften.

Auch nach Abklingen zumindest der unmittelbaren Folgen des auf die Pressemitteilung vom 26. Oktober folgenden Short Squeezes hielt sich der Aktienkurs bis Juli 2009 wiederum bei gut 200 €.

Entgegen der mit Schriftsatz vom 30. August 2019 (Rn. 81) vertretenen Auffassung spricht für kurzfristige weitere Kursverluste bis zu einem Niveau von etwa 165 € oder weniger auch nicht, dass sich – wie es in dem Schriftsatz heißt – „ein Kurswert von über 200 € erst infolge des durch das Cornering der Musterbeklagten zu 1 entstandenen Nachfrageüberhangs einstellte“ und die Entkopplung des Kurses der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 nach Abschluss des Optionsaufbaus nicht würde aufrechterhalten werden können. Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2018 (Seite 157) hat die Musterklägerin vorgetragen, der Aktienkurs sei noch bis Sommer 2009 deshalb nicht unter 210 € gefallen, weil die Optionsstrategien und Hedgingaktivitäten fortbestanden hätten. Gerade wenn sich ein Kurswert von über 200 € im Jahr 2008 erst durch ein „Cornering“ bzw. durch die Hedgingaktivitäten eingestellt und sich bis zum Sommer 2009 nur durch Optionsstrategien und dieses Hedging über 210 € gehalten haben sollte, spricht dies dagegen, dass am 24. Oktober 2008 erhebliche Kursverluste deshalb zu erwarten waren, weil der Optionsaufbau abgeschlossen war. Es war auch nicht absehbar, dass das Hedging in nächster Zeit und in nennenswertem Umfang beendet werden würde (näher dazu: Rn. 436).

 (β) Ebenso wenig sprechen die mit der Bankenkrise im Herbst 2008 verschlechterte Lage an den Kapitalmärkten im Allgemeinen und die angespannte wirtschaftliche Lage in der Autobranche im Besonderen für weitere Kursverluste der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2. Nach der Bewertung in dem Privatgutachten von A./N. (Seite 3, Bl. 8076; in deutscher Übersetzung Bl. 8114) hatte sich der Kurs der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 in dieser Krise erheblich von anderen Aktien und den allgemeinen Bedingungen am Aktienmarkt abgekoppelt, weil diese Aktie durch andere Kräfte beeinflusst worden sei. Der Aktienkurs wurde – wie vorstehend zitiert von der Musterklägerin vorgetragen – auch weiterhin durch die im Zusammenhang mit den Optionsstrategien und den Hedgingaktivitäten bestehende Nachfrage gestützt (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Erwägungen im V.-GA, Anlage MK 37, Rn. 26).

 (γ) Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 insbesondere nach dem Vortrag der Musterklägerin in großem Umfang leer verkauft worden war und Leerverkäufe nach dem Vortrag der Musterklägerin – und jedenfalls verbreiteter Auffassung – geeignet sein können, übertriebene Bewertungen zu korrigieren.

Jedoch waren die potenziell kurssenkenden Impulse durch die bereits getätigten Leerverkäufe bereits gesetzt. Weitere erhebliche durch Leerverkäufe bedingte Kursverluste hätten vorausgesetzt, dass auch weiterhin Leerverkäufe in erheblichem Umfang erfolgt wären, was zumindest nach Offenlegung der Absichten der Musterbeklagten zu 1 und des Bestandes an physischen Aktien und Kaufoptionen nicht mehr konkret zu erwarten war. Hiermit korrespondiert auch die in der von der Musterklägerin in Bezug genommenen E-Mail des rechtlichen Beraters der Musterbeklagten zu 1 Dr. B. vom 26. Oktober 2008 (Musterklagebegründung Rn. 424) angesprochene Motivation, „später erneute Kursexplosionen zu vermeiden“. Dies lässt gerade keine Sorge vor einem weiteren Kursverfall im Zusammenhang mit Leerverkäufen erkennen.

Soweit die Musterklägerin und die Beigeladenen der Auffassung sind, dass die Aufdeckung der Details der wirtschaftlichen Lage der Musterklägerin auch angesichts der allgemeinen Wirtschaftslage, der Marktverfassung und der Bewertung der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 durch Analysten weitere Leerverkäufer angelockt hätte, was einen erheblichen Kursverfall ausgelöst hätte, war die Musterbeklagte zu 1 zu einer solchen umfassenden Aufdeckung weder rechtlich noch sittlich verpflichtet (näher: Rn. 487).

 (δ) Ein weiterer Kursverfall drohte nach Auffassung der Musterklägerin auch deshalb, weil die Gefahr bestand, dass Hedgingpartner zur Absicherung gehaltene Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 in den Markt hätten geben können und teilweise auch damit gedroht hätten. Solche Verkäufe sollen aber erst bei weiteren Kursverlusten gedroht haben. Letztere waren nicht zu erwarten.

 (ε) Die Musterklägerin behauptet weiter, die Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 sei nach einhelliger Analystenmeinung im streitgegenständlichen Zeitraum massiv überbewertet gewesen. Der Aktienkurs sei entgegen dem allgemeinen Markttrend insbesondere der Automobilbranche allein aufgrund der Optionsgeschäfte der Musterbeklagten zu 1 und der damit verbundenen Hedginggeschäfte erheblich über den inneren Wert dieser Aktie hinaus gestiegen. Aufgrund des allgemeinen Marktumfeldes und des durch Leerverkäufe erzeugten Angebotsüberhangs sei ein weiterer Kurssturz das einzig realistische Szenario gewesen. Die Richtigkeit dieser Behauptungen unterstellt – das Bestreiten der Musterbeklagten zu 1 stützt sich weit überwiegend auf eher ältere Analystenberichte – wäre zwar mit einem, möglicherweise auch erheblichen, Kursrückgang zu rechnen gewesen. Dieser Vortrag lässt aber keine hinreichenden Rückschlüsse darauf zu, innerhalb welchen Zeitraums damals ein Kursrückgang in welcher Höhe zu erwarten gewesen wäre, zumal der Kurs nach dem Vortrag der Musterklägerin gerade durch die Optionsgeschäfte und die Hedgingaktivitäten gestützt wurde (s. auch Rn. 431 f.).

Auch die in der Tabelle unter Rn. 341 des Schriftsatzes der Musterklägerin vom 1. Mai 2017 (Bl. 910 f. d.A.) dargestellte Übersicht von Analystenmeinungen aus September/Oktober 2008 lässt eine solche konkretere Einschätzung, die im Übrigen auch von der Musterklägerin selbst nicht vorgenommen wird, nicht hinreichend zu. Diese Analysen liegen – abgesehen von der im Anlagenkonvolut MBPor 128 mit eingereichten Analyse der Goldman Sachs Group vom 17.10.2008 – nicht vor. Es ist schon offen, auf welchen Zeithorizont sie bezogen sind; nach dem – unbestrittenen – Vortrag der Musterbeklagten zu 1 sind Analystenprognosen langfristig angelegt und geben keine Indikation für den kurzfristigen Kursverlauf. Insbesondere bleibt auch offen, welche Befundtatsachen diesen Analysen jeweils zugrunde lagen, namentlich inwieweit sie die mit der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 bekannt gemachte Beherrschungsabsicht bereits antizipiert haben (vgl. dazu auch Rn. 443 f.).

 (ζ) Die Musterklägerin macht geltend, es sei auch auf der Grundlage einer Risikoabschätzung nach der sog. Value-at-Risk (VaR)-Methode, die unstreitig auch die Musterbeklagte zu 1 vornahm, mit erheblich fallenden Aktienkursen zu rechnen gewesen.

Die aufgrund der vorgetragenen VaR-Berechnung gewonnene, auf den 24. Oktober 2008 bezogene Prognose, der Kurs der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 werde mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % am nächsten Geschäftstag, dem 27. Oktober 2008, nicht unter 176,91 €, innerhalb der nachfolgenden fünf Geschäftstage nicht unter 136,46 € und innerhalb der nachfolgenden zehn Geschäftstage nicht unter 106,77 € fallen – das Privatgutachten von A./N. gelangt auf Seite 26 (Bl. 8099, in deutscher Übersetzung Bl. 8139) zu geringfügig anderen Werten, ohne dass dies einen grundsätzlichen Unterschied darstellte –, ließ nicht die Annahme zu, dass mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre, dass der Aktienkurs überhaupt – und wenn, dann in einem erheblichen Maße – weiter fallen werde. Bei der VaR-Betrachtung handelt es sich um ein Modell der Risikoabschätzung, das angibt, welche Verlusthöhe innerhalb eines vorgegebenen Zeitraumes mit einer definierten Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. Die von der Musterklägerin in Bezug genommene Prognose enthält entsprechend keine hinreichend detaillierte Aussage dazu, welche Kursentwicklung umgekehrt mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. Dass eine Unterschreitung der genannten Kurse mit 95%iger – also ganz überwiegender – Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten gewesen sei, lässt offen, mit welcher Wahrscheinlichkeit überhaupt auch nur fallende Kurse zu erwarten gewesen wären.

Ob die Berücksichtigung der historischen Volatilität des Aktienkurses zur Berechnung des Value at Risk hier überhaupt methodisch sachgerecht war, kann offen bleiben.

 (η) Das von den E.-Beigeladenen vorgelegte Gutachten der Privatsachverständigen A./N. (S. 27 f., Bl. 8100 f., in deutscher Übersetzung Bl. 8140 ff.) stützt die Annahme eines drohenden Zahlungsausfalls der Musterbeklagten zu 1 weiter auf die Untersuchung einer sog. simulierten Ausfallwahrscheinlichkeit, wobei unterschiedliche Kurspfade entsprechend des Trends in einem bestimmten Zeitraum (sog. Drift) simuliert wurden. Mit Ausnahme der Berücksichtigung der Drift der letzten sechs Tage – die aufgrund der vorstehenden Erwägungen (Rn. 427 ff.) nicht repräsentativ sein dürfte – gelangt diese Simulation zu dem Ergebnis, dass der Musterbeklagten zu 1 mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit am 3. November 2008 der Zahlungsausfall gedroht hätte. Allerdings handelt es sich hierbei um eine statistische Analyse, die nach der dargelegten Methodik die Sondersituation der aufgrund der Sicherungsgeschäfte bestehenden Marktenge und damit die Sondersituation betreffend die Kursentwicklung der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 nicht berücksichtigt hat.

 (θ) Nach den vorstehenden Erwägungen war bereits nicht konkret mit einem erheblichen weiteren Kursverfall der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 zu rechnen. Hinzu kommt, dass anzunehmen war, dass die Aktienkurse mit großer Wahrscheinlichkeit jedenfalls nicht weiter fallen würden, nachdem der Kapitalmarkt mit der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 die – zutreffenden – Informationen über die Höhe der Beteiligung und den Umfang der Call-Optionen sowie über die Beherrschungsabsicht erhielte, wovon auch die Musterklägerin selbst ausgeht. Auch beispielsweise die Analyse von Focus Money vom 2. Oktober 2008 (vorgelegt im Anlagenkonvolut MBPor 128) ging von einem entsprechenden Effekt einer solchen Offenlegung aus.

Da bei Mitteilung dieser tatsächlichen Gegebenheiten daher nicht mit fallenden, sondern im Gegenteil selbst nach dem Vortrag der Musterklägerin mit steigenden Kursen zu rechnen war, fehlte erst recht jede Grundlage für die Annahme einer bevorstehenden Insolvenz oder einer sonst auf der wirtschaftlichen Lage der Musterbeklagten zu 1 beruhenden mangelnden Umsetzbarkeit der mitgeteilten Aufstockungs- und Beherrschungsabsicht.

Diese Wertung ist entgegen der u.a. von dem Parteigutachter R. vertretenen Auffassung zu berücksichtigen, weil die Mitteilung gerade keine Täuschung darstellte.

Der tatsächliche Kursverlauf der Stammaktie nach dem 26. Oktober 2008 bestätigt letztlich im Rahmen einer Ex-post-Betrachtung diese Einschätzung, selbst wenn der massive Short Squeeze in den Tagen nach der Veröffentlichung der Pressemitteilung ausgeblendet wird. Nach der Auffassung der Musterklägerin beruhte dieser weitere Kursverlauf zwar darauf, dass die Optionsstrategien und Hedgingaktivitäten fortbestanden. Mangels zu erwartender kritischer Verluste stand aber auch am 26. Oktober 2008 nicht zu erwarten, dass sich die Marktenge auflösen werde.

 (ccc) Entgegen der von der Musterklägerin unter Berufung auf das Parteigutachten von A./N. vorgetragenen Auffassung bestand auch bei unverändertem Kurs der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 kein erhebliches Insolvenzrisiko (Schriftsatz vom 15. Oktober 2018, Rn. 235, Bl. 5935). Die insoweit wohl von der Musterklägerin in Bezug genommenen Erwägungen der Parteigutachter beziehen sich auf eine „Drift“ von Null, mithin eine Situation, in der die Kurse keinem bestimmten Trend folgten (S. 27 des Gutachtens, Bl. 8100; in deutscher Übersetzung Bl. 8141), aber nicht notwendig auf gleichbleibende Kurse. Anhaltspunkte für ein konkretes Insolvenzrisiko bei gleichbleibenden Kursen sind trotz des Hinweises des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2018 nicht dargelegt. Sie folgen insbesondere auch nicht aus den – insoweit von der Musterklägerin und den Beigeladenen auch nicht konkret in Bezug genommenen – Erwägungen der Privatgutachter A./N. betreffend die Liquiditätsanalyse und den Anstieg der Ausfallwahrscheinlichkeit bei der Musterbeklagten zu 1 im dritten Quartal 2008 (S. 21 ff. des Gutachtens, Bl. 8094 ff.; in deutscher Übersetzung Bl. 8133 ff.). Die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass die Musterbeklagte zu 1 im dritten Quartal 2008 nicht über ausreichend Liquidität verfügt habe, um u.a. durch fallende Aktienkurse ausgelöste Nachschussforderungen abzudecken. Zu gleichbleibenden Kursen verhalten sie sich nicht.

 (ddd) Erhebliche wirtschaftliche Risiken aufgrund der sich auf die Vorzugsaktie der Musterbeklagten zu 2 beziehenden Optionsstrategien V und VIII sind ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. Auch diesen lag ein fixer Ausübungspreis von (am 24. Oktober 2008) 60 € bzw. 70 € zu Grunde, der zwar in der Woche vor dem 24. Oktober 2008 unterschritten wurde (vgl. zum Kursverlauf etwa Diagramm unter Rn. 366 im Schriftsatz der Musterklägerin vom 1. Mai 2017, Bl. 921 d.A.). Der Kurs schloss am 24. Oktober 2008 bei rund 43,97 € (nach P., Gutachten vom 20. November 2015, 3.4.18, Tab. 7 [Anlage MK 35]). Dies hatte im Laufe der Woche vor dem 24. Oktober 2008 erhebliche Nachschusspflichten ausgelöst. Dass die Musterbeklagte zu 1 dies aber wirtschaftlich verkraften konnte, zeigt schon, dass sie in der Lage war, zum 27. Oktober 2008 – also noch vor dem Liquiditätszufluss infolge einer teilweisen Auflösung der Optionen nach dem 29. Oktober 2008 – den Ausübungspreis unter Inkaufnahme von Rollverlusten und Prämienzahlungen auf jeweils 30 € zu reduzieren. Auch nach den auf den 24. Oktober 2008 bezogenen VaR-Analysen sowohl des Privatsachverständigen P. als auch der Privatsachverständigen A./N. sollte dieser Kurs zumindest in den nächsten 10 bzw. 6 Handelstagen mit mehr als 95%iger Wahrscheinlichkeit nicht unterschritten werden.

Dass die Vertragsparteien den Ausübungspreis herabsetzten, bedeutet nicht, dass die Musterbeklagte zu 1 selbst von insgesamt fallenden Aktienkursen ausgegangen wäre. Zumindest besteht aufgrund der unterschiedlichen Nachfrage- und Angebotssituation kein Zusammenhang mit der möglichen Kursentwicklung der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2.

 (d) Zwar ist nicht zu verkennen, dass sich aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung insbesondere nach dem Vortrag der Musterklägerin die Aussichten einer erfolgreichen Übernahme verschlechtert hatten. Die insoweit möglicherweise bestehende Unsicherheit, unter anderem die fehlende Sicherheit betreffend eine hinreichende Kreditgewährung, musste in der Pressemitteilung aber nicht ausdrücklich offen gelegt werden, weil die Umsetzung des dargestellten Übernahmeplans gerade nicht als sicher dargestellt wurde, sondern vielmehr sogar ausdrücklich unter den Vorbehalt stimmender wirtschaftlicher Rahmenbedingungen gestellt wurde.

Einzelheiten zur wirtschaftlichen Lage der Musterbeklagten zu 1 waren nicht zu veröffentlichen. Insbesondere bestehen auch nach dem Vortrag der Musterklägerin keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Insolvenz bereits derart konkret bevorgestanden hätte, dass diese Umstände aufgrund einer Kursrelevanz für die Stammaktie der Musterbeklagten zu 1 nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG ad-hoc-publizitätspflichtig gewesen wären (vgl. zu den diesbezüglichen Maßstäben etwa Fuchs/Pfüller, § 15 WpHG Rn. 260 ff.). Dass die Musterbeklagte zu 1 im Zusammenhang mit der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 keine Publizitätspflichten verletzt hatte, entspricht im Übrigen auch der Auffassung der BaFin (Vermerk vom 27. März 2009 – WA 23-Wp 5115-2008/0061, auszugsweise wiedergegeben im V.-GA [MK 37], Rn. 136, 231, 342). Auch die möglicherweise unterlassene Veröffentlichung einer Gewinnwarnung in diesem zeitlichen Zusammenhang führte jedenfalls nicht zur Sittenwidrigkeit dieser Pressemitteilung und der durch sie verursachten Schädigung der klagenden Anleger (dazu näher unten: Rn. 530 ff.).

Im Übrigen bestehen auch nach dem Vortrag der Musterklägerin durchaus Zweifel an der Behauptung, die Musterbeklagte zu 1 habe die Pressemitteilung in Kenntnis erheblicher Risiken veröffentlicht. So lässt etwa die von der Musterklägerin in Bezug genommene E-Mail des rechtlichen Beraters der Musterklägerin Dr. B. vom 26. Oktober 2008 (Musterklagebegründung Rn. 424) die Motivation erkennen, spätere „erneute Kursexplosionen zu vermeiden“, nicht aber die Sorge vor Kursverlusten und Liquiditäts- oder Finanzierungsschwierigkeiten. Vielmehr ergibt die dort mitgeteilte Motivation nur im Hinblick auf eine weitere Umsetzung der Übernahmeabsicht Sinn. Auf diese Widersprüche in dem Vortrag kommt es aber nicht mehr entscheidend an.

 (3) Die Pressemitteilung ist auch nicht deshalb unrichtig, weil die Musterbeklagte zu 1 eine Marktenge bzw. eine dauerhafte Marktenge unzutreffend und möglichst nachhaltig suggeriert hätte, wodurch bei Leerverkäufern ein Kaufdruck hätte erzeugt oder verstärkt werden können. Zwar führte die Pressemitteilung den Marktteilnehmern vor Augen, dass das Angebot an Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 auf dem Markt möglicherweise geringer war, als die Marktteilnehmer annahmen. Sie enthielt aber keine unrichtigen oder irreführenden Informationen. Auch der hierdurch erweckte Eindruck war nicht unrichtig oder irreführend. Die Musterbeklagte zu 1 hat die Angebotssituation zudem nicht unnötigerweise dramatisch dargestellt.

 (a) Die mitgeteilten Tatsachen zu dem von der Musterbeklagten zu 1 gehaltenen Anteil an den physischen Stammaktien der Musterbeklagten zu 2, zum Umfang der gehaltenen cash-gesettelten Call-Optionen und zur Aufstockungs- und Beherrschungsabsicht waren nicht unrichtig oder irreführend.

Zutreffend stellte die Musterbeklagte zu 1 dar, dass die Optionen cash-gesettelt – also auf Barausgleich gerichtet – waren und damit zumindest unmittelbar keinen Anspruch auf Lieferung der Aktien selbst vermittelten. Die Pressemitteilung erweckte auch angesichts der Aussage, die Stammaktien würden zum jeweils aktuellen Kurs gekauft, für einen verständigen Marktteilnehmer nicht den Eindruck, dass Aktien im Umfang der mitgeteilten Optionsgeschäfte zwingend dem Markt entzogen wären, weil diese jeweils physisch „gehedgt“ worden wären, also von den Vertragspartnern der Musterbeklagten zu 1 zur Absicherung derer Verpflichtungen aus den Optionsgeschäften physisch gehalten worden wären. Vielmehr stand die fragliche Aussage zum Kauf der Stammaktien ersichtlich im Zusammenhang mit der Beschreibung des Mechanismus der Optionen.

Selbst wenn ein solcher Eindruck der Marktteilnehmer, im Umfang der Optionen seien die Aktien – dauerhaft – dem Markt entzogen, entstanden wäre, entspräche dieser doch nach dem Vortrag der Musterklägerin und der Beigeladenen weitgehend der Realität. Diese haben behauptet, die M. Bank bzw. weitere im Wege von Derivaten eingebundene Banken hätten jede Call-Option letztlich physisch abgesichert. Angesichts dieser – von der Musterklägerin und den Beigeladenen selbst behaupteten – Sicherungsgeschäfte hätte eine Ausübung der Call-Optionen und damit eine Aufstockung des physischen Aktienbestands der Musterbeklagten zu 1 keine Auswirkungen auf die Marktenge gehabt. Soweit die beigeladene P.P. L.P. mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2019 (Rn. 30) vorträgt, es habe keinen Engpass an für Leerverkaufspositionen zu Verfügung stehenden Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 gegeben, hat die Pressemitteilung Gegenteiliges nicht suggeriert.

Eine Einschränkung erfährt dieser Vortrag zur physischen Absicherung nur dadurch, dass Banken nach der Behauptung der Musterklägerin und der beigeladenen Y. LLP infolge der Bankenkrise in Einzelfällen zur Absicherung gehaltene Aktien verkauft hätten oder dies gedroht habe, so dass diese dann wieder dem Markt zur Verfügung gestanden hätten. Zum einen lässt sich diesem Vortrag aber schon nicht entnehmen, dass dies überhaupt im Hinblick auf einen auch nur nennenswerten Teil von Aktien der Fall gewesen sein soll, sodass bereits im Ansatz nicht ersichtlich ist, dass der Markt hierüber hätte aufgeklärt werden müssen, um eine mögliche Irreführung zu vermeiden, die ohnehin insoweit allenfalls unerheblich gewesen wäre. Zum anderen hat die Musterklägerin vorgetragen, die Schwierigkeiten der Hedgingpartner seien am Markt bekannt gewesen. Schließlich ist insoweit wiederum zu berücksichtigen, dass die Pressemitteilung zumindest ausdrücklich überhaupt nicht auf ein „Hedging“ eingeht.

Die in der Pressemitteilung offen gelegten Call-Optionen drohten auch nicht wegen eines zu erwartenden Kursverfalls der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 oder einer bevorstehenden Insolvenz der Musterbeklagten zu 1 wertlos zu werden. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

 (b) Die Pressemitteilung stellte auch die tatsächlich gegebene Marktsituation nicht unnötig dramatisch dar. Sie legte offen, dass ein Erwerb weiterer über 50 % hinausgehender Anteile erst im Jahr 2009 anstehe. Auch wenn dieser Aussage bei Unterstellung eines vollständigen physischen Hedgings für eine Beurteilung der Marktenge letztlich keine Bedeutung zukäme, war aufgrund des angegebenen Zeithorizontes jedenfalls keine – von der Musterbeklagten zu 1 ausgehende – kurzfristige weitere Verengung des Marktes zu befürchten.

Die Pressemitteilung legte zudem nur die von der Musterbeklagten zu 1 selbst gehaltenen Call-Optionen und nicht auch die weiteren von der Porsche GmbH Salzburg gehaltenen Optionen offen (vgl. dazu auch Rn. 392). Letzteres hätte eine weitergehende Marktverengung gezeigt und einen erhöhten Kaufdruck auslösen können. Auch implizierte die Pressemitteilung nach der Auffassung des Privatsachverständigen P. in dessen Gutachten vom 20. November 2015 (Anlage MK 35, unter 3.3.5) durch die ausschließliche Berücksichtigung der Call-Optionen einen zu hohen Free Float. Auch damit schwächte sie den Eindruck vom Ausmaß der Marktenge und den kurstreibenden Effekt eher ab.

Die vorgenommene Zusammenrechnung der physischen und der synthetischen Positionen verstärkte – gerade für verständige Marktteilnehmer – den Eindruck einer Marktenge nicht in unzutreffender Weise. Im Übrigen sah auch etwa § 25a Abs. 2 S. 3 WpHG i.d.F. v. 6. Dezember 2011 vergleichbar eine kumulierte Darstellung vor. Diese ist nicht zu beanstanden.

 (c) Ohnehin war bereits vor dieser Pressemitteilung ersichtlich, dass die Musterbeklagte zu 1 Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 in großem Umfang nachfragte und dies das Angebot verknappte. Der Finanzvorstand H. bekräftigte beispielsweise im FAZ-Interview vom 28. Juli 2008 (Anlage MBPor 82), noch im Jahr 2008 die „51-Prozent-Grenze“ überschreiten zu wollen. Vergleichbare Aussagen tätigte der Vorstandsvorsitzende W. laut Presseberichten noch Anfang Oktober 2008 (Anlagen MK 44, 45). Am 16. September 2008 veröffentlichte die Musterbeklagte zu 1, eine Beteiligung in Höhe von 35,14 % erreicht zu haben; eine weitere Erhöhung solle in den weiteren Monaten folgen (Anlage MBPor 83). Schon hiernach war mit einer weiteren substantiellen Nachfrage bis zum Jahresende zu rechnen. Hinzu kommt, dass Dr. W. laut den vorgenannten Presseberichten Anfang Oktober 2008 weiter erklärt hatte, dass eine Erhöhung auf 75 % nicht ausgeschlossen sei, was Analysten ohnehin schon vermutet hatten.

 (4) Die Pressemitteilung ist weiter nicht deshalb unrichtig oder irreführend, weil die Musterbeklagte zu 1 ihre Eigeninteressen verschwiegen oder hierzu unrichtige Angaben gemacht oder die von ihr begebenen Put-Optionen oder sonstige Einzelheiten der Optionsstrategien verschwiegen hätte. Ohnehin käme diesem Gesichtspunkt allenfalls ergänzende Bedeutung dahin zu, dass er geeignet sein könnte, die Kernaussagen der Pressemitteilung über den tatsächlichen Bestand der Aktien und Optionen und die Aufstockungs- und Beherrschungsabsicht etwas zu verschleiern oder andererseits etwaige Zweifel an diesen Aussagen zu zerstreuen. Eine solche Unrichtigkeit oder Irreführung bestand aber nicht.

Nach dem – in Einzelheiten nicht ganz konsistenten – Vortrag der Musterklägerin sei es das Interesse der Musterbeklagten zu 1 gewesen, einerseits hohe Kurse zu provozieren, um Verluste aus den Put-Optionen zu vermeiden, und andererseits, Spekulationen zu vermeiden, die zu nicht wertgerechten zeitweiligen Kurserhöhungen (Short Squeezes) führen konnten, unter anderem wegen damit verbundener steuerlicher Belastungen. Insgesamt habe das Interesse bestanden, Leerverkäufe zu unterbinden, damit sich der Kurs stabilisiere. Zudem habe das Interesse bestanden, dass sich der von der Musterbeklagten zu 1 manipulierte – leicht steigende – Kurs nicht auf einem niedrigeren Stand normalisiere. Darüber hinaus hätten Eigeninteressen sowohl der Eigentümerfamilien Po. und P. als auch der Vorstände bestanden.

 (a) Zunächst besteht bereits keine rechtliche oder auch sittliche Pflicht, die mit einer Pressemitteilung verfolgten Eigeninteressen offen zu legen.

 (b) Weiter war es aus der Sicht des Kapitalmarkts naheliegend, dass die Musterbeklagte zu 1 mit der Pressemitteilung – auch – eigene Interessen verfolgte, auch wenn sie in der Pressemitteilung ausdrücklich ein altruistisches Motiv benannte. Da die Musterbeklagte zu 1 die Erklärung nicht als Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht hatte, sprach nichts dafür, dass sie nur gesetzlichen Informationspflichten hätte genügen wollen.

Gerade die Ansprache an die Shortseller und der Hinweis auf die „dramatischen Verwerfungen auf den Finanzmärkten“ zeigte, dass es das Ziel der Musterbeklagten zu 1 war, weitere Wetten auf sinkende Kurse der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 zu verhindern, verbunden jedenfalls mit der Vermeidung einer erhöhten Volatilität, der Vermeidung erneuter erheblicher Kursübertreibungen und – aus Sicht der angesprochenen Marktteilnehmer – möglicherweise auch der Verhinderung zukünftiger kurssenkender Leerverkäufe.

Zudem zeigte die Offenlegung der Call-Optionen, dass die Musterbeklagte zu 1 für die angestrebte Beteiligungsaufstockung im Wesentlichen nicht auf niedrige Aktienkurse angewiesen war, weil sie sich gegen steigende Kurse abgesichert hatte. Dass der Umfang der offen gelegten Kurssicherungspositionen nicht ganz ausreichte, um den angestrebten Erwerb von mehr als 75 % der Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 abzusichern, rief angesichts des verhältnismäßig geringen ungedeckten Teils und des insoweit längerfristigen Zeithorizonts des angestrebten Erwerbs vorhersehbar keine abweichende Vorstellung hervor. Die angesprochenen Marktteilnehmer mussten auch angesichts dieser Informationen den Eindruck gewinnen, dass die Musterbeklagte zu 1 kein wesentliches Interesse an fallenden Kursen hatte, die Pressemitteilung also eher einer Kursstabilisierung auf dem damaligen Niveau oder leicht steigenden Kursen dienen sollte.

 (c) Die Pressemitteilung enthielt zwar keine weiteren Einzelheiten zu der genauen Optionsstrategie, insbesondere nicht zu den begebenen – auch frei stehenden – Put-Optionen. Dieser Umstand führt aber nicht zur Unrichtigkeit oder zu einer wesentlichen Irreführungsgefahr. Für den verständigen Kapitalmarktteilnehmer war aus den nachfolgend erörterten Gründen zumindest ersichtlich, dass die Musterbeklagte zu 1 ihre Optionsstrategie abgesehen von den vorgenannten Call-Optionen nicht vollständig offengelegt hatte.

 (aa) Der Kapitalmarkt erwartet grundsätzlich nicht, dass er durch eine solche Kapitalmarktinformation – im Gegensatz etwa zu einem Prospekt – umfassend informiert werde.

 (bb) Der Text der Pressemitteilung erweckte nicht den Eindruck, dass die Musterbeklagte zu 1 damit sämtliche Optionsgeschäfte offenlegte. Mit den nach der Mitteilung offengelegten „Kurssicherungspositionen“ im Zusammenhang mit der Übernahme der Musterbeklagten zu 2 konnten zwar bei einem weiten Begriffsverständnis auch die zur Finanzierung der Beteiligungsaufstockung verkauften Put-Optionen gemeint sein.

Ein mögliches entsprechendes Fehlverständnis der angesprochenen Kapitalmarktteilnehmer korrigierte die Musterbeklagte zu 1 im Folgesatz aber dadurch, dass sie dort allein den Bestand der physischen Aktien sowie der zur Kurssicherung gehaltenen Optionen bezifferte. Dabei war aus den folgenden Sätzen, die das Prinzip der Kurssicherung beschrieben, für den verständigen Kapitalmarktteilnehmer erkennbar, dass die Musterbeklagte zu 1 bei der Offenlegung ihrer „Aktien und Kurssicherungspositionen“ nur auf diejenigen Optionen einging, aufgrund derer sie „die Differenz zwischen dem dann aktuellen Volkswagen Kurs und dem darunterliegenden Absicherungskurs“ ausbezahlt erhielt, mithin nur auf die Call-Optionen.

Entgegen der von der Musterklägerin vertretenen Auffassung suggerierte der verwandte Begriff der Kurssicherungspositionen dem verständigen Kapitalmarktteilnehmer eine vollständige Offenlegung sämtlicher Optionsgeschäfte auch nicht deshalb, weil die Musterbeklagte zu 1 ihn in ihrem Geschäftsbericht für das Geschäftsjahr 2006/2007 auch in einem umfassenderen – und wohl ungenauen – Sinn verwendet hatte, nämlich dort mit „Kurssicherungsgeschäften“ sämtliche Transaktionen in Aktienoptionen bezeichnete hatte (S. 19, 32 f., 141 f. des Geschäftsberichts, Anlage MK 74). Zum Einen fanden sich auf S. 167 des Geschäftsberichts insoweit genauere Angaben: „Zur Absicherung der im Berichtsjahr vorgenommenen Aufstockung des Anteils an der Volkswagen AG ... wurden Kurssicherungsgeschäfts abgeschlossen. Dabei handelt es sich um Aktienoptionen mit Barausgleich. Darüber hinaus werden Aktienoptionen mit verschiedenen Basiswerten zur Liquiditätsbeschaffung eingesetzt“. Vor allem aber war aufgrund der in der Pressemitteilung ausdrücklich vorgenommenen Erläuterung des Mechanismus der Kurssicherung erkennbar, dass die Musterbeklagte zu 1 solche Aktienoptionen – etwa Put-Optionen –, die keine Absicherung gegen steigende Kurse darstellten, hier nicht offenlegte.

 (cc) Einer Irreführungsgefahr stand zudem entgegen, dass verständige Kapitalmarktteilnehmer früheren Erklärungen der Musterbeklagten zu 1 entnehmen konnten, dass sie in erheblichem Umfang derivative Geschäfte auch zur Liquiditätsbeschaffung getätigt hatte. Dies haben Analysten zutreffend dahin verstanden, dass sie jedenfalls in erheblichem Umfang auch auf die Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 bezogene Put-Optionen verkauft hatte. Auch vor dem Hintergrund dieses dem verständigen Kapitalmarktteilnehmer erkennbaren Umstandes war hinreichend ersichtlich, dass die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 gerade nicht sämtliche Aktienoptionen der Musterbeklagten zu 1 offenlegte.

 (aaa) So war dem Geschäftsbericht für das Geschäftsjahr 2006/2007 (Anlage MBPor 106, siehe auch Anlage MK 74) ausdrücklich zu entnehmen, dass die Musterbeklagte zu 1 nicht nur zur Absicherung der vorgenommenen Aufstockung ihres Anteils an der Musterbeklagten zu 2 Kurssicherungsgeschäfte in Form von Aktienoptionen mit Barausgleich abgeschlossen, sondern darüber hinaus Aktienoptionen mit verschiedenen Basiswerten zur Liquiditätsbeschaffung eingesetzt hatte – wenn auch ungenau ebenfalls als Kurssicherungsgeschäft bezeichnet (vgl. auch Rn. 312). Schon diese ausdrückliche Darstellung legte nahe, dass diese zur Liquiditätsbeschaffung eingesetzten Optionen einen nennenswerten Umfang hatten. Die Bezifferung der Erträge aus Aktienoptionen mit rund 6,9 Mrd. € (S. 141 des Geschäftsberichts) und die nicht näher differenzierte Bilanzierung von Aktienoptionen mit 10,5 Mrd. € (Aktiva) und 13,5 Mrd. € (Passiva; S. 168 des Geschäftsberichts) unterstrichen diesen Eindruck.

Der Finanzvorstand H. hatte im Interview gegenüber der FAZ, das am 28. Juli 2008 veröffentlicht wurde (Anlage MK 72, Bl. 2438 ff. d.A.; ebenfalls Gegenstand des Berichtes im Manager Magazin vom 29. Juli 2008, Anlage MBPor 108) darauf hingewiesen, dass die Musterbeklagte zu 1 an diesen Optionsstrategien „möglicherweise“ noch verdiene. Ausdrücklich gab er an, keine Einzelheiten zu den Optionsgeschäften offenlegen zu wollen.

Zwar enthielten auch die Geschäftsberichte keine näheren Einzelheiten zur genauen Struktur der Optionsstrategien; angegeben war, dass zur Liquiditätsbeschaffung Aktienoptionen mit verschiedenen Basiswerten eingesetzt würden. Es war für den verständigen Kapitalmarktteilnehmer aber naheliegend, dass zumindest ein erheblicher Teil hiervon auf die Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 als Basiswert bezogen war, weil sich die Optionsstrategie erkennbar – und auch ausdrücklich angegeben – gerade auf diesen Basiswert konzentrierte. Auch die genaue Art der hierfür eingesetzten Aktienoptionen war nicht näher beschrieben. Naheliegend – und vom Kapitalmarkt wie nachfolgend ausgeführt auch so verstanden – war aber der Verkauf von Put-Optionen. Diesen Schluss hat auch die Musterklägerin selbst noch in ihrem Schriftsatz vom 4. Oktober 2017 (S. 50 f., Bl. 3286 f.) gezogen. Auch dem Gutachten des Privatsachverständigen P. vom 20. November 2015 (Anlage MK 35) liegen unter 3.5.7 vergleichbare Erwägungen zugrunde. Zudem hat die Privatsachverständige M. im Auftrag der beigeladenen H. GmbH die fraglichen Angaben in den Geschäftsberichten in ihrem Gutachten vom 31. August 2012 (Anlage B-H. 3, Bl. 1611 ff., S. 29 ff.) auch zur Abschätzung u.a. des Umfangs der einzelnen Aktienoptionen im Ansatz vergleichbar ausgewertet.

 (bbb) Entsprechend gingen verschiedene Presse- und Analystenberichte davon aus, dass die Musterbeklagte zu 1 auch Put-Optionen verkauft habe. Bereits die Analyse der MainFirst Bank AG vom 1. Oktober 2007 (Anlagenkonvolut MBPor 111/139) führte auf Seite 9 (übersetzt) aus, höchstwahrscheinlich seien synthetische Long-Positionen aufgebaut worden, indem sowohl „VW calls“ gekauft als auch „VW puts“ verkauft worden seien, unter anderem um den Liquiditätsbedarf zu verringern. Hiervon gingen auch die Analysen von UBS vom 3. Oktober 2007 (Anlagenkonvolut MBPor 111/139, S. 3, 7 ff.), der Citi Investment Research vom 23. Oktober 2007, die starke Handelsaktivitäten in „June 09 VW Puts“ festgestellt hatte (in Anlagenkonvolut MBPor 139), von JP Morgan vom 27. Februar 2008, die annimmt, dass die Musterbeklagte zu 1 zuletzt Put-Optionen verkauft habe, und die insbesondere auch starke Handelsaktivitäten bezogen auf solche Put-Optionen im Spätsommer 2007 feststellte (Anlagenkonvolut MBPor 139, S. 13 f.), der Goldman Sachs Group vom 21. April 2008 (Anlagenkonvolut MBPor 111/139, Seite 11) und – ausführlich – der Bericht von Bernstein Research vom 17. Oktober 2008 (Anlage MK 47; inhaltlich wiedergegeben auch im Schriftsatz der Musterklägerin vom 1. Mai 2017) aus (vgl. auch Rn. 184, 188 ff).

Der informierte Anleger hatte daher durch diese Analystenberichte sowie u. a. durch den Geschäftsbericht der Musterbeklagten zu 1 für das Geschäftsjahr 2006/2007 ein der tatsächlichen Optionsstrategie der Musterbeklagten zu 1 im Grundsatz entsprechendes Gesamtbild vorliegen.

Auch vor dem Hintergrund dieser Analysen bestanden für informierte Anleger keine Anhaltspunkte dafür, dass Put-Optionen zwar zu einem früheren Zeitpunkt – etwa zur Finanzierung des Übernahmeangebots im Jahr 2007 – verkauft worden, inzwischen aber im Wesentlichen ausgelaufen seien. Auch sonst war die Pressemitteilung entgegen der – hilfsweise – im Termin zur mündlichen Verhandlung am 3. September 2019 ausgeführten Annahme der Musterklägerin für verständige Kapitalmarktteilnehmer nicht dahin zu verstehen, dass solche der Liquiditätsbeschaffung dienende Aktienoptionen – insbesondere Put-Optionen – am 26. Oktober 2008 nicht mehr bestanden hätten. Dass die vorangegangenen Mitteilungen insbesondere im Geschäftsbericht falsch gewesen wären, ist dieser Pressemitteilung nicht zu entnehmen. Dass sämtliche der Liquiditätsbeschaffung dienenden Aktienoptionen zwischenzeitlich aufgelöst worden oder ausgelaufen wären, war ersichtlich fernliegend.

Diese in den Analysen gezogenen Schlüsse hat die Musterbeklagte zu 1 auch nicht dementiert. Der Pressemitteilung vom 10. März 2008 ist betreffend die Optionsstrategien allenfalls die – zutreffende – Aussage zu entnehmen, dass der Erwerb der für den Abschluss eines Beherrschungsvertrages erforderlichen Beteiligungen noch nicht gesichert war. Das gegen den sog. Bernstein-Report gerichtete, am 21. Oktober 2008 veröffentlichte Dementi (Anlage MBPor 112) war ausdrücklich auf eine andere Aussage dieser Analyse bezogen.

 (ccc) Dass diese unter anderem aus den Geschäftsberichten zu ziehenden Schlüsse mangels dezidierter Offenlegung der Optionsstrukturen unbeachtlich wären, ist entgegen der Auffassung der Musterklägerin auch nicht der sog. IKB-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, juris Rn. 38 f.) zu entnehmen. Zwar hat der Bundesgerichtshof Rückschlüsse aus Geschäftsberichten dort nicht ausreichen lassen, weil die genaue Zusammensetzung des in Frage stehenden Engagements und insbesondere der entscheidende, darin jeweils enthaltene Subprime-Anteil daraus nicht hervorgegangen seien. Die dortigen Erwägungen waren aber unmittelbar auf das Merkmal des nicht öffentlich bekannten Umstands im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG bezogen. Zudem war die Kernbotschaft der dort in Frage stehenden Mitteilung, von der „Subprime-Krise“ nicht betroffen zu sein. Demgegenüber war die maßgebliche Kernbotschaft vorliegend, einen Beherrschungsvertrag anzustreben und hierfür Kurssicherungsgeschäfte abgeschlossen zu haben.

 (dd) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 unter Außerachtlassung dieser Umstände dahin verstanden worden wäre, dass die Musterbeklagte zu 1 die gesamte Optionsstrategie im Detail offen legte. Im Gegenteil schrieb etwa die E. Ltd. am 28. Oktober 2008 – mithin nur zwei Tage nach der in Frage stehenden Pressemitteilung – an die Musterbeklagte zu 1, konkrete Angaben zur Optionsstruktur hätten in der Pressemitteilung gefehlt; durch die Veröffentlichung habe die Musterbeklagte zu 1 den Kursverfall der VW-Aktie gestoppt und „massive Verluste aus Put-Verpflichtungen“ zunächst verhindert (Anlage MBPor 141). Die Citigroup Global Markets Ltd. ging in einer Analyse vom 29. Oktober 2008 (Anlagenkonvolut MBPor 139) nach wie vor davon aus, dass die Musterbeklagte zu 1 „calls“ gekauft und „puts“ verkauft habe. Auch der Spiegel ging in einem Bericht vom 29. Oktober 2008 (Anlage MBPor 140) mit der Annahme, Porsche müsse der Bank bei fallenden Kursen die Differenz zahlen, in der Sache davon aus, dass die Musterbeklagte zu 1 Put-Optionen begeben hatte.

 (ee) Nach allem ist es unerheblich, dass durch eine ausdrückliche Erwähnung oder nähere Offenlegung der Put-Optionen das – auch sonst erkennbare – Eigeninteresse der Musterbeklagten zu 1 an steigenden oder gleich bleibenden Kursen noch deutlicher erkennbar geworden wäre. Unerheblich ist auch, dass ohne Offenlegung der Put-Optionen „massive Verluste“ aus den Optionsstrategien für Marktteilnehmer nicht erkennbar gewesen seien. Angaben über Gewinne und Verluste aus den Optionsstrategien hatte die Musterbeklagte zu 1 ohnehin nicht gemacht. Zudem bezogen sich die von der Musterklägerin vorgetragenen erheblichen Verluste nur auf den Zeitraum der letzten Wochen; bei längerfristiger Betrachtung bestanden diese so nicht.

Die unterbliebene Offenlegung von Put-Optionen führte auch nicht deshalb zur Unrichtigkeit der Pressemitteilung, weil unrichtige Vorstellungen über den Marktwert der Optionspositionen begründet worden wären und GuV-wirksame Wertverluste nicht erkennbar gewesen seien. Der Marktwert der Optionen war erkennbar nicht Gegenstand der Pressemitteilung. Der Umstand, dass es zu GuV-wirksamen Verlusten gekommen sein mag, hätte keine tragfähigen Rückschlüsse auf die Umsetzbarkeit der mitgeteilten Übernahmeabsicht zugelassen (vgl. dazu näher auch die Erwägungen zur unterbliebenen Gewinnwarnung unter Rn. 533 ff.).

Dass einzelne Anleger bei einer Offenlegung der Put-Optionen nach der Annahme der Musterklägerin Verlustrisiken erkannt hätten, von dem Risiko einer Nicht-Finanzierbarkeit der Anteilsaufstockung ausgegangen wären und sich nicht zu Eindeckungskäufen veranlasst gesehen hätten, führt nicht zur Verwerflichkeit dieser Mitteilung. Wie dargestellt, war nicht konkret damit zu rechnen, dass die beabsichtigte weitere Anteilsaufstockung nicht umsetzbar gewesen wäre. Selbst wenn die letztlich eingetretene Marktpanik aber durch solche detaillierten Informationen hätte verhindert oder abgeschwächt werden können, bestand keine Verpflichtung zu einer derartigen Offenlegung.

Bedeutung hätte weiteren Angaben zur Optionsstrategie insbesondere dann zukommen können, wenn nicht nur Einzelheiten zu deren Ausgestaltung offengelegt worden wären, insbesondere Details zum Ausübungspreis, zur Laufzeit, zur Sicherheitenstellung etc., sondern auch die übrigen Rahmenbedingungen, insbesondere die Liquiditätslage der Musterbeklagten zu 1 und die Aussicht auf weitere Kredite. Auch hieraus hätten verständige Marktteilnehmer aus den vorgenannten Gründen aber nicht den Schluss ziehen können, dass die Umsetzbarkeit der mitgeteilten Übernahmeabsicht konkret gefährdet gewesen wäre. Sofern die Mitteilung solcher Einzelheiten im Übrigen die Möglichkeit eröffnet hätte, den Kurs der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 durch gezielte Spekulationen soweit zu drücken, dass der Übernahmeplan nicht mehr umsetzbar gewesen wäre und die Marktenge sich zumindest abgeschwächt hätte, hätte dies zwar unter Umständen den folgenden Short Squeeze und damit die eingetretenen Schäden der Leerverkäufer verhindern können. Dass die Musterbeklagte zu 1 solche Spekulationen aber nicht durch die weitgehende Offenlegung von Einzelheiten ermöglichte, ist jedenfalls nicht verwerflich.

 (d) Unerheblich ist weiter, dass die Pressemitteilung keine Angaben zu den Optionsgeschäften enthielt, die auf Vorzugsaktien der Musterbeklagten zu 2 bezogen waren. Die Pressemitteilung suggerierte – wie dargestellt – nicht, sämtliche Optionsgeschäfte offenzulegen, und erweckte damit nicht den Eindruck, die Musterbeklagte zu 1 habe keine Optionsgeschäfte getätigt, die auf andere Aktien als die Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 bezogen waren. Auch wenn eine Information über diese Optionsgeschäfte weitere Anhaltspunkte dafür vermittelt hätte, dass die Kursrückgänge der Vorwochen zu Liquiditätsabflüssen bei der Musterbeklagten zu 1 geführt haben könnten, war die Musterbeklagte zu 1 nicht verpflichtet, diese Einzelheiten dem Kapitalmarkt mitzuteilen.

 (5) Die Bezeichnung der auf Barausgleich gerichteten Call-Optionen – auf die sich die Pressemitteilung ihrem Inhalt nach allein bezog – als Kurssicherungsgeschäfte war ebenso wenig aus anderen Gründen unrichtig oder irreführend.

Mit den Call-Optionen konnte die Musterbeklagte zu 1 durch den bei einem Kursanstieg erlösten Barausgleich dem Kursanstieg entsprechende Einnahmen erzielen, die den gestiegenen Kaufpreis für die Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 mitfinanzieren sollten, sodass die Charakterisierung als Kurssicherung zumindest vertretbar ist. Dass die Musterbeklagte zu 1 entsprechende Gewinne aus der Optionsstrategie I zum Aktienerwerb eingesetzt und nicht zur Kompensation möglicher zukünftiger Rollverluste „konserviert“ hatte, führt nicht dazu, dass diese Bezeichnung unzutreffend geworden wäre. Auch, dass Erträge aus den Optionsgeschäften der Ertragsbesteuerung unterlagen und damit nicht mehr vollständig zur Sicherung gegen steigende Aktienkurse zur Verfügung standen, führt nicht zur Unrichtigkeit dieser Bezeichnung.

Die Bezeichnung als Kurssicherungsgeschäft war auch nicht deshalb fehlerhaft und jedenfalls nicht grob irreführend, weil die Musterbeklagte zu 1 allgemein aufgrund der Kombination dieser Optionen mit den Put-Optionen das volle Kursrisiko getragen hätte. Zumindest bei den Optionsstrategien mit festem Ausübungspreis trug die Musterbeklagte zu 1 das Kursrisiko ohnehin erst bei einer Unterschreitung dieses Ausübungspreises, die jedenfalls nicht konkret absehbar war. Insbesondere beschreibt die Pressemitteilung aber nur den Mechanismus der Absicherung gegen steigende Kurse, ohne zu suggerieren, dass fallende Kurse keine Verlustrisiken auslösen könnten.

Entgegen der Auffassung der beigeladenen H. GmbH suggerierte die Verwendung dieses Begriffs schon aufgrund der nachfolgenden Erläuterung auch nicht, dass die Musterbeklagte zu 1 Hedging-Geschäfte getätigt hätte.

 (6) Die Pressemitteilung suggerierte nicht, dass der Ausübungspreis der Optionen stets unter dem tatsächlichen Preis der Aktie liegen werde. Ein solcher Inhalt war weder der Aussage, bei Auflösung der Optionen werde die Differenz zwischen dem aktuellen Aktienkurs und dem darunterliegenden Absicherungskurs ausbezahlt, noch der Bezeichnung als Kurssicherungsgeschäfte zu entnehmen. Aus Sicht des verständigen Marktteilnehmers war es selbstverständlich, dass ein Unterschreiten eines wie auch immer festgesetzten Ausübungspreises nicht ausgeschlossen werden kann. Die Erklärung enthält auch keine Einzelheiten zu den jeweiligen Ausübungspreisen und suggeriert nicht, dass diese besonders niedrig lägen. Sie ist deshalb auch vor dem Hintergrund nicht unrichtig oder irreführend, dass der Ausübungspreis in der Strategie I zu jedem Rolltermin dem jeweils aktuellen Aktienkurs angepasst wurde. Eine möglicherweise hierdurch hervorgerufene Irreführung wäre jedenfalls nicht als grob zu bewerten.

 (7) Die Musterklägerin beanstandet weiter, in der Pressemitteilung seien unrichtige Motive dafür genannt worden, das Ziel mitzuteilen, 75 % der Anteile der Musterbeklagten zu 2 zu übernehmen, obwohl sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hierfür zu diesem Zeitpunkt verschlechtert hatten. Die Eigentümerfamilien P. und Po. hätten sich nicht, wie in der Pressemitteilung zum Ausdruck gebracht, erst neuerdings, sondern bereits seit 2005 uneingeschränkt hinter den Plan gestellt, die Musterbeklagte zu 2 zu beherrschen. Auch habe es keine neuen Signale betreffend eine Aufhebung oder Änderung des VW-Gesetzes gegeben.

Unabhängig davon, ob diese Angaben in der Pressemitteilung für sich genommen unrichtig oder irreführend waren, führte dies jedenfalls nicht dazu, dass die Pressemitteilung insgesamt und insbesondere in ihren für die Anlageentscheidung der angesprochenen Marktteilnehmer relevanten Kernaussagen unrichtig oder grob irreführend gewesen wäre. Die Schilderung dieser Motive mag den Zweck gehabt haben, die sonstigen Darstellungen in der Pressemitteilung plastischer und greifbarer zu machen. Möglicherweise mag die Musterbeklagte zu 1 mit ihnen auch bezweckt haben, Zweifel der angesprochenen Marktteilnehmer insbesondere an der Ernsthaftigkeit der Übernahmeabsicht abzuschwächen. Sie änderte aber nichts daran, dass die maßgeblichen Kernaussagen zutrafen. Durch die Angabe dieser Motive verschleierte die Musterbeklagte zu 1 ihr Eigeninteresse an zumindest gleichbleibenden oder steigenden Kursen nicht. Dieses war vielmehr – wie dargestellt – hinreichend erkennbar.

Abgesehen davon waren diese Angaben in den Pressemitteilungen aber auch nicht für sich genommen unrichtig oder irreführend:

 (a) Die Angaben zur Einigkeit der Eigentümerfamilien und den diesbezüglichen Berichten der Vorwoche trafen zu. Auch nach den Angaben der Musterklägerin hatte Prof. Dr. P. der Beherrschung zugestimmt. Hierüber berichteten eine Pressemitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 24. Oktober 2008 (Anlage MBPor 90) sowie verschiedene Presseorgane am 23., 24. und 25. Oktober 2008 (Anlagen MBPor 91, 92).

Auch soweit die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 zum Ausdruck brachte, die bezeichnete Einigkeit sei erst kurz zuvor erzielt worden, ist eine Unrichtigkeit selbst auf der Grundlage des Vortrags der Musterklägerin und der Beigeladenen nicht ersichtlich. Die Musterklägerin hat nicht ausreichend dargelegt, dass in den Eigentümerfamilien Po. und P. immer Einigkeit über das Vorgehen des Porsche-Vorstands bei dem Beherrschungsziel bestand, insbesondere, dass die Familien das Beherrschungsziel auch in den Monaten vor der Pressemitteilung stets einvernehmlich unterstützt hatten (vgl. Hinweisbeschluss des Senats vom 26. Oktober 2017). Es mag sein, dass Prof. Dr. P. schon am 18. Juli 2008 in einer Gesellschafterausschusssitzung – und möglicherweise auch zuvor – zugesagt hatte, die Beschlussfassung über einen Beherrschungsvertrag zu ermöglichen, was jedenfalls nicht zu einer Stimmbindung im eigentlichen Sinn führte, und dass auch frühere Beschlüsse des Gesellschafterausschusses betreffend die Beherrschungsabsicht einstimmig ergangen waren. Offenbar waren aber jedenfalls in der Zeit nach dem von Prof. Dr. P. mitgetragenen Aufsichtsratsbeschluss vom 23. Juli 2008 Zweifel entstanden, ob er den Plan tatsächlich unterstützte. Das beruhte u.a. darauf, dass er es durch sein Fernbleiben von der Aufsichtsratssitzung der Musterbeklagten zu 2 am 12. September 2008 und durch seine Stimmenthaltung per Stimmbotschaft ermöglichte, dass der Aufsichtsrat gegen die Stimmen von Dr. W. P., Dr. W. W. und H. H. den Beschluss über die Einrichtung eines „Ausschusses für besondere Geschäftsbeziehungen“ bei der Musterbeklagten zu 2 fasste, mit dem u.a. alle Geschäfte zwischen der Porsche AG und der Audi AG der Zustimmung des Aufsichtsrats der Musterbeklagten zu 2 unterworfen wurden. Aus dem als Anlage MBPor 127 vorgelegten Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden W. ergibt sich, dass die Musterbeklagte zu 1 hinter den Störungen Prof. Dr. P. vermutete. Die Wirtschaftswoche berichtete am 12. September 2008: „Damit ist es zwischen den Porsche-Eigentümerfamilien zum Eklat gekommen. ‚Ich bin entsetzt über das Abstimmungsverhalten des VW-Aufsichtsratsvorsitzenden‘, sagte W. Porsche nach der Sitzung (...). Der Bruch zwischen den Porsche-Eigentümerfamilien liegt damit nun offen zu Tage. (...) ‚P. treibt die Konfrontation nun auf die Spitze‘ (...)“ (Anlage MBPor 86). Auch in weiteren Presseartikeln wurde insbesondere im September und Oktober 2008 über einen Machtkampf zwischen dem Porsche-Vorstand und W. P. auf der einen Seite und Prof. Dr. P. auf der anderen Seite berichtet (Bericht der Zeit-online vom 18. September 2008 [Anlage MBPor 87], Bericht der FAZ vom 14. September 2008 „P.s Machtkampf - Allein gegen alle“ [Anlage MBPor 88], Bericht im Manager-Magazin vom 3. Oktober 2008 [Anlage MBPor 149]; vgl. auch Bericht des FOCUS-online vom 10. März 2008 [Bl. 2378 d.A., in Anlage MB VW 3]).

Auch die E-Mail des rechtlichen Beraters Dr. B. vom 12. Oktober 2008 (Schriftsatz der Musterklägerin vom 29. Oktober 2018, Bl. 6231; vgl. dazu auch Bl. 5982), die von der Musterklägerin als Beleg dafür vorgelegt wird, dass eine etwaige Opposition von Prof. Dr. P. jederzeit hätte überwunden werden können, spricht dafür, dass es jedenfalls nach Juli 2008 entsprechende Konflikte gab, die zumindest bis Mitte Oktober 2008 vorlagen: FP (F. P.) müsse sich an früheren Erklärungen festhalten lassen; er müsse im Unternehmensinteresse der Musterbeklagten zu 1 durch die „Möglichkeit“, ihn aus dem Aufsichtsrat abwählen zu können, auf Linie gebracht werden; Störmanöver beim weiteren Beteiligungsaufbau müssten ausgeschlossen werden. Dem von der Musterklägerin zitierten Schreiben der Vorstände Dr. W. und H. an Dr. W. P. vom 7. Oktober 2008 (S. 33 des Schriftsatzes vom 1. Mai 2017, Bl. 800 d.A.) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Zwar spricht dieses Schreiben dafür, dass eine entsprechende Einigkeit zu einem früheren, nicht näher genannten Zeitpunkt bestanden haben dürfte, diese Einigkeit aber Anfang Oktober 2008 von den Vorständen gerade wieder eingefordert wurde.

Prof. Dr. P. wird zwar in einem Bericht der Welt-Online vom 12. Mai 2009 (Anlage B-H. 11 zum Schriftsatz vom 10. Juli 2017) mit den Worten zitiert, er habe den Einstieg Porsches bei VW zunächst vor Oktober 2008 nicht behindert. Tragfähige Anhaltspunkte für eine Einigkeit der Beteiligten vor Oktober lassen sich dieser möglichen Äußerung, die zudem in zeitlichem Abstand und zudem ersichtlich in der späteren Konfrontation mit dem Vorstandsvorsitzenden der Musterbeklagten zu 1 gefallen sein soll, nicht entnehmen.

Eine Verständigung wurde jedenfalls nach außen hin erst nach der außerordentlichen Aufsichtsratssitzung vom 20. Oktober 2008 kommuniziert.

Soweit die Musterklägerin behauptet, dass dies alles nur ein „Akt inszenierter Zwietracht“ gewesen sei, sind dafür keine ausreichenden Anhaltspunkte ersichtlich. Eine solche Inszenierung einer Zwietracht erscheint auch in der Sache fernliegend. Hinzu kommt, dass der Vortrag der Musterklägerin, der Vorstandsbeschluss vom 26. Oktober 2008 und die Entscheidung, diesen durch die Pressemitteilung zu kommunizieren, seien überstürzt gefasst worden, im Widerspruch dazu steht, dass die Musterbeklagte zu 1 dies durch die längerfristige Inszenierung einer Zwietracht und der darauffolgenden Einigung am 20. Oktober mit den sich anschließenden Presseberichten in der Sache vorbereitet haben könnte. Demgegenüber erscheint es durchaus plausibel, dass die Musterbeklagte zu 1 gerade die (wieder) hergestellte Einigkeit nutzte, um mit dem Beschluss vom 26. Oktober 2008 und der entsprechenden Pressemitteilung auf dem Weg zu einer Beherrschung der Musterbeklagten zu 2 konkret voran zu schreiten (vgl. zur Entwicklung auch das von der Musterklägerin vorgelegte stenografische Wortprotokoll der Angaben des Zeugen H. in der mündlichen Verhandlung vor dem LG Stuttgart am 20. Oktober 2015, Anlage MK 16, S. 45). Hierfür spricht auch die in der vorzitierten E-Mail von Dr. B. vom 12. Oktober 2008 weiter enthaltene Aussage, „der Durchmarsch auf die 75 Prozent“ sei auch zur Klärung des Konfliktes in der Familie entscheidend.

Die unter Beweisantritt vorgetragene Behauptung, ein Mitarbeiter von Dr. W. habe im Ermittlungsverfahren ausgesagt, Prof. Dr. P. habe „den Gesamtplan immer unterstützt“, wäre schon aufgrund ihrer Substanzarmut keine hinreichende Grundlage für die Feststellung, dass die „Zwietracht“ im September 2008 inszeniert gewesen wäre. Im Übrigen – ohne dass es hierauf entscheidend ankäme – setzt sich die Musterklägerin mit ihrem neuen Vortrag in Widerspruch hierzu, selbst nach Oktober 2008 habe Prof. Dr. P. versucht, auf Banken einzuwirken um den Übernahmeplan „von hinten auszutrocknen“ (Schriftsatz vom 22. Mai 2022, S. 2 f.). Dass diese dort vorgetragene fortbestehende Abwehrhaltung dem Vorstand und den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern der Musterbeklagten zu 1 bekannt gewesen wäre, ist allerdings ebenfalls nicht mit Substanz vorgetragen.

Die Angabe des Motivs der Einigkeit der Eigentümerfamilien in der Pressemitteilung war auch nicht deshalb unrichtig oder irreführend, weil – wie die Musterklägerin unter Bezugnahme auf die vorstehend zitierte E-Mail von Dr. B. vom 12. Oktober 2008 vorträgt – Widerstand von Prof. Dr. P. der Umsetzung der Beherrschungsabsicht letztlich nicht entgegengestanden hätte, weil dieser als Aufsichtsratsvorsitzender hätte abgewählt werden können. In der E-Mail vom 12. Oktober 2008 wurde eine Abwahl nur als Ultima Ratio dargestellt. Vorzugswürdig sollte sein, Prof. Dr. P. – gegebenenfalls mit der Androhung einer solchen Abwahl – „noch auf Linie zu bringen“.

 (b) Ebenso wenig ist die Angabe unrichtig oder irreführend, dass die EU-Kommission nach Presseberichten vom Wochenende des 25./26. Oktober 2008 schon in überschaubarer Zukunft die von der Bundesregierung geplante Neuauflage des VW-Gesetzes als europarechtswidrig einstufen werde und es zu erwarten sei, dass in der Folge eine erneute Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht werde.

Die hierin enthaltene Einschätzung ist vertretbar. Sie beruht auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage und wird zudem ex post dadurch bestätigt, dass die Europäische Kommission wegen des am 10. Dezember 2008 in Kraft getreten Gesetzes zur Änderung des VW-Gesetzes vor dem Europäischen Gerichtshof Klage gegen Deutschland erhoben hat (zurückgewiesen mit Urteil vom 22. Oktober 2013 - C-95/12, juris).

Zwar trifft es zu, dass es bereits in der Zeit vor Oktober 2008 Signale für diese Einschätzung der Kommission und für eine mögliche Klage gab, insbesondere die erneute Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens am 5. Juni 2008. Eine für den 15./16. Oktober 2008 vorgesehene weitere Stellungnahme der Kommission unterblieb aber im Hinblick auf einen EU-Gipfel Mitte Oktober 2008 zunächst. Am 25. Oktober 2008 erschienen schließlich zwei Presseartikel, in denen eine baldige erneute Klage gegen das VW-Gesetz in Aussicht gestellt wurde, sollte dieses wie geplant verabschiedet werden (Anlagen MBPor 95, 96). Dass eine solche Entscheidung auf „massiver Lobbytätigkeit“ der Musterbeklagten zu 1 beruht haben mag, ist unerheblich. Dass die Musterbeklagte zu 1 diese Berichterstattung als Motiv für den Beschluss vom 26. Oktober 2008 nur vorschob, lässt sich auch nicht daraus schließen, dass die Presseartikel erst am Vortag erschienen waren. Der Artikel in Spiegel Online war ausweislich des vorgelegten Abdrucks (Anlage MBPor 95) bereits um 10:30 Uhr erschienen. Die Musterbeklagte zu 1 konnte ihn problemlos berücksichtigen. Dass diese Presseberichte erst Auslöser der in den Vorstandsbeschluss und in die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 mündenden Erwägungen waren, hat die Musterbeklagte zu 1 nicht behauptet. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass die Musterbeklagte zu 1 diese Information aufgrund ihrer Lobbytätigkeit deutlich früher als durch die Presse am 25. Oktober 2008 erhalten hätte.

Entgegen der Auffassung der Musterklägerin wäre eine mögliche Änderung des VW-Gesetzes auch nicht ohne Bedeutung für die Umsetzung der Beherrschungsabsicht gewesen. Zwar war eine § 4 Abs. 3 des VW-Gesetzes entsprechende Regelung der Sperrminorität auch in der Satzung der Musterbeklagten zu 2 enthalten; diese wäre von der Feststellung der Europarechtswidrigkeit der gesetzlichen Regelung nicht unmittelbar betroffen gewesen. Indes war die ersichtlich von der Musterbeklagten zu 1 vertretene Auffassung zumindest nicht fernliegend, der Bestand der Satzungsregelung sei jedenfalls mittelbar mit der europarechtlichen Bewertung der gesetzlichen Bestimmung verknüpft.

Schon im Hinblick auf diesen erkennbaren Zusammenhang suggerierte die Pressemitteilung entgegen der Auffassung der Musterklägerin auch nicht, dass sich die Haltung des Landes Niedersachsen in Bezug auf eine Satzungsänderung geändert hätte.

 (8) Die Musterklägerin macht ohne Erfolg geltend, dass die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 fehlerhaft sei, weil sie suggeriere, dass es zur Anteilserhöhung auf 75 % keiner weiteren Organbeschlüsse mehr bedürfe. Zwar hat der anwaltliche Berater der Musterbeklagten zu 1, Dr. B., nach dem Vortrag der Musterklägerin eine solche Einschätzung im Strafverfahren dargelegt (zitiert auf S. 72 f. des Schriftsatzes vom 4. Oktober 2017, Rn. 170, Bl. 3308 f. d.A.). Insoweit hat der Zeuge seine Ansicht wiedergegeben, dass er weitere Organbeschlüsse darüber für notwendig gehalten habe, ob die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vorliegen und zu welchem Preis gekauft werden solle. Ob diese Einschätzung zutraf, kann offen bleiben. Die Pressemitteilung enthielt dazu bereits keine Angaben.

 (9) Entgegen der Auffassung der beigeladenen H. GmbH ist die Pressemitteilung auch nicht deshalb unrichtig oder irreführend, weil sie auf „dramatische Verwerfungen auf den Finanzmärkten“ Bezug nahm. Zumindest bei der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 war es in den Vorwochen zu entsprechenden erheblichen „Verwerfungen“ gekommen. Dass diese Verwerfungen ein Grund für die Pressemitteilung gewesen sein können, lässt auch die von der Musterklägerin in Bezug genommene Erklärung des als Zeugen benannten J.B. vom 4. Februar 2016 (Anlage MK 55) erkennen, wonach die von der Musterbeklagten zu 1 auf Aktivitäten von Leerverkäufern zurückgeführten „frustrierenden“ Preisentwicklungen hätten beendet werden sollen. Näher spezifiziert ist dieser Bezug in der Pressemitteilung ohnehin nicht.

 (10) Schließlich ist die Pressemitteilung auch nicht deshalb unrichtig, weil sie eine neue Beschlussfassung suggerierte, ein entsprechender Vorstandsbeschluss in der Sache aber längst (informell) gefasst gewesen sei. Die Pressemitteilung suggerierte weder eine grundlegend neue Beschlusslage noch eine nur (wesentlich) geänderte Zielsetzung der Musterbeklagten zu 1. Die Pressemitteilung implizierte nicht, dass die Musterbeklagte zu 1 zuvor etwa eine Aufstockung der Beteiligung auf deutlich über 50 % oder das Ziel eines Beherrschungsvertrages ausgeschlossen hätte.

Neu war allerdings der Entschluss, diese grundsätzliche Zielsetzung öffentlich mitzuteilen und in diesem Zusammenhang den Bestand an Aktien und cash-gesettelten Optionen zur Kurssicherung offenzulegen. Die mit der Pressemitteilung erfolgte Offenlegung war ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Umsetzung der bereits zuvor bestehenden Beherrschungsabsicht und ging insoweit über bislang gefasste Beschlüsse hinaus. Dies ist in der Pressemitteilung entsprechend dargestellt.

bb) Auch unter Vornahme einer Gesamtschau war das Verhalten der Musterbeklagten zu 1 im Zusammenhang mit der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 nicht sittenwidrig. Weder verfolgte die Musterbeklagte zu 1 mit dieser Pressemitteilung verwerfliche Zwecke noch war die Pressemitteilung auch ohne (grobe) Unrichtigkeit oder (grobe) Irreführung der Kapitalmarktteilnehmer als Mittel zu dem angestrebten Zweck zu beanstanden.

 (1) Die Musterbeklagte zu 1 verfolgte mit der Pressemitteilung keine unzulässigen Zwecke. Auch unter Berücksichtigung der Eigeninteressen war die jedenfalls weitgehend zutreffende Pressemitteilung nicht verwerflich.

 (a) Der mit der Pressemitteilung verfolgte Zweck, Spekulationen mit der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 durch Mitteilung der zutreffenden Umstände zu den Beteiligungsverhältnissen und zur Beherrschungsabsicht entgegenzuwirken, ist weder rechtlich noch sittlich zu beanstanden.

Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Musterbeklagte zu 1 mit der Pressemitteilung einen Short Squeeze zielgerichtet herbeigeführt hätte, um diesen anschließend durch Auflösung von Optionen zur Liquiditätsbeschaffung auszunutzen. Die Musterbeklagte zu 1 hat die beabsichtigte Auflösung erst nach Rücksprache mit der BaFin am 29. Oktober 2008 bekannt gemacht und in der Folgezeit teilweise umgesetzt, wobei sie insbesondere die Höchststände des Aktienkurses nicht ausnutzte.

Die Pressemitteilung diente auch nicht deshalb einem zu missbilligenden Zweck, weil sie eine „kriminelle Verstrickung in den Dieselbetrug“ hätte verdecken sollen, die bei einer Insolvenz der Musterbeklagten zu 1 von einem Insolvenzverwalter hätte aufgedeckt werden können. Abgesehen davon, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Pressemitteilung eine Insolvenz habe verhindern sollen, und zudem nicht hinreichend dargelegt ist, dass die Musterbeklagte zu 1 in die Vorgänge eingebunden gewesen wäre, die unter dem Begriff „Dieselgate“ beschrieben werden (näher: Rn. 370 ff.), wäre ein Zusammenhang zwischen der Pressemitteilung und der vermeintlichen Verdeckung einer solchen Verstrickung wiederum derart mittelbar, dass dies auch in der Gesamtschau nicht zu einer Verwerflichkeit der Mitteilung führte.

 (b) Zwar mag aufgrund der Pressemitteilung – gerade auch aufgrund der Ansprache der Leerverkäufer – ein Kursanstieg zu erwarten gewesen sein. Soweit die Musterklägerin aber vorträgt, dass die Musterbeklagte zu 1 einen solchen Kursanstieg in der Form eines Short Squeezes beabsichtigt und erwartet habe, steht dies nicht nur in Widerspruch zu der von der Musterklägerin selbst zitierten E-Mail des Beraters Dr. B. vom 26. Oktober 2008 (Musterklagebegründung Rn. 424), nach der die Musterbeklagte zu 1 gerade die Absicht gehabt habe, spätere erneute Kursexplosionen zu vermeiden, nachdem unmittelbar vorangegangene Kursübertreibungen gerade korrigiert waren. Der Vortrag, die Musterbeklagte zu 1 habe nicht nur einen Kursanstieg, sondern den tatsächlich eingetretenen Short Squeeze erwartet, begegnet auch deshalb Bedenken, weil für eine solche Prognose nicht nur die von der Musterklägerin behauptete Kenntnis des Umfangs erfolgter Leerverkäufe, sondern auch Kenntnis davon erforderlich gewesen sein dürfte, welche Laufzeit die den Leerverkäufen zugrundeliegenden Geschäfte – insbesondere Aktienleihen – hatten, ob mithin ein kurzfristiger Eindeckungsbedarf bestand. Dass die Musterbeklagte zu 1 auch diese Informationen hatte, wird nicht behauptet. Soweit die Musterklagebegründung (Rn. 468) auf eine interne Präsentation der Musterbeklagten zu 1 vom 17. Dezember 2008 verweist, die den Short Squeeze retrospektiv analysierte, ergibt sich hieraus nicht, dass die dort genannten Umstände dem Vorstand der Musterbeklagten zu 1 so bereits am 26. Oktober 2008 bewusst waren und er auch den Short Squeeze gerade beabsichtigt gehabt hätte.

Außerdem durfte die Musterbeklagte zu 1 diese – zutreffenden – Informationen in den Markt geben, auch wenn sie eine entsprechende Kursrelevanz für die Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 erkannt hatte.

Nach dem insoweit unwidersprochenen Vortrag der Musterbeklagten zu 1 fanden bereits seit einiger Zeit Leerverkäufe in erheblichem Umfang statt. Es ist der Musterbeklagten zu 1 deshalb auch nicht vorzuwerfen, die Pressemitteilung zu dem fraglichen Zeitpunkt veröffentlicht zu haben. Dass eine Pressemitteilung des fraglichen Inhalts gerade am 26. Oktober 2008 zu den erheblichen Kursverwerfungen führen musste, dies aber bei einem gewissen zeitlichen Aufschub – erkennbar – nicht der Fall gewesen wäre, ist nicht vorgetragen.

 (c) Nach dem Vortrag der Musterklägerin und der Beigeladenen habe die Musterbeklagte zu 1 angenommen, dass ein weiterer Kursverfall gedroht habe, und durch die Pressemitteilung ihre „Haut retten“ wollen. Auch wenn sie hiernach die Umsetzung ihrer Pläne bedroht gesehen und mit der Pressemitteilung das Ziel verfolgt haben sollte, solche Gefahren abzuwenden, wäre dies vor dem Hintergrund, dass die mitgeteilten Tatsachen zutrafen, nicht verwerflich gewesen.

Sie wäre selbst dann nicht als sittenwidrig zu beurteilen, wenn die Musterbeklagte zu 1 davon ausgegangen wäre, ihre Beherrschungsabsicht ohne die (zutreffende) Mitteilung der bereits gehaltenen Anteile und Kaufoptionen nicht weiter umsetzen zu können (vgl. zum letzteren Gesichtspunkt näher Rn. 443 ff.), was aber bereits – wie erörtert – nicht hinreichend vorgetragen ist.

Entsprechendes gilt im Hinblick auf die unterstellte Motivation, eine bei einem weiteren Kursverfall drohende Ausübung der Put-Optionen zu verhindern. Ohnehin war jedenfalls bei den auf die Stammaktie Musterbeklagten zu 2 bezogenen Optionsstrategien mit fixem Ausübungspreis keine Unterschreitung dieser Preisschwelle absehbar (vgl. näher Rn. 420, 422 ff.).

 (d) Soweit Vorbringen der Musterklägerin und der Beigeladenen implizieren sollte, dass die Pressemitteilung auch mit der Absicht veröffentlicht worden sei, nicht nur Gefahren für die Musterbeklagte zu 1 abzuwenden, sondern das Vermögen der Eigentümerfamilien durch die Kursgewinne zu mehren, sind hinreichende Anhaltspunkte für eine solche weitergehende Absicht nicht ersichtlich. Dafür hätte die Musterbeklagte zu 1 davon ausgehen müssen, dass der kurssteigernde Effekt der Pressemitteilung nachhaltig gewesen wäre. Dies ist nicht vorgetragen. Jedenfalls die Annahme der beigeladenen Y. LLP aus dem Schriftsatz vom 10. Juli 2017 (Rn. 111), der erst am 15. Oktober 2008 erfolgte umfangreiche Erwerb von Stammaktien durch die Porsche GmbH, Salzburg, lasse solche eigennützigen Absichten als zwingend erscheinen, greift darüber hinaus schon deshalb nicht durch, weil nach dem ausdrücklichen Vortrag der Musterklägerin und der Beigeladenen die zur Veröffentlichung der Pressemitteilung führenden Überlegungen erst am Wochenende des 25./26. Oktober 2008 erfolgt seien. Erhebliche Gewinne hätte die Porsche GmbH und mit ihr die Gesellschafter zudem dann erzielen können, wenn sie diese Stammaktien kurz nach der Pressemitteilung bei einem Kurshöchststand wieder verkauft hätte. Abgesehen davon ist es nicht verwerflich, wenn die Mitteilung zutreffender Umstände zu einem Gewinn der Gesellschaft und damit auch der Gesellschafter führt.

 (e) Zwar mögen die Vorstände der Musterbeklagten zu 1 aufgrund der erheblichen gewinnabhängigen Vergütungsbestandteile ein erhebliches Eigeninteresse daran gehabt haben, sowohl die bereits in der Vergangenheit verdienten Boni behalten zu können, als auch aktuell durch weitere Buchgewinne weitere Boni zu erzielen. Das führt aber nicht zur Verwerflichkeit der Pressemitteilung. Dabei kann dahinstehen, ob in der Vergangenheit realisierte Boni im Falle einer möglichen Insolvenz der Musterbeklagten zu 1 überhaupt der Rückforderung unterlegen hätten und ob sich ein Short Squeeze – abgesehen von der vermeintlichen Sicherung des Überlebens der Musterbeklagten zu 1 – auf zukünftige Boni ausgewirkt hätte.

 (f) Selbst wenn die Musterbeklagte zu 1 die Absicht gehabt haben sollte, Leerverkäufer „aus dem Markt zu drängen“, oder – wie der als Zeuge benannte J.B. in seiner als Anlage MK 55 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 4. Februar 2016 formuliert hatte – Hedgefonds aufgrund der als frustrierend empfundenen Kursentwicklung der letzten Wochen dazu zu veranlassen, nicht mehr „mitzuspielen“, machte dies die Pressemitteilung nicht verwerflich. Diese beschränkte sich in der Sache darauf, Leerverkäufern bzw. Hedgefonds solche Finanzgeschäfte, die auf fallende Kurse der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 setzten, als unattraktiv darzustellen. Dies ist weder rechtlich noch sittlich zu beanstanden, zumal die Mitteilung insbesondere nicht mit einer (groben) Irreführung verbunden war.

 (2) Bei der im Rahmen des § 826 BGB erforderlichen Gesamtbetrachtung berücksichtigt der Senat ferner die Ansicht der Musterklägerin, dass die Musterbeklagte zu 1 mit der Pressemitteilung die falsche Form gewählt und keine Ad-hoc-Mitteilung veröffentlich habe. Zwar wird einer formlosen Mitteilung am Kapitalmarkt ein geringeres Gewicht beigemessen (OLG Stuttgart, Urteil vom 26. März 2015 – 2 U 102/14, juris Rn. 182; Buck-Heeb, NZG 2016, 1125, 1126 f.; vgl. auch Oechsler in: Staudinger [2021], § 826 BGB, Rn. 532). Eine Haftung nach § 826 BGB vermag dieser Umstand aber nicht zu begründen. Denn mit der Pressemitteilung genügte die Musterbeklagte zu 1 dem Zweck der Mitteilungspflicht nach § 15 WpHG, den Kapitalmarkt zu informieren. Der informierte Kapitalanleger wird bei seiner Anlageentscheidung eine Pressemitteilung wie die vorliegende berücksichtigen. Der Schutzzweck des § 15 WpHG wird auch durch die Veröffentlichung mittels einer solchen Pressemitteilung jedenfalls weitgehend erreicht. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht soll dazu beitragen, dass Kapitalmarktteilnehmer frühzeitig über marktrelevante Informationen verfügen, damit sie sachgerechte Anlagenentscheidung treffen können (BT-Drucksache 14/8017, Seite 87; BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, juris Rn. 56). Da einer formlosen Mitteilung am Kapitalmarkt – wie dargestellt – eher ein geringeres Gewicht beigemessen wird, wäre der kurssteigernde Effekt bei einer Veröffentlichung im Wege einer Ad-hoc-Mitteilung ohnehin jedenfalls nicht geringer gewesen.

Ob die mit der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 mitgeteilten Informationen ad-hoc-publizitätspflichtig waren, insbesondere ob eine Kursrelevanz für die von der Musterbeklagten zu 1 emittierte Porsche-Vorzugsaktie mit Substanz dargelegt ist, kann offen bleiben. Wie bereits ausgeführt, bestanden jedenfalls keine konkreten Anhaltspunkte für eine drohende Insolvenz der Musterbeklagten zu 1, die als solche im Wege einer Ad-hoc-Mitteilung hätten bekannt gemacht werden müssen. Zudem bestehen – auch im Hinblick auf die von der Musterklägerin vorgetragene E-Mail des rechtlichen Beraters Dr. B. vom 25. Oktober 2008 (Musterklagebegründung Rn. 422; vgl. dazu auch näher oben, Rn. 273) – keine Anhaltspunkte dafür, dass die Musterbeklagte zu 1 bewusst eine falsche Form der Veröffentlichung gewählt hätte.

 (3) Nach Auffassung der Musterklägerin und der Beigeladenen hätte die Musterbeklagte zu 1 zwar spätestens am 26. Oktober 2008 eine Gewinnwarnung aufgrund GuV-wirksamer Marktwertverluste der streitgegenständlichen Optionsstrategien in dem Zeitraum von August 2008 bis zum 24. Oktober 2008 in Höhe von rund 2,562 Mrd. € ad hoc veröffentlichen müssen. Die unterlassene Veröffentlichung einer solchen Gewinnwarnung führte aber nicht zur Sittenwidrigkeit der Pressemitteilung und der hierdurch verursachten Schädigung der klagenden Anleger. Ob eine solche Gewinnwarnung überhaupt zu veröffentlichen gewesen wäre, kann offenbleiben.

 (a) Schon vom Schutzzweck her zielte ein etwaiges Veröffentlichungsgebot gem. § 15 WpHG im Allgemeinen und ein Gebot der Veröffentlichung einer Gewinnwarnung im Besonderen nur auf den Schutz von Anlegern in Aktien der Musterbeklagten zu 1 oder hierauf bezogenen Finanzinstrumenten. Die vorliegend geschädigten Kläger der Ausgangsverfahren gehörten nicht zu diesem von § 15 WpHG geschützten Personenkreis. Die mögliche Verletzung einer anderen Personen gegenüber bestehenden Pflicht führt nicht zur Sittenwidrigkeit der Schädigung der hier klagenden Anleger (näher: Rn. 252).

Diese Unterscheidung ist gerade auch bei der in Frage stehenden Gewinnwarnung geboten. Diese mag Rückschlüsse auf eine mögliche Entwicklung der Aktie der Musterbeklagten zu 1 und auf mögliche Renditeerwartungen für Anleger in dieser Aktie zulassen. Hinreichende Rückschlüsse auf die Umsetzbarkeit des Übernahmeplans, die für Anleger in Aktien der Musterbeklagten zu 2 erheblich sein konnten, ließ sie aber – wie nachfolgend erörtert – nicht zu.

 (b) Aber auch abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Schutzzweck der Publizitätspflicht war das Unterlassen einer Gewinnwarnung bzw. die Veröffentlichung der Mitteilung vom 26. Oktober 2008 ohne einen entsprechenden Zusatz nicht verwerflich.

 (aa) Entgegen der von der Musterklägerin unter anderem unter Berufung auf das Rechtsgutachten von Prof. Dr. M. vom 12. Januar 2019 (Anlage MK 103, S. 33 ff.) vertretenen Auffassung hatte der von der Musterklägerin behauptete bilanzielle Verlust nicht zur Konsequenz, dass die Musterbeklagte zu 1 ihre in der Pressemitteilung mitgeteilte Absicht nicht hätte umsetzen können, ihren Aktienanteil an der Musterbeklagten zu 2 bei stimmigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Laufe des Jahres 2009 auf 75 % aufzustocken. Insbesondere der Kursrückgang der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 – auf ein bis Mitte September 2008 übliches Niveau – stand dieser Umsetzbarkeit unter Berücksichtigung der tatsächlichen Liquidität im Konzern der Musterbeklagten zu 1 nicht entgegen und ließ dies auch nicht konkret erwarten (näher Rn. 407 ff.). Auch der Streit der Parteien darüber, ob die Anfang Oktober 2008 aus der Auflösung eines Teils der Optionspositionen in der Strategie II erzielten Gewinne in Höhe von jedenfalls rund 1,85 Mrd. € bilanziell zu berücksichtigen waren, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Die von der Musterklägerin vertretene Berechnung blendet diese Gewinne aus. Tatsächlich waren sie aber entstanden und standen der Musterbeklagten zu 1 zur Verfügung bzw. hatte sie diese für den Kauf weiterer Stammaktien eingesetzt.

Darüber hinaus führten Kursverluste der Aktien der Musterbeklagten zu 2 zwar aufgrund von Nachbesicherungspflichten zu tatsächlichen Liquiditätsbelastungen. Aufgrund der überwiegend noch deutlich niedrigeren Strike-Preise der einzelnen Optionen auf Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 drohten aber konkret keine Zahlungspflichten, die die Musterbeklagte zu 1 nicht mehr hätte tragen können (näher Rn. 420 ff.). Auch bei den auf Vorzugsaktien der Musterbeklagten zu 2 bezogenen Optionen, die maßgeblich zu den behaupteten GuV-wirksamen Verlusten geführt haben, war eine (erneute) Unterschreitung dieser Strike-Preise aufgrund deren bevorstehenden Herabsetzung unwahrscheinlich (Rn. 448).

 (bb) Auch darüber hinaus hätte eine Gewinnwarnung keine tragfähigen Rückschlüsse auf die Realisierbarkeit der mitgeteilten Übernahmeabsicht zugelassen, die über die Rückschlüsse hinausgegangen wären, die Kapitalmarktteilnehmer bereits aus den mitgeteilten und den allgemein bekannten Umständen ziehen konnten.

Soweit ein verständiger Anleger von einer Verschlechterung des Bilanzergebnisses darauf geschlossen hätte, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Übernahmeplan verschlechtert hatten, hätte ihm dies keine konkreten Rückschlüsse auf die Umsetzbarkeit ermöglicht. Ohnehin hätte ein verständiger Anleger berücksichtigt, dass sich die möglicherweise mitzuteilenden Buchwertverluste nur auf den zeitlichen Ausschnitt eines Gesamtgeschehens bezogen und ihnen erhebliche Buchgewinne betreffend Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 und hierauf bezogener Optionen aus dem vorangegangenen Geschäftsjahr gegenüberstanden.

Soweit Kapitalanleger aus einer Gewinnwarnung darauf geschlossen hätten, dass die Musterbeklagte zu 1 den Übernahmeplan nicht mehr hätte umsetzen können, wäre gerade dieser Eindruck aus damaliger Sicht fehlerhaft gewesen. Um eine solche Irreführung zu vermeiden, hätte die Musterbeklagte zu 1 im Falle einer Gewinnwarnung gleichzeitig darauf hinweisen müssen, dass diese prognostisch nicht gegen die Umsetzung der Übernahmeabsicht gesprochen hätte.

Entgegen der Auffassung der Musterklägerin und der Beigeladenen hätte eine Gewinnwarnung auch nicht maßgeblich auf die nach dem Vortrag der Musterklägerin bestehende tatsächliche Interessenlage der Musterbeklagten zu 1 schließen lassen, auf steigende Aktienkurse angewiesen zu sein. Ein grundsätzliches Interesse der Musterbeklagten zu 1 an (leicht) steigenden oder zumindest gleichbleibenden Kursen war bereits aufgrund der Pressemitteilung und der vorhandenen Informationen unabhängig von einer Gewinnwarnung erkennbar (näher: Rn. 466 ff.). Eine Gewinnwarnung hätte die Bedeutung einer solchen Kursentwicklung zwar möglicherweise unterstrichen. Ohne Kenntnis der Einzelheiten der Optionsstrategien sowie u.a. der Liquiditätslage der Musterbeklagten zu 1 und deren Aussicht, weitere Kredite zu erhalten, ließ allein die Kenntnis dieses Interesses der Musterbeklagten zu 1 aber keine hinreichenden Rückschlüsse darauf zu, ob und inwieweit sie die Optionsstrategien fortsetzen und sich damit die bestehende Marktenge fortsetzen würde. Dass die Musterbeklagte zu 1 diese weiteren Informationen, die unter Umständen kurswirksame Spekulationen anderer Marktteilnehmer ermöglicht hätten, nicht offenlegte, war – wie ausgeführt (Rn. 487) – weder rechtlich noch sittlich zu beanstanden.

 (4) Die Pressemitteilung und die nach dem Vortrag der Musterklägerin durch sie verursachte Schädigung der klagenden Anleger waren – in der Gesamtschau – auch nicht deshalb sittenwidrig, weil die Musterbeklagte zu 1 mit der Veröffentlichung der Pressemitteilung ohne die Offenlegung der verkauften Put-Optionen gegen das Verbot der Marktmanipulation mittels einer sonstigen Täuschungshandlung nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG verstoßen hätte.

 (a) Schon grundlegend ist dabei die gesetzgeberische Entscheidung zu berücksichtigen, § 20a WpHG als Gefährdungstatbestand auszugestalten, der lediglich öffentlichen Interessen dient und dessen Verletzung nach dieser gesetzgeberischen Wertung grundsätzlich keine Schadensersatzansprüche begründet (näher: BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, juris Rn. 19 ff.; vgl. auch oben, Rn. 87). Bei der Anwendung von § 826 BGB ist dieser Differenzierung durch eine zurückhaltende Berücksichtigung einer Verletzung des in erster Linie aufsichtsrechtlichen Tatbestandes des § 20a WpHG im Rahmen der Sittenwidrigkeitsprüfung Rechnung zu tragen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 7. April 2011 – 6 U 7/10, juris Rn. 180; OLG Braunschweig, Urteil vom 12. Januar 2016 – 7 U 59/14, juris Rn. 81; LG Braunschweig, Urteil vom 30. Juli 2014 – 5 O 401/13, juris Rn. 65; i.d.S. ebenso BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011, a.a.O., Rn. 27 ff., in dem der zuvor thematisierte mögliche Verstoß gegen § 20a Abs. 1 Nr. 1 WpHG bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit nicht näher berücksichtigt wurde).

 (b) Darüber hinaus dürfte die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 den Tatbestand einer Marktmanipulation i.S.d. § 20a WpHG nicht erfüllen. Jedenfalls führte selbst die Annahme einer Marktmanipulation unter Berücksichtigung aller Umstände nicht zu einer Verwerflichkeit i.S.d. § 826 BGB.

 (aa) Nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG i.V.m. § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV a.F. ist eine verbotene Täuschungshandlung unter anderem auch die Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung über das Angebot von Finanzinstrumenten durch eine Person mit der Folge, dass unmittelbar oder mittelbar insbesondere Ankaufs- oder Verkaufspreise bestimmt werden. Ein solcher Fall des sog. Cornering liegt hier nicht vor.

Insoweit kann offen bleiben, ob die Musterbeklagte zu 1 betreffend die Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 eine marktbeherrschende Stellung hatte, was voraussetzte, dass ihr auch etwaige durch die M. Bank oder in die Sicherungskette eingebundene Banken „gehedgte“ Aktien bzw. das Marktverhalten dieser Banken zuzurechnen wäre (dazu: Vogel in: Assmann/Schneider, 6. Aufl., § 20a Rn. 232, Fn. 552; vgl. weiter zur Marktbeherrschung auch: Schröder/Poller in: Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., 3. Kap., Rn. 325). Jedenfalls erfordert diese Fallgruppe der sonstigen Täuschungshandlung die „Sicherung“ einer marktbeherrschenden Stellung. Für diese Sicherung genügt es nicht, dass sich jemand eine in legitimer Weise erlangte Position schlicht bewahrt bzw. diese aufrecht erhält. Vielmehr muss der Täter sich die marktbeherrschende Stellung tätig sichern, also vorsätzlich handelnd herbeiführen, beispielsweise dadurch, dass er auf einem Markt, auf dem ungedeckte Leerverkäufe epidemisch sind, den verbleibenden Free Float aufkauft, um ihn den erfüllungspflichtigen Leerverkäufern zu diktierten Preisen zurück zu verkaufen (Vogel in: Assmann/Schneider, § 20a Rn. 232a). Eine derartige Sicherung ihrer möglichen marktbeherrschenden Stellung hat die Musterbeklagte zu 1 jedenfalls nicht vorgenommen. Der für sich gesehen legale Aufbau einer marktbeherrschenden Stellung zur Übernahme einer börsennotierten Gesellschaft ist nicht unter dem Gesichtspunkt des § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV a.F. verboten (Vogel, a.a.O., Rn. 231; ähnlich: Schröder/Poller, a.a.O., Rn. 323).

Ob die Musterbeklagte zu 1 infolge einer möglichen marktbeherrschenden Stellung insbesondere Preise bestimmte, kann somit offen bleiben. Nicht zu verkennen ist allerdings, dass derjenige, der sich nicht am Handel beteiligt, auch in marktbeherrschender Stellung keine Preise festgelegt (Vogel, a.a.O., Rn. 232b). Im Zeitraum um den 26. Oktober 2008 hat sich die Musterbeklagte zu 1 nicht am Handel beteiligt. Sie tat dies erst nach Abstimmung mit der BaFin ab dem 29. Oktober 2008.

 (bb) Zwar mag die Veröffentlichung der Pressemitteilung ohne Angaben insbesondere zu den eingegangenen Put-Optionen den Tatbestand des § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG verwirklicht haben, wonach die Vornahme sonstiger Täuschungshandlungen verboten war, die geeignet waren, auf Preise eines dort näher bestimmten Finanzinstrumentes einzuwirken. Auch dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es in der Gesamtschau aber nicht, die Veröffentlichung als sittenwidrig einzustufen.

Ein Unterfall einer solchen sonstigen Täuschungshandlung ist nach der Konkretisierung (dazu: Fleischer in: Fuchs, 2. Aufl., § 20a Rn. 59) in § 4 Abs. 1 MaKonV a.F. eine Handlung, die geeignet ist, einen verständigen Marktteilnehmer über die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem betreffenden Markt in die Irre zu führen und den Preis eines näher bezeichneten Finanzinstruments zu beeinflussen. Eine solche sonstige Täuschungshandlung lag nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV a.F. insbesondere vor, wenn u.a. die Stellungnahme oder ein Gerücht zu einem Finanzinstrument in näher bezeichneten Medien kundgegeben wurde, nachdem Positionen über dieses Finanzinstrument eingegangen worden waren, ohne dass dieser Interessenkonflikt zugleich mit der Kundgabe in angemessener und wirksamer Weise offenbart wurde. Eine von dieser Fallgruppe umfasste Empfehlung beinhaltet die stillschweigende Erklärung, dass sie nicht mit dem sachfremden Ziel der Kursbeeinflussung zu eigennützigen Zwecken bemakelt sei (BGH, Urteil vom 6. November 2003 – 1 StR 24/03, juris Rn. 21).

 (aaa) Vorliegend könnte die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 noch als eine derartige Abgabe einer Stellungnahme im Hinblick auf die Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 einzuordnen sein, betreffend die die Musterbeklagte zu 1 Positionen eingegangen war. Der Begriff der Stellungnahme umfasst Empfehlungen und Informationen, durch die eine Anlagestrategie empfohlen oder vorgeschlagen wird. Ausreichend ist, dass ein verständiger Anleger aus den Informationen eine entsprechende Empfehlung ableiten kann. Reine Tatsachenbehauptungen ohne wertende Elemente reichen demgegenüber nicht aus (näher: Schmolke, in: Klöhn, Marktmissbrauchsverordnung, Art. 12 Rn. 365 m.w.N.).

Die Pressemitteilung enthielt zwar in erster Linie die bloße Mitteilung über Tatsachen, nämlich u.a. den von der Musterbeklagten zu 1 gehaltenen Bestand an physischen Aktien und hierauf bezogenen Call-Optionen sowie die Beherrschungsabsicht. Hiermit verbunden war aber implizit die mit einer Stellungnahme oder einem Gerücht vergleichbare Aussage, dass mit einem Rückgang des Nachfragedrucks und damit mit einem hierdurch bedingten weiteren Kursrückgang nicht zu rechnen sei, die durch die explizite Ansprache der Leerverkäufer verstärkt wurde. Damit kommunizierte die Musterbeklagte zu 1 Umstände, die einen verständigen Anleger zu Rückschlüssen im Rahmen seiner Anlageentscheidung in die Lage versetzten (dazu: Stoll in: KK-WpHG, 2. Aufl., § 20a Anh. I - § 4 MaKonV, Rn. 35). Sofern sie damit auch eine Stellungnahme zu solchen Leerverkaufspositionen abgegeben haben sollte, wäre dies demgegenüber unerheblich; diese Positionen gehörten nicht zu den von § 4 Abs. 1 MaKonV a.F. erfassten Finanzinstrumenten.

 (bbb) Die Musterbeklagte zu 1 dürfte den aufgrund ihrer eigenen Positionen bestehenden Interessenkonflikt nicht zugleich mit der Kundgabe in angemessener und wirksamer Weise offenbart haben.

Zwar war hierfür jedenfalls keine dezidierte Offenlegung der genauen Ausgestaltung und des genauen Umfangs der eingegangenen Positionen erforderlich. Grundsätzlich ist die Offenlegung der Art der eingegangenen Positionen ausreichend (Stoll a.a.O., Rn. 38; Vogel in: Assmann/Schneider, 6. Aufl., § 20a Rn. 234; tendenziell auch BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2013 – 1 StR 106/13, juris Rn. 40). Allenfalls mag ein Hinweis auf die besondere Erheblichkeit der eigenen Interessenbindung notwendig sein (Stoll, a.a.O.; Schmolke a.a.O., Rn. 376). Dem Markt war – wie bereits ausgeführt – auch verbreitet bekannt, dass die Musterbeklagte zu 1 Put-Optionen in erheblichem Umfang verkauft hatte. Es war daher erkennbar, dass insoweit bei fallenden Kursen Verlustrisiken drohen konnten. § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV a.F. erforderte aber, dass die Offenbarung des Interessenkonflikts „zugleich“ mit der Kundgabe erfolgt. Dies ist vorliegend unterblieben. Die Pressemitteilung enthielt selbst keinen Hinweis darauf, dass die Musterbeklagte zu 1 Put-Optionen oder sonstige Aktienoptionen verkauft hatte, aufgrund derer solche Verlustrisiken bei fallenden Kursen drohen konnten.

 (ccc) Problematisch ist allerdings, ob die Musterbeklagte zu 1 mit der Kundgabe ihrer Pressemitteilung über das Internet im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV einen „gelegentlichen oder regelmäßigen Zugang zu traditionellen oder elektronischen Medien“ nutzte.

Typischerweise erfasst dieser Tatbestand des sog. Scalpings Täuschungshandlungen in der Wirtschaftspresse (Kramer WM 2016, 1163) durch fachliche Autoritäten bzw. Börsengurus (Kölbel in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., 5. Teil, Kap. 1, Rn. 254; Trüg in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, 10. Teil, Kap. 2, Rn. 50; Saliger in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 5. Aufl., Kap. 6.1 Rn. 180 Fn. 565). Da zumindest die Nutzung des Internets bereits 2008 jedermann offen stand, spricht einiges dafür, die in § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV a.F. und auch in Art. 12 Abs. 2 lit. d) VO (EU) Nr. 596/2014 enthaltene Voraussetzung des zumindest gelegentlichen Medienzugangs dahin auszulegen, dass es sich um einen Medienzugang handeln muss, der auch in der modernen Mediengesellschaft nicht jedermann und jederzeit eröffnet ist (Stoll, a.a.O., Rn. 34). Darunter fällt die jedermann und jederzeit zur Verfügung stehende Möglichkeit, Pressemitteilungen oder ähnliche Äußerungen im Internet zu veröffentlichen, nicht.

Eine solche Einschränkung wird heute aber nahezu einhellig abgelehnt (Oulds in: Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., Verbot der Marktmanipulation (Art. 15, 12 ff. MAR), Rn. 12.58; Mülbert in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl., Art. 12 VO (EU) Nr. 596/2014, Rn. 246; Schmolke in: Klöhn, a.a.O., Rn. 366; de Schmidt in: Just/Voß/Ritz/Becker, WpHG, 1. Aufl., § 20a Rn. 238, 240; Grundmann in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2016, 6. Teil, 3. Abschn., D.II., Rn. 467; Zimmer/Bator in: Schwark/Zimmer, 5. Aufl., VO (EU) 596/2014 Art. 12 Rn. 86; Poelzig in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., Marktmissbrauchs-VO Art. 12- Anhang I Rn. 35; Wentz, WM 2019, 196, 199), ohne dass sich diese Auffassung allerdings näher mit dem Wortlaut der Norm auseinandersetzte. Sie begegnet deshalb Zweifeln.

Diese Frage kann aber letztlich offen bleiben. In der Gesamtschau sind die maßgeblichen Gesichtspunkte in ihrer jeweiligen Bedeutung für das Verwerflichkeitsurteil letztlich unabhängig davon zu berücksichtigen, ob der Tatbestand einer Marktmanipulation als solcher verwirklicht ist; ausgehend von der dargestellten herrschenden Auffassung wäre dieser Tatbestand derart weit, dass seiner Verwirklichung insoweit eine eher geringe Indizwirkung zukäme.

 (ddd) Auch abgesehen von der grundsätzlich eingeschränkten Bedeutung eines Verstoßes gegen § 20a WpHG für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit führen diese Umstände bei wertender Betrachtung nicht dazu, dass die Musterbeklagte zu 1 mit der Veröffentlichung der Pressemitteilung verwerflich gehandelt hätte.

Es lag auf der Hand, dass die Musterbeklagte zu 1 mit dieser Veröffentlichung Eigeninteressen verfolgte, die jedenfalls – wie die Ansprache der Leerverkäufer verdeutlichte – auch darin bestanden, weitere Spekulationen unattraktiv zu machen (näher: Rn. 466 ff.). Zudem war schon aus der Pressemitteilung selbst erkennbar, dass die Musterbeklagte zu 1 sich gegen steigende Kurse abgesichert hatte und die Erklärung deshalb eher kursstützend bzw. -stabilisierend wirken sollte. Erkennbar war zudem, dass die Musterbeklagte zu 1 in dieser Erklärung ihre Optionsstrategien nicht vollständig offengelegt hatte. Jedenfalls lag auch auf der Hand, dass es sich bei der Pressemitteilung nicht um eine – vermeintlich – neutrale Information wie etwa bei einer Empfehlung im typischen Fall des sog. Scalping handelte. Auch der Charakter der Pressemitteilung überhaupt als Empfehlung war nur schwach ausgeprägt und blieb hinter den typischen Fällen des „Scalpings“ ebenfalls signifikant zurück.

Weiter konnten verständige Marktteilnehmer aufgrund der bekannten Aussagen und Analysen erkennen, dass die Musterbeklagte zu 1 aufgrund in erheblichem Umfang verkaufter Put-Optionen bei fallenden Aktienkursen jedenfalls potenziell Verlustrisiken ausgesetzt war.

Der Mehrwert einer Offenlegung der Put-Optionen in der Pressemitteilung wäre demgegenüber gering gewesen, soweit die Musterbeklagte zu 1 nicht sämtliche weiteren Einzelheiten in Zusammenhang mit den Optionsstrategien und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Beteiligungsaufbaus mitteilte, wozu sie aber weder rechtlich noch sittlich verpflichtet war (s. auch Rn. 487). Die im Kern kommunizierte Marktenge bestand und wäre auch durch den ausdrücklichen Hinweis auf Put-Optionen nicht wesentlich relativiert worden.

Schließlich ist im Rahmen der Gesamtwürdigung weiter zu berücksichtigen, dass eine Verletzung von § 20a Abs. 1 WpHG zumindest nicht offensichtlich war und keine Anhaltspunkte für einen diesbezüglichen Vorsatz der Musterbeklagten zu 1 vorgetragen oder sonst ersichtlich sind. Auch die BaFin hatte ausweislich des Vermerks vom 27. März 2009 (WA 23 – Wp 5115 – 2008/0061, S. 25, zitiert nach V.-GA, Anlage MK 37 Rn. 231) keine Anhaltspunkte für einen entsprechenden Verstoß.

 (cc) Auch wenn die unterbliebene Offenlegung der Put-Optionen den Tatbestand des § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG erfüllt haben sollte (dazu etwa S. 16 ff. des Rechtsgutachtens des Privatsachverständigen Dr. P. vom 1. Februar 2019, Anlage B-E._2, Bl. 8052 ff.) oder die unterbliebene Korrektur von Pressemitteilungen (dazu etwa der zurückgewiesene Erweiterungsantrag zu II.1. im Schriftsatz der Musterklägerin vom 7. April 2019) den Tatbestand des § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG erfüllt haben sollten, ergäbe sich aus den vorstehenden Gründen keine abweichende Beurteilung der Verwerflichkeit.

 (5) Das Verhalten der Musterbeklagten zu 1 stellt sich schließlich nicht deshalb als verwerflich dar, weil sie vor dem 26. Oktober 2008 Informationen zur ins Auge gefassten Beherrschung der Musterbeklagten zu 2 zunächst nur zurückhaltend veröffentlicht, insbesondere entsprechende Marktgerüchte im Rahmen des rechtlich noch Zulässigen dementiert hatte, und die Beherrschungsabsicht erst nach dem entsprechenden Vorstandsbeschluss bekannt gemacht hat. Dieses Vorgehen, das durchaus rechtliche Spielräume ausgenutzt hat, ist auch in der Gesamtschau nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Beteiligungsaufbau u.a. über Optionen vorbereitet und abgesichert wurde (vgl. auch Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl., 3. Kap., Rn. 504a).

 (6) Im Rahmen der Gesamtwürdigung ist weiter zu berücksichtigen, dass ohnehin nicht nur allgemein für verständige Marktteilnehmer Anhaltspunkte für eine entsprechende Beherrschungsabsicht der Musterbeklagten zu 1 vorlagen (näher Rn. 178 ff., 185 ff., 195 ff.), sondern sich entsprechende Signale gerade in der der Pressemitteilung unmittelbar vorangegangenen Zeit verdichtet hatten. Anfang Oktober 2008 hatte der Vorstandsvorsitzende Dr. W. erklärt, eine Beherrschung langfristig nicht ausschließen zu wollen. Prof. Dr. P. hatte nach Berichten der Nachrichtenagenturen Reuters (Anlage MBPor 91) und dpa sowie von wallstreet-online vom 23. Oktober 2008 sowie der Neue Zürcher Zeitung vom 25. Oktober 2008 (in Anlagenkonvolut MBPor 92) erklärt, es sei nichts gegen eine Beherrschung der Musterbeklagten zu 2 einzuwenden. Hiernach konnten verständige Marktteilnehmer bereits kurz vor Veröffentlichung der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 erkennen, dass die Musterbeklagte zu 1 eine solche Beherrschungsabsicht – entgegen insbesondere der Annahme von Leerverkäufern – trotz der allgemeinen wirtschaftlichen Krise durchaus konkret in den Blick genommen hatte.

 (7) Nicht zu verkennen ist zwar die erhebliche Höhe des eingetretenen Schadens bei den klagenden Anlegern. Auch dieser Umstand führt in der Gesamtschau aber nicht zur Verwerflichkeit der Veröffentlichung. Hinzu kommt, dass die Schadenshöhe letztlich auch auf den umfangreichen Spekulationen der Geschädigten beruhte, auch wenn diese weder sittlich noch rechtlich zu beanstanden waren. Ob den Geschädigten dabei anzulasten wäre, keine hinreichenden Absicherungspositionen eingegangen zu sein (dazu näher: Klageerwiderung der Musterbeklagten zu 1 vom 28. Juli 2017, Rn. 170 f.), kann an dieser Stelle offenbleiben.

 (8) Bei der Gesamtabwägung ist allerdings nicht zulasten der Geschädigten zu berücksichtigen, dass es sich bei diesen teilweise um Hedgefonds und Leerverkäufer handelt. § 15 Abs. 1 WpHG hat das Ziel, eine gleichmäßige Information aller Marktteilnehmer sowie Vertrauen in die Funktionsfähigkeit und Transparenz der Kapitalmärkte (Informationseffizienz) zu schaffen. Für einen Verstoß kommt es nicht darauf an, ob die Kapitalanlage hochspekulativen Charakter hat und der Anleger mit diesem Umstand vertraut ist (Oechsler in: Staudinger [2021], § 826 Rn. 523; vgl. allg. auch BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02, juris Rn. 42; a.A. OLG Braunschweig, Urteil vom 12. Januar 2016, a.a.O., Rn. 72). Unabhängig von der konkreten Art des – legalen – Geschäftsmodells der Ausgangskläger waren diese nicht weniger schutzwürdig gegenüber – tatsächlich nicht vorliegenden – täuschenden oder sonst sittenwidrigen Verhaltensweisen der Musterbeklagten. Dem steht nicht entgegen, dass die von den Ausgangsklägern getätigten Anlagen jedenfalls teilweise hochspekulativen Charakter gehabt haben mögen und sich letztlich das diesen Anlagegeschäften immanente Risiko verwirklicht haben könnte (so: Schröder/Poller in: Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., 3. Kap., Rn. 325).

i) Es bestehen keine kartellrechtlichen Ansprüche aus § 33 Abs. 1, 3 GWB i.V.m. § 19 GWB in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 15. Juli 2005 (BGBl. I Nr. 44, S. 2114 ff.; im Folgenden: a.F.) und Art. 82 EG-Vertrag in der im Jahr 2008 geltenden Fassung. Zwar spricht einiges dafür, dass die kartellrechtlichen Regelungen auch auf den Wertpapiermarkt betreffende Verhaltensweisen Anwendung finden (a.A. OLG Stuttgart, Urteil vom 26. März 2015, a.a.O., Rn. 158). Die Musterbeklagte zu 1 hat jedoch nicht kartellrechtswidrig gehandelt. Zum einen hatte sie bereits keine marktbeherrschende Stellung. Zum anderen nutzte sie eine – unterstellte – marktbeherrschende Stellung nicht nach § 19 Abs. 1, 4 GWB a.F. bzw. Art. 82 EG-Vertrag a.F. missbräuchlich aus.

aa) Die Musterbeklagte zu 1 hatte auf dem infrage stehenden Markt keine beherrschende Stellung. Die Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 und darauf bezogene Optionen stellten auch in dem hier maßgeblichen Zeitraum – insbesondere zu den in dem Feststellungsziel XI.1. aufgeführten Zeiträumen vom 3. März 2008 bis zum 13. Januar 2009 – keinen eigenständigen sachlich und räumlich relevanten Markt i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 1 GWB a.F. bzw. Art. 82 EG-Vertrag a.F. dar (vgl. nur OLG Stuttgart, Urteil vom 26. März 2015, a.a.O., Rn. 157 ff.). Eine marktbeherrschende Stellung der Musterbeklagten zu 1 auf einem umfassenderen Markt – etwa auf einem Markt für Unternehmensbeteiligungen an europäischen (oder auch nur deutschen) Autoherstellern oder auf einem Markt für Aktien sämtlicher im DAX vertretener Unternehmen – ist nicht mit Substanz dargelegt oder sonst erkennbar.

 (1) Um eine marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens zu ermitteln, ist der für die Marktstellung des Unternehmens relevante Markt von anderen Märkten abzugrenzen (Paschke in Jaeger/Kokott/Pohlmann/Schroeder, Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 95. Lfg., § 18 GWB Rn. 27). Diese Marktabgrenzung erfolgt allein nach kartellrechtlichen und nicht nach kapitalmarktrechtlichen Maßstäben. Der Begriff der marktbeherrschenden Stellung nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV a.F. deckt sich nicht mit dem kartellrechtlichen Begriff (Vogel in: Assmann/Schneider, 6. Aufl., § 20a Rn. 232).

Ausgangspunkt der Marktabgrenzung ist das Bedarfsmarktkonzept. Danach sind dem relevanten Markt alle Produkte und Dienstleistungen zuzurechnen, die aus der Sicht der Nachfrager nach Eigenschaft, Verwendungszweck und Preislage zur Deckung eines bestimmten Bedarfs austauschbar sind (BGH, Urteil vom 24. Januar 2017 – KZR 2/15, juris Rn. 20; Paschke, a.a.O., Rn. 51). Die Austauschbarkeit oder Ersetzbarkeit beurteilt sich dabei nicht allein mit Blick auf die objektiven Eigenschaften der fraglichen Erzeugnisse und Dienstleistungen, sondern es müssen auch die Wettbewerbsbedingungen sowie die Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt in Betracht gezogen werden (EuG, Urteil vom 15. Dezember 2010 – T-427/08, juris Rn. 67).

Bei der Bestimmung des Verwendungszwecks der miteinander zu vergleichenden Waren oder gewerblichen Leistungen kommt es nicht auf deren objektive Eignung, sondern auf die Sicht der Nachfrager, mithin auf die Sicht der Marktgegenseite an (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2016 – KVR 11/15, juris Rn. 30; Paschke, a.a.O., Rn. 61 f.; Bechtold/Bosch, GWB, 10. Aufl., § 18 Rn. 6 f.).

 (2) Bei einer Unternehmensbeteiligung wie der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 gehören grundsätzlich alle Unternehmensbeteiligungen bzw. alle Aktien zum relevanten sachlichen Markt (vgl. Wiedemann in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, 4. Aufl., § 23 GWB, Rn. 12 m.w.N.; a.A. Fuchs/Möschel in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl., § 18 GWB Rn. 87 „Unternehmensbeteiligung“;), möglicherweise nach der sog. eingeschränkten Portfoliobetrachtung auch beschränkt insbesondere auf geographische Bereiche und die Art, in der die Anteile gehandelt werden (so im Ausgangspunkt auch Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1259; F., Gutachten vom 10. Dezember 2014 [Anlage MK 70; im Folgenden: F.-Gutachten] Rn. 82-85). Denn Aktien und andere Finanzinstrumente sind letztendlich marktgleichwertig, da die Nachfrager ohne große Anpassungsleistungen zwischen den einzelnen Finanzinstrumenten auswählen und auf andere Finanzinstrumente ausweichen können. Dies gilt gleichfalls für Optionsgeschäfte im Hinblick auf einzelne Aktien.

Soweit demgegenüber eine normative Wechselwirkung zwischen § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV a.F. und § 19 Abs. 2 Satz 1 GWB a.F. mit der Folge angenommen wird, dass sich der sachlich relevante Markt stets auf das einzelne Finanzinstrument beschränke (so: Mock, Gutachtliche Stellungnahme vom 29. September 2014, Anlage MK 71, Seite 6 ff.), überzeugt dies schon aufgrund der unterschiedlichen Regelungsziele des Kapitalmarktrechts und des Kartellrechts nicht.

 (3) Eine Austauschbarkeit war hiernach für die sog. Early Seller, d.h. die Verkäufer der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 vor dem 26. Oktober 2008, jederzeit gegeben. Sie waren in keiner Weise daran gehindert, diese Stammaktien zu halten oder zu verkaufen. Dies gilt gleichfalls für die auf fallende Kurse setzenden Leerverkäufer, deren Rückgabeverpflichtungen vor dem 26. Oktober 2008 endeten. Diese Leerverkäufer waren nicht gehindert, ihre Positionen aufzulösen und ggf. auf andere Aktien zum Leerverkauf auszuweichen. Denn nach dem eigenen Vortrag der Musterklägerin ist der Kurs der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 bis zum 26. Oktober 2008 gefallen. Das Vorstehende gilt gleichfalls für Leerverkäufer, die erst nach Veröffentlichung der Pressemitteilung am 26. Oktober 2008 ihre Verpflichtungen eingegangen sind und auf einen fallenden Kurs dieser Stammaktie gesetzt haben.

Aber auch soweit Leerverkäufer betroffen sind, die ihre Verpflichtungen vor dem 26. Oktober 2008 begründet haben und deren Rückgewährpflicht zeitlich unmittelbar nach dem 26. Oktober 2008 lag, liegt kein relevanter Teilmarkt vor. Zwar wird vereinzelt vertreten, in Ausnahmefällen verenge sich der Markt für Unternehmensbeteiligungen auch kurzfristig auf eine einzelne Beteiligung. Diesen Auffassungen folgt der Senat jedoch nicht (in der Sache ebenso: Wiedemann a.a.O.; LG Stuttgart, Urteil vom 17. März 2014 – 28 O 183/13, juris Rn. 174; OLG Stuttgart, Urteil vom 26. März 2015, a.a.O., Rn. 158).

 (a) Teilweise wird angenommen, in Ausnahmesituationen sei eine engere Marktabgrenzung geboten, die sich auf eine bestimmte Aktie beschränke, wenn hinreichend viele Anleger auf diese fokussiert seien, insbesondere, wenn sie diese auf Termin leerverkauft hätten und deshalb zur Zeit des Auslaufens ihres Kontraktes auf den Erwerb dieser Aktie angewiesen seien. Zu diesem Zeitpunkt sei dieser Teil der Nachfrage starr, so dass ein Marktteilnehmer, der das Angebot an dieser Aktie insbesondere in Fällen eines sog. Cornering kontrolliere, Marktmacht ausüben könne (so: Fleischer/Bueren, a.a.O., 1259 f.; F.-Gutachten Rn. 117 ff.). Insoweit wird eine Marktverengung aufgrund ereignisbezogener temporärer Mangellagen angenommen (so ausdrücklich: F.-Gutachten Rn. 117). Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es aber jedenfalls in Fällen wie hier nicht, eine temporäre Marktverengung mit der Folge anzunehmen, dass die Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 und darauf bezogene Optionen kartellrechtlich einen eigenständigen sachlich und räumlich relevanten Markt darstellten. Es trifft zwar zu, dass Leerverkäufer in einer solchen Situation zur Vermeidung einer Schadensersatzpflicht auf den Erwerb der leerverkauften Aktie innerhalb eines bestimmten engen Zeitraums angewiesen sein können. Diese Bedarfslage beruht aber auf einer eigenverantwortlichen Entscheidung der Anleger, die sich kurzfristig in der – letztlich möglicherweise enttäuschten – spekulativen Erwartung fallender Kurse an die betreffende Aktie gebunden haben. Diese temporäre Besonderheit führt nicht zu einer Marktverengung und der Abgrenzung eines Marktes, auf dem die Musterbeklagten zu 1 eine beherrschende Stellung i.S.d. § 19 GWB a.F. innegehabt hätte.

 (aa) Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass es in Fällen, in denen durch den Erwerb längerfristig nutzbarer Investitionsgüter ein davon abgeleiteter spezifischer Bedarf des Erwerbers begründet worden ist, für die Marktabgrenzung darauf ankommt, welche Alternativen dem Nachfrager zur Verfügung stehen, nachdem er eine Investitionsentscheidung getroffen hat (BGH, Urteil vom 24. Januar 2017 – KZR 2/15, juris Rn. 20 m.w.N.).

Eine unternehmensbedingte Abhängigkeit – oder relative Marktmacht – im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 GWB a.F. ist ferner in Fällen angenommen worden, in denen sich ein Händler so stark auf den Verkauf von Produkten eines bestimmten Herstellers ausgerichtet hat, dass er nur unter Inkaufnahme erheblicher Wettbewerbsnachteile auf die Vertretung eines anderen Herstellers überwechseln kann (BGH, Urteil vom 23. Februar 1988 – KZR 20/86, juris Rn. 25; Urteil vom 21. Februar 1995 – KZR 33/93, juris Rn. 28). Dieser Gedanke ist anwendbar etwa auf das Verhältnis eines Kraftfahrzeugherstellers zu einer mit ihm vertraglich verbundenen Werkstatt (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2011 – KZR 6/09, juris Rn. 26) oder zu einem auf Fahrzeuge des Herstellers spezialisierten Tuning-Unternehmen (BGH, Urteil vom 6. Oktober 2015 – KZR 87/13, juris Rn. 53 ff.). Selbst wenn die Abhängigkeit ohne vertragliche Vereinbarung im Wege einer autonomen Bezugskonzentration selbst geschaffen worden ist, kann der Tatbestand unternehmensbedingter Abhängigkeit dann erfüllt sein, wenn die Ausrichtung des Geschäftsmodells erheblich über eine bloß einseitige Spezialisierung hinausgeht und etwa den Erwerb besonderen, markenspezifischen Know-hows umfasst, das für eine wertschöpfende Tätigkeit im Zusammenhang mit den Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen erforderlich ist. Der Umstand, dass die Abhängigkeit in diesem Fall auf einem einseitigen, autonomen Entschluss des Abnehmers beruht, ist dann im Rahmen der Interessenabwägung bei der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 – KZR 41/14, juris Rn. 28; Urteil vom 6. Oktober 2015 – KZR 87/13, juris Rn. 54).

Die sachliche Marktabgrenzung kann indes grundsätzlich nicht allein mit dem autonomen Verhalten eines einzelnen Marktteilnehmers begründet werden (BGH, Urteil vom 6. Oktober 2015 – KZR 87/13, juris Rn. 52).

 (bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hatte die Musterbeklagte zu 1 keine marktbeherrschende Stellung gegenüber Leerverkäufern inne, selbst wenn die Leerverkäufer nach dem 26. Oktober 2008 aufgrund ihrer vertraglichen Verpflichtungen Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 erwerben mussten.

Es fehlt bereits an einer unternehmensbedingten Abhängigkeit. Durch die Leerverkäufe haben die Investoren sich nicht langfristig an den Erwerb dieser Stammaktien gebunden und ihr Geschäftsmodell auf Dauer einseitig darauf ausgerichtet. Außerdem hat nicht eine etwaige Marktmacht der Musterbeklagten zu 1 zu den Leerverkäufen geführt, sondern eine jeweils autonome Entscheidung der Investoren. Die Leerverkäufe lagen nicht im Verantwortungsbereich der Musterbeklagten zu 1, die diese Investitionsentscheidungen nicht beeinflusst hat. Eine unternehmensbezogene Abhängigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lag daher nicht vor.

 (b) Soweit vertreten wird, dass eine Marktverengung durch fehlerhafte Kapitalmarktinformationen eintreten könne, weil der Anleger an die fragliche Aktie gebunden werde, wolle er nicht sehenden Auges Verlust machen (so: Schwintowski, WuW 2015, 834, 840), überzeugt dies ebenfalls nicht. Dieser Ansatz löst sich von der Betrachtung der objektiven Marktlage; der jeweilige Bedarf besteht unabhängig davon, ob er etwa durch Täuschung oder eine (verbreitete) Fehleinschätzung ohne täuschendes Verhalten eines Marktteilnehmers entstanden ist. Dass sich – zumal bei spekulativen Geschäften – das Risiko von Verlusten verwirklicht hat, steht einer Austauschbarkeit des jeweiligen Gutes nicht entgegen.

Schließlich waren die Kapitalmarktinformationen der Musterbeklagten zu 1 ohnehin nicht fehlerhaft, so dass auch nach diesem Ansatz keine Marktverengung im vorgenannten Sinne anzunehmen wäre.

bb) Selbst eine marktbeherrschende Stellung unterstellt, hätte die Musterbeklagte zu 1 diese nicht missbräuchlich ausgenutzt.

 (1) Die Musterbeklagte zu 1 hat insbesondere das Regelbeispiel des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB a.F. bzw. des Art. 82 Abs. 2 lit. a) EG-Vertrag a.F. nicht verwirklicht. Sie hat keine unangemessenen Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen gefordert.

 (a) Die Musterbeklagte zu 1 hat selbst weder den Klägern der Ausgangsverfahren noch sonst Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 verkauft und dadurch möglicherweise unangemessene Kaufpreise erzielt. Zwar ist grundsätzlich auch die mittelbare Erzwingung unangemessener Preise ausreichend (so ausdrücklich Art. 82 Abs. 2 lit. a) EG-Vertrag a.F.). Mittelbar erzwungen sind dabei Preis- und Konditionenbindungen der zweiten Hand sowie Preise im Falle einer Weiterwälzung auf die Vertragspartner des unmittelbar Betroffenen (Fuchs in: Immenga/Mestmäcker, 6. Aufl., Art. 102 AEUV, Rn. 174). Diese Konstellationen sind hier nicht ersichtlich.

 (b) Darüber hinaus wird vertreten, nach Sinn und Zweck des Missbrauchsverbotes reiche es für die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung bereits aus, dass ein Marktteilnehmer das betroffene Produkt ohne direkten Kauf beim Normadressaten zu einem wegen des Wettbewerbsverstoßes überhöhten Preis erworben hat (F.-Gutachten Rn. 174; Fleischer/Bueren a.a.O., 1262 f.). Dieser Ansatz ist jedoch allenfalls zur Bestimmung der Schadenshöhe, nicht jedoch zur Feststellung des Anspruchsgrundes geeignet, wie bereits der Rekurs auf den Preisschirmeffekt nahelegt. Er setzt gerade einen Wettbewerbsverstoß voraus, ohne aber einen konkreten Missbrauch zu verlangen. Ohnehin schränken Fleischer/Bueren diesen Ansatz auf Fälle ein, in denen Täter und Geschädigter zur gleichen Zeit am Markt aktiv waren, was vorliegend im Hinblick auf die Musterbeklagte zu 1 nicht zutraf.

 (c) Die Auffassung, eine Ausbeutung liege bereits dann vor, wenn der Marktbeherrscher das Preisniveau in Richtung auf einen unangemessenen Preisanstieg beeinflusse und hiervon mittelbar durch kapitalmarktbezogene Geschäfte profitiere (so: F.-Gutachten Rn. 175 f.), führt nicht weiter. Es kann dahinstehen ob in der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 eine solche Beeinflussung gelegen hat. Allein der Umstand, dass der Marktbeherrscher (mittelbar) von überhöhten Preisen profitiert, rechtfertigt die Annahme eines Preishöhenmissbrauchs jedenfalls ohne weitere wertende Schritte auch dann nicht, wenn der Marktbeherrscher das Preisniveau mit beeinflusst hat.

Insbesondere eine nach Art. 82 Abs. 2 lit. a) EGV a.F. unzulässige Erzwingung setzt voraus, dass Preise oder Bedingungen den Geschäftspartnern vom marktbeherrschenden Unternehmen einseitig auferlegt werden (Brand in: Jaeger/Kokott/Pohlmann/Schroeder/Seeliger, Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 102. Lfg., Art. 102 AEUV, Rn. 178; Fuchs, a.a.O.). Auch § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB a.F. setzt die Forderung nicht marktgerechter Bedingungen voraus. Vorliegend haben sich die erheblich über dem inneren Wert liegenden Preise für die Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 aber aufgrund von Verhaltensweisen der Marktgegenseite entwickelt, nachdem die Musterbeklagte zu 1 in ansonsten nicht zu beanstandender Art und Weise ihre Beteiligungsverhältnisse und Ziele offengelegt hatte. Durch die Auflösung von Call-Optionen zu einem Zeitpunkt, zu dem die Preise wieder deutlich unter ihrem Höchststand lagen, hat die Musterbeklagte zu 1 zwar an den immer noch hohen Preisen verdient. Nach der Argumentation der Musterklägerin und des Privatgutachters Fuchs habe sie weiter davon profitiert, dass Put-Optionen aufgrund des Kursanstiegs des Basiswertes entwertet und drohende Verluste der Musterbeklagten zu 1 aus den begebenen Put-Optionen vermieden worden seien, wobei allerdings – wie ausgeführt (Rn. 420 ff., 524) – keine konkreten Anhaltspunkte für einen weiteren derart erheblichen Kursverlust bestanden, dass eine Entwertung der Put-Optionen gedroht hätte. Sie hat diese Preise aber jedenfalls nicht einseitig gefordert oder auferlegt.

Unabhängig hiervon stellt sich die vorgeworfene Verhaltensweise bei wertender Betrachtung nicht als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung dar. Die Musterbeklagte zu 1 war nicht verpflichtet, den eine Übernahme der Musterbeklagten zu 2 vorbereitenden Anteilsaufbau auszusetzen oder teilweise rückgängig zu machen, um das Kursniveau zu reduzieren. Die teilweise Auflösung von Call-Optionen war nicht deshalb zu beanstanden, weil dies einen Liquiditätszufluss bewirkte. Die Auflösung erfolgte erst nach Rücksprache mit der BaFin zu einem Zeitpunkt, zu dem die Aktienkurse bereits deutlich unter den Höchststand zurückgefallen waren. Es ist nicht zu beanstanden, dass ein Marktbeherrscher von Preisen profitiert, die sich ohne eigenes Verhalten ergeben haben, das im Übrigen missbräuchlich wäre. Zudem konnte die Musterbeklagte zu 1 durch die Auflösung von Call-Optionen oder durch den Verkauf von Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 gerade auf eine Entspannung der Marktenge und einen niedrigeren Aktienkurs hinwirken.

 (d) Ob der Preis der Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 in der Zeit nach dem 26. Oktober 2008 unangemessen hoch war, kann hiernach offen bleiben. Zwar stand der Preis ersichtlich außer Verhältnis zu dem inneren Wert der Unternehmensbeteiligung. Er hat sich jedoch ohne weitere Beeinflussung durch die Musterbeklagte zu 1 aus dem erheblichen Nachfrageüberhang der Leerverkäufer ergeben. Er spiegelte die tatsächlichen Marktverhältnisse wieder, insbesondere die nicht nur kurzfristige Angebotsverknappung aufgrund der Beteiligung der Musterbeklagten zu 1 an der Musterbeklagten zu 2. Zu welchen Preisen die Aktie zu anderen Zeitpunkten gehandelt wurde (so: Fleischer/Bueren a.a.O., 1261), ist demgegenüber unerheblich. Der zulässige Anteilsaufbau (vgl. dazu auch Schröder/Poller in: Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., 3. Kap., Rn. 325) kann jedenfalls nicht mit einer monopolistischen Mengenrestriktion gleichgesetzt werden (so aber wohl F.-Gutachten, Rn. 182).

(2) Auch sonst liegt kein Missbrauch nach der Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB a.F. bzw. Art. 82 Abs. 1 EG-Vertrag a.F. vor.

j) Schließlich bestehen auch keine wettbewerbsrechtlichen Ersatzansprüche.

aa) Nach § 9 UWG i. V. m. § 3 UWG in der Fassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (BGBl. I, S. 1414 ff.) setzt ein Schadensersatzanspruch eine Wettbewerbshandlung voraus, die geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Wettbewerbshandlung ist jede Handlung mit dem Ziel, zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz oder den Bezug von Waren oder die Erbringung oder den Bezug von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG a. F.

Eine Wettbewerbsabsicht liegt bei Ad-hoc-Mitteilungen und anderen Kapitalmarktinformationen nur dann vor, wenn sie auf die Förderung des operativen Geschäfts gerichtet sind, nicht aber, wenn sie der Erfüllung von Mitteilungspflichten dienen oder allein im Zusammenhang mit dem Absatz oder dem Bezug von Wertpapieren stehen.

 (1) Nach teilweise vertretener Auffassung ist eine Instrumentalisierung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche nach dem UWG zur Begründung einer kapitalmarktrechtlichen Haftung des Emittenten im Hinblick auf die unterschiedlichen Regelungsgegenstände und -zwecke abzulehnen. Die kapitalmarktrechtlich indizierte Veröffentlichung von Kapitalmarktinformationen stelle regelmäßig schon keine Wettbewerbshandlung – bzw. in der Terminologie des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n.F. keine geschäftliche Handlung – dar, und zwar weder auf dem Markt der Wertpapiere noch auf dem Markt des operativen Geschäfts (Fuchs in: Fuchs, 2. Aufl., Vor §§ 37b, 37c Rn. 68; Klöhn, ZHR 172 (2008), 388, 389 f., 392 f., 397 ff.; anders aber Sosnitza in: Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., § 2 Rn. 30; Fritzsche in: Teplitzky/Pfeifer/Leistner, UWG, 2. Aufl., § 2 Rn. 178; Diekmann in: Seichter, jurisPK-UWG, 5.Aufl. [Stand: 29.4.2022], § 5 Rn. 680; Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 5 Rn. 4.123).

 (2) Dieser Ansatz trifft zu. Er ist nicht auf die Haftung des Emittenten beschränkt. Vielmehr fehlt es in sämtlichen Fällen von Informationen, die – wie vorliegend – an den Kapitalmarkt gerichtet sind und in keinem Zusammenhang mit der Förderung des daneben bestehenden operativen Geschäftes stehen, regelmäßig an einer Wettbewerbsabsicht.

Aufgrund der Wertungswidersprüche und konzeptionellen Unterschiede zwischen dem Wettbewerbsrecht und sowohl dem im Wertpapierhandelsgesetz geregelten Kapitalmarktrecht im engeren Sinne (dazu Klöhn a.a.O., 389 f., 392 f., 406 ff., 410 f.) als auch den Grundsätzen der Kapitalmarktinformationshaftung im Allgemeinen stellte selbst die Absicht der Förderung des Bezugs oder des Absatzes von Wertpapieren durch solche Informationen keine Wettbewerbsabsicht i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG a. F. dar.

Die Anforderungen an Kapitalmarktinformationen beim Handel mit Finanzinstrumenten sind im Wertpapierhandelsgesetz und in den einschlägigen Verordnungen speziell geregelt. Einer Schadensersatzpflicht wegen nicht ordnungsgemäßer Kapitalmarktinformationen sind nach diesen Vorschriften Grenzen gesetzt. Insbesondere sehen die dem individuellen Anlegerschutz dienenden §§ 37b, 37c WpHG einen Schadensersatzanspruch ausschließlich gegen den Emittenten, nur wegen unterlassener oder unwahrer Insiderinformationen und nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen vor. Zudem sind §§ 15 und 20a WpHG nach zutreffender Auffassung keine Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, so dass aus dem bloßen Verstoß gegen diese Vorschriften kein Schadensersatzanspruch folgt. Daneben kommt eine Kapitalmarktinformationshaftung insbesondere aus § 826 BGB in Betracht. Diese hohen Anforderungen an eine Schadensersatzpflicht würden durch die Anwendung der §§ 3 ff., 9 UWG a. F. unterlaufen, die beispielsweise Fälle nicht nur (grob) fehlerhafter, sondern auch bereits zur Irreführung geeigneter Kapitalmarktinformationen erfassten und zudem eine Ersatzpflicht bereits bei einfacher Fahrlässigkeit begründeten.

Gegen eine Anwendung des UWG spricht auch, dass § 37b Abs. 5, § 37c Abs. 5 WpHG bestimmten, dass weitergehende Ansprüche, die nach Vorschriften des bürgerlichen Rechts aufgrund von Verträgen oder vorsätzlichen unerlaubten Handlungen erhoben werden können, unberührt bleiben. Schadensersatzansprüche nach dem UWG blieben also nicht unberührt und sind somit ausgeschlossen (Fuchs in: Fuchs, 2. Aufl., §§ 37b, 37c, Rn. 52; Sethe in: Assmann/Schneider, 6. Aufl., §§ 37b, c, Rn. 139). Zwar betrifft diese Regelung nur fehlerhafte oder unterbliebene Ad-hoc-Informationen des Emittenten und nicht sonstige Kapitalmarktinformationen anderer Kapitalmarktteilnehmer. Allerdings wird gerade Ad-hoc-Informationen von Kapitalmarktteilnehmern ein besonderes Vertrauen entgegengebracht. Es stellte deshalb einen Wertungswiderspruch dar, sonstige Sekundärmarktinformationen durch (bloße) Pressemitteilungen geringeren Haftungsvoraussetzungen zu unterstellen.

 (3) Dem steht das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 19. Juli 2006 (5 U 10/06, juris Rn. 20 ff.) nicht entgegen. Zwar hat das Oberlandesgericht angenommen, dass in einer unrichtigen oder missverständlichen Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG eine Wettbewerbshandlung i.S.d. § 3 UWG a.F. gesehen werden könne. Der dortige Fall wies jedoch die Besonderheit auf, dass die Mitteilung zugleich deshalb als Werbung für das operative Geschäft anzusehen war, weil sie die Schlussfolgerung hervorrief, dass sich die Preisgestaltung des Unternehmens günstiger gestalten werde. Ein solcher Zusammenhang mit dem operativen Geschäft besteht bei den vorliegenden Kapitalmarktinformationen der Musterbeklagten zu 1 gerade nicht.

bb) Die beanstandeten Verhaltensweisen der Musterbeklagten zu 1 waren zudem – eine Anwendbarkeit des Lauterkeitsrechtes unterstellt – zumindest überwiegend nicht unlauter i.S.d. §§ 3 ff. UWG a.F.

 (1) Die Verhaltensweisen der Musterbeklagten zu 1 waren zumindest überwiegend nicht nach § 4 Nr. 11 UWG a.F. i.V.m. § 20a WpHG unlauter. Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei letztgenannter Vorschrift um eine Marktverhaltensregelung in diesem Sinne handelt. Die Musterbeklagte zu 1 hat jedenfalls überwiegend (vgl. aber betreffend die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 näher Rn. 542 ff., 546 ff.) nicht gegen § 20a WpHG verstoßen. Insbesondere hat sie zumindest weitgehend keine unrichtigen oder irreführenden Angaben nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG gemacht. Auch die durchaus missverständlich formulierte Pressemitteilung vom 10. März 2008 war aufgrund der genannten Umstände nicht eindeutig unrichtig. Sie legte beim Informationsempfänger aufgrund dieser Umstände auch nicht eine falsche Vorstellung über den geschilderten Sachverhalt nahe und war damit nicht irreführend (näher: Rn. 124 ff.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den beanstandeten Verhaltensweisen um irreführende Werbung i.S.d. § 5 UWG a.F. Selbst wenn einzelne der angesprochenen Marktteilnehmer insbesondere die Erklärung vom 10. März 2008 als abschließendes Dementi einer Beherrschungsabsicht verstanden haben sollten, handelte es sich dabei nicht um einen erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrskreises, der einen solchen möglicherweise falschen Eindruck gewinnen konnte.

 (2) Die beanstandeten Verhaltensweisen der Musterbeklagten zu 1 stellten auch keine unangemessene Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit anderer Marktteilnehmer i.S.d. § 4 Nr. 1 UWG a.F. und keine gezielte Behinderung von Mitbewerbern nach § 4 Nr. 10 UWG a.F. dar. Auch sonst waren sie nicht nach § 3 UWG a.F. unlauter.

2. Eine Haftung der Musterbeklagten zu 2 kommt ebenfalls bereits dem Grunde nach unter keinem Gesichtspunkt in Betracht.

a) Die Musterbeklagte zu 2 haftet nicht nach § 37b WpHG dafür, die behauptete „konkrete Beherrschungsabsicht“ der Vorstände der Musterbeklagten zu 1 nicht unverzüglich veröffentlicht zu haben. Dass sie den behaupteten Umstand der Unrichtigkeit der Pressemitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 26. Oktober 2008 nicht veröffentlicht hatte, begründet schon deshalb keine Haftung, weil eine solche Unrichtigkeit nicht vorlag.

Die Schadensersatzpflicht nach § 37b WpHG setzt voraus, dass zumindest einzelne Mitglieder des Vorstands der Musterbeklagten zu 2 Kenntnis von dieser Beherrschungsabsicht hatten oder ihr die Kenntnis anderer Stellen zuzurechnen war. Die Darlegungs- und Beweislast für eine solche Kenntnis tragen die Musterklägerin bzw. die Beigeladenen. Eine Kenntnis des Vorstands ist nicht mit Substanz vorgetragen. Umstände, die zu einer Zurechnung führen könnten, liegen nicht vor.

aa) Nach § 37b WpHG haftet ein Emittent dafür, eine ihn betreffende Insiderinformation nicht unverzüglich veröffentlicht zu haben. Diese Haftung setzt die Kenntnis des Emittenten von der Insiderinformation voraus. Abhängig von der Auslegung der §§ 15, 37b WpHG kann auch die auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis ausreichen, was im vorliegenden Fall aber ausscheidet.

Offen bleiben kann insoweit, ob – wozu der Senat neigt – das Erfordernis dieser Kenntnis bereits Voraussetzung der Veröffentlichungspflicht nach § 15 WpHG selbst ist (so: Pfüller in: Fuchs, 2. Aufl., § 15 Rn. 125, 328 ff.; Frowein in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., § 10 Rn. 24 [i. Erg. ebenso in der 3. Aufl., § 10 Rn. 17]; Buck-Heeb, AG 2015, 801; Leyendecker-Langner/Kleinhenz, AG 2015, 72, 76; Wilken/Hagemann, BB 2016, 67, 70; Sajnovits, WM 2016, 765 f.; Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 382 ff.; Koch AG 2019, 273, 276 ff.; i. Erg. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 4. März 2010 – 6 U 94/09, juris Rn. 82 f.; vgl. zum neuen Recht auch Assmann in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl., Art. 17 VO (EU) Nr. 596/2014, Rn. 50 m.w.N. auch zur Gegenauffassung; a.A.: LG Stuttgart, Vorlagebeschluss vom 28. Februar 2017 – 22 AR 1/17 Kap, juris Rn. 158 m.w.N.; Schneider in: Habersack/Mülbert/Schlitt, 3. Aufl., § 2 Rn. 54; Klöhn in: KK-WpHG, 2. Aufl., § 15 Rn. 58, 62; ders. Rechtsgutachten vom 31. August 2018 [Anlage MK 148], S. 20 ff.; Hellgardt, DB 2012, 673, 675; vgl. zum neuen Recht auch Hellgardt in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl., § 97 WpHG Rn. 89).

Jedenfalls folgt die Notwendigkeit der Kenntnis – bzw. der grob fahrlässigen Unkenntnis – aus der Verschuldensabhängigkeit der Haftung nach § 37b WpHG (weitergehend: Thomale NZG 2018, 1007, 1009; ders. AG 2019, 189, 190 ff.).

bb) Dabei ist grundsätzlich der Vorstand als Vertreter des Emittenten gemäß § 76 Abs. 1 AktG für die Erfüllung der kapitalmarktrechtlichen Ad-hoc-Publizitätspflichten verantwortlich (OLG Braunschweig, Beschluss vom 18. November 2021 – 3 Kap 1/16, juris Rn. 67; Assmann in: Assmann/Schneider, § 15 Rn. 49) und hat sich dazu die erforderliche eigene Kenntnis von Insiderinformationen über interne Organisationsabläufe zu verschaffen (Pfüller, a.a.O., § 15 Rn. 125, 333; Buck-Heeb, AG 2015, 801, 806). Der Emittent hat es dementsprechend nach verbreiteter Auffassung zu vertreten, wenn seine interne Informationsorganisation nicht funktioniert, so dass es im Ergebnis zu einer Wissenszurechnung kommen kann (Pfüller, a.a.O., Rn. 125, 329 ff.; krit.: OLG Braunschweig, a.a.O., Rn. 67 ff., 76 ff. m.w.N.; näher zur Wissenszurechnung auch Rn. 629 ff.), sofern die Wissensträger nicht gegenüber Dritten zur Verschwiegenheit verpflichtet sind (z.B. BGH, Urteil vom 26. April 2016 – XI ZR 108/15, juris Rn. 30; vgl. näher Rn. 631 ff., 658, 662). Eine eigene Verpflichtung des Aufsichtsrats zur Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen besteht daher grundsätzlich nicht (vgl. auch Reichert/Brandes, MüKo-AktG, 5. Aufl., Art. 49 SE-VO, Rn. 16 ff.).

Soweit demgegenüber vertreten wird, die Ad-hoc-Publizitätspflicht träfe auch den Aufsichtsrat (M., Rechtsgutachten vom 23. September 2017, Anlage MK 77, S. 19 ff.), folgt der Senat dem nicht. Auch in Fällen, in denen eine Gesellschaft zur Offenbarung gesetzlich verpflichtet ist, hat allein der Vorstand über diese Offenbarung zu entscheiden (BGH, Urteil vom 26. April 2016 – XI ZR 108/15, juris Rn. 35). Ein Sonderfall, in dem Insiderwissen eine Entscheidung des Aufsichtsrats in einem Bereich betrifft, in dem dieser wie insbesondere bei der Personalkompetenz nach § 84 AktG ausschließlich vertretungs- und geschäftsführungsbefugt ist und für den weitergehende Zuständigkeiten im Bereich der Kapitalmarktkommunikation diskutiert werden (dazu: Assmann, a.a.O. [7. Aufl.], Rn. 95, Pfüller, a.a.O., Rn. 426 f., jew. m.w.N.), liegt nicht vor.

cc) Die Darlegungs- und Beweislast für die Kenntnis des Vorstands – bzw. für die Kenntnis eines Mitarbeiters, die dem Emittenten zuzurechnen wäre – trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Gläubiger. Zwar kann die durch § 37b Abs. 2 WpHG begründete Beweislastumkehr eingreifen, soweit es um die Feststellung von Umständen geht, die für die Prüfung der Frage erheblich sind, ob der Vorstand die organisatorischen Vorkehrungen getroffen hat, die zur rechtzeitigen Kenntniserlangung zur Erfüllung der Ad-hoc-Mitteilungspflicht erforderlich sind. Voraussetzung hierfür ist aber, dass der Gläubiger zunächst hinreichende Anhaltspunkte dafür vorträgt, dass eine Kenntnis solcher Umstände überhaupt an irgendeiner Stelle im Unternehmen vorhanden ist und sich der Vorstand mit organisatorischen Vorkehrungen Kenntnis hätte verschaffen können.

§ 37b Abs. 2 WpHG wird zwar verbreitet dahin verstanden, dass sich der Emittent aufgrund der Beweislastumkehr auch dahingehend entlasten müsse, dass der Vorstand bzw. diejenigen Personen in seinem Unternehmen, deren Kenntnis ihm zuzurechnen wäre, keine Kenntnis von der Insidertatsache gehabt hätten (OLG Braunschweig, Beschluss vom 18. November 2021 – 3 Kap 1/16, juris Rn. 83, 90; Möllers/Leisch in: KK-WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, c, Rn. 173 [beachte aber Rn. 150, wonach den Emittenten betreffend die Unverzüglichkeit nur eine sekundäre Darlegungslast treffe]; Hellgardt in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl., § 97 WpHG, Rn. 112; Nietsch, ZIP 2018, 1421, 1427; a.A.: Thomale AG 2019, 189, 194). Dieser Auffassung folgt der Senat so aber nicht.

§ 37b Abs. 2 WpHG ist von seinem Telos und den gesetzgeberischen Motiven her einschränkend dahingehend auszulegen, dass er erst dann greift, wenn in dem Unternehmen des Emittenten überhaupt an irgendeiner Stelle Kenntnis von der Insidertatsache vorhanden ist oder erlangt werden könnte, auf die der Emittent Zugriff hat. Dies ist – soweit von dem Emittenten bestritten – von dem Gläubiger mit hinreichenden Anhaltspunkten (vgl. dazu OLG Braunschweig, Beschluss vom 18. November 2021 – 3 Kap 1/16, juris Rn. 93 f.) darzulegen.

 (1) Nach der Gesetzesbegründung sollte die Beweislast entsprechend den jeweils beherrschten Verantwortlichkeitsbereichen verteilt werden (Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/8017, S. 93). Dies rechtfertigt die Beweislastumkehr, soweit die zu beurteilenden Umstände im Tätigkeitsbereich des Anspruchsverpflichteten, also in seiner Sphäre liegen (Zimmer/Steinhaeuser in: Schwark/Zimmer, 5. Aufl., §§ 97, 98 WpHG, Rn. 75; ebenso K., Rechtsgutachten vom 31. August 2018 [Anlage MK 148], S. 74 f.). Entsprechend dieser Erwägung hat der Emittent beispielsweise seine interne Compliance-Organisation darzulegen, anhand derer ggf. die Zurechnung eines in seinem Geschäftsbereich vorhandenen Wissens zu beurteilen ist (Möllers/Leisch in: KK-WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, c, Rn. 178 ff.), oder den Zeitpunkt, zu dem er eine bestimmte Information erlangt hat (Hellgardt in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl., §§ 97, 98 WpHG, Rn. 112; Möllers/Leisch, a.a.O., Rn. 150), gegebenenfalls auch, inwieweit er von extern vorhandenen Umständen Kenntnis hätte erlangen können (Hellgardt, a.a.O.).

Ist eine Insidertatsache demgegenüber im Unternehmen des Emittenten – bei Mitarbeitern, auf deren Wissen der Emittent Zugriff hat – nicht bekannt und bestand auch keine hinreichende Möglichkeit der Kenntniserlangung, ist sie nicht in den von diesem beherrschten und beherrschbaren Verantwortungsbereich gelangt. Es ist ihm in solchen Fällen auch nicht möglich, beispielweise durch eine sorgsame Dokumentation seine Beweisführung zu erleichtern (zu diesem Gesichtspunkt: Zimmer/Steinhaeuser, a.a.O.; Sethe, in: Assmann/Schneider, 6. Aufl., §§ 37b, c WpHG, Rn. 104), so dass ihn im Falle einer Beweislastumkehr unbeherrschbare Haftungsrisiken träfen. Typischerweise ist dies betreffend die Pläne eines dritten Unternehmens der Fall, den Emittenten feindlich zu übernehmen; insoweit wird bereits die Veröffentlichungspflicht nach § 15 WpHG selbst von einem Teil der Literaturmeinungen verneint, die diese Veröffentlichungspflicht nicht an eine Kenntnis des Emittenten knüpfen (so: Hellgardt, a.a.O., Rn. 89; Assmann in Assmann/Schneider, 6. Aufl., § 15 WpHG Rn. 71).

Im Ergebnis entsprechend betonen einige Stimmen, dass eine etwaige Darlegungslast des Emittenten für die negative Tatsache seiner Unkenntnis nicht überspannt werden dürfe. Soweit der Emittent eine Kenntnis im Rahmen des ihm möglichen Vortrags bestritten habe, müsse der Gläubiger aufgrund einer sekundären Darlegungslast hinreichende Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Emittenten vortragen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 4. März 2010 – 6 U 94/09, juris Rn. 104; Urteil vom 7. April 2011 – 6 U 7/10, juris Rn. 162; i. Erg. ähnlich: Möllers/Leisch, a.a.O., Rn. 150).

Soweit das Oberlandesgericht Braunschweig die Auffassung vertreten mag, den Emittenten treffe auch für die (Un-)Kenntnis der Insiderinformation eine umfassendere Darlegungslast (a.a.O., Rn. 90), dürften gesteigerte Anforderungen in dem dortigen Fall damit zu rechtfertigen sein, dass die fragliche Insiderinformation – anders als vorliegend – aus der Sphäre des Emittenten stammte und lediglich die Kenntnis der Vorstandsmitglieder in Frage stand.

 (2) Vorliegend braucht die Musterbeklagte zu 2 ihre Kenntnis nicht konkreter zu bestreiten. Eine Kenntnis derjenigen Mitarbeiter, deren Wissen ihr zuzurechnen ist oder auf deren Wissen sie auch nur Zugriff hatte, kann sie bei fehlender Kenntnis nur pauschal bestreiten. Gleiches gilt für streitige Gespräche zwischen Prof. Dr. P. und ihrem Vorstandsvorsitzenden. In ihrem Aufsichtsrat vorhandenes Wissen war ihr aus Rechtsgründen nicht zuzurechnen (näher: Rn. 629 ff.). Sie hatte und hat aufgrund der diese Aufsichtsratsmitglieder treffenden Verschwiegenheitspflichten (dazu näher Rn. 631 ff., 658, 662) auch unabhängig von der Frage der Wissenszurechnung keine Möglichkeit, auf dieses Wissen zuzugreifen. Eine Möglichkeit, Informationen über die Übernahmeabsicht bei der Musterbeklagten zu 1 selbst zu erlangen, bestand naheliegend nicht; nach dem Vortrag der Musterklägerin handelte es sich um das bestgehütete Geheimnis der Musterbeklagten zu 1.

dd) Eine eigene Kenntnis des Vorstands der Musterbeklagten zu 2 kann der Senat nicht feststellen.

 (1) Soweit die Musterklägerin behauptet, der damalige Vorstandsvorsitzende Dr. W. habe von der „konkreten Beherrschungsabsicht“ aufgrund von eingeholten „Analysen und Studien“ zu den Plänen der Musterbeklagten zu 1 sowie aus Gesprächen mit Prof. Dr. P. gewusst, ist dies ohne die erforderliche Substanz, worauf der Senat mit Beschluss vom 26. Oktober 2017 hingewiesen hat (vgl. zu Substantiierungsanforderungen auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 18. November 2021 – 3 Kap 1/16, juris Rn. 93 f.). Dass Prof. Dr. P. den vormaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. B. P. bis zum Ablauf von dessen Tätigkeit am 31. Dezember 2006 über entsprechende Absichten der Musterbeklagten zu 1 informiert hätte, trägt die Musterklägerin selbst nicht vor.

Die Musterklägerin hat den Inhalt der nach ihrer Darstellung von der Musterbeklagten zu 2 eingeholten „Analysen und Studien“ nicht näher dargelegt.

Sofern die behaupteten „Analysen und Studien“ auf öffentlich bekannten Informationen über den Beteiligungsaufbau der Musterbeklagten zu 1 sowie den in einzelnen Presseveröffentlichungen gezogenen Schlussfolgerungen beruht haben sollten, könnten sie eine Kenntnis der „konkreten Beherrschungsabsicht“ als Insiderinformation ohnehin nicht begründen. Die Umstände, die auf eine solche Beherrschungsabsicht schließen lassen könnten, waren durch die vorangegangenen Kapitalmarkinformationen der Musterbeklagten zu 1 und die Presseberichterstattung einem breiten Anlegerpublikum bereits öffentlich bekannt. Analysen und Bewertungen aufgrund solcher öffentlich bekannter Umstände sind nach § 13 Abs. 2 WpHG keine Insiderinformationen.

Im Übrigen spricht der Umstand, dass die Musterbeklagte zu 2 über die möglichen Ziele des Beteiligungsaufbaus Analysen und Studien eingeholt haben soll, gerade gegen eine Kenntnis. Hätte eine solche Kenntnis bei der Musterbeklagten zu 2 bestanden, hätte es derartiger Analysen und Studien nicht bedurft.

(2) Auch der von der Musterbeklagten zu 2 bestrittene Vortrag der Musterklägerin (Schriftsatz vom 1. Mai 2017, Rn. 623), dem Vorstand der Musterbeklagten zu 2 sei die „konkrete Beherrschungsabsicht“ durch vielfältige Gespräche mit Prof. Dr. P. bekannt gewesen, ist unzureichend (vgl. auch Hinweisbeschluss des Senats vom 26. Oktober 2017).

Die Musterklägerin trägt bereits widersprüchlich vor, da sie im Rahmen der Diskussion einer Wissenszurechnung ausdrücklich darauf abstellt, dass Prof. Dr. P. seine Kenntnisse gerade nicht an den Vorstand der Musterbeklagten zu 2 weitergeben habe (Schriftsatzes vom 1. Mai 2017, Rn. 648). Zwar darf eine Partei ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits ändern, insbesondere präzisieren, ergänzen oder berichtigen. Deshalb darf ein Kläger, sofern er seine Wahrheitspflicht nicht bewusst verletzt (§ 138 Abs. 1 ZPO), in tatsächlicher Hinsicht widersprechende Begründungen geben, wenn er das Verhältnis dieser Begründungen zueinander klarstellt, sie also nicht als ein einheitliches Vorbringen geltend macht (BGH, Beschluss vom 16. April 2015 – IX ZR 195/14, juris Rn. 16; BeckOK ZPO/von Selle, 45. Ed., § 138 Rn. 34). Eine solche Klarstellung seitens der Musterklägerin ist aber – auch auf den gerichtlichen Hinweis vom 26. Oktober 2017 hin – nicht erfolgt.

Zwar darf einer Partei nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann. Sie kann deshalb genötigt sein, eine von ihr nur vermutete Tatsache zu behaupten und unter Beweis zu stellen. Unzulässig wird ein solches prozessuales Vorgehen erst dort, wo die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl" oder „ins Blaue hinein" aufstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können (BGH, Beschluss vom 16. April 2015, a.a.O., juris Rn. 13; BeckOK ZPO/von Selle, 45. Ed., § 138 Rn. 32). Anhaltspunkte dafür, dass Prof. Dr. P. den Vorstandsvorsitzenden Dr. W. über die Beherrschungsabsicht informiert habe, fehlen jedoch. Sie haben sich insbesondere nicht aus dem gegen Dr. W. und H. gerichteten Ermittlungs- und Strafverfahren, soweit die Musterverfahrensbeteiligten darauf Bezug genommen haben, ergeben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Musterklägerin umfangreich Auszüge aus stenografischen Mitschriften der dortigen Hauptverhandlung vorgelegt hat, über deren Inhalt mithin umfassend informiert ist. Entsprechende Äußerungen der Beteiligten gegenüber der Presse hat die Musterklägerin gleichfalls nicht dargelegt.

Schließlich hat die Musterklägerin selbst eine E-Mail des rechtlichen Beraters der Musterbeklagten zu 1 Dr. B. vom 12. Oktober 2008 zitiert (Schriftsatz vom 29. Oktober 2018, Bl. 6231 f.), der dort angeraten hatte, Prof. Dr. P. zunächst nicht mit der Möglichkeit zu konfrontieren, ihn als Aufsichtsratsvorsitzenden der Musterbeklagten zu 2 abzuwählen, „um Störmanöver beim weiteren Beteiligungsaufbau (z.B. Schaffung von Insidertatsachen bei VW) auszuschließen.“ Dieser Vortrag der Musterklägerin spricht dafür, dass nach Auffassung von Dr. B. – und wohl auch nach Auffassung des Vorstands der Musterbeklagten zu 1, an dessen Mitglied H. die E-Mail gerichtet war – zum damaligen Zeitpunkt kein Insiderwissen bei der Musterbeklagten zu 2 vorhanden war.

ee) Wissen des Aufsichtsrats der Musterbeklagten zu 2 bzw. einzelner Aufsichtsratsmitglieder von einer „konkreten Beherrschungsabsicht“ der Musterbeklagten zu 1 oder von der – unterstellten – Unrichtigkeit der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 ist dem Vorstand der Musterbeklagten zu 2 nicht zuzurechnen. Dabei kann offen bleiben, ob im Rahmen der Haftung nach §§ 37b, c WpHG überhaupt Wissen zugerechnet wird, das außerhalb des Kreises der Vorstandsmitglieder vorhanden ist (grundsätzlich ablehnend: OLG Braunschweig, Beschluss vom 18. November 2021 – 3 Kap 1/16, juris Rn. 67 ff., 76 ff. m.w.N.; Koch AG 2019, 273, 278 ff.).

 (1) Selbst wenn der Gesellschafterausschuss und der Aufsichtsrat der Musterbeklagten zu 1 über eine „konkrete Beherrschungsabsicht“ des Vorstands der Musterbeklagten zu 1 oder über eine – unterstellte – Unrichtigkeit der Mitteilung vom 26. Oktober 2008 informiert gewesen wären, wäre dieses Wissen der Doppelmandatsträger Prof. Dr. P. und Dr. Po. dem Vorstand der Musterbeklagten zu 2 nicht zuzurechnen. Grundsätzlich wird der Gesellschaft zwar aufgrund der Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation das innerhalb des Unternehmens vorhandene Wissen ihrer Organmitglieder und Mitarbeiter zugerechnet (vgl. näher: Sethe in: Assmann/Schneider, 6. Aufl., §§ 37b, 37c Rn. 102 m.w.N.).

 (a) Einer solchen Zurechnung steht hier aber die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder der Musterbeklagten zu 1 nach Art. 49 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der europäischen Gesellschaft (SE) [im Folgenden: SE-VO] i.V.m. § 116 Satz 1, § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG entgegen, die nach § 404 Abs. 1 AktG i.V.m. § 53 des Gesetzes zur Ausführung der SE-VO strafbewehrt ist. In solchen Fällen einer Verschwiegenheitspflicht scheidet nach ganz herrschender Auffassung (vgl. zur Verschwiegenheitspflicht nach § 116 Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG: BGH, Urteil vom 26. April 2016 – XI ZR 108/15, juris Rn. 29 ff., 37; vgl. auch OLG Celle, Urteil vom 24. August 2011 – 9 U 41/11, II. 2. d) [Anlage MBPor 117] sowie allg. auch BGH, Urteil vom 26. April 2016 – XI ZR 114/15; speziell zur Wissensrechnung im Bereich der Ad-hoc-Publizität: Buck-Heeb, AG 2015, 801, 810 f.; Verse, AG 2015, 413, 417 f.; Sajnovits, WM 2016, 765, 771 f.; Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 399/409; Assmann, a.a.O. [7. Aufl.], Rn. 58; a.A. Schwintowski ZIP 2015, 617, 619/621 f.; dag. zutr. Koch, ZIP 2015, 1757, 1763), der sich der Senat anschließt, eine Wissenszurechnung aus. Ob das Wissen von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft überhaupt zugerechnet werden kann, kann an dieser Stelle offenbleiben (vgl. dazu näher Rn. 661).

 (aa) Bei der Musterbeklagten zu 1 handelt es sich um eine europäische Aktiengesellschaft (SE). Für eine SE gelten zunächst die Bestimmungen der SE-VO und im Weiteren gem. Art. 9 Abs. 1 c) ii) SE-VO auch die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die auf eine nach dem Recht des Sitzstaats der SE gegründete Aktiengesellschaft Anwendung finden würden, so dass für die Musterbeklagte zu 1 mit ihrem Sitz in S. das deutsche Aktiengesetz Anwendung findet. Danach waren die Aufsichtsratsmitglieder der Musterbeklagten zu 1, die nach Behauptung der Musterklägerin über eine Kenntnis der „konkreten Beherrschungsabsicht“ verfügten, zur Verschwiegenheit verpflichtet.

 (bb) Nach Art. 49 SE-VO unterliegen Mitglieder des Aufsichtsorgans einer SE einer Verschwiegenheitspflicht, die nicht nur vertrauliche Angaben und Geschäftsgeheimnisse, sondern alle Informationen umfasst, deren Verbreitung den Interessen der Gesellschaft schaden könnte, unabhängig davon, ob diese bereits bekannt sind. Über den Wortlaut der deutschen Übersetzung hinaus gilt diese Verschwiegenheitspflicht bereits während der Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder (Teichmann in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Kommentar, 2. Aufl., Art. 49 SE-VO, Rn. 4 ff.; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 7. Aufl., § 19 Rn. 1391).

Die Einzelheiten der behaupteten „konkreten Beherrschungsabsicht“ der Musterbeklagten zu 1 unterfielen dieser Verschwiegenheitspflicht, weil ihre Verbreitung den Interessen der Gesellschaft hätte schaden können, soweit die Musterbeklagte zu 1 sie nicht ohnehin durch die verschiedenen Pressemitteilungen etc. öffentlich bekannt gemacht hatte. Nach dem eigenen Vortrag der Musterklägerin sollte der Beteiligungsaufbau geheim erfolgen, um seinen Erfolg nicht zu gefährden.

 (cc) Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 116 AktG sind nur solche Informationen Gegenstand der Verschwiegenheitspflicht, die das Aufsichtsratsmitglied auf Grund seiner organschaftlichen Betätigung oder zumindest im Hinblick auf diese erlangt hat (Habersack in: MüKo-AktG, 5. Aufl., § 116 Rn. 52). Informationen, die ohne jeden Zusammenhang mit der Organstellung erlangt worden sind, unterliegen nicht der organschaftlichen Verschwiegenheitspflicht. Ihre Offenlegung oder Verwendung für eigene Zwecke kann allerdings gegen die allgemeine Treupflicht verstoßen (Habersack, a.a.O., Rn. 53). Nach dem Vortrag der Musterklägerin haben Prof. Dr. P. und Dr. Po. ihre Kenntnis bei den Sitzungen des Gesellschafterausschusses und des Aufsichtsrates der Musterbeklagten zu 1 erlangt. Dies betraf ihre Organstellung als Aufsichtsratsmitglieder der Musterbeklagten zu 1. Die Ansicht der Musterklägerin, das Wissen von Prof. Dr. P. beruhe nicht auf seiner Stellung als Aufsichtsratsmitglied der Musterbeklagten zu 1, weil er die Insiderinformation selbst erzeugt habe, indem er den Übernahmeplan mit geschmiedet habe, rechtfertigt ein abweichendes Ergebnis nicht. Soweit Prof. Dr. P. in dem Gesellschafterausschuss über das Ziel der Beherrschung mitentschieden hätte, bestünde ein enger Zusammenhang mit seiner Organstellung als Aufsichtsratsmitglied der Musterbeklagten zu 1. Die fraglichen Sitzungen des Gesellschafterausschusses dienten der Vorbereitung von Aufsichtsratssitzungen oder standen zumindest im Zusammenhang mit der Ausübung des Aufsichtsratsmandates. Die Musterklägerin beruft sich gerade darauf, dass Beschlüsse des Gesellschafterausschusses für die dem Ausschuss angehörenden Aufsichtsratsmitglieder bindend für die Ausübung ihres Stimmrechts gewesen seien.

Im Übrigen schließt die Verschwiegenheitspflicht aus § 116 Satz 1 i. V. m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG eine Wissenszurechnung generell aus, so dass es unerheblich ist, ob das Aufsichtsratsmitglied das Wissen etwa privat erlangt hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2016, a.a.O., juris Rn. 37).

Schließlich differenziert auch Art. 49 SE-VO ohnehin nicht danach, ob das Organmitglied die Information durch seine Tätigkeit im Organ erlangt hat (Reichert/Brandes in: MüKo-AktG, 5. Aufl., Art. 49 SE-VO, Rn. 6).

 (b) Es bestand keine Ausnahme von dieser Verschwiegenheitspflicht nach Art. 49 Halbs. 2 SE-VO. Hiernach ist eine Informationsweitergabe zulässig, wenn dies nach den Bestimmungen des für Aktiengesellschaften geltenden einzelstaatlichen Rechts vorgeschrieben oder zulässig ist oder im öffentlichen Interesse liegt.

 (aa) Nach entsprechendem nationalen Recht war eine Informationsweitergabe nicht vorgeschrieben. Im Gegenteil stünde dieser die Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsratsmitglieds einer Aktiengesellschaft nach § 116 Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG entgegen (vgl. näher BGH, Urteil vom 26. April 2016, a.a.O., Rn. 32 ff.). Soweit die entsprechenden Einzelheiten der behaupteten „konkreten Beherrschungsabsicht“ nicht bereits öffentlich bekannt gemacht worden waren, handelte es sich um vertrauliche Angaben bzw. ein Geheimnis der Musterbeklagten zu 1 im Sinne dieser Vorschriften.

 (aaa) Soweit in der Kommentierung und Literatur die Ansicht vertreten wird, dass die Verschwiegenheitspflicht dort ihre Grenze findet, wo eine gesetzliche Pflicht zur Offenlegung bestimmter Tatsachen – wie z.B. aus § 15 WpHG – besteht (vgl. Sailer-Coceani in Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 93 Rn. 26; Teichmann, a.a.O., Art. 49 SE-VO, Rn. 9; Reichert/Brandes, a.a.O., Rn. 10.; Mülbert/Sajnovits, NJW 2016, 2540, 2541; Bank, NZG 2013, 801, 802; anders Habersack, a.a.O., § 116 Rn. 54, der eine Verschwiegenheitspflicht bejaht, es aber als Aufgabe des Aufsichtsratsmitglieds ansieht, auf eine Pflichterfüllung durch den Vorstand hinzuwirken), ist dies für die Frage der Wissenszurechnung bei der Musterbeklagten zu 2 unerheblich. Denn die Frage, ob wegen § 15 WpHG die Verschwiegenheitspflicht aufgehoben ist, hat Prof. Dr. P. und Dr. Po. als Aufsichtsratsmitglieder der Musterbeklagten zu 1 als Ausgangsgesellschaft betroffen. Selbst wenn die Gesellschaft – hier die Musterbeklagte zu 1 – unter Verstoß gegen § 15 WpHG eine bestimmte Information noch nicht dem Kapitalmarkt bekanntgemacht hätte, rechtfertigte dies für das einzelne Aufsichtsratsmitglied nicht die Preisgabe an Dritte. Das betreffende Aufsichtsratsmitglied wäre auch nach der in Bezug genommenen Auffassung gerade noch nicht von seiner Verschwiegenheitspflicht nach § 116 AktG entbunden, so dass in dieser Phase keine Wissenszurechnung in Betracht kommt (Mülbert/Sajnovits, NJW 2016, 2540, 2541 f.; vgl. auch Reichert/Brandes, a.a.O., Rn. 16 f.).

Im Übrigen ist allein der Vorstand „Herr der Gesellschaftsgeheimnisse" und kann im Einzelfall nach sorgfältiger Abwägung der widerstreitenden Interessen für eine Offenbarung optieren und die betreffende vertrauliche Angabe oder das Geheimnis öffentlich machen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen die Gesellschaft zur Offenbarung vertraglich oder gesetzlich verpflichtet ist. Auch hier liegt es in der Entscheidungsgewalt des Vorstands, wann und wie er welche Informationen zur Erfüllung der Verpflichtung der Gesellschaft offenbart (BGH, Urteil vom 26. April 2016, a.a.O., juris Rn. 35). Eine Entscheidung zur Offenbarung hat der Vorstand der Musterbeklagten zu 1 auch nach dem Vorbringen der Musterklägerin nicht getroffen. Dies gilt – wie dargestellt – entsprechend im Recht der SE.

 (bbb) Eine mögliche Pflichtenkollision eines Aufsichtsratsmitglieds aufgrund seiner Mitgliedschaft in den Aufsichtsräten verschiedener Gesellschaften rechtfertigte entgegen der Auffassung der Musterklägerin (vgl. dazu auch M., Rechtsgutachten vom 23. September 2017, Anlage MK 77, S. 28) eine Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht nicht. Zwar kann ein Aufsichtsratsmitglied ohne die durch die Doppelmandatsstellung begründete Verschwiegenheitspflicht aufgrund von Treuepflichten zur Offenbarung von Insiderwissen verpflichtet sein. Der im Ausgangspunkt zutreffend gesehene Wertungswiderspruch ist aber nicht durch ein Zurücktreten der Verschwiegenheitspflicht zu lösen. Vielmehr ist dieses Spannungsfeld durch den Gesetzgeber zu Gunsten der von der Schweigepflicht geschützten Gesellschaft entschieden worden (vgl. näher BGH, Urteil vom 26. April 2016, a.a.O., Rn. 33 m.w.N.). Dies gilt selbst bei gezieltem Eingehen von Interessenkonflikten, weil solche Konflikte bewusst im System angelegt sind (BGH, a.a.O., Rn. 32 f.).

 (bb) Eine Informationsweitergabe war auch nicht deshalb nach Art. 49 Halbs. 2 SE-VO zulässig, weil sie im öffentlichen Interesse gelegen hätte.

Die Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsrats sichert dessen gesetzliche Überwachungs- und Beratungsfunktion ab, weil sie das notwendige Korrelat zu den umfassenden Informationsrechten des Aufsichtsrats bildet und der Vorstand den Aufsichtsrat frühzeitig über sensible Vorfälle, Daten und Vorhaben informieren kann, ohne dass er die Weitergabe und die damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile für das Unternehmen befürchten muss (zum nationalen Recht: BGH, Urteil vom 26. April 2016, a.a.O., Rn. 32 m.w.N.). Diese auf das nationale Recht der Aktiengesellschaft bezogenen Grundsätze gelten gleichermaßen für die Europäische Gesellschaft. Das Aufsichtsorgan hat dort nach Art. 40 f. SE-VO vergleichbare Funktionen und Informationsrechte.

Eine Informationsweitergabe kann in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein, wenn gesellschaftsinterne Mechanismen versagt haben und die Aufdeckung gravierender Missstände im öffentlichen Interesse geboten erscheint (Teichmann, a.a.O., Art. 49 SE-VO Rn. 11 f.; Reichert/Brandes, a.a.O., Art. 49 SE-VO Rn. 15). Dies rechtfertigte wiederum allenfalls eine Weitergabe von Insiderinformationen an die Öffentlichkeit, wie es auch § 15 WpHG vorsieht, nicht aber eine Verpflichtung des Aufsichtsratsmitglieds, ausschließlich die Zielgesellschaft zu informieren. Ohnehin liegt hier kein solcher Ausnahmefall vor.

 (c) Die Verschwiegenheitspflicht wird auch nicht durch die europarechtlich fundierte Ad-hoc-Publizitätspflicht nach der Marktmissbrauchs-Richtlinie 2003/6/EG verdrängt. Zwar kommt dem kapitalmarktrechtlichen Insiderrecht erhebliche Bedeutung im Interesse der Marktintegrität und effizienter Finanzmärkte zu (vgl. EG 2, 24 RL 2003/6/EG). Entgegen der Auffassung der Musterklägerin (vgl. dazu M., Anlage MK 77, S. 33 ff.) verdrängt das Kapitalmarktrecht jedoch nicht gesellschaftsrechtliche zwingende Organkompetenzen. Die von der Musterklägerin in Bezug genommene Entscheidung des EuGH in Sachen Geltl/Daimler (Urteil vom 28. Juni 2012 – C-19/11, juris) behandelt nur die Frage, wann eine – beim zuständigen Organ vorhandene – Information hinreichend präzise war, um eine Publizitätspflicht zu begründen.

Auch die weiter von der Musterklägerin angeführte Entscheidung des EuGH in Sachen Grøngaard/Bang (Urteil vom 22. November 2005 – C-384/02, juris) gibt für die vorliegende Frage nichts her. Sie bezieht sich allein auf die Auslegung von Art. 3 lit. a) RL 89/592/EG (entsprechend Art. 3 lit. a) RL 2003/6/EG) und damit auf die Frage, wann eine Information ohne Verstoß gegen das Insiderrecht weitergegeben werden darf. Sie enthält aber keine Aussage dazu, dass das Insiderrecht die ansonsten unzulässige Weitergabe einer Information forderte. Selbst wenn diese Entscheidung Aussagen zum nationalen Organisationsrecht enthielte (so wohl M., a.a.O. [Anlage MK 77], S. 32), führte dies nicht zur Zurückdrängung der Verschwiegenheitspflicht. Vielmehr wäre eine Weitergabe von Insiderinformationen nach dieser Entscheidung nur dann gerechtfertigt, wenn die Weitergabe für die Aufgabenerfüllung des Organs unerlässlich wäre (EuGH, a.a.O., Tz. 48). Dies ist jedoch nach den vorstehenden Erwägungen nicht der Fall; vielmehr war umgekehrt gerade die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht für die Erfüllung der Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder unerlässlich.

Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV wegen der von der Musterklägerin aufgeworfenen Frage, ob die Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität eines Emittenten dann entfällt, wenn ein Mitglied des Aufsichtsrats des Emittenten über eine Insiderinformation verfügt, aufgrund eines Doppelmandats aber einer anderen Gesellschaft gegenüber nach Maßgabe nationalen Gesellschaftsrechts zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, kommt nicht in Betracht. Diese Vorlagefrage ist bereits nicht entscheidungserheblich. Eine Verpflichtung zur Ad-hoc-Mitteilung entsteht überhaupt erst dann, wenn das Aufsichtsratsmitglied mit Doppelmandat die Insiderinformationen an die zuständigen Organe der Zielgesellschaft weitergegeben hätte oder der Zielgesellschaft dessen Wissen zuzurechnen wäre.

Sofern – entsprechend der eingangs dargestellten Auffassung (Rn. 608) – die Kenntnis des Emittenten nicht als Voraussetzung der Publizitätspflicht selbst, sondern nur als Voraussetzung des Verschuldens nach § 37b Abs. 2 WpHG einzuordnen wäre, stünde einer Vorlage darüber hinaus entgegen, dass es der Unionsgesetzgeber den Mitgliedsstaaten überlassen hat, ob und inwieweit sie Schadensersatzansprüche zur Durchsetzung der Publizitätspflicht begründen (Thomale, AG 2019, 189, 190 m.w.N.). Aus diesem Grund scheiterte eine Ersatzpflicht jedenfalls mangels Verschulden, selbst wenn hinsichtlich der Publizitätspflicht eine Wissenszurechnung aus unionsrechtlichen Gründen anzunehmen wäre.

650

 

    (d) Dass die Aufsichtsratsmitglieder möglicherweise einen Interessenkonflikt gegenüber der Musterbeklagten zu 2 hätten offenbaren und den Sitzungen des Aufsichtsrats fernbleiben müssen (vgl. dazu M., a.a.O. [Anlage MK 77], S. 26 f.), begründet nicht die Verpflichtung des Aufsichtsratsmitglieds zur Weitergabe von Insiderinformationen, sondern allenfalls zur Offenlegung gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden bzw. dem gesamten Aufsichtsrat, dass ein Interessenkonflikt besteht (vgl. auch Schütz in: Semler/von Schenck, Der Aufsichtsrat, 2015, Exkurs 1 zu § 100 AktG, Rn. 46 ff.).

(e) Die vorgenannten Grundsätze gälten auch bei Annahme eines faktischen Konzerns zwischen den beiden Musterbeklagten.

Zwar besteht bei einem (faktischen) Konzern nach h.M. unter bestimmten Voraussetzungen keine Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem konzernleitenden Unternehmen (Sailer-Coceani in Schmidt/Lutter, 4. Aufl., § 93 Rn. 26; Vetter in Schmidt/Lutter, 4. Aufl., § 311 Rn. 120a m.w.N.). Als konzernleitendes Unternehmen kommt hier aber – wenn überhaupt – nur die Musterbeklagte zu 1 und nicht die Musterbeklagte zu 2 in Betracht. Eine Informationspflicht des „herrschenden“ Unternehmens besteht nicht (Koch in: Koch, AktG, 16. Aufl., § 311 Rn. 36d f.; Werner, WM 2016, 1474, 1477 ff.). Etwas anders ergibt sich auch nicht aus § 311 AktG (Werner, WM 2016, 1474, 1477 f.; Verse, AG 2015, 413, 414 ff./418 f.; Koch ZIP 2015, 1757, 1763 ff.; Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 412; grundsätzlich ablehnend zur Wissenszurechnung im Konzern: Assmann in: Assmann/Schneider/Mülbert, 7. Aufl., Art. 17 VO (EU) Nr. 596/2014 Rn. 59; Habersack in: Emmerich/Habersack Aktien-/GmbH-KonzernR, 10. Aufl., § 311 AktG, Rn. 87d; a.A. Schwintowski, ZIP 2015, 617, 618/622 f.).

Von Informationsansprüchen und -rechten der Konzerngesellschaften untereinander ist die Frage zu unterscheiden, inwiefern auch einzelne Organwalter zu eigenständiger Information berechtigt sind. Insofern bleibt es aufgrund der Geschäftsführungskompetenz des Vorstands dabei, dass die Verschwiegenheitspflicht einzelner Organwalter auch in dieser Konstellation nicht suspendiert wird (MüKo-AktG/Altmeppen, § 311 Rn. 426 zur Weitergabe von Informationen an das herrschende Unternehmen). Die Verschwiegenheitspflicht von Doppelmandatsträgern im faktischen Konzern erstreckt sich grundsätzlich auch auf die in der anderen Aktiengesellschaft erlangten Informationen. Das gilt insbesondere für Mitglieder des Aufsichtsrats, da der Vorstand der „Herr der Geschäftsgeheimnisse“ ist (Koch, a.a.O., § 311 Rn. 36 f).

(f) Eine Berechtigung zu Informationsweitergabe hätte auch dann nicht bestanden, wenn Prof. Dr. P. bei der Musterbeklagten zu 2 als faktischer Vorstand gehandelt hätte, und zwar auch nicht unter Berücksichtigung des Urteils des Oberlandesgerichts Hamm vom 22. Februar 2011 (19 U 133/10, juris). Das Oberlandesgericht Hamm nahm eine Wissenszurechnung an, weil ein unwissender Vertreter zwischengeschaltet worden sei (a.a.O., Rn. 21). Es hatte nicht darüber zu entscheiden, ob die Verschwiegenheitspflicht von Aufsichtsratsmitgliedern einer Wissenszurechnung entgegensteht. Im vorliegenden Fall war der Vorstand der Musterbeklagten zu 2 nicht bewusst als unwissende Person zwischengeschaltet.

(g) Ebenso wenig kommt eine Zurechnung des Wissens des Aufsichtsrats bzw. seiner Mitglieder unter dem Aspekt der Repräsentantenhaftung gem. § 31 BGB in Betracht.

Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Haftung einer Aktiengesellschaft für das Handeln des Aufsichtsrats durch § 31 BGB begründet werden kann (verneinend Arnold in: MüKoBGB, 7. Aufl., § 31 Rn. 24 sowie Leuschner in: MüKoBGB, 9. Aufl., § 31 Rn. 19 für den Fall, dass der Aufsichtsrat als Innenorgan tätig wird; bejahend Schöpflin in: BeckOK BGB, 63. Ed., § 31 Rn. 9), obwohl der Aufsichtsrat nicht für die Erfüllung der Publizitätspflichten zuständig ist. Eine der Musterbeklagten zu 2 zuzurechnende, sie zum Schadensersatz verpflichtende Handlung oder ein entsprechendes Unterlassen der Aufsichtsratsmitglieder kann auch wegen der Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder nicht festgestellt werden.

(2) Eine Kenntnis der Doppelmandatsträger Dr. W. und H. – im Vorstand der Musterbeklagten zu 1 und im Aufsichtsrat der Musterbeklagten zu 2 – von einer „konkreten Beherrschungsabsicht“ ist dem Vorstand der Musterbeklagten zu 2 ebenfalls nicht als eigenes Wissen zuzurechnen.

Die Verschwiegenheitspflicht nach Art. 49 SE-VO gilt gleichermaßen für Mitglieder des Vorstands als Organ der SE nach Art. 38 lit. b) SE-VO. Auch nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG haben Vorstandsmitglieder über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren. Geschützt sind Geheimnisse und vertrauliche Angaben, sofern diese den Vorstandsmitgliedern durch ihre Vorstandstätigkeit bekannt geworden sind. Dabei ist nicht erforderlich, dass die Angelegenheit im Vorstand behandelt wurde, sondern es genügt, dass die Vorstandsmitgliedschaft für die Informationserteilung ursächlich war (Sailer-Coceani in Schmidt/Lutter, 4. Aufl., § 93 AktG, Rn. 25). Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

Darüber hinaus kommt eine Zurechnung des Wissens des Aufsichtsrats nach Auffassung des Senats schon grundsätzlich nicht in Betracht (hierzu näher Rn. 661).

 (3) Auch eine etwaige Kenntnis des damaligen Aufsichtsratsmitglieds der Musterbeklagten zu 2 und Ministerpräsidenten von Niedersachsen C. W. von einer „konkreten Beherrschungsabsicht“ der Musterbeklagten zu 1 wäre der Musterbeklagten zu 2 nicht zuzurechnen.

 (a) Schon grundsätzlich ist dem Emittenten das Wissen des Aufsichtsrats oder einzelner seiner Mitglieder nach ganz herrschender Meinung, der sich der Senat anschließt, nicht zuzurechnen, weil der Aufsichtsrat insbesondere dem Vorstand nicht das entsprechende Wissen zu liefern hat, aufgrund des aktienrechtlichen Grundprinzips der Unabhängigkeit des Aufsichtsrats als Überwachungsorgan keine Eingriffs- und Sanktionsmöglichkeiten des Vorstands bestehen, um das wissende Aufsichtsratsmitglied zu einer entsprechenden Wissensweiterleitung zu bewegen, und ohnehin keine dem Prinzip der Wissenszurechnung zugrunde liegende arbeitsteilige Organisation vorliegt (ausführlich: Buck-Heeb, AG 2015, 801, 807 ff.; Assmann, a.a.O. [7. Aufl.], Rn. 57; Pfüller in: Fuchs, 2. Aufl. § 15 Rn. 333; Schilken in: Staudinger (2019) § 166 BGB Rn. 32 a.E.; Schubert in: MüKoBGB, 9. Aufl., § 166 Rn. 12; Habersack in: MüKoAktG, 5. Aufl., § 112 Rn. 27; Koch in: Koch, AktG, 16. Aufl., § 78 Rn. 33, § 112 Rn. 17 f.; ders., ZIP 2015, 1757, 1761 f.; Leyendecker-Langner/Kleinhenz, AG 2015, 72, 74; Gasteyer/Goldschmidt, AG 2016, 116, 123; grundsätzlich auch Rickert/Heinrichs, GWR 2017, 112; a.A. Schwintowski ZIP 2015, 617 ff.; Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 391). Soweit teilweise (Ihrig a.a.O.) angenommen wird, nach dem Schutzzweck der heute maßgeblichen Regelung des Art. 17 MAR sei die Ad-hoc-Publizitätspflicht als gemeinsame Pflichtaufgabe von Vorstand und Aufsichtsrat zu verstehen, so dass der Aufsichtsrat zur Erfüllung der angestrebten Offenlegung von Insiderinformationen beitragen müsse, überzeugt dies angesichts der aktienrechtlich begründeten Stellung und der Funktion des Aufsichtsrats nicht (dazu auch Assmann, a.a.O.).

 (b) Ohnehin unterlag C. W. als damaliger Ministerpräsident des Landes Niedersachsen nach § 6 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Landesregierung vom 3. April 1979 einer Verschwiegenheitspflicht, die entsprechend den vorgenannten zur aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflicht entwickelten Grundsätzen einer Wissenszurechnung entgegenstand. Hiernach sind die Mitglieder der Landesregierung verpflichtet, Verschwiegenheit über solche ihnen amtlich bekannt gewordene Angelegenheiten zu wahren, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich oder besonders vorgeschrieben ist. Eine etwaige Kenntnis hätte C. W. vorliegend als Vertreter des Landes Niedersachsen und damit in seiner Eigenschaft als Ministerpräsident amtlich erlangt. Diese Angelegenheit hätte ihrer Natur nach der Geheimhaltung bedurft, weil sie unmittelbar im Zusammenhang mit der Ausübung und Veräußerung von Gesellschafterrechten an öffentlichen Beteiligungen im Zusammenhang stand und ein öffentliches Bekanntwerden die etwaigen Handlungsoptionen des Landes als Anteilseigner hätte einschränken können.

(c) Schließlich ist bereits eine zur Begründung einer Publizitätspflicht hinreichend konkrete Kenntnis nicht schlüssig vorgetragen.

(aa) Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG ist eine Insiderinformation eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen.

Eine auf einen bereits existierenden Umstand oder ein bereits eingetretenes Ereignis bezogene Information ist konkret, wenn sie spezifisch genug ist, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung des bereits existierenden Umstands oder des bereits eingetretenen Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten zuzulassen (Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG; BGH, Beschluss vom 23. April 2013 – II ZB 7/09, juris Rn. 19). Hingegen sind nur vage oder allgemeine Informationen, die keine Schlussfolgerung hinsichtlich ihrer möglichen Auswirkung auf den Kurs der betreffenden Finanzinstrumente zulassen, nicht als Insiderinformationen anzusehen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. März 2015 – C-628/13, juris Rn. 31).

Eine konkrete Information ist insbesondere von einem bloßen Gerücht abzugrenzen. Letzteres kann eine zu vage Information darstellen, um eine Publizitätspflicht auszulösen (vgl. Begr. Regierungsentwurf, AnSVG, BT-Dr. 15/3174, S. 34; Assmann in: Assmann/Schneider, 6. Aufl., § 13 WpHG Rn. 17). Soweit vertreten wird, dass Gerüchte, die einen Tatsachenkern enthalten, eine Insiderinformation darstellen können (Emittentenleitfaden der BaFin, Stand 15. Juli 2005, III.2.1.1.2; VGH Kassel, Beschluss vom 16. März 1998 - 8 TZ 98/98, juris Rn. 4, 5; Pfüller, a.a.O., § 15 Rn. 143; Mennicke/Jakovou in: Fuchs, 2. Aufl., § 13 Rn. 50; Kumpan in: Hopt, HGB, 41. Aufl., MAR Art. 7 Rn. 1, 7), muss dieses geeignet sein, den Kurs der fraglichen Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, so dass es darauf ankommt, ob der verständige Anleger auf Grundlage dieses Gerüchts handeln würde (Emittentenleitfaden der BaFin, a.a.O.).

(bb) Die Musterklägerin behauptet unter Bezugnahme auf einen Artikel in der Wirtschaftswoche vom 30. Januar 2012 (Anlage MK 63), am 25. Februar 2008 hätten sich Vertreter der Musterbeklagten zu 1 und Dr. M. von Seiten der niedersächsischen Staatskanzlei in Berlin zu einer Besprechung getroffen. Nach dem Artikel habe Dr. M. gegenüber der Wirtschaftswoche in einem Telefonat am 7. Mai 2009 wörtlich gesagt, bei diesem Treffen am 25. Februar 2008 „rutschte einem Porsche-Vertreter raus, dass sie den Beherrschungsvertrag wollen.“ Die Porsche-Seite habe „sehr deutlich vom Beherrschungsvertrag als Ziel“ gesprochen. Von dem Inhalt des Treffens habe Dr. M. sodann C. W. kurz vor dem 10. März 2008 informiert. Dieser habe Mitte des Jahres 2009 bestätigt, Dr. M. sei im Februar 2008 klar geworden, dass „wieder reihenweise Aktionäre beschissen werden.“ Er habe sich gewundert, weshalb Dr. M. Dr. W. nicht in den „Knast“ bringe.

Damit lässt sich eine Kenntnis des Ministerpräsidenten W. von einer Beherrschungsabsicht als konkrete Information nicht feststellen, worauf der Senat mit Beschluss vom 26. Oktober 2017 hingewiesen hat. Selbst wenn dem Leiter der Porsche-Strategieabteilung Dr. H. bei einem Treffen am 25. Februar 2008 in Berlin in Gegenwart des Referatsleiters aus der Niedersächsischen Staatskanzlei Dr. M. – in welchem Zusammenhang auch immer – „herausrutschte“, dass Porsche „einen Beherrschungsvertrag wolle“, wäre diese Information im Falle ihrer Weitergabe an den Ministerpräsidenten W. zu vage gewesen, um sie als Insiderinformation der Musterbeklagten zu 2 anzusehen und darauf eine Ad-hoc-Information zu stützen. Die in Bezug genommenen behaupteten Äußerungen des Ministerpräsidenten W. enthalten ebenfalls keinen hinreichend konkreten Tatsachenkern.

Nichts Anderes ergibt sich unter Berücksichtigung des nach dem Vortrag der Mus-terklägerin am 12. Februar 2008 von Dr. M. gefertigten Aktenvermerks. Darin habe er unter anderem ausgeführt, der Abschluss eines Beherrschungsvertrages sei mittelfristiges Ziel von Porsche. Dieser Aktenvermerk lässt die Quelle und die genaue Informationslage nicht erkennen. Er lässt letztlich offen, inwieweit es sich um eine konkrete Information oder – wie Dr. M. später angegeben hatte (Schreiben der Niedersächsischen Staatskanzlei vom 12. Mai 2009 [Anlage MB VW 1]) – um eine subjektive Einschätzung handelte.

(cc) Es kann daher dahinstehen, ob es – entsprechend einer Ansicht (Pfüller, a.a.O., § 15 Rn. 146) – bereits an dem nach § 15 WpHG erforderlichen Emittentenbezug fehlte, da das Gerücht hier nicht von der Musterbeklagten zu 2 als Emittentin, sondern von einem Dritten, nämlich einem Mitarbeiter der Musterbeklagten zu 1, ausgegangen wäre. Nach anderer Ansicht ist dagegen die Kenntnis des Emittenten als Zielgesellschaft von einem bevorstehenden Wertpapiererwerbsangebot und erst recht von einem bevorstehenden Übernahmeangebot auf von ihm emittierte Aktien als Kenntnis einer ihn unmittelbar betreffenden Insiderinformation anzusehen (Assmann in: Assmann/Schneider, 6. Aufl., § 15 Rn. 63, 71).

ff) Die Unkenntnis des Vorstands der Musterbeklagten zu 2 beruhte auch jedenfalls nicht auf einer unzureichenden Organisation der Informationsweiterleitung.

Eine etwaige Verletzung einer solchen Organisationspflicht, die eine Wissenszurechnung begründen könnte, hätte sich nur dann ausgewirkt, wenn im Unternehmen der Musterbeklagten zu 2 an anderer Stelle Kenntnis der behaupteten „konkreten Beherrschungsabsicht“ vorhanden gewesen und nicht entsprechend an deren Vorstand weitergeleitet worden wäre. Ausgehend von dem umfassenden Vortrag der Musterklägerin und der Beigeladenen zu der Geheimhaltung der Übernahmepläne durch die Musterbeklagte zu 1 liegen keine Anhaltspunkte dafür vor.

gg) Hinreichende Anhaltspunkte für eine sonst etwaige grob fahrlässige Unkenntnis der Musterbeklagten zu 2 sind nicht vorgetragen.

b) Schon entsprechend der vorstehenden Erwägungen kommt eine Haftung der Musterbeklagten zu 2 aus § 37c WpHG für eine unterbliebene Berichtigung der Ad-hoc-Mitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 3. März 2008 nicht in Betracht.

c) Aus den vorgenannten Gründen scheiden auch Ansprüche nach anderen Anspruchsgrundlagen aus.

Insbesondere eine Haftung nach §§ 826, 830 i.V.m. § 31 BGB analog setzte voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter i.S.d. § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hätte (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15, juris Rn. 23 ff.). Verfassungsmäßig berufener Vertreter bei der Musterbeklagten zu 2 ist der Vorstand, bei dem eine Kenntnis von der „konkreten Beherrschungsabsicht“ oder der Unrichtigkeit der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 nicht ersichtlich ist. Zudem enthält der Schädigungsvorsatz neben dem Wissens- ein Wollenselement. Insoweit kommt eine Zurechnung des Wissens Dritter ohnehin nicht in Betracht (BGH a.a.O.). Aber auch abgesehen davon schiede eine Zurechnung des Wissens einzelner Aufsichtsratsmitglieder aus den vorgenannten Gründen aus.

Auch ein Anspruch aus § 33 Abs. 3 GWB a.F. i.V.m. § 830 BGB, § 31 BGB analog scheidet schon deshalb aus, weil der Musterbeklagten zu 2 bzw. deren verfassungsmäßig berufenen Vertretern kein Vorsatz und keine Fahrlässigkeit hinsichtlich eines möglichen Kartellrechtsverstoßes und kein Teilnehmervorsatz zur Last fällt. Die Voraussetzungen einer Teilnahme an einer unerlaubten Handlung i.S.d. § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB richten sich nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Danach verlangt die Teilnahme neben der Kenntnis der Tatumstände wenigstens in groben Zügen den jeweiligen Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder sie als fremde Tat zu fördern; objektiv muss eine Beteiligung an der Ausführung der Tat hinzukommen, die in irgendeiner Form deren Begehung fördert und für diese relevant ist. Für den einzelnen Teilnehmer muss ein Verhalten festgestellt werden, das den rechtswidrigen Eingriff in ein fremdes Rechtsgut unterstützt hat und das von der Kenntnis der Tatumstände und dem auf die Rechtsgutsverletzung gerichteten Willen getragen war (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2013 - XI ZR 295/12, juris Rn. 29; Urteil vom 15. Mai 2012 - VI ZR 166/11, juris Rn. 17; vgl. insb. zur Kapitalmarktinformationshaftung: Wagner in: MüKoBGB, 8. Aufl., § 830 Rn. 37 a.E.). Das lässt sich anhand des Vorbringens der Beteiligten nicht feststellen.

Schließlich scheidet auch eine Haftung der Musterbeklagten zu 2 aus § 9 Satz 1 UWG, ggf. i.V.m. § 830 BGB, § 31 BGB analog schon mangels Verschuldens aus.

3. Soweit die Musterklägerin und die Beigeladenen bestimmte Umstände nicht mit ausreichenden Anhaltspunkten dargelegt haben – unter anderem die Kenntnis des Vorstands der Musterbeklagten zu 2 von einer behaupteten „konkreten Beherrschungsabsicht“ – besteht nach Auffassung des Senats kein hinreichender Grund, den Musterbeklagten gemäß § 142 Abs. 2 ZPO die Vorlage von Urkunden aufzugeben. Es handelt sich insoweit um eine Ermessensentscheidung, bei der ein möglicher Erkenntniswert, aber auch berechtigte Belange des Geheimschutzes zu berücksichtigen sind. Das Gericht darf die Urkundenvorlegung nicht zum bloßen Zweck der Informationsgewinnung anordnen, sondern nur bei Vorliegen eines schlüssigen, auf konkrete Tatsachen bezogenen Parteivortrags (BGH, Urteil vom 24. Mai 2014 – XI ZR 264/13, Rn. 29). Aus diesen Gründen kam insbesondere die von der Musterklägerin beantragte Anordnung der Vorlage von Analysen zu den Plänen der Musterbeklagten zu 1 nicht in Betracht.

Der Senat hat aus diesem Grund auch von einer Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten nach § 273 Abs. 2 Nr. 2, §§ 432, 299 Abs. 1 ZPO i. V. m. §§ 474, 477 Abs. 4 StPO abgesehen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Musterbeklagten zu 1 die Einsichtsgesuche einzelner Beigeladener in die Strafakten sowohl von der Staatsanwaltschaft Stuttgart, dem Landgericht Stuttgart als auch dem Oberlandesgericht Stuttgart abgelehnt worden sind. Eine dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Beigezogene bzw. beizuziehende Akten aus anderen gerichtlichen oder behördlichen Verfahren sind nicht Bestandteil der Prozessakten. Das Gericht darf den Parteien diese Unterlagen jedenfalls dann nicht zur Verfügung stellen, wenn die aktenführende Stelle dem – wie hier – widersprochen hat (Bacher in: BeckOK ZPO, 45. Ed., § 299 Rn. 11; Greger in: Zöller, 34. Aufl., § 273 Rn. 8a, § 299 Rn. 3).

Eine Vorlegungspflicht ergibt sich hier auch nicht aus §§ 422, 423 ZPO, deren Voraussetzungen nicht vorliegen.

4. Für die Feststellungsziele ergibt sich hiernach Folgendes:

a) Unzulässig sind die Feststellungsziele VI.1.a., b., d. und e.

Gleiches gilt für die weiteren Feststellungsziele in Komplex VI insoweit, als sie sich auf Äußerungen beziehen, deren als unrichtig beanstandete Aussagen in den vorgenannten Feststellungszielen und damit nicht hinreichend bestimmt bezeichnet sind. Im Folgenden werden diese teilweise unzulässigen Feststellungsziele nur insoweit erörtert, als sie zulässig sind, also insoweit, als sie sich auf das zulässige Feststellungsziel VI.1.c. beziehen.

b) Die begehrten Feststellungen zu folgenden Feststellungszielen sind nicht zu treffen, so dass diese Feststellungsziele als unbegründet zurückzuweisen sind, wobei dies die Feststellungsziele in Komplex VI nur insoweit betrifft, als diese nicht bereits unzulässig sind. Dies gilt auch für entsprechende hilfsweise Feststellungsziele.

aa) Die Feststellungsziele III.3., IV.1., VI.1.c. und VII.1 sind auf die Feststellung gerichtet, dass die Ad-hoc-Mitteilung vom 3. März 2008, die Pressemitteilung vom 10. März 2008, die Pressemitteilung vom 16. September 2008 und die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 aus den in den jeweiligen Feststellungszielen genannten Gründen fehlerhaft waren. Diese Feststellungen sind insoweit nicht zu treffen, dass diese Mitteilungen grob fehlerhaft oder irreführend wären.

Soweit diese Feststellungsziele darüber hinaus auch auf die Feststellung einer unter dieser Schwelle der groben Fehlerhaftigkeit oder Irreführung liegenden Fehlerhaftigkeit gerichtet sind, sind sie bereits gegenstandslos. Eine solche „einfache“ Fehlerhaftigkeit oder Irreführung – die aber zumindest überwiegend ebenfalls nicht vorliegt – wäre nicht geeignet, eine Verwerflichkeit der Kommunikationsakte zu begründen.

Das Feststellungsziel VII.1. ist auch im Hinblick auf die festzustellende Zielsetzung zurückzuweisen, die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 hätte darauf abgezielt, einen weiteren Kursverfall zu verhindern und dadurch weitere Verluste zu vermeiden. Im Hinblick auf die weiter festzustellenden Zielsetzungen ist dieses Feststellungsziel wiederum gegenstandslos.

bb) Ebenfalls nicht zu treffen sind die Feststellungen, dass die Musterbeklagten Kenntnis von einer vermeintlichen groben Unrichtigkeit dieser Äußerungen hatten bzw. ihre Unkenntnis von einer solchen groben Unrichtigkeit auf grober Fahrlässigkeit beruhte, und zwar betreffend die Musterbeklagte zu 1, weil solche Unrichtigkeiten nicht vorlagen, und betreffend die Musterbeklagte zu 2 bereits aus dem Grund, dass eine Wissenszurechnung nicht erfolgt und eine anderweitige Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis nicht festzustellen ist. Zurückzuweisen sind in diesem Umfang damit die Feststellungsziele III.4., IV.2., VI.2., soweit sich dieses Feststellungsziel auf die in der Pressemitteilung vom 16. September 2008 zitierten Äußerungen von Dr. W. bezieht, und VII.2.

Betreffend die Musterbeklagte zu 2 sind diese Feststellungsziele auch im Hinblick auf eine „einfache“ Unrichtigkeit unterhalb der Schwelle einer groben Unrichtigkeit zurückzuweisen. Betreffend die Musterbeklagte zu 1 sind sie insoweit gegenstandslos.

cc) Nicht zu treffen sind weiter die Feststellungen, dass die in Rn. 686 bezeichneten Äußerungen – oder der hierdurch erzeugte Eindruck – zu berichtigen waren und dass die Unterlassung dieser Berichtigung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhte. Zurückzuweisen sind damit die Feststellungsziele III.5., III.5.a., III.5.c., IV.5., IV.8.a., IV.9., VI.5., VI.8.a., VI.9., VII.5., VII.8.a. und VII.9.

dd) Ebenso wenig sind die Feststellungen zu treffen, dass die Veranlassung dieser Äußerungen bzw. die Unterlassung der Berichtigung dieser Äußerungen sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB waren und die Musterbeklagte zu 1 insoweit vorsätzlich i.S.d. § 826 BGB gehandelt habe. Zurückzuweisen sind damit die Feststellungsziele III.6., III.7., III.8., III.9., IV.10., IV.11., IV.12., IV.13., VI.10., VI.11., VI.12., VI.13., VII.10., VII.11., VII.12. und VII.13.

ee) Gleichfalls sind die Feststellungen nicht zu treffen, dass der Aufsichtsratsbeschluss vom 23. Juli 2008 im Zeitraum vom 23. Juli 2008 bis zum 26. Oktober 2008 zu veröffentlichen gewesen wäre, diese Unterlassung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhte und sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB gewesen wäre. Zurückzuweisen sind damit die Feststellungsziele V.7.a., V.8., V.10. und V.11.

ff) Ebenso sind die Feststellungen nicht zu treffen, dass der Umstand der „konkreten Beherrschungsabsicht“ im Zeitraum vom 3. März 2008 bis zum 26. Oktober 2008 zu veröffentlichen gewesen wäre, die Unterlassung dieser Veröffentlichung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhte und sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB gewesen wäre. Zurückzuweisen sind damit die Feststellungsziele II.7.a., II.8., II.10. und II.11.

gg) Nicht festzustellen ist, dass die Stammaktie der Musterbeklagten zu 2 und darauf bezogene Optionen einen eigenständigen sachlich und räumlich relevanten Markt i.S.d. § 19 Abs. 2 GWB darstellten, die Musterbeklagte zu 1 eine marktbeherrschende Stellung gehabt und diese missbräuchlich i.S.d. § 19 Abs. 1 GWB ausgenutzt, gegen § 19 Abs. 1 GWB oder Art. 82 EG-Vertrag verstoßen habe und solche Verstöße vorsätzlich oder fahrlässig i.S.d. § 33 Abs. 3 Satz 1 GWB erfolgt seien. Zurückzuweisen sind damit die Feststellungsziele XI.1 - 3., XI.5., XI.6. und XI.7.

hh) Ebenso wenig sind die Feststellungen zu treffen, dass der Aufbau der Beteiligung der Musterbeklagten zu 1 an den Stammaktien der Musterbeklagten zu 2 oder die näher bezeichneten Äußerungen der Musterbeklagten zu 1 Wettbewerbshandlungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG darstellten, unlauter i.S.d. § 3 UWG i.V.m. § 4 Nr. 1, 10, 11 oder § 5 UWG waren und vorsätzlich oder fahrlässig i.S.d. § 9 Satz 1 UWG erfolgten. Zurückzuweisen sind daher die Feststellungsziele XII.2., XII.3., XII.4. und XII.6.

ii) Nicht zu treffen ist weiter die Feststellung, dass das Aufsichtsratsmitglied der Musterbeklagten zu 2, C. W., Kenntnis von der behaupteten „konkreten Beherrschungsabsicht“ der Musterbeklagten zu 1 gehabt habe, so dass das Feststellungsziel II.2. insoweit zurückzuweisen ist. Nicht zu treffen ist auch die Feststellung, die Musterbeklagte zu 2 habe seit dem 3. März 2008 Kenntnis dieser „konkreten Beherrschungsabsicht“ gehabt, so dass auch das Feststellungsziel II.4. zurückzuweisen ist. Gleiches gilt für eine Kenntnis des Aufsichtsratsbeschlusses vom 23. Juli 2008 und damit für das Feststellungsziel V.4.

Ebenfalls zurückzuweisen ist das Feststellungsziel II.3.a., dort genannte Aufsichtsratsmitglieder der Musterbeklagten zu 2 könnten sich nicht auf konfligierende Geheimhaltungspflichten berufen.

Nicht festzustellen ist, dass der Musterbeklagten zu 2 eine Kenntnis der im Feststellungsziel II.2. genannten Aufsichtsratsmitglieder zuzurechnen sei oder sie sich so behandeln lassen müsse, als ob sie Kenntnis von einer „konkreten Beherrschungsabsicht“ gehabt habe. Zurückzuweisen ist deshalb das Feststellungsziel II.3. Gleiches gilt betreffend die Zurechnung der Kenntnis der fraglichen Aufsichtsratsmitglieder von dem Aufsichtsratsbeschluss vom 23. Juli 2008, so dass auch das Feststellungsziel V.3. zurückzuweisen ist.

Mangels Zurechnung des Wissens eines Aufsichtsratsmitglieds, das aufgrund eines Doppelmandats einer anderen Gesellschaft gegenüber nach Maßgabe nationalen Gesellschaftsrechts insoweit zu Verschwiegenheit verpflichtet ist, ist auch das Feststellungsziel I.1. zurückzuweisen.

jj) Nicht zu treffen sind weiter die Feststellungen, dass die Musterbeklagte zu 2 Mittäterin oder Beteiligte i.S.d. § 830 BGB an den jeweils bezeichneten Handlungen der Musterbeklagten zu 1 war. Zurückzuweisen sind deshalb auch die Feststellungsziele VIII.4.a., VIII.4.b., VIII.4.c. (soweit nicht bereits unzulässig), XI.8. und XII.7.

c) Im Übrigen sind die Feststellungsziele gegenstandslos. Dies betrifft die Feststellungsziele II.1. und II.2., soweit nicht die Kenntnis des Aufsichtsratsmitglieds C. W. infrage steht.

Weiter betrifft dies die Feststellungsziele, bestimmte Äußerungen etc. stellten Insiderinformationen dar und beträfen die Musterbeklagten unmittelbar, mithin die Feststellungsziele II.5., II.6., III.1., III.2., IV.6., IV.7., V.5., V.6., VI.6., VI.7., VII.6. und VII.7.

Gegenstandslos sind weiter die Feststellungsziele II.7., III.5.b., IV.8. und VII.8., die auf die Feststellung gerichtet sind, die Musterbeklagten hätten es unterlassen, bestimmte Informationen zu veröffentlichen.

Gegenstandslos sind zudem alle auf die Feststellung einer bestimmten Aktivlegitimation oder der Rechtsfolgen gerichteten Feststellungsziele, weil eine Haftung schon dem Grunde nach ausscheidet, mithin die Feststellungsziele VIII.1., VIII.1.a., VIII.2., VIII.3., X.1. - X.5., XI.4., XIII.1. und XIII.2.

Gegenstandslos sind schließlich die Feststellungsziele XII.1. und XII.5.

    III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil über die im Musterverfahren angefallenen Kosten das Prozessgericht entscheidet (§ 16 Abs. 2 KapMuG).

D. Zurückweisung weiterer Erweiterungsanträge

Die Erweiterungsanträge der Musterklägerin und der Beigeladenen, über die der Senat bislang noch nicht entschieden hat, sind zurückzuweisen.

   I.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 KapMuG ist das Musterverfahren insbesondere nur dann um weitere Feststellungziele zu erweitern, wenn die Entscheidung der zugrundeliegenden Rechtsstreite von diesen weiteren Feststellungszielen abhängt und das Oberlandesgericht die Erweiterung für sachdienlich erachtet. Diese Sachdienlichkeit ist im Wege einer Gesamtabwägung zu prüfen. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass entsprechend dem Ziel des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes, eine möglichst umfassende Klärung aller Tat- und Rechtsfragen herbeizuführen, grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen ist. Andererseits ist auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass den Beteiligten des Musterverfahrens nicht per se dadurch effektiverer Rechtsschutz gewährt wird, dass eine möglichst große Zahl von Tat- und Rechtsfragen zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wird. Effektiver Rechtsschutz setzt vielmehr auch voraus, dass das Musterverfahren noch handhabbar bleibt und in möglichst angemessener Zeit abgeschlossen werden kann (OLG Braunschweig, Beschluss vom 23. September 2020 – 3 Kap 1/16, juris Rn. 41 m.w.N.).

Hiernach ist eine Erweiterung des Musterverfahrens – soweit vorliegend von Bedeutung – insbesondere in zwei Fällen grundsätzlich nicht sachdienlich:

1. Die vorliegenden Erweiterungsanträge zielen überwiegend auf die Feststellung einzelner Tatsachen oder Rechtsfragen, die selbst keinen unmittelbaren Schluss auf das Bestehen oder den Inhalt von Ersatzansprüchen zulassen, sondern nur in der Zusammenschau mit weiteren Umständen den Schluss auf das Vorliegen von Tatbestandsmerkmalen zulassen. Diese Tatbestandsmerkmale sind vorliegend aber bereits Gegenstand allgemeiner formulierter Feststellungsziele; über sie ist deshalb in dem Musterentscheid ohnehin mit bindender Wirkung zu entscheiden.

a) Eine Erweiterung des Musterverfahrens um rechtliche oder tatsächliche Vorfragen oder Teilaspekte eines Tatbestandsmerkmals, über das ohnehin mit bindender Wirkung entschieden wird, ist in der Regel nicht sachdienlich (OLG Braunschweig, a.a.O., Rn. 43 ff.). Eine Relevanz der Feststellung dieser Vorfragen und Teilaspekte für sich genommen ist nach der Begründung der Erweiterungsanträge und auch im Übrigen nicht zu erkennen. In der Sache ist auf die Umstände, auf die sich diese Erweiterungsanträge beziehen, ohnehin bei der Prüfung der übergeordneten Feststellungsziele einzugehen, soweit diesen Umständen in der Gesamtschau Bedeutung zukommen kann.

b) Die Erweiterung des Musterverfahrens um die – teilweise recht kleinteiligen – weiteren Feststellungziele ist insbesondere nicht deshalb erforderlich oder auch nur sachdienlich, weil die für die in den Ausgangsverfahren streitgegenständlichen Ersatzansprüche maßgeblichen Umstände durch die bereits zugelassenen „übergeordneten“ Feststellungsziele nicht hinreichend klar abgegrenzt und bestimmt wären.

aa) Soweit die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit einer Kapitalmarktinformation hinsichtlich mehrerer Aussagen festgestellt werden soll, entspricht es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass es sich bei jeder angeblich fehlerhaften oder unzureichenden Aussage um ein eigenständiges Feststellungsziel i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG handelt; das Begehren im Musterverfahren kann nicht pauschal darauf gerichtet sein, nur generell zu klären, ob eine Kapitalmarktinformation fehlerhaft ist. Jede beanstandete Aussage oder Auslassung einer Kapitalmarktinformation bildet einen eigenständigen Streitgegenstand des Musterverfahrens (BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, juris Rn. 33 f.). Das Feststellungziel muss bestimmt bezeichnen, welche kursbeeinflussende Tatsache bzw. Insiderinformation Gegenstand der rechtlichen Prüfung im Musterverfahren sein soll, woran das Oberlandesgericht seine rechtliche Prüfung zu orientieren hat (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2018 – II ZB 24/14, juris Rn. 33).

Nicht erforderlich ist demgegenüber, dass jeder einzelne subsumtionserhebliche Umstand in einem Feststellungsziel angegeben ist. Das Gericht hat vielmehr innerhalb des durch die Feststellungsziele vorgegebenen Prüfungsrahmens auch weitere sich aus dem Parteivortrag ergebende Umstände zu berücksichtigen (OLG Braunschweig, Beschluss vom 23. September 2020, a.a.O., Rn. 21 a.E.).

bb) Soweit – wie vorliegend weitgehend – Ansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB aufgrund einer vermeintlich falschen bzw. unvollständigen Kapitalmarktinformation infrage stehen, muss in den Feststellungszielen abgegrenzt sein, welche einzelne Aussage einer Kapitalmarktinformation fehlerhaft bzw. im Hinblick auf welche Aussagen diese Information unvollständig sein soll. Ausreichend ist dabei aber entsprechend der allgemeinen Dogmatik zum Streitgegenstand, dass hinreichend abgegrenzt wird, in welcher Hinsicht eine solche Aussage fehlerhaft bzw. unvollständig sein soll. Demnach darf ein Feststellungsziel nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO entsprechend) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Musterbeklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was mit Bindungswirkung für die Ausgangsverfahren feststeht (§ 22 Abs. 1 KapMuG), letztlich den Prozessgerichten der ausgesetzten Verfahren überlassen bleibt (BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, juris Rn. 64). Soweit diese Abgrenzbarkeit aber gegeben ist, ist es nicht erforderlich, darüber hinaus jeden einzelnen Umstand, der bei der Prüfung der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit zu berücksichtigen sein mag, kleinteilig in einem Feststellungsziel abzubilden.

cc) Die im vorliegenden Verfahren bereits zugelassenen Feststellungsziele grenzen den Gegenstand des Musterverfahrens unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hinreichend bestimmt ab. Die den noch nicht beschiedenen Erweiterungsanträgen zugrunde liegenden Feststellungsziele zielen zu einem großen Teil auf die Feststellung einzelner Umstände, die bei der Prüfung im Rahmen der durch die bereits zugelassenen Feststellungsziele bestimmten Streitgegenstände ohnehin berücksichtigt sind. Einzelheiten sind insoweit – soweit erforderlich – nachfolgend dargestellt. Durch die Zulassung dieser weiteren Feststellungsziele könnte der Streitstoff deshalb nicht umfassender erledigt werden, als dies auch nach den bereits zugelassenen Feststellungszielen der Fall ist.

2. Darüber hinaus ist die beantragte Erweiterung des Musterverfahrens teilweise auch deshalb nicht sachdienlich, weil es nach den Ergebnissen des Musterverfahrens für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits auf die Beantwortung verschiedener weiterer Feststellungsziele nicht ankommt. Ebenso, wie bereits zugelassene Feststellungsziele in einem solchen Fall gegenstandslos sind (dazu etwa BGH, Beschluss vom 10. Juli 2018 – II ZB 24/14, juris Rn. 135 ff.), wäre erst recht eine Erweiterung um Feststellungsziele nicht sachdienlich, auf die es nach dem Ergebnis des Musterverfahrens nicht mehr ankommt (vgl. Kruis in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 15 KapMuG, Rn. 20).

    II.

Im Einzelnen ist die beantragte Erweiterung des Musterverfahrens deshalb aus folgenden Gründen abzulehnen:

1. Die Erweiterungsanträge Nr. 1, 2 und 6 aus dem Schriftsatz der Musterklägerin und der E.-Beigeladenen vom 15. Oktober 2018 (Bl. 6005 d.A.) sowie die Erweiterungsanträge Nr. 1 bis 4 und 8 aus dem Schriftsatz der E.-Beigeladenen vom 16. Mai 2019 (Bl. 9060 f. d.A.) zielen darauf ab, dass die Musterbeklagte zu 1 Kenntnis von der Entwicklung und dem Einsatz illegaler Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen der Musterbeklagten zu 2 gehabt und dies in Kauf genommen bzw. sogar darauf hingewirkt habe, um ihre Übernahmepläne nicht zu gefährden. Vergleichbar behandeln die Erweiterungsanträge Nr. 5 bis 7 aus dem Schriftsatz der E.-Beigeladenen vom 16. Mai 2019 (Bl. 9060 f. d.A.) eine auf derselben Motivation beruhende Verhinderung einer Kooperation der Musterbeklagten zu 2 mit der DaimlerChrysler AG durch die Musterbeklagte zu 1 und diesbezügliche Interessenkonflikte der Organmitglieder bzw. Vertreter der Großaktionäre der Musterbeklagten zu 1.

Diese beantragten Erweiterungen richten sich unter Berücksichtigung der näheren Ausführungen der Musterklägerin und der Beigeladenen zu dieser sog. Diesel-Pro-blematik nicht auf die Feststellung, dass bestimmte Aussagen in Kapitalmarktinformationen unrichtig oder unvollständig wären, auch wenn der erste Halbsatz des Erweiterungsantrags Nr. 2 aus dem Schriftsatz vom 15. Oktober 2018 bei isolierter Betrachtung so verstanden werden könnte. Vielmehr sei diese Kenntnis bzw. Motivation der Musterbeklagten zu 1 bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit der nach den bereits zugelassenen Feststellungszielen streitgegenständlichen Aussagen zu berücksichtigen. Diese Umstände sind damit Teilaspekte der Gesamtschau, die bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit ohnehin vorgenommen worden ist. Diese Sittenwidrigkeit ist betreffend die einzelnen streitgegenständlichen Aussagen bereits Gegenstand von zugelassenen Feststellungszielen, beispielsweise den Feststellungszielen II.10., II.11., III.8., IV.10. und IV.12. Auch die in den Erweiterungsanträgen abgebildeten Umstände sind damit Bestandteil der ohnehin vorgenommenen Gesamtschau. Die abschließend durch den Senat vorgenommene Beurteilung der Sittenwidrigkeit hat schon aufgrund dieser zugelassenen Feststellungsziele Bindungswirkung für die Ausgangsverfahren.

Dass die Feststellung der mit den Erweiterungsanträgen bezeichneten Teilaspekte der Sittenwidrigkeitsprüfung daneben oder darüber hinaus Relevanz für die Entscheidung der Ausgangsverfahren haben könnte, ist nicht ersichtlich.

Entsprechend sind auch die Erweiterungsanträge unter B.XVII. aus dem Schriftsatz der E.-Beigeladenen vom 4. Oktober 2021 (Bl. 11737 ff. d.A.) nicht sachdienlich.

2. Die Erweiterungsanträge Nr. 3, 4 und 7 aus dem Schriftsatz der Musterklägerin und der E.-Beigeladenen vom 15. Oktober 2018 (Bl. 6005 d.A.) zielen darauf ab, dass die Musterbeklagte zu 1 es seit dem 4. März 2008 trotz Kenntnis der Mitglieder ihres Vorstands und ihres Aufsichtsrats unterlassen habe, bestimmte Umstände betreffend ihre Optionsstrategien und Entscheidungen ihres Gesellschafterausschusses im Hinblick auf die Übernahme der Musterbeklagten zu 2 zu veröffentlichen.

Diese Umstände sind in der Sache bereits Gegenstand u.a. der zugelassenen Feststellungsziele III.3., III.5., III.5.a, III.5.b. und III.6. und vergleichbarer Feststellungziele betreffend Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten weiterer Aussagen. Auch wenn dort die als unterlassen beanstandete Veröffentlichung jeweils nur im Zusammenhang mit der Berichtigung bestimmter Aussagen zum Gegenstand des Musterverfahrens gemacht wurde, gehen die nunmehr gestellten Erweiterungsanträge nicht dergestalt darüber hinaus, dass hierdurch der Streitgegenstand verändert oder erweitert würde. Es stellt im Hinblick auf die Kognitionspflicht des Senats, die Verteidigungsmöglichkeit der Musterbeklagten und den Umfang der Bindungswirkung einer zu treffenden Entscheidung keinen wesentlichen Unterschied dar, ob die mit den Erweiterungsanträge bezeichneten Umstände per se zu veröffentlichen gewesen wären oder nur deshalb, weil frühere Aussagen insoweit unvollständig gewesen wären.

Dass die explizite Feststellung der mit den Erweiterungsanträgen bezeichneten Kursrelevanz der entsprechenden Tatsachen und der entsprechenden Kenntnis der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates der Musterbeklagten zu 1 daneben oder darüber hinaus Relevanz für die Entscheidung der Ausgangsverfahren haben könnte, ist nicht ersichtlich.

Darüber hinaus wäre die Erweiterung um diese Feststellungsziele auch deshalb nicht sachdienlich, weil sie nach dem Ergebnis des Musterverfahrens gegenstandslos wären. Eine Haftung der Musterbeklagten zu 1 aus § 37b bzw. § 37c WpHG für Transaktionen von Aktien der Musterbeklagten zu 2 bzw. hierauf bezogenen Derivaten scheidet aus. Aus § 826 BGB haftete sie selbst bei einer entsprechenden Kursrelevanz der fraglichen Tatsachen ebenfalls nicht. Auch für die Haftung der Musterbeklagten zu 2 kommt es auf die Kenntnis der in den Erweiterungsanträgen bezeichneten Personen nicht an, weil der Musterbeklagten zu 2 eine solche Kenntnis nicht zuzurechnen wäre.

3. Entsprechend der vorstehenden Erwägungen unter 1. und 2. ist auch der Erweiterungsantrag unter A. aus dem Schriftsatz der E.-Beigeladenen vom 4. Oktober 2021 (Bl. 11737 ff. d.A.) zurückzuweisen, der auf die Feststellung gerichtet ist, dass die in den vorgenannten Anträgen bezeichneten Umstände bei der Sittenwidrigkeitsprüfung zu berücksichtigen seien.

4. Die Erweiterungsanträge aus dem Schriftsatz der T. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH vom 31. März 2019 (Bl. 8489 f. d.A.) zielen auf die Feststellung ab, dass die Musterbeklagte zu 1 es am 24. Oktober 2008, spätestens aber im Zusammenhang mit der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 pflichtwidrig unterlassen habe, eine Gewinnwarnung im Wege einer Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen.

Da Ersatzansprüche der Kläger der Ausgangsverfahren aus §§ 37b, c WpHG gegen die Musterbeklagte zu 1 aus den vorgenannten Erwägungen ausscheiden, kann die Entscheidung dieser Ausgangsverfahren von diesen weiteren Feststellungszielen nur insoweit abhängen, als diese infrage stehende Unterlassung bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit nach § 826 BGB zu berücksichtigen ist. Insoweit sind diese Gesichtspunkte bereits insbesondere aufgrund der zugelassenen Feststellungsziele VII.1.f), g), VII.5., VII.10. und VII.12. berücksichtigt worden. Hiernach ist streitgegenständlich unter anderem die Behauptung, die Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 sei unrichtig, weil die Musterbeklagte zu 1 zu diesem Zeitpunkt die Übernahmeabsicht unter anderem aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr realistisch habe umsetzen können. Zudem seien in der Pressemitteilung falsche Motive genannt worden; tatsächliches Motiv sei es unter anderem gewesen – wie sich aus dem Vortrag der Musterklägerin in der Sache ergibt – eine bevorstehende Insolvenz der Musterbeklagten zu 1 zu verhindern. Zudem wäre die Musterbeklagte zu 1 verpflichtet gewesen, die Pressemitteilung im Wege einer Ad-hoc-Mitteilung zu korrigieren, mithin die behaupteten Umstände zu veröffentlichen. Im Rahmen der durch diese Feststellungsziele abgegrenzten Streitgegenstände hat der Senat ohnehin die behauptete drohende Insolvenz der Musterbeklagten zu 1, die durch die Optionsstrategien bedingten Verluste und die vermeintlich pflichtwidrige Unterlassung einer Gewinnwarnung berücksichtigt.

Dass die Feststellung der mit den Erweiterungsanträgen bezeichneten Teilaspekte der Sittenwidrigkeitsprüfung daneben oder darüber hinaus Relevanz für die Entscheidung der Ausgangsverfahren haben könnte, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Feststellungsziele wären nach der Rechtsauffassung des Senats daher ohnehin gegenstandslos.

Entsprechend den vorstehenden Erwägungen wäre eine Erweiterung auch insoweit nicht sachdienlich, als der Erweiterungsantrag c) bb) die Unterlassung einer vollständigen Offenlegung insbesondere der Put-Optionspositionen und die hypothetischen Auswirkungen einer solchen Offenlegung auf die Kurse der Aktien der Musterbeklagten zu 2 zum Gegenstand hat.

5. Entsprechend den vorstehenden Erwägungen ist auch eine Erweiterung des Musterverfahrens um die mit Schriftsatz der Musterklägerin vom 7. April 2019 unter Nr. A.I. (Bl. 8785 f. d.A.) formulierten Feststellungsziele nicht sachdienlich. Auch die dort abgebildeten Umstände sind bereits aufgrund der zugelassenen Feststellungsziele vom Senat berücksichtigt.

6. Der Erweiterungsantrag Nr. A.II.1. aus dem Schriftsatz der Musterklägerin vom 7. April 2019 (Bl. 8785 f. d.A.) bezieht sich auf die unterlassene Korrektur bestimmter Pressemitteilungen insbesondere betreffend die dort vermeintlich nicht hinreichend veröffentlichte Beherrschungsabsicht der Musterbeklagten zu 1 und anderer vermeintlicher Unrichtigkeiten bzw. auf die Unterlassung entsprechender Veröffentlichungen selbst. Da aus der Verletzung der dort in Bezug genommenen Vorschrift des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG unmittelbar und auch in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB nach der Rechtsauffassung des Senats keine Ersatzansprüche folgen, kommt den in diesem Erweiterungsantrag bezeichneten Umständen wiederum allenfalls im Zusammenhang mit der Prüfung der Sittenwidrigkeit nach § 826 BGB Bedeutung zu. Insoweit bedarf es keines weiteren Feststellungsziels; die entsprechenden Unterlassungen sind bereits Gegenstand zugelassener Feststellungsziele.

7. Die Erweiterungsanträge Nr. A.II.2. und II.3. aus dem Schriftsatz der Musterklägerin vom 7. April 2019 (Bl. 8785 f. d.A.) sowie die Erweiterungsanträge unter B.IV. aus dem Schriftsatz der E.-Beigeladenen vom 4. Oktober 2021 (Bl. 11742 ff. d.A.) zielen auf die Feststellungen ab, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Mitteilungspflicht nach § 15a Abs. 1 WpHG vorgelegen hätten und eine Verletzung dieser Pflichten vorsätzlich erfolgt sei.

Auch aus der etwaigen Verletzung solcher Mitteilungspflichten folgten Ersatzansprüche weder unmittelbar noch in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB. Auch bei dieser Vorschrift handelt es sich nach überwiegender Auffassung, der der Senat folgt, nicht um ein Schutzgesetz, weil ihr keine individualschützende Wirkung zukommt. Einer etwaigen Verletzung dieser Mitteilungspflichten und damit den in diesen Erweiterungsanträgen bezeichneten Umständen kommt damit wiederum allenfalls im Zusammenhang mit der Prüfung der Sittenwidrigkeit nach § 826 BGB Bedeutung zu. Insoweit bedarf es keines weiteren Feststellungsziels; die entsprechenden Unterlassungen sind bereits Gegenstand zugelassener Feststellungsziele. Ein zentraler Angriff der Musterklägerin, der in verschiedenen Feststellungszielen zum Ausdruck kommt, ist gerade, dass die Musterbeklagte zu 1 nicht ausreichend bzw. unzutreffend über die Entwicklung und Umsetzung ihrer „Zugriffsstrategie“, und damit insbesondere über den Stand ihres Aktienbesitzes und der darauf bezogenen Optionen informiert habe.

Entsprechendes gilt insoweit, als sich der Erweiterungsantrag unter II.3. des Schriftsatzes vom 7. April 2019 auch auf Meldepflichten nach §§ 21, 22 WpHG bezieht.

8. Der Erweiterungsantrag Nr. A.II.4. aus dem Schriftsatz der Musterklägerin vom 7. April 2019 (Bl. 8785 f. d.A.) ist ebenfalls zurückzuweisen. Insoweit kann offenbleiben, ob die Form einer Beteiligung der Musterbeklagten zu 2 an möglichen Delikten bezüglich der Pressemitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 26. Oktober 2008 bereits Gegenstand der zugelassenen Feststellungsziele ist, die auf die Feststellung der deliktischen Haftung bei der Musterbeklagten gerichtet sind und damit naheliegend auch die Beteiligungsform umfassen. Jedenfalls ist die Erweiterung um dieses Feststellungsziel deshalb nicht sachdienlich, weil es nach dem Ergebnis des Musterverfahrens gegenstandslos wäre. Keine der beiden Musterbeklagten haftet wegen der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008.

9. Die Erweiterungsanträge Nr. A.II.5., II.6. und II.10. aus dem Schriftsatz der Musterklägerin vom 7. April 2019 (Bl. 8785 f. d.A.) sind auf die Feststellung grober Fahrlässigkeit gerichtet und zielen damit ersichtlich auf eine Haftung aus §§ 37b, c WpHG. Insoweit ist die begehrte Feststellung grober Fahrlässigkeit bereits Gegenstand der zugelassenen Feststellungsziele IV.9. und V.8. Es handelt sich damit bereits nicht um „weitere“ Feststellungsziele i.S.d. § 15 Abs. 1 KapMuG.

10. Der mit dem Erweiterungsantrag Nr. A.II.7. aus dem Schriftsatz der Musterklägerin vom 7. April 2019 (Bl. 8785 f. d.A.) angestrebte Klammerzusatz stellt eine überflüssige und damit nicht sachdienliche Erläuterung des in dem zugelassenen Feststellungsziel verwandten Begriffs „fehlerhaft“ dar.

11. Die mit den Anträgen Nr. A.II.8. und II.9. aus dem Schriftsatz der Musterklägerin vom 7. April 2019 (Bl. 8785 f. d.A.) angestrebte Neufassung führte zu keiner inhaltlichen Änderung oder auch nur substantiellen Klarstellung des zugelassenen Feststellungsziels VII.1. Auch dieser Antrag ist daher zurückzuweisen. Auch soweit der nach dem Antrag Nr. II.9. einzufügende Zusatz „insbesondere“ klarstellen soll, dass auch weitere Motive im Rahmen der Prüfung einer Sittenwidrigkeit nach § 826 BGB zu berücksichtigen seien, wäre eine Erweiterung nicht sachdienlich, weil dieser Prüfung ohnehin eine Gesamtschau aller vorgetragenen Umstände zugrunde gelegt ist.

12. Die mit dem Antrag Nr. A.II.11. aus dem Schriftsatz der Musterklägerin vom 7. April 2019 (Bl. 8785 f. d.A.) angestrebte Erweiterung wäre nicht sachdienlich. Das mit diesem Antrag formulierte Feststellungsziel, das Bedeutung für die Feststellung eines Schadens hätte, wäre gegenstandslos, weil die Musterbeklagten schon dem Grunde nach nicht haften.

13. Der Erweiterungsantrag zu Nr. III.1.a) aus dem Schriftsatz der Musterklägerin vom 1. September 2021 (Bl. 11574 ff. d.A.) ist nicht entscheidungserheblich und sachdienlich. Ein entsprechendes Feststellungsziel wäre gegenstandslos.

Die Frage, ob der jeweilige Beteiligungsumfang eine Insiderinformation darstellte, ist in erster Linie für eine Haftung aus §§ 37b, c WpHG von Bedeutung. Eine solche scheidet betreffend die Musterbeklagte zu 1 aber schon grundsätzlich aus. Einer Haftung der Musterbeklagten zu 2 auf dieser Grundlage steht schon entgegen, dass diese keine Kenntnis von diesen entsprechenden Umständen hatte und ihr insoweit auch keine grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.

Soweit ein Verstoß gegen § 15 WpHG im Rahmen der Beurteilung der Sittenwidrigkeit i.S.d. § 826 BGB zu prüfen ist, ist diese Prüfung wiederum unabhängig davon vorzunehmen, ob die Voraussetzungen der Veröffentlichungspflicht nach § 15 WpHG in einem Feststellungsziel abgebildet sind.

Aufgrund entsprechender Erwägungen sind auch die Erweiterungsanträge zu Nr. VII.1.1.a), VII.1.2.a) und VII.1.3.a) aus dem Schriftsatz der Musterklägerin vom 1. September 2021 (Bl. 11574 ff. d.A.) mangels Sachdienlichkeit zurückzuweisen.

14. Der Erweiterungsantrag zu Nr. VII.1.a) aa) aus dem Schriftsatz der Musterklägerin vom 1. September 2021 (Bl. 11574 ff. d.A.) zielt ausweislich seiner Begründung auf das Verschweigen von Put-Optionen auf Vorzugsaktien der Musterbeklagten zu 2. Das Verschweigen von Put-Optionen ist aber unabhängig der jeweiligen Referenzaktie bereits Gegenstand des zugelassenen Feststellungsziels VII.1.a). Der Erweiterungsanträge ist damit nicht auf ein „weiteres“ Feststellungsziel i.S.d. § 15 Abs. 1 KapMuG gerichtet.

15. Der Erweiterungsantrag zu Nr. VII.1.a) bb) aus dem Schriftsatz der Musterklägerin vom 1. September 2021 (Bl. 11574 ff. d.A.) ist auf die Feststellung gerichtet, es sei fälschlich behauptet worden, der Absicherungskurs der Optionen liege unterhalb des (künftigen) Aktienkurses. Dieser Gesichtspunkt ist Teil der Argumentation der Musterklägerin, die Musterbeklagte zu 1 habe eine wirtschaftlich nicht realistisch umsetzbare Zielsetzung kommuniziert. Diese Auffassung ist Gegenstand des zugelassenen Feststellungsziels VII.1.f). Der auf die Feststellung eines Teil-Aspekts dieser Prüfung gerichtete Erweiterungsantrag ist deshalb nicht sachdienlich. Die möglichen Kursentwicklungen hat der Senat ohnehin schon aufgrund der zugelassenen Feststellungsziele bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit berücksichtigt.

Aufgrund entsprechender Erwägungen sind auch die Erweiterungsanträge zu Nr. VII.1.1., VII.1.2., VII.1.3. und VII.1.4. bis VII.1.7. aus dem Schriftsatz der Musterklägerin vom 1. September 2021 (Bl. 11574 ff. d.A.) mangels Sachdienlichkeit zurückzuweisen.

16. Der Erweiterungsantrag zu Nr. VII.1.e) aus dem Schriftsatz der Musterklägerin vom 1. September 2021 (Bl. 11574 ff. d.A.) ist unabhängig davon, dass der Begriff der „dauerhaften“ Marktenge nicht hinreichend bestimmt ist, schon mangels Sachdienlichkeit zurückzuweisen. Bereits im Rahmen der Beurteilung des zugelassenen Feststellungsziels VII.1.e) ist die dem zugrundeliegende Argumentation der Musterklägerin berücksichtigt, es sei eine dauerhafte Marktenge suggeriert worden, ohne dass dieser Teilaspekt ausdrücklich in einem Feststellungsziel abgebildet werden müsste.

17. Auch die Umstände, die Gegenstand der Erweiterungsanträge zu Nr. VII.1.8. und VII.1.9. aus dem Schriftsatz der Musterklägerin vom 1. September 2021 (Bl. 11574 ff. d.A.) sind, sind bereits von den zugelassenen Feststellungszielen VII.1.g) und VII.2. umfasst. Auch insoweit wäre die Erweiterung des Musterverfahrens nicht sachdienlich.

18. Schließlich sind auch die übrigen Erweiterungsanträge unter B. aus dem Schriftsatz der E.-Beigeladenen vom 4. Oktober 2021 (Bl. 11737 ff. d.A.) zurückzuweisen.

a) Diese Erweiterungsanträge haben eine Vielzahl von Umständen zum Gegenstand, die bei der Beurteilung zu berücksichtigen seien, ob die Veröffentlichung der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 sittenwidrig war. Sie greifen in der Sache aber nur den Sachverhalt auf, der ohnehin Gegenstand der durch den Senat vorgenommenen Prüfung ist und auf dessen Grundlage der Senat mit Bindungswirkung über diese Sittenwidrigkeit entscheidet. Ein Interesse an der ausdrücklichen Feststellung jedes einzelnen im Rahmen der Sittenwidrigkeitsprüfung zu berücksichtigenden Umstands besteht – wie gezeigt – nicht.

b) Soweit einzelne Feststellungsziele zum Gegenstand haben, dass bestimmte Umstände zugleich Insiderinformationen i.S.d. §§ 13, 15 WpHG gewesen seien, rechtfertigt dies wiederum keine andere Beurteilung. Diese Gesichtspunkte sind bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit berücksichtigt.

Dass darüber hinaus wegen der möglichen Verletzung dieser Veröffentlichungspflichten – soweit sie nicht bereits Gegenstand zugelassener Feststellungsziele sind – Ansprüche in den Ausgangsverfahren geltend gemacht sind, ist bereits nicht dargetan. Auch die Begründung der Erweiterungsanträge lässt nicht erkennen, dass insoweit Ansprüche etwa aus §§ 37b, c WpHG geltend gemacht würden. Im Gegenteil führen die E.-Beigeladenen unter Rn. 4 des bezeichneten Schriftsatzes aus, dass es das Ziel der Erweiterungsanträge sei, deutlich zu machen, dass die in Bezug genommenen Umstände im Rahmen einer Gesamtschau bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit der vorgenannten Pressemitteilung zu berücksichtigen seien, wozu es aber entsprechender Feststellungsziele nicht bedarf. Im Übrigen wären entsprechende Feststellungsziele aus den vorgenannten Gründen auch gegenstandslos.

Gleiches gilt für Erweiterungsanträge, die wie die Erweiterungsanträge unter X.4. und XI.3.-7. einzelne Rechtsfragen zum Inhalt der Veröffentlichungspflicht zum Gegenstand haben.

c) Einzelne Erweiterungsanträge – insbesondere die Anträge zum Komplex VI. (Bl. 11745 f.) – nehmen auf vermeintlich falsche und irreführende Kapitalmarktkommunikation Bezug, die zeitlich vor den Kommunikationsakten erfolgte, auf die die Ersatzansprüche der Ausgangskläger gestützt sind, mithin auf Kommunikationsakte vor dem 3. März 2008. Durch diese Anträge würde der Streitgegenstand des Musterverfahrens nicht erweitert; unmittelbar auf diese Kommunikationsakte werden keine Ansprüche gestützt. Auch wenn die diesen Anträgen zugrundeliegenden Umstände im Rahmen der Gesamtschau bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit der streitgegenständlichen Kapitalmarktkommunikation zu berücksichtigt worden sind, ist eine Erweiterung des Musterverfahrens – wie ausgeführt – nicht sachdienlich.

d) Erst recht ist eine Erweiterung insoweit nicht sachdienlich, als die Feststellung begehrt wird, dass bestimmte Umstände bei der Sittenwidrigkeitsprüfung zu berücksichtigen seien.

    III.

Diese Zurückweisung der Erweiterungsanträge ist unanfechtbar (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2018 – II ZB 24/14, juris Rn. 137 ff.).

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