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Wirtschaftsrecht
10.01.2013
Wirtschaftsrecht
OLG Köln: Irreführende Werbung mit Testsiegel einer Verpackung

OLG Köln, Urteil vom 4.4.2012 - 6 U 197/11


Sachverhalt


I. Die Parteien sind Wettbewerber u.a. auf dem Markt für Geschirrspülmaschinenreiniger. Am 1.3.2010 veröffentlichte die „Stiftung Warentest" einen Testbericht, aus dem ein Produkt der Klägerin als Testsieger hervorging, während zwei Produkte der Beklagten mit einer deutlich schlechteren Benotung lediglich Platz 11 bzw. 13 belegten. Kurze Zeit später bewarb die Beklagte zwei andere Geschirrspülmaschinenreiniger in TV-Werbespots, im Internet, durch Werbezettel und auf den Produktverpackungen wie aus Tenor ersichtlich mit Konsumententests, nach denen 88 %, 79 % bzw. 83 % der Verbraucher die Produkte der Beklagten mit „sehr gut" bewerten. Die zugrunde liegenden Tests wurden im Auftrag der Beklagten von der J. durchgeführt. Die Verbraucher wurden nur zu den jeweiligen Produkten der Beklagten befragt und sollten das getestete Produkt auf folgender Notenskala einordnen: (1) ausgezeichnet (2) sehr gut (3) gut (4) weniger gut (5) schlecht. Wegen der weiteren Einzelheiten der Auswahl der Testpersonen und der Durchführung der Tests wird auf die Anlagen B4, B5 und B10 Bezug genommen.


Die Beklagte hält die Werbung mit diesen Testergebnissen für irreführend, weil die Tests nicht den Erwartungen der Verbraucher an die Durchführung eines Produkttests genügten. Außerdem sei die Werbung unzulässig, weil sie keine Angabe zur Fundstelle der Tests enthalte. Hilfsweise macht die Klägerin geltend, die Beklagte habe sie durch die angegriffene Werbung im Hinblick auf das von ihrem Produkt im Test der Stiftung Warentest erzielte Ergebnis gezielt behindert.


Die Klägerin verlangt die Unterlassung der aus dem Tenor ersichtlichen Werbung und Ersatz von Abmahnkosten. Das Landgericht hat der Unterlassungsklage vollumfänglich stattgegeben und auf Freistellung der Klägerin von der anwaltlichen Gebührenforderung in Höhe von 1.030,25 € erkannt und die Klage im Übrigen, nämlich soweit sie auf Zahlung gerichtet war, abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag in vollem Umfang weiter. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil mit der Maßgabe, dass im Hinblick auf die fehlende Fundstellenangabe die konkreten Verletzungsformen wie aus dem Tenor ersichtlich einzublenden seien. Die Beklagte hat der darin liegenden Teilklagerücknahme zugestimmt. Mit der Anschlussberufung verfolgt die Klägerin ihren auf Zahlung gerichteten Antrag auf Abmahnkostenersatz weiter. Die Beklagte hat - nach entsprechenden Erklärungen des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung - nicht weiter bestritten, dass die verfahrensgegenständliche Rechnung von der Klägerin bezahlt worden ist.


Im Übrigen wird wegen des Sachverhalts gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.


Aus den Gründen


II. Die Berufung hat, nachdem die Klägerin ihren Antrag im Hinblick auf den Vorwurf der Irreführung durch eine fehlende Fundstellenangabe teilweise zurückgenommen hat, keinen Erfolg.


1. Das Landgericht hat in der Werbung mit den Konsumententests zu Recht eine zur Unterlassung verpflichtende Irreführung gesehen, § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 UWG.


a) Zunächst ist klarzustellen, dass der Senat insofern von einem einheitlichen Streitgegenstand ausgeht und das Verbot des Landgerichts dahin versteht, dass es auf die Werbung mit derartigen Testsiegeln abzielt, ohne dass es auf die exakten Zahlenangaben in dem Testsiegel ankäme. Dass mehrere Testsiegel als konkrete Verletzungsform eingeblendet sind, dient insofern lediglich einer zusätzlichen Erläuterung des Verbots, ohne dass hierdurch der Verbotsumfang verändert würde. Das so verstandene Verbot gilt unabhängig davon, in welchem Medium oder auf welchem Werbeträger (Fernsehspot, Internet, Coupon, Verpackung) das Testsiegel verwendet wird. Nach der Begründung der Entscheidung genügt es für die Irreführung zudem, dass den Tests eine undifferenzierte Fragestellung zugrunde lag, auf die nur eine zusammenfassende Antwort unter Verwendung der fraglichen Notenskala („ausgezeichnet", „sehr gut",  „gut", „weniger gut", „schlecht") gegeben werden konnte. Die darüber hinaus angeführten weiteren Irreführungsaspekte (Auswahl der Tester, Erkennbarkeit der Testprodukte) betreffen lediglich die Tests gemäß Anlage B4 und/oder B5 und haben die aufgrund der zuvor genannten Aspekte bereits festgestellte Irreführung nach den Ausführungen des Landgerichts lediglich verstärkt, waren aber für die Begründung der Irreführung nicht erforderlich. Da sich dem landgerichtlichen Urteil auch nicht entnehmen lässt, dass diese Aspekte allein eine relevante Irreführung begründet hätten, erfasst das Verbot jede Werbung mit derartigen Testsiegeln, wenn dieser ein Test mit der genannten Fragestellung, auf die mit der vorgegebenen Notenskala geantwortet werden musste, zugrunde liegt.


b) Das Landgericht hat das Testsiegel zu Recht und mit zutreffender Begründung als irreführend angesehen. Der Senat hat im einstweiligen Verfügungsverfahren (Urteil vom  10.12.2010 - 6 U 112/10, WRP 2011, 362) die durch eine solche Werbung hervorgerufene Vorstellung so beschrieben:


Der Verkehr erwartet von einer werblich besonders herausgestellten Aussage, dass diese der Erwähnung wert ist (vgl. Senat, Beschluss vom 16.11.2009 - 6 W 130/09, MD 2010, 192, und Urteil vom 18.2.2009 - 6 W 5/09, GRUR-RR 2009, 181 = MD 2009, 487). Auf einen „Konsumenten-Test" trifft dies nur dann zu, wenn er seriös durchgeführt worden ist und die Ergebnisse daher repräsentativ sind. Dabei kann das Ergebnis zwar durchaus die subjektiven Einschätzungen von Verbrauchern widerspiegeln. In diesem Fall muss aber zum einen das subjektive Element des Tests in der Werbung deutlich gemacht werden und zum anderen muss die von den Verbrauchern abgegebene Bewertung ausschließlich auf Eigenschaften des Produkts beruhen und daher von äußeren Umständen unbeeinflusst sein. Dabei obliegt es dem Werbenden, entsprechende (notwendigerweise pauschale) Behauptungen des Wettbewerbers durch einen substantiierten und nachprüfbaren Vortrag zu entkräften (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 5 Rdn. 3.23).


Zu einer „seriösen" Durchführung eines solchen Tests gehört es insbesondere, dass eine Notenskala verwendet wird, die den Vorstellungen der Verbraucher nicht widerspricht. Dies ist bei der von der Beklagten verwendeten Notenskala nicht der Fall. Der Verkehr erwartet, dass „sehr gut" die beste Testnote und „gut" nicht lediglich die mittlere Testnote ist. Der Verkehr geht daher davon aus, dass in dem im Testsiegel angegebenen Umfang dem Produkt der Beklagten die Bestnote verliehen worden ist.


Dies ist nicht der Fall, denn das Produkt hat die Bestnote „ausgezeichnet" lediglich von 20-40 % der Verbraucher erhalten.


c) Der Antrag ist nicht insofern zu weit gefasst, als die Klägerin ein Verbot des Testsiegels ohne Darstellung des Umfelds begehrt. Dies gälte nur dann, wenn - was die Beklagte allerdings geltend macht - durch dieses Umfeld die Irreführung beseitigt werden könnte. Dies ist indes nicht der Fall. Die Testsiegel lassen keine Fragen offen, die durch einen ergänzenden Hinweis aufgeklärt werden könnten. Sie sind objektiv unrichtig und daher per se unzulässig (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 5 Rdn. 2.97 f.).Vom Verbot bleibt allerdings der Fall unberührt, dass das unter I.1.a) im Tenor eingeblendete Testsiegel zum Teil eines anderen Testsiegels gemacht wird, das zur Aufklärung dienliche Informationen enthält.


d) Entgegen der Auffassung der Beklagten war es nicht erforderlich, den Test im Tenor wiederzugeben. Das Verbot ist auf die irreführende Werbung gerichtet. Die Umstände, aus denen sich das Verbraucherverständnis und dessen Enttäuschung ergeben, begründen das Verbot, sind aber nicht Gegenstand des Verbots. Aus diesem Grund kann auch eine Werbung mit einem Antrag (in den eine konkreten Verletzungsform eingeblendet ist) unter mehreren Irreführungsgesichtspunkten angegriffen werden (vgl. BGH GRUR 2012, 184 Tz. 15 = WRP 2012, 194 - Branchenbuch Berg). Dies wäre nicht möglich, wenn die die Irreführung begründenden Umstände zum Gegenstand des Antrags gemacht werden müssten.


2. Das Landgericht hat zu Recht das Fehlen einer Fundstellenangabe als unlauter angesehen. Der Bundesgerichtshof hat die vom Landgericht zitierte Rechtsprechung (BGH, GRUR 1991, 679 = WRP 1991, 573 - Fundstellenangabe) in jüngerer Zeit bestätigt (GRUR 2010, 248, Tz. 29 ff. = WRP 2010, 370 - Kamerakauf im Internet) und klargestellt, dass es unlauter ist, wenn Testergebnisse zur Werbung für ein Produkt verwendet werden und der Verbraucher nicht leicht und eindeutig darauf hingewiesen wird, wo er nähere Angaben zu dem Test erhalten kann. Dies hat der Bundesgerichtshof damit begründet, nach § 5a Abs. 2 UWG handele unlauter, wer die Entscheidungsfreiheit von Verbrauchern dadurch beeinflusse, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist. Es sei ein Gebot der fachlichen Sorgfalt im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG, mit Testergebnissen nur zu werben, wenn dem Verbraucher dabei die Fundstelle eindeutig und leicht zugänglich angegeben und ihm so eine einfache Möglichkeit eröffnet wird, den Test selbst zur Kenntnis zu nehmen. Fehle es daran, beeinträchtige dies die Möglichkeit des Verbrauchers, die testbezogene Werbung zu prüfen und insbesondere in den Gesamtzusammenhang des Tests einzuordnen.


Nach diesen Maßstäben ist auch bei Verbrauchertests eine Fundstellenangabe erforderlich. Denn diese dient nicht nur dazu, weitere (hier nicht vorhandene) Informationen über das Produkt zu erlangen, sondern gerade auch dazu, die testbezogene Werbung auf ihren Aussagegehalt zu überprüfen. Hierfür besteht bei Konsumententests in besonderer Weise ein Bedarf, da diese - auch wenn ihnen subjektive Einschätzungen zugrunde liegen - sehr unterschiedlich ausgestaltet und aussagekräftig sein können. So ist es für den Verbraucher von Interesse erfahren zu können, ob noch andere Produkte getestet worden sind und ob Produkteigenschaften differenziert bewertet worden sind.


Allerdings war es insoweit erforderlich, das Umfeld des Testsiegels in den Verbotstenor - wie unter I. 1. b) des Tenors geschehen - einzublenden (und also nach dem ursprünglichen Hilfsantrag zu entscheiden), weil diese Angabe nicht notwendigerweise Teil des Testsiegels sein und an dessen blickfangartiger Wirkung teilnehmen muss.


3. Der Klägerin steht - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten zu, § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Insbesondere durfte sie sich dabei anwaltlicher Hilfe bedienen. Es besteht kein Anlass, von dem Grundsatz, dass ein Unternehmen die ihm entstandenen Anwaltskosten für eine Abmahnung ersetzt verlangen kann (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 12 Rdn. 1.93 mwN.), abzuweichen. Nachdem aufgrund der mündlichen Verhandlung im einstweiligen Verfügungsverfahren klar war, dass diese mangels Verfügungsgrund keinen Bestand haben würde, war eine hinreichend unklare Situation im Hinblick auf das weitere Vorgehen beider Seiten entstanden, zu deren Bewältigung die Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung nicht zu beanstanden ist.



III.


Die Anschlussberufung hat Erfolg.


Nachdem die Beklagte es unstreitig gestellt hat, dass die Klägerin die anwaltliche Gebührenrechnung in voller Höhe bezahlt hat, war sie nicht mehr lediglich zur Freistellung, sondern nunmehr zur Zahlung zu verurteilen.



IV.


1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.   


2. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die Entscheidung beruht auf der Anwendung der hinreichend geklärten Grundsätze zu § 5 UWG.


3. Streitwert für das Berufungsverfahren: 200.000


            für die Berufung: 199.700 €


            für die Anschlussberufung: bis 300 €.

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