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Wirtschaftsrecht
15.12.2016
Wirtschaftsrecht
OLG Karlsruhe: Irreführende Darstellung von Sternen in einem Hotelwappen

OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.9.2016 – 4 U 102/16

Volltext: BB-Online BBL2016-3074-2

unter www.betriebs-berater.de

Amtlicher Leitsatz

Die Darstellung von Sternen in einem Hotelwappen ist irreführend, wenn ihre Art und Anordnung dahingehend missverstanden werden kann, dass eine „offizielle“ Klassifizierung, d. h. Einordnung des Hotels in eine bestimmte Komfort- und Qualitätskategorie, vorliegt, und für den durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen Verbraucher im Übrigen weder der Hotelname noch die im Wappen abgebildeten Initialen eine gedankliche Verbindung mit Sternen nahelegen.

Aus den Gründen

I.

Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Es liegt ein Verstoß des Beklagten gegen § 5 Abs.1 S. 2 Nr. 2 UWG vor. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stellt die räumliche Verbindung des Namens des Hotels des Beklagten mit einem Wappen, in dem vier fünfzackige Sterne integriert sind, in der konkreten Verletzungsform eine irreführende Werbung i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG dar.

1. Die Neufassung des § 5 UWG durch das am 10. Dezember 2015 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (BGBl. I, S. 2158) lässt den Unterlassungsanspruch des Klägers unberührt.

Der Kläger hat seinen Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt und hierfür auf eine im September 2015 vorgenommene Handlung des Beklagten Bezug genommen. Der Unterlassungsantrag ist nur dann begründet, wenn das beanstandete Verhalten des Beklagten nach dem zur Zeit der Handlung geltenden Recht rechtswidrig war. Da der Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, muss das beanstandete Verhalten des Beklagten zudem nach dem zur Zeit der Entscheidung geltenden Recht rechtswidrig sein (vgl. BGH GRUR 2011, 474 Rn. 13 - Kreditkartenübersendung; GRUR 2015, 504 Rn. 8 - Kostenlose Zweitbrille, jeweils m.w.N.).

Durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ist am Ende des § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG mit Bezug auf die irreführende geschäftliche Handlung der Relativsatz angefügt worden „die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteil-nehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte". Diese Änderung trägt dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken Rechnung und beinhaltet gegenüber der bisherigen Rechtslage im Hinblick darauf, dass schon bisher im Rahmen des § 3 Abs. 1 UWG a.F. die Spürbarkeit der Interessenbeeinträchtigung zu prüfen war, keine inhaltliche Änderung (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 18/4535, S. 15).

2. Die räumliche Verbindung des Namens des Hotels des Beklagten mit dem vier fünfzackige Sterne beinhaltenden Wappen stellt in der beanstandeten Art der Darstellung eine irreführende Werbung i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG dar. Es handelt sich dabei um eine geschäftliche Handlung des Beklagten, die zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale der Ware bzw. Dienstleistung enthält. Dem Verbraucher wird mit dieser Werbung eine graphisch/gedankliche Verbindung des Hotelnamens mit Sternen suggeriert. Die Verwendung von Sternen ohne einen erläuternden oder klärenden Zusatz erweckt bei einem erheblichen Teil der Verbraucher den Anschein, dass dem Hotel eine bestimmte Komfort- und Qualitätskategorie verliehen ist. Das gilt auch, wenn die Sterne in ein neben dem Hotelnamen geführtes Wappen integriert und derart symbolisiert sind.

a. Bei der Beurteilung, ob eine Angabe irreführend ist, kommt es auf den Gesamteindruck an, den die werbliche Darstellung vermittelt (vgl. BGH GRUR 2015, 906 - TIP der Woche - Rn. 18; BGH GRUR 2014, 88 - Vermittlung von Netto-Policen). Sie ist irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt.(vgl. BGH aaO. - TIP der Woche). Das ist vorliegend der Fall.

Es ist üblich, dass Hotels in durch die Anzahl der Sterne gekennzeichneten Kategorien eingeteilt sind und damit auch nach außen werben, um den Kunden auf diese Weise ihren Qualitäts- und Ausstattungsstandard auf den ersten Blick nahe zu bringen. Die Auszeichnung eines Hotels mit Sternen ist demgemäß irreführend, wenn diese Sterne nicht von dem hierfür zuständigen Verband verliehen wurden, und zwar auch dann, wenn die Qualitätsanforderungen erfüllt werden (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 18. Mai 1999 - 6 U 87/98, „4-Sterne-Werbung” der Beklagten in ihrem Hotelprospekt Rn. 3; Link in jurisPK UWG, 3. Aufl., § 5 Rn. 375 m.w.N.). Denn die angesprochenen Verkehrskreise gehen davon aus, dass die Güte eines Güte- bzw. Qualitätskennzeichens anhand objektiver Merkmale in Erfüllung von Mindestanforderungen bestimmt wird und dass dies durch eine neutrale, unabhängige und außerhalb des gewerblichen Gewinns stehende Stelle überprüft und gewährleistet wird (vgl. OLG Düsseldorf v. 30.05.1985 - 3 U 216/84 - BB 1985, 2193).

Die Darstellung der Sterne im Wappen ist missverständlich und irreführend. Die Sternanordnung im unteren Rand des Wappens in teilelliptischer Form von oben links nach unten rechts ist als Hinweis auf eine „Sternqualifizierung" anzusehen. Dies ist jedenfalls der naheliegende Sinn, den ein Verbraucher dieser Werbung beimessen wird.

Weder der Hotelname „Schwarzenberg“ noch die im Wappen abgebildeten Initialen „HS“ legen eine gedankliche Verbindung mit Sternen nahe. Vielmehr wird eine Vielzahl durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher die Darstellung nebeneinander angeordneter fünfzackiger goldgelber Sterne dahingehend verstehen, dass sich dahinter eine „offizielle“ Klassifizierung, d. h. Einordnung des Hotels in eine bestimmte Komfort- und Qualitätskategorie, verbirgt.

b. Auch wenn die Angaben des Beklagten objektiv nicht falsch sind, besteht gleichwohl eine Irreführungsgefahr. Eine gesetzlich zulässige und damit objektiv richtige Angabe kann irreführend sein, wenn sie beim angesprochenen Verkehr zu einer Fehlvorstellung führt, die geeignet ist, sein Kaufverhalten zu beeinflussen. In einem solchen Fall, in dem die Täuschung des Verkehrs lediglich auf einem unrichtigen Verständnis einer an sich zutreffenden Angabe beruht, ist für die Anwendung der gesetzlichen Irreführungstatbestände jedoch grundsätzlich eine höhere Irreführungsquote als im Fall einer Täuschung mit objektiv unrichtigen Angaben erforderlich; außerdem ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. zu § 3 UWG aF BGH GRUR 2000, 73, 75 - Tierheilpraktiker; zu § 5 UWG BGH GRUR 2010, 1024 Rn. 25 - Master of Science Kieferorthopädie). Die vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Beklagten aus. Die Auswirkungen der Werbung für die Allgemeinheit sind gewichtig. Etwaige Interessen des Verbrauchers können erheblich beeinträchtigt werden. Die nicht korrigierte Fehlvorstellung kann ihn zu einer Entscheidung verleiten, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Dem gegenüber sind die Auswirkungen für den Beklagten als Werbenden deutlich geringer einzuschätzen, weil er den Verstoß leicht vermeiden kann.

c. Die Werbung ist auch geeignet, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder des Senates gehören, die diese Frage daher aus eigener Sachkunde beurteilen können, irrige Vorstellungen über die Eigenschaften oder die Befähigung des Unternehmers hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen (vgl. hierzu: BGH GRUR 2012, 1053 - Marktführer Sport - Rn. 19). Aus der Sicht des Senats ist das vorstehend skizzierte Verständnis weit verbreitet (vgl. auch: LG Koblenz, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4 HKO 86/13, juris Rdnr.20 f.; LG Oldenburg, Urteil vom 29. November 2006 - 5 O 1583/06, juris Rdnr. 16 für Reisebusse; LG Aurich, WRP 2009, 1579 f.; LG Berlin, WRP 2011, 130 f.). Dem gegenüber wird die gegenteilige Auffassung des Landgerichts, dass der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher die vier Sterne ausschließlich dem Wappen zuordne und lediglich einen Zusammenhang zwischen den Initialen und den Sternen, nicht aber zwischen dem Hotelnamen und den Sternen ziehe, von einem geringeren Teil der Verkehrskreise geteilt.

3. Der Anspruch auf Ersatz der Kosten der berechtigten Abmahnung ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.

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