LG Freiburg: Irreführende Bewerbung einer Kühlgefrierkombination
LG Freiburg, Urteil vom 12.7.2010 - 12 O 37/10
Leitsatz
Die Bewerbung einer Kühlgefrierkombination, die zu der Energieeffizienzklasse A+ gehört, mit "Sehr sparsam im Energieverbrauch" ist irreführend.
Sachverhalt
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Gegenstand des Rechtsstreits sind wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche der Klägerin, einer qualifizierten Einrichtung im Sinne von § 4 UklaG.
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Die Beklagte bewarb Anfang des Jahres 2010 in ihrem Prospekt M. Markt Agenda 2010 Nr. 2 unter anderem Kühl- und Gefriergeräte (Auszug in Anlage K 2; Original in der Anlage). Die Klägerin ist der Auffassung, die Bewerbung der Kühlgefrierkombination der Marke S. als "sehr sparsam im Energieverbrauch" sei irreführend, weil von insgesamt 543 Geräten 308 Geräte der Energieeffizienzklasse A+ zuzuordnen seien, zu der auch das beworbene Produkt zähle. Immerhin fast 17 % aller auf dem Markt befindlichen Geräte seien mit dem Label A++ ausgewiesen und hätten somit eine deutlich bessere Energieeffizienzklasse. Auch innerhalb der Gruppe der Energieeffizienzklasse A+ stelle sich das beworbene Gerät nicht als besonders sparsam im Energieverbrauch dar.
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Die Klägerin stellt folgenden Antrag: Wie erkannt.
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Hilfsweise beantragte sie: der Beklagten zu untersagen (mit Ordnungsgeldandrohung), im geschäftlichen Verkehr in Werbeprospekten die Kühlgefrierkombination RL-24FCAS der Marke S. mit dem Zusatz "sehr sparsam im Energieverbrauch" oder sinngleichen Angaben zu bewerben wie dies in dem Prospekt der Beklagten M. Markt Agenda 2010 (Anlage K 9) geschehen ist.
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Die Beklagte beantragt:
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Klagabweisung.
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Das mit der streitgegenständlichen Werbung ausgelobte Gerät werde zutreffend als sehr sparsam im Energieverbrauch bezeichnet. In Anbetracht der Tatsache, dass in Anhang V der Richtlinie 94/2/EG insgesamt neun Energieeffizienzklasse vorgesehen seien, könne kein Zweifel daran bestehen, dass in der zweitbeste Energieeffizienzklasse nur sehr sparsame Kühlgeräte klassifiziert würden. Der aufgeklärte Durchschnittsverbraucher werde durch die von der Klägerin beanstandete Werbeangabe nicht in wettbewerbsrechtlich relevanter Weise in die Irre geführt. Durch die blickfangmäßig herausgestellte Angabe "Energieeffizienzklasse A+" erhalte der Verbraucher einen eindeutigen Hinweis darauf, dass das beworbene Gerät nicht der Spitzenklasse A++ zuzuordnen sei. Der Durchschnittsverbraucher habe keine Veranlassung, der angesprochenen Werbeangabe weitergehende Sparsamkeitsberühmungen zu entnehmen. Die Beklagte habe in der streitgegenständlichen Werbung weder einen Komparativ noch einen Superlativ verwendet, so dass die von der Klägerin in die streitgegenständliche Werbeaussage hinein interpretierte Spitzenstellungsaussage jeder Grundlage entbehre. Das beworbene Gerät weise keineswegs einen nur durchschnittlich guten Energieverbrauch auf. Die Erhebungen des von der Klägerin herangezogenen Instituts seien vollkommen ungeeignet, den Beweis dafür zu erbringen, dass die Energieverbrauch des streitgegenständlichen Geräts nicht sehr sparsam sei. Entgegen der Darstellung der Klägerin seien in der Datenbank des genannten Instituts überhaupt keine Produkte geführt, die mit dem Kühlgeräte vergleichbar wären. Auch wenn man die Vergleichsgruppe größer fassen wollte, fände sich für die von der Klägerin aufgestellte Behauptung zur Sparsamkeit des Geräts kein Anhaltspunkt. So würden 14 besonderes sparsame Kühl- und Gefriergeräte aufgelistet, von denen vier die Energieeffizienzklasse A angehören würden und gerade einmal zwei der Energieeffizienzklasse A++. Schließlich sei keine Wiederholungsgefahr gegeben. Die Firma S. vertreibe das streitgegenständliche Produkt nicht mehr.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Aus den Gründen
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Die Klage ist zulässig und nach den §§ 3,5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 8 Abs. 3 UWG begründet.
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1. Nach § 5 Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält: die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie unter Nr. 1 im einzelnen aufgeführt. Hiervon sind Aussagen abzugrenzen, die der Verkehr als nichtssagend oder als nicht objektiv nachprüfbare Aussage auffasst und die deshalb nicht unter das Irreführungsverbot fallen. Hinweise auf die Beschaffenheit einer Ware, deren Richtigkeit nach Auffassung des Verkehrs objektiv nachprüfbar ist, werden im Zweifel ernst genommen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm UWG 27. Aufl. § 5 Rdnr. 2.153). Vorliegend ist die Aussage als "sehr sparsam im Energieverbrauch" als eine vom von der Werbung der Beklagten angesprochenen Verbraucher ernst genommene Beschreibung der Ware zu qualifizieren, der ein klar ermittelbarer Erklärungswert über eine wesentliche Eigenschaft des beworbenen Produkts zukommt. Allerdings kann der Richtlinie 2003/66/EG (vgl. dort Anhang) nicht unmittelbar eine Definition des Begriffs "im Energieverbrauch sehr sparsam" entnommen werden. Dort sind die Energieeffizienzklassen nur mit einer Spanne von A++ (niedriger Verbrauch) bis G (hoher Verbrauch) bezeichnet. Der Durchschnittsverbraucher, der angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist, weiß, dass der Energieverbrauch durchaus gemessen werden kann. Die Einteilung in Energieeffizienzklassen ist ihm vom Grundsatz her bekannt. Unter diesen Umständen misst er der Aussage "sehr sparsam im Energieverbrauch" einen nachprüfbaren und deshalb für ihn auch erheblichen Erklärungswert zu.
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2. Die Beklagte nimmt mit der angegriffenen Werbung zwar keine Spitzenstellung in Anspruch, der Werbeaussage ist jedoch durchaus die Behauptung zu entnehmen, dass das Gefriergerät zu einer Spitzengruppe gehört. Die Aussage "sehr sparsam" ist im Vergleich zu der Bezeichnung eines Geräts als sparsam ein Plus. Dem Begriff der Sparsamkeit ist der gegensätzliche Begriff des nicht sparsamen, energiefressenden Geräts immanent. Folglich soll das von der Beklagten beworbene Gerät unter dem Gesichtspunkt des Energieverbrauchs eine besondere Qualifikation haben, die das Gerät im Vergleich zu in Relation mehr Energie verbrauchenden Geräten nicht nur als sparsam erscheinen lässt, sondern als sehr sparsam. Damit behauptet die Beklagte, die Kühlgefrierkombination gehöre im Hinblick auf den Energieverbrauch zu der Spitzengruppe der auf dem Markt befindlichen Kühlgeräte.
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3. Tatsächlich ist, worauf in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien eingegangen worden ist, unstreitig, dass mehr als 50 % aller Geräte heute zu den beiden höchsten Energieeffizienzklassen zählen, wobei die Klasse A++ alleine selbst 17 % ausmacht. Unter diesen Umständen kann ein Gerät, das nur zu der Energieeffizienzklasse A+ gehört, nicht mehr als "sehr sparsam im Energieverbrauch" bezeichnet werden. Es handelt sich hierbei vielmehr um eine erhebliche Irreführung des Verbrauchers.
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4. Die Beklagte meint, in Bezug auf vergleichbare Produkte in Bezug auf Volumen und Einteilung sei das beworbene Gerät Spitze. Dem kann aus folgenden Gründen nicht zugestimmt werden.
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Der aufgeklärte Verbraucher weiß, dass die Qualifikation des Energieverbrauchs eine Relativierung notwendig macht, die von verschiedenen Faktoren abhängt, insbesondere aber auch von dem Fassungsvermögen des Kühlgeräts. Ihm ist bekannt, dass ein kleines Kühlgerät mit geringem Volumen schon vom Ansatz her weniger Energie verbraucht als ein großvolumiges Gerät mit entsprechender Kühlleistung. Ihm ist bewusst, dass der absolute Energieverbrauch eines Geräts alleine die Qualifikation als (sehr) sparsam nicht rechtfertigt. Ihm ist klar, dass entweder nur ein Vergleich in Größe, Aufteilung und Volumen vergleichbarer Kühlgeräte sinnvoll möglich ist oder aber die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Geräte über ein gesondertes Verfahren herbeigeführt werden muss. An letzterem hat er durchaus Interesse. Der Verbraucher hat stets innerhalb gewisser Grenzen die Wahl, welches Gerät seinen Zwecken am ehesten gerecht wird. Der gemeinschaftsrechtlich geformte Begriff der Energieeffizienz belegt, dass durchaus unterschiedliche Geräte sinnvoll verglichen werden können. Hierdurch wird es dem Verbraucher ermöglicht, das Gerät der Wahl unter Berücksichtigung seiner konkreten Bedürfnisse, sei es hinsichtlich des Volumens, sei es hinsichtlich der konkreten Maße und des Stellplatzbedarfs und anderer Kriterien (Kühlfach, Frischfach, Kellerfach, ein Sternefach usw.) zu ermitteln und gegebenenfalls unter dem Gesichtspunkt der Energieeffizienz Prioritäten hinsichtlich der übrigen Ausstattungsmerkmale zu setzen. Tägliche Erfahrung des Verbrauchers ist, dass für den zuletzt genannten Fall ohne Zwischenschaltung eines Verfahrens, das den Vergleich ermöglicht, sprichwörtlich Äpfel mit Birnen verglichen würden.
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Die Beklagte hat sich vor diesem Hintergrund entschieden, das Gerät nicht als "sehr sparsam im Energieverbrauch" im Vergleich zu Geräten mit dem in der Werbung angegebenen Nutzinhalt und dessen Aufteilung zu bewerben, sondern ohne einen derartigen Vorbehalt. Ein derartiger Vorbehalt ist der angesprochenen Werbung auch keinesfalls immanent. Zutreffend weist die Beklagte in anderem Zusammenhang darauf hin, dass die Werbung nicht als Komparativ formuliert ist. Damit beinhaltet sie nicht etwa nur einen Vergleich (zweier) konkreter Geräte desselben Volumens. Es geht hier vielmehr, unabhängig von der übrigen Vergleichbarkeit der Geräte, um eine absolut verstandene Qualifikation als sehr sparsam im Energieverbrauch. Würde der Begriff des sehr sparsamen Energieverbrauchs nur auf im Kühlvolumen und der Aufteilung der Kühlkompartimente vergleichbare Geräte bezogen, widerspräche dies der Erwartung des von der Beklagten in der konkreten Art und Weise werbend angesprochenen aufgeklärten Verbrauchers, eine absolute und aussagekräftige Bewertung des Energieverbrauchs des entsprechenden Gerät zu erhalten, unabhängig von dessen Größe und der Aufteilung in die verschiedenen Kühlarten. An einem konkreten Vergleich nur von im Volumen usw. (s.o.) vergleichbarer Geräte ist der Verbraucher bei den hier streitigen Werbeaussagen vor dem Hintergrund, dass er sein Interesse an einer Kühleinheit in vielfachen Varianten befriedigen kann, nicht interessiert. Seine Erwartung geht vorliegend vielmehr in die beschriebene Richtung einer Bewertung anhand absoluter Kriterien in Bezug auf die gesamte Palette möglicher Kühl- und Gefriergeräte.
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5. Eine solche absolute Bewertung ist, wie die Einteilung in Energieeffizienzklassen zeigt, sinnvoll und möglich. Dort ist die Vergabe von Energieeffizienzklassen nicht etwa eine schlicht prozentuale Aufteilung der verfügbaren Kühlgeräte in verschiedene Kategorien unter dem Gesichtspunkt des Energieverbrauchs, vielmehr setzt die Vergabe des höchsten Qualitätssiegels der Energieeffizienzklasse A++ voraus, dass das Gerät, nachdem die Werte durch die in der Richtlinie angegebenen Rechenoperationen vergleichbar gemacht worden sind, bestimmte absolute Verbrauchswerte unterschreitet.
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6. Das Gericht kann sich der Auffassung der Beklagten, die dargelegte Irreführung werde dadurch korrigiert, dass die Energieeffizienzklasse des Geräts zutreffend mit A+ angegebenen werde, nicht anschließen. Selbst der aufgeklärte Verbraucher weiß nicht, dass heutzutage mehr als 50 % aller Geräte zu den beiden höchsten Effizienzklassen zählen. Dasselbe gilt hinsichtlich des Umstandes, dass bereits 17 % aller Geräte die Energieeffizienzklasse A++ haben. Aufgrund der Bezeichnung "sehr sparsam" erwartet er vielmehr, dass sich das Gerät im obersten Bereich der Sparsamkeit bewegt. Letzteres ist aus den dargelegten Gründen nicht der Fall. Ohnehin können ergänzende Hinweise immer nur der Aufklärung bei missverständlichen Ausdrücken dienen, nicht aber objektiv falsche Angaben korrigieren (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig UWG 2. Auflage § 5 C Rdnr. 121).
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7. Die zu vermutende Wiederholungsgefahr ist nicht entfallen, unabhängig davon, ob der Hersteller das beworbene Produkt aus der Produktion genommen hat oder nicht, was streitig ist. Zum einen können restliche Kühlschränke dieser Art noch zum Verkauf bei Großhändlern stehen, zum anderen ist keinesfalls auszuschließen, dass die Beklagte kerngleiche Verstöße begeht.
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8. Die Nebenforderung ist schlüssig begründet, sie wird auch nicht bestritten.
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9. Die Entscheidung beruht im übrigen auf den §§ 91, 709 ZPO.