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Wirtschaftsrecht
09.10.2025
Wirtschaftsrecht
OLG Düsseldorf: Insolvenzverfahren – Erledigung eines Feststellungsrechtsstreits

OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.6.2025 – I-26 U 12/24

Volltext:BB-ONLINE BBL2025-2370-2

Amtliche Leitsätze

1. Ein Feststellungsrechtsstreit erledigt sich, wenn der bestreitende Insolvenzverwalter nach rechtzeitiger Anzeige der Aufnahme des Rechtsstreits durch den Gläubiger nicht nur das Verteilungsverzeichnis ändert, sondern gegenüber dem Insolvenzgericht auch erklärt, dass er die von ihm bislang bestrittene Forderung nachträglich zur Tabelle anerkennt, so dass dieses die Tabelle entsprechend berichtigt.

2. Für die Aufnahme in das Verteilungsverzeichnis und Zurückbehaltung der Quote nach Maßgabe des § 189 InsO ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Gläubiger die Rechtsverfolgung gegenüber dem Bestreitenden betreibt und dies fristgemäß gegenüber dem Insolvenzverwalter nachweist. Ein Anerkenntnis der Forderung setzt die Änderung des Verteilungsverzeichnisses nicht voraus.

Sachverhalt

I.

Die Berufung der Klägerin hat aus den mit den Parteien in der Senatssitzung erörterten Gründen des Hinweisbeschlusses vom 03.06.2025 Erfolg.

Zu Recht wendet sich die Klägerin dagegen, dass das Landgericht die auf Feststellung gerichtete Klage, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat, abgewiesen hat. Zwar stellt die Feststellung der Forderungen der Klägerin zur Aufnahme in das Verteilungs-/Schlussverzeichnis im Rahmen des Verfahrens nach § 189 Abs. 1, 2 InsO kein erledigendes Ereignis für den streitgegenständlichen Feststellungsrechtsstreit der Klägerin iSd §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1, Abs. 2 InsO dar. Indessen hat das Insolvenzgericht die Erklärungen des Beklagten vom 05.12.2023, er erkenne nunmehr die bislang bestrittenen Forderungen iHv 5.879,24 € und 8.059,58 € nachträglich zur Tabelle an (Anl. K8), zu Recht als Rücknahme seines gegen die Forderungen im Prüfungstermin erklärten Widerspruchs verstanden und zum Anlass genommen, die Tabelle dahin zu berichtigen, dass diese Forderungen festgestellt werden (Anl. K9).

1. Nach Maßgabe der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs kann der Insolvenzverwalter nach seiner Wahl die Rücknahme des Widerspruchs gegenüber dem anmeldenden Gläubiger oder aber gegenüber dem Insolvenzgericht erklären (BGH, Urt. v. 27.04.2023 – IX ZR 99/22, Rn. 23 ff.).

1.1. Insolvenzgläubiger können ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Die Regelung des § 87 InsO verweist sie auf das Anmeldeverfahren nach §§ 174 ff. InsO (vgl. BGH, Urt. v. 11.08.2022 - IX ZR 78/21, NZI 2022, 856 Rn. 16). Gemäß § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO gilt eine Forderung, der widersprochen worden ist, (nur dann) als festgestellt, soweit ein gegen sie erhobener Widerspruch beseitigt ist. Hat der Insolvenzverwalter einer Forderung widersprochen, so bleibt es nach §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 InsO dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen den Bestreitenden durch Klageerhebung im ordentlichen Verfahren zu betreiben. Das Insolvenzgericht ist an dem Feststellungsverfahren nicht beteiligt. Ist der Gläubiger im Sinne von § 179 Abs. 1 InsO betreibungsbelastet, kann ihm gegenüber die Rücknahme des Widerspruchs erklärt und auf diese Weise die Einleitung des sonst erforderlich werdenden Feststellungsverfahrens verhindert werden. Der Gläubiger kann nachfolgend eine dahingehende Berichtigung der Tabelle beantragen (BGH, Urt. v. 27.04.2023, aaO; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl., § 176 Rn. 33; Gottwald/Haas/Eickmann/Wimmer, InsR-Handbuch, 6. Aufl., § 62 Rn. 9).

1.2. Wird die Erklärung dagegen im Prüfungstermin oder später gegenüber dem Insolvenzgericht abgegeben, so hat dieses die Rücknahme von Amts wegen in der Tabelle zu vermerken (BGH, Urt. v. 27.04.2023, aaO; Uhlenbruck/Sinz, aaO; Gottwald/Haas/Eickmann/Wimmer, aaO).

1.3. Der Insolvenzverwalter kann die Rücknahme des Widerspruchs nach seiner Wahl sowohl gegenüber dem anmeldenden Gläubiger wie auch gegenüber dem Insolvenzgericht erklären. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit ist die eine Verfahrensweise der anderen gegenüber nicht vorzuziehen. Die Erklärung der Rücknahme des Widerspruchs gegenüber dem Gläubiger stellt sicher, dass dieser unmittelbar darüber in Kenntnis gesetzt wird, dass ein Feststellungsrechtsstreit vor den ordentlichen Gerichten nicht (mehr) erforderlich ist. Allerdings obliegt es dann dem Gläubiger, die Berichtigung der Tabelle zu beantragen. Wird die Erklärung an das Insolvenzgericht adressiert, ist die Rücknahme von Amts wegen in der Tabelle zu vermerken und daher ein Rechtsverlust des Gläubigers nicht zu befürchten, jedoch mit der Gefahr, dass weitere Kosten durch den Gläubiger ausgelöst werden.

Nimmt der Insolvenzverwalter seinen Widerspruch zurück, so tritt hierdurch nachträglich eine Unrichtigkeit der Tabelle ein, die zu berichtigen ist (vgl. MünchKomm-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 178 Rn. 43; BeckOK InsR/Zenker, 39. Ed. 1.2.2025, § 178 Rn. 16). Der Insolvenzverwalter hat in diesem Fall alles zu tun, was erforderlich ist, um die Berichtigung der Tabelle herbeizuführen (BGH, Urt. v. 27.04.2023, aaO mwN). Er muss deshalb nach der Rücknahme des zuvor durch ihn erhobenen Widerspruchs auf eine Berichtigung der Insolvenztabelle hinwirken, entweder indem er den Gläubiger auf einen entsprechenden Antrag hinweist und damit in einer zu einer Berichtigung der Tabelle führenden Weise dessen Antrag unterstützt oder selbst eine Berichtigung der Insolvenztabelle beantragt (BGH, Urt. v. 27.04.2023, aaO, Rn. 30).

2. Nach Maßgabe dessen ist festzustellen, dass der Beklagte seinen Widerspruch gegenüber dem Insolvenzgericht zurückgenommen und sich der auf Feststellung der Forderungen gerichtete Rechtsstreit der Klägerin erledigt hat.

Der Beklagte hat die Rücknahme des von ihm im Prüfungstermin erhobenen Widerspruchs allerdings unstreitig nicht gegenüber der Klägerin erklärt. Er hat vielmehr unter dem 26.01.2024 im streitgegenständlichen Verfahren in der Sache den Antrag auf Abweisung der Klage näher begründet (Bl. 34 ff. GA-LG).

Jedoch lässt sich gegenüber dem Insolvenzgericht eine solche Erklärung feststellen.

2.1. Nachdem die Klägerin unter dem 11.05.2018 ihre Forderungen zur Tabelle angemeldet hatte, hat der Beklagte sie im Prüfungstermin vom 02.10.2023 in voller Höhe bestritten. Darauf hat die Klägerin den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 01.12.2023 aufgenommen (Bl. 23 GA-LG) und diesen Schriftsatz mit Schreiben vom selben Tage dem Beklagten zum Nachweis der Aufnahme iSd § 189 InsO zugeleitet (Anl. B4, Bl. 91 GA-LG).

Bereits zuvor, unter dem 14./15.11.2023, hatte das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Wuppertal der Schlussverteilung zugestimmt und die Durchführung des Schlusstermins im schriftlichen Verfahren angeordnet. Dabei hat es nach der Anzeige des Beklagten nur die Forderungen zweier Insolvenzgläubiger, der O. [§ 38 Rang 1 iHv 99.419,96 €] und der F. [§ 38 Rang 2 iHv 2.364,87 €] iHv insges. 101.784,83 € zugrunde gelegt [veröffentlicht unter insolvenzbekanntmachungen.de].

Die erst mit Schreiben der Klägerin vom 01.12.2023 angezeigte Aufnahme des Rechtsstreits gab dem Beklagten daher insoweit Anlass, unter dem 05.12.2023 den Schriftsatz der Klägerin dem Insolvenzgericht zu übersenden, um dieses entsprechend darüber zu unterrichten, dass die Gläubigerin den erstinstanzlich bei dem LG Düsseldorf wegen der bestrittenen Forderungen anhängigen Rechtsstreit gem. § 189 InsO aufgenommen hat sowie zugleich das „daher gem. § 193 InsO geänderte Verteilungsverzeichnis zur Niederlegung“ zu überreichen (Anl. B3).

Diesem Schreiben lässt sich allerdings eine Rücknahme des Widerspruchs des Beklagten gegenüber dem Insolvenzgericht nicht entnehmen. Es verhält sich nur zu der infolge der Aufnahme des Rechtsstreits durch die Klägerin erforderlich gewordenen, in seiner Verantwortung liegenden Änderung des Verteilungsverzeichnisses. Dabei ist allein die Aufnahme der streitigen Forderungen in das Verteilungsverzeichnis - wie das Landgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat - keine Anerkennung des materiell-rechtlichen Bestehens der Forderung durch den Verwalter, sondern hat nur zur Folge, dass der auf die Forderung entfallende Anteil nach Maßgabe des § 189 Abs. 2 InsO zurückbehalten wird, solange der Rechtsstreit anhängig ist (BAG, Urt. v. 22.02.1973 - 5 AZR 472/72, KTS 1973, 269 = BAG AP Nr 1 zu § 151 KO m Anm Uhlenbruck; K/P/B/Holzer, InsO, 103. Lieferung 03.2025, § 188 Rn. 9; Römermann/Westphal, InsO, 49. EL Januar 2024, § 188 Rn. 10). Grundlage des nach § 188 Satz 1 InsO von dem Insolvenzverwalter in eigener Verantwortung aufzustellenden Verteilungsverzeichnisses ist die nach § 175 Satz 1 InsO geschaffene und bereinigte Insolvenztabelle. Die Bereinigung der Tabelle richtet sich danach, welche Forderungen nach den §§ 189 ff. InsO bei der Verteilung durch Ausschüttung oder Zurückbehaltung zu berücksichtigen sind (K/P/B/Holzer, aaO, § 188 Rn. 2).

2.2. Indessen lässt sich den beiden weiteren, zeitgleich versandten Schreiben des Beklagten an das Insolvenzgericht vom 05.12.2023 (Anl. K8) entnehmen, dass er zugleich seinen Widerspruch zurückgenommen hat. In ihnen ist ausgeführt, er „erkenne nunmehr die bislang bestrittene Forderung iHv 5.879,24 EUR [8.059,58 EUR] nachträglich zur Tabelle an (Rang 0, lfd. Nr. 3 [4])“. Der Erklärungsgehalt ist nach Auffassung des Senats eindeutig, die Schreiben können nur dahin verstanden werden, dass der Widerspruch zurückgenommen wird. So hat ganz offensichtlich auch das Insolvenzgericht seine Erklärungen verstanden, denn es hat diese ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Auszüge aus der Insolvenztabelle noch am selben Tag jeweils zum Anlass für eine – nach einer Rücknahme eines Widerspruchs von Amts wegen vorzunehmende – Berichtigung der Tabelle genommen und die Forderungen in der jeweiligen Höhe festgestellt (Anl. K9). Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern (§§ 178 Abs. 3, 201 Abs. 2 InsO).

Fehl geht die auch mit der Berufungserwiderung wiederholte Auffassung des Beklagten, die Änderung des Verteilungsverzeichnisses setze das Anerkenntnis der Forderungen voraus, so dass ohne Anerkenntnis eine Änderung des Verteilungsverzeichnisses und damit auch eine Zurückbehaltung der etwaig entfallenden Quote nicht erfolgen könne. Zwischen der Feststellung einer Forderung zur Tabelle und ihrer Berücksichtigung im (Schluss-)Verteilungsverzeichnis ist streng zu unterscheiden. Gem. § 189 Abs. 1 InsO wird eine Insolvenzforderung, die im Zeitpunkt der Erstellung des Verteilungsverzeichnisses nicht zur Tabelle festgestellt ist und für die kein vollstreckbarer Titel (§§ 704, 794 ZPO) vorliegt, dann in das Verteilungsverzeichnis aufgenommen, wenn der Gläubiger dem Insolvenzverwalter gegenüber nachweist, dass und für welchen Betrag die Feststellungsklage erhoben oder das Verfahren in dem früher anhängigen Rechtsstreit aufgenommen ist (BeckOK InsR/Nicht, 39. Ed. 15.7.2024, § 189 Rn. 5). Ausreichend, aber auch erforderlich ist es daher, dass der Gläubiger die Rechtsverfolgung gegenüber dem Bestreitenden betreibt und dies fristgemäß gegenüber dem Insolvenzverwalter nachweist. Dann wird die entsprechende Insolvenzquote für den Gläubiger zurückbehalten und gesichert. Die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens materieller Rechtsansprüche der Insolvenzgläubiger ist hingegen – wie bereits ausgeführt – gerade nicht Gegenstand des Verteilungsverfahrens. Eine Entscheidung hierüber wird mit der Aufnahme oder Nichtaufnahme der Forderung in das Verteilungsverzeichnis nicht getroffen (Römermann/Westphal, aaO, § 188 Rn. 4). Sofern Änderungsgründe nach §§ 189–192 InsO eingetreten sind, ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, diese Änderungen in das Verteilungsverzeichnis aufzunehmen. Die Vornahme der Änderungen erfolgt ausschließlich durch den Insolvenzverwalter durch Eintragung des Änderungsvermerkes in das auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts niedergelegte Exemplar des Teilungsverzeichnisses (A/G/R/Wagner, InsR, 5. Aufl. 2025, § 193 Rn. 5).

3. Der Feststellungsantrag der Klägerin ist daher begründet. Die ursprünglich erhobene Zahlungsklage war nach Aufnahme des Rechtsstreits entsprechend §§ 179, 180 Abs. 2 InsO auf Feststellung der Forderungen zur Tabelle gerichtet. Die Klage war zulässig und begründet und hat sich durch die Rücknahme des Widerspruchs und die daraufhin erfolgte Feststellung der Forderungen zur Insolvenztabelle erledigt (§ 178 Abs. 3 InsO). War zum Zeitpunkt der Rücknahme bereits Feststellungsklage nach § 179 InsO erhoben, ein anhängiger Rechtsstreit aufgenommen oder weiterbetrieben worden, so führt die Rücknahme zur Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache (BGH, Urt. v. 25.06.1957 – III ZR 251/56, WM 1957, 1225; Gottwald/Haas/Eickmann/Wimmer, aaO, § 62 Rn. 10; Uhlenbruck/Sinz, aaO, § 178 Rn. 23). Einwendungen gegen die schlüssig dargelegte Klageforderung hat der Beklagte erst zeitlich nachfolgend, mit der Klageerwiderung vom 26.01.2024 (Bl. 34 ff. GA-LG) geltend gemacht.

Aus den Gründen

II.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 713 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 3.000 € festgesetzt.

Da der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer für den Beklagten 20.000 € nicht übersteigt, ist die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unstatthaft.

Die Revisionszulassung ist nicht veranlasst, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.

 

 

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