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Wirtschaftsrecht
11.05.2023
Wirtschaftsrecht
BGH: Insolvenzanfechtung – Kein Ausschluss durch aktienrechtlichen Schutz des gutgläubigen Dividendenempfängers

BGH, Urteil vom 30.3.2023 – IX ZR 121/22

ECLI:DE:BGH:2023:300323UIXZR121.22.0

Volltext: BB-Online BBL2023-1090-4

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

Der aktienrechtliche Schutz des gutgläubigen Dividendenempfängers schließt eine Insolvenzanfechtung nicht aus.

InsO §§ 129 ff.; AktG § 62 Abs. 1 S. 2

Eine Dividendenzahlung an den Aktionär ist nicht deshalb unentgeltlich, weil der zugrundeliegende Gewinnverwendungsbeschluss infolge der (späteren) Ersetzung des Jahresabschlusses seine Wirkung verliert.

InsO § 134 Abs. 1, § 140

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 12. November 2013 am 1. April 2014 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der F.          KGaA (nachfolgend: Schuldnerin). Die Beklagte ist Kommanditaktionärin der Schuldnerin. Der Kläger nimmt die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Schenkungsanfechtung nach § 134 InsO auf Rückgewähr von Dividendenzahlungen für die Geschäftsjahre 2009 bis 2012 in Anspruch.

Die vorinsolvenzlich erstellten und festgestellten Jahresabschlüsse der Schuldnerin für die streitbefangenen Jahre wiesen Gewinne aus. Gewinnverwendungsbeschlüsse wurden gefasst. Auf der Grundlage der Gewinnverwendungsbeschlüsse erhielt die Beklagte die angefochtenen Dividendenzahlungen.

Der Kläger erhob Klagen auf Feststellung der Nichtigkeit der Jahresabschlüsse und der Gewinnverwendungsbeschlüsse. Für die Jahre 2009 und 2010 wurde lediglich die Nichtigkeit der Gewinnverwendungsbeschlüsse festgestellt. Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Jahresabschlüsse für die Jahre 2009 und 2010 hielt das (dortige) Berufungsgericht für unzulässig, weil der Kläger die Jahresabschlüsse zwischenzeitlich ersetzt hatte. Die Feststellung der Nichtigkeit der Gewinnverwendungsbeschlüsse begründete das Gericht damit, dass diesen durch die Ersetzung der Jahresabschlüsse die Grundlage entzogen worden sei. Dass die Gewinnverwendungsbeschlüsse von Anfang an nichtig gewesen sein könnten, blieb offen. Für die Jahre 2011 und 2012 wurde die ursprüngliche Nichtigkeit der Jahresabschlüsse und Gewinnverwendungsbeschlüsse festgestellt.

Das (hiesige) Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht der Klage bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen stattgegeben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage erreichen.

Aus den Gründen

5          Die Revision hat teilweise Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit die Beklagte zur Rückgewähr von Dividendenzahlungen für die Geschäftsjahre 2009 und 2010 verurteilt worden ist. Unbegründet ist die Revision im Hinblick auf die Dividendenzahlungen für die Jahre 2011 und 2012.

I.

6          Das Berufungsgericht hat die Dividendenzahlungen für alle vier Jahre nach § 134 InsO für anfechtbar gehalten. Unentgeltlich seien die Zahlungen gewesen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Die maßgeblichen Gewinnverwendungsbeschlüsse seien nichtig. Dies sei rechtskräftig mit Wirkung erga omnes (§ 248 AktG) durch die Urteile festgestellt worden, die auf die vom Kläger erhobenen Nichtigkeitsfeststellungsklagen ergangen seien. Durch die Nichtigerklärung sei der Dividendenanspruch rückwirkend vernichtet worden, so dass die Beklagte die Dividenden ohne Rechtsgrund erhalten habe. Ob auch die Jahresabschlüsse selbst nichtig seien, was nur für die Jahre 2011 und 2012 festgestellt worden sei, sei unerheblich. Erst durch den Gewinnverwendungsbeschluss verwandle sich das mitgliedschaftliche Recht des Aktionärs auf Gewinnbeteiligung in einen Zahlungsanspruch gegen die Aktiengesellschaft.

 

7          Durch die rechtsgrundlosen Dividendenzahlungen seien keine anderen Vermögenswerte in das Vermögen der Schuldnerin gelangt. Ein Anspruch aus § 62 Abs. 1, § 278 Abs. 3 AktG bestehe nicht, weil man auf Seiten der Beklagten unstreitig keine Kenntnis von der Nichtigkeit der den Dividendenzahlungen zugrundeliegenden Jahresabschlüsse und Gewinnverwendungsbeschlüsse gehabt habe und auch eine grob fahrlässige Unkenntnis nicht ersichtlich sei. Daher sei die Beklagte nach § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht zur Rückzahlung verpflichtet und falle ein solcher Rückzahlungsanspruch nicht in das Vermögen der Schuldnerin. Auch Bereicherungsansprüche nach den §§ 812 ff BGB griffen nicht durch. Jedenfalls sei die Schutzvorschrift des § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG entsprechend auf etwaige Bereicherungsansprüche anzuwenden.

 

8          Eine Anfechtung nach § 134 InsO werde durch § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht gesperrt. Dass § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG im Gegensatz zu § 31 Abs. 2 GmbHG keinen Vorbehalt der Rückforderung vom gutgläubigen Empfänger vorsehe, sei kein tragfähiges Argument, weil § 31 Abs. 2 GmbHG sich nicht auf die Insolvenzsituation beziehe, sondern bereits im Vorfeld eingreife. Auch der Normzweck des § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG gebiete keine insolvenzrechtliche Privilegierung über den durch § 143 Abs. 2 InsO gewährten Schutz hinaus. Darüber hinaus sei zu beachten, dass Aktionäre als Eigenkapitalgeber mit ihren finanziellen Interessen in der Insolvenz hinter die Interessen der Gläubiger zurücktreten müssten, was aus § 199 InsO folge.

 

9          Umstände, die zu einer Entreicherung führen könnten (§ 143 Abs. 2 InsO iVm § 818 Abs. 3 BGB), habe die Beklagte nicht dargelegt.

 

II.

10        Das hält rechtlicher Prüfung nur zum Teil stand.

 

11        1. Zu beurteilen sind Zahlungen der Schuldnerin an die Beklagte. In einem Zwei-Personen-Verhältnis sind Leistungen unentgeltlich, wenn der Schuldner einen Vermögenswert zugunsten einer anderen Person aufgibt, ohne dass ihm ein entsprechender Vermögenswert zufließt oder zufließen soll (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2019 - IX ZR 167/18, BGHZ 222, 283 Rn. 83 mwN; std. Rspr.).

 

12        a) Maßgeblich sind die Rechtsverhältnisse im nach § 140 InsO zu bestimmenden Zeitpunkt der Rechtshandlung. Die Unentgeltlichkeit ist nach dem Zeitpunkt zu beurteilen, in dem die jeweilige Leistung des Schuldners vorgenommen wurde (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 - IX ZR 143/17, BGHZ 220, 280 Rn. 12 mwN). Daher kommt es darauf an, wie die Rechtslage sich darstellte, als die rechtlichen Wirkungen der Dividendenzahlungen eintraten (§ 140 Abs. 1 InsO). Spätere Veränderungen führen im Allgemeinen nicht dazu, dass eine zum Zeitpunkt der Rechtshandlung entgeltliche Leistung nachträglich - rückwirkend - als unentgeltlich anzusehen ist (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018, aaO Rn. 12 f; vom 10. Juni 2021 - IX ZR 157/20, ZInsO 2021, 1977 Rn. 7). Eine Leistung des Schuldners bleibt mithin entgeltlich, auch wenn die ausgleichende Gegenleistung später ausbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2019, aaO Rn. 62 mwN).

 

13        b) Stellt die Leistung des Schuldners kein Verpflichtungsgeschäft dar, ist die Unentgeltlichkeit nach dem Grundgeschäft zu beurteilen (BGH, Urteil vom 20. April 2017 - IX ZR 252/16, BGHZ 214, 350 Rn. 15; vom 27. Juni 2019, aaO Rn. 84; vom 11. November 2021 - IX ZR 237/20, ZInsO 2022, 104 Rn. 53). Danach sind Erfüllungsleistungen des Schuldners unentgeltlich, wenn entweder - die Wirksamkeit des Grundgeschäfts unterstellt - dem Schuldner bereits nach dem Grundgeschäft keine ausgleichende Leistung zufließen sollte, oder wenn - bei Unwirksamkeit des entgeltlichen Grundgeschäfts - dem Schuldner bereits im Zeitpunkt seiner Leistung kein Anspruch auf Rückforderung der dann ohne Rechtsgrund erbrachten Leistung zusteht (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2017, aaO Rn. 15 f).

 

14        aa) Im Hinblick auf das Grundgeschäft ist im Zwei-Personen-Verhältnis zu berücksichtigen, inwieweit der leistende Schuldner eine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung erhalten soll oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2017, aaO Rn. 11 mwN). Die Erfüllung einer eigenen, rechtsbeständigen, infolge einer entgeltlichen Gegenleistung begründeten Verbindlichkeit stellt eine entgeltliche Leistung dar. Ausschlaggebend ist, dass die eingegangene Schuld ihrerseits als entgeltlich anzusehen ist, weil der Schuldner eine entsprechende, seinem Vermögen zufließende Gegenleistung erhalten hat oder soll (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2019, aaO).

 

15        bb) Fehlt es an einem wirksamen, entgeltlichen Grundgeschäft, ergibt sich die nach § 134 Abs. 1 InsO erforderliche Unentgeltlichkeit nicht ohne weiteres. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können ohne rechtlichen Grund vorgenommene Leistungen entgeltlich sein, wenn dem Schuldner ein Rückforderungsanspruch hinsichtlich seiner Leistung zusteht (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2017 - IX ZR 252/16, BGHZ 214, 350 Rn. 14). Ein Rückforderungsanspruch kann sich aus den §§ 812 ff BGB ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2017, aaO Rn. 13 ff; vom 7. September 2017 - IX ZR 224/16, NZI 2017, 854 Rn. 18; vom 1. Oktober 2020 - IX ZR 247/19, NZI 2021, 30 Rn. 10). Das dem Rechtsverhältnis zugrundeliegende Recht kann aber auch eine Rückgewähr nach den §§ 346 ff BGB vorsehen (etwa § 326 Abs. 4 BGB, vgl. dazu BGH, Beschluss vom 26. Januar 2023 - IX ZR 17/22, ZIP 2023, 598 Rn. 11).

 

16        Die Frage der (Un-)Entgeltlichkeit bestimmt sich hier maßgeblich nach dem Rechtsverhältnis und dem diesem zugrundeliegenden allgemeinen Recht. Aus ihm ergibt sich, ob ein Rückforderungsanspruch in das Vermögen des Schuldners gelangt ist oder nicht. Zur Annahme der Unentgeltlichkeit kann es daher führen, wenn eine rechtsgrundlose Leistung in Kenntnis der Nichtschuld (§ 814 BGB) oder unter den Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB vorgenommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2019 - IX ZR 167/18, BGHZ 222, 283 Rn. 95; vom 1. Oktober 2020, aaO Rn. 10 f). Eine erst später, nach dem gemäß § 140 InsO maßgeblichen Zeitpunkt eintretende Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) ist hingegen ohne Bedeutung.

 

17        cc) Die Rechtsprechung des Senats zur Beurteilung der (Un-)Entgeltlichkeit im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO bei bestehendem Rückforderungsanspruch wird kritisiert (Bitter, KTS 2022, 423 ff, ders., ZIP 2023, 169 ff). Die Kritik zielt darauf ab, die Unentgeltlichkeit im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO bei rechtsgrundloser Leistung stets, also unbeschadet eines bestehenden Rückforderungsanspruchs anzunehmen (vgl. Bitter, KTS 2022, 423, 476; ders., ZIP 2023, 169, 175). Begründet wird dies mit angeblichen Widersprüchen zwischen allgemein zivilrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Wertungen auf der einen und insolvenzanfechtungsrechtlichen Wertungen auf der anderen Seite. Dies gelte insbesondere für eine insolvenzanfechtungsrechtliche Privilegierung des bösgläubigen Dividendenempfängers, der wegen des bestehenden Rückgewähranspruchs aus § 62 AktG nicht Gegner einer Schenkungsanfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO sein könne (Bitter, KTS 2022, 423, 475 f; ders., ZIP 2023, 169, 171).

 

18        Die Kritik ist unberechtigt. Unter den Voraussetzungen der §§ 129 ff InsO wird ein ansonsten in jeder Hinsicht ordnungsgemäßer Rechtserwerb außer Kraft gesetzt und der Inhaber des Rechts zur Rückgewähr nach § 143 InsO verpflichtet. Die Rechtsposition des Empfängers einer rechtsgrundlosen Leistung, demgegenüber der Bereicherungsanspruch wegen § 814 oder § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen ist, bleibt hinter einem in jeder Hinsicht ordnungsgemäßen Rechtserwerb zurück. Der Behaltensgrund ergibt sich nur aufgrund spezieller bereicherungsrechtlicher Wertungen. Es gibt keinen Grund, den Empfänger einer rechtsgrundlosen Leistung insolvenzanfechtungsrechtlich gegenüber demjenigen zu privilegieren, der sein Recht in jeder Hinsicht ordnungsgemäß erworben hat. Für den Empfänger gesetzeswidriger Dividendenzahlungen gilt nichts anderes. Der Kritik an der Senatsrechtsprechung geht es ersichtlich nicht um die Interessen desjenigen, der durch die allgemeinen zivilrechtlichen oder gesellschaftsrechtlichen Wertungen geschützt ist. Die vermeintlichen Wertungswidersprüche sollen nicht aufgelöst, sondern dadurch überdeckt werden, dass jede rechtgrundlose Leistung zugleich unentgeltlich im Sinne des § 134 InsO ist (Bitter, KTS 2022, 423, 476; ders., ZIP 2023, 169, 175). Dafür besteht kein Anlass.

 

19        2. Nach diesen Maßstäben hält die Entscheidung des Berufungsgerichts für die Dividendenzahlungen der Jahre 2011 und 2012 rechtlicher Überprüfung stand. Für die Dividendenzahlungen der Jahre 2009 und 2010 erweist sie sich als rechtsfehlerhaft.

 

20        a) Die Dividendenzahlungen für die Jahre 2011 und 2012 stellen unentgeltliche Leistungen der Schuldnerin im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO dar.

 

21        aa) Aus dem Grundgeschäft - seine Wirksamkeit unterstellt - ergibt sich im Streitfall keine Unentgeltlichkeit der Leistungen der Schuldnerin. Dividendenzahlungen aufgrund eines wirksamen Gewinnverwendungsbeschlusses sind entgeltlich, wenn und soweit sie die Gegenleistung für die erbrachte Einlage darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2017 - IX ZR 189/16, ZIP 2017, 1284 Rn. 9; vom 5. Juli 2018 - IX ZR 139/17, ZIP 2018, 1746 Rn. 14; vom 22. Juli 2021 - IX ZR 26/20, ZIP 2021, 1768 Rn. 11).

 

22        bb) Die Leistungen der Schuldnerin für die Jahre 2011 und 2012 sind jedoch unentgeltlich, weil bereits zum Zeitpunkt der Dividendenzahlungen kein wirksamer Rechtsgrund für die Leistung der Schuldnerin bestand und der Schuldnerin für die Zahlungen kein Rückforderungsanspruch zusteht.

 

23        (1) Für die Geschäftsjahre 2011 und 2012 fehlte es an Dividendenansprüchen der Beklagten und damit an der Erfüllung einer eigenständigen, infolge einer entgeltlichen Gegenleistung begründeten Verbindlichkeit.

 

24        (a) Voraussetzung für den Dividendenanspruch des Kommanditaktionärs ist ein ordnungsgemäß gefasster Gewinnverwendungsbeschluss (§ 278 Abs. 3, § 174 AktG). An einem Dividendenanspruch fehlt es deshalb, wenn der Gewinnverwendungsbeschluss aufgrund eines eigenen Mangels oder infolge Nichtigkeit des Jahresabschlusses, auf dem die Beschlussfassung über den Bilanzgewinn beruht, nichtig ist (MünchKomm-AktG/Bayer, 5. Aufl., § 58 Rn. 105; BeckOGK-AktG/Cahn/v. Spannenberg, 2023, § 58 Rn. 100; Schmidt/Lutter/Fleischer, AktG, 4. Aufl., § 62 Rn. 22; Grigoleit/Rachlitz, AktG, 2. Aufl., § 62 Rn. 4).

 

25        (b) Auf die vom Kläger erhobenen Nichtigkeitsfeststellungsklagen ist für die Geschäftsjahre 2011 und 2012 rechtskräftig festgestellt worden, dass sowohl die Jahresabschlüsse als auch die Gewinnverwendungsbeschlüsse von Anfang an unwirksam waren. Den Entscheidungen kommt die Rechtskraftwirkung des § 248 AktG (iVm § 249 Abs. 1 Satz 1, § 278 Abs. 3 AktG) zu. Damit steht auch im Verhältnis zwischen dem Kläger und der (hiesigen) Beklagten rechtskräftig fest, dass es bereits zum nach § 140 Abs. 1 InsO zu bestimmenden Zeitpunkt der Leistung der Schuldnerin keine Gewinnverwendungsbeschlüsse gab, welche eine Verpflichtung der Schuldnerin zur Vornahme der Dividendenzahlungen für die Geschäftsjahre 2011 und 2012 hätten begründen können. Eine Entgeltlichkeit der entsprechenden Zahlungen folgt deshalb nicht daraus, dass es eigenständige, infolge einer entgeltlichen Gegenleistung begründete Verbindlichkeiten der Schuldnerin gab.

 

26        (2) Für die in den Jahren 2011 und 2012 von Anfang an ohne Rechtsgrund gezahlten Dividenden ist auch sonst kein Gegenwert in das Vermögen der Schuldnerin gelangt.

 

27        (a) Ein Anspruch nach § 62 Abs. 1 AktG scheitert an § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG. Die Beklagte hatte keine Kenntnis von der Unwirksamkeit der Jahresabschlüsse und Gewinnverwendungsbeschlüsse. Die Feststellungen des Berufungsgerichts enthalten keine Anhaltspunkte, die auf eine fahrlässige Unkenntnis schließen lassen könnten. Soweit das Berufungsgericht - rechtsfehlerhaft - als Maßstab eine grob fahrlässige Unkenntnis herangezogen hat, hat sich dies nicht ausgewirkt. Weder Revision noch Revisionserwiderung zeigen einen Sachvortrag auf, der eine fahrlässige Unkenntnis der Beklagten begründen könnte. Vielmehr geht die Revision davon aus, dass die Beklagte gutgläubig im Sinne des § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG war.

 

28        (b) Ein möglicher Bereicherungsanspruch nach den §§ 812 ff BGB wird durch die speziellere aktienrechtliche Regelung verdrängt (BGH, Urteil vom 5. April 2016 - II ZR 268/14, NZG 2016, 1182 Rn. 11 mwN; Koch, AktG, 17. Aufl., § 62 Rn. 2; Mayer/Albrecht vom Kolke in Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl., § 62 Rn. 3; Schmidt/Lutter/Fleischer, AktG, 4. Aufl., § 62 Rn. 20; vgl. auch MünchKomm-AktG/Bayer, 5. Aufl., § 62 Rn. 8). Deshalb ist es ohne Bedeutung, ob die Dividendenzahlungen in Kenntnis der Nichtschuld im Sinne des § 814 BGB vorgenommen wurden (vgl. Habersack, ZIP 2022, 1621, 1626; zweifelnd Thole, ZRI 2023, 49, 55 f).

 

29        b) Die bisher getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen jedoch nicht die Annahme, auch die Dividendenzahlungen für die Geschäftsjahre 2009 und 2010 seien gemäß § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar. Es steht nicht fest, dass es zum Zeitpunkt der Leistungen der Schuldnerin (§ 140 InsO) keinen Anspruch der Beklagten auf Auszahlung der Dividende gab.

 

30        aa) Das Berufungsgericht meint, die Beklagte habe keinen Anspruch auf die Dividenden für die Geschäftsjahre 2009 und 2010 gehabt, weil auf die vom Kläger erhobenen Nichtigkeitsfeststellungsklagen die Nichtigkeit der entsprechenden Gewinnverwendungsbeschlüsse mit der Rechtskraftwirkung des § 248 AktG festgestellt worden sei. Die Feststellung der Nichtigkeit der Gewinnverwendungsbeschlüsse ist jedoch für die Jahre 2009 und 2010 damit begründet worden, dass diesen durch die (spätere) Ersetzung der Jahresabschlüsse durch den Kläger die Grundlage entzogen worden sei. Ob die Gewinnverwendungsbeschlüsse von Anfang an nichtig waren, ist offengeblieben. Eigene Feststellungen zur ursprünglichen Unwirksamkeit der Gewinnverwendungsbeschlüsse hat das Berufungsgericht nicht getroffen.

 

31        bb) Sollten die Gewinnverwendungsbeschlüsse für die Jahre 2009 und 2010 ursprünglich wirksam gewesen sein, dürften die Dividendenzahlungen als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung des entsprechenden Risikokapitals entgeltlich gewesen sein. Die spätere Ersetzung der Jahresabschlüsse durch den Kläger konnte den Auszahlungsanspruch der Beklagten nicht ohne weiteres beseitigen (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2020 - II ZR 412/17, BGHZ 225, 198 Rn. 35; vom 21. April 2020 - II ZR 56/18, NZI 2020, 739 Rn. 31 ff). Insolvenzanfechtungsrechtlich kommt es ohnehin nur auf den Zeitpunkt des § 140 InsO an (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 - IX ZR 143/17, BGHZ 220, 280 Rn. 12 f; vom 10. Juni 2021 - IX ZR 157/20, ZInsO 2021, 1977 Rn. 7). Weder kann eine Anfechtbarkeit durch eine rückwirkende Beseitigung des Gewinnauszahlungsanspruchs begründet werden noch wird die Anfechtbarkeit umkehrt dadurch ausgeschlossen, dass die ursprüngliche Unwirksamkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses durch Zeitablauf nicht mehr geltend gemacht werden kann.

 

32        3. § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG stellt keine die Anfechtbarkeit nach den §§ 129 ff InsO beschränkende gesetzliche Regelung dar. Dies gilt auch für die hier in Rede stehende Schenkungsanfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO.

 

33        a) Die Frage, ob der von § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG bezweckte Schutz des gutgläubigen Empfängers eine Anfechtbarkeit nach den §§ 129 ff InsO ausschließen kann, ist im Schrifttum umstritten und höchstrichterlich ungeklärt.

 

34        aa) Soweit eine Anfechtbarkeit nach § 134 Abs. 1 InsO verneint wird, wird dies mit der Gesetzessystematik begründet. § 62 Abs. 2 Satz 2 AktG befasse sich ausdrücklich mit der Insolvenzsituation. Auch für die Insolvenz habe der Gesetzgeber jedoch keine Ausnahme vom Gutglaubensschutz des § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG vorgesehen, anders als in § 31 Abs. 2 GmbHG. Das spreche für den Willen des Gesetzgebers, den Schutz des § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG auch auf eine Anfechtbarkeit nach § 134 Abs. 1 InsO zu erstrecken (vgl. BeckOGK-AktG/Cahn, 2023, § 62 Rn. 27; Henssler/Strohn/Paefgen, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., § 62 AktG Rn. 9). Der aus der Gesetzessystematik geschlossene Wille des Gesetzgebers soll auch im Rahmen von Beratungen über eine historische Vorgängervorschrift des § 62 AktG - Art. 218 ADHGB - zutage getreten sein (Foerster, WM 2022, 23,59, 2360). Die dadurch getroffene Wertentscheidung habe der Gesetzgeber bei der späteren Ausformung des Konkurs- und Insolvenzrechts nicht in Zweifel gezogen (Foerster, aaO S. 2360 f). Der so verstandene Gutglaubensschutz decke sich mit den Aufgaben und Zielen des Kapitalmarkts. Die Privilegierung des gutgläubigen Dividendenempfangs stärke das Vertrauen der Anleger in die Integrität und Stabilität des Kapitalmarkts. Die Pflicht, gutgläubig erhaltene Dividenden nach Jahren zurückzuzahlen, sei hingegen ein Zeichen fehlender Stabilität (Foerster, aaO S. 2362).

 

35        bb) Überwiegend wird die Zahlung von Dividenden für anfechtbar gehalten. Die Wirkungen des von § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG vermittelten Schutzes werden dementsprechend auf den gesellschaftsrechtlichen Rückgewähranspruch des § 62 Abs. 1 AktG beschränkt (vgl. Uhlenbruck/Borries/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 129 Rn. 52, § 134 Rn. 119 ff; Mylich, AG 2011, 765, 768 f; Habersack, ZIP 2022, 1621 ff; Thole, ZRI 2023, 49 ff; im Ergebnis auch Bitter, KTS 2022, 423, 476 Fn. 324; ders. ZIP 2023, 169, 172; vgl. auch MünchKomm-InsO/Kayser/Freudenberg, 4. Aufl., § 134 Rn. 24a, 39; Haas, ZIP 2006, 1373, 1377).

 

36        cc) Der Bundesgerichtshof hat bislang nur entschieden, dass aus § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG, § 172 Abs. 5 HGB, § 31 Abs. 2 GmbHG (jedenfalls) kein allgemeiner Rechtsgedanke dahingehend folgt, dass außerhalb des Anwendungsbereichs einer der genannten Vorschriften eine Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO (gegenüber Genussrechtsinhabern) ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2021 - IX ZR 111/20, ZInsO 2022, 309 Rn. 30). Damit ist keine Aussage über die Reichweite der Vorschriften in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich verbunden. Insbesondere ist nicht entschieden, dass der gutgläubige Dividendenempfänger nicht Gegner einer Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO sein kann.

 

37        b) Der Schutz des § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG schließt eine Anfechtung nach den §§ 129 ff InsO nicht aus. Das gilt auch für eine Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO. Es fehlt an hinreichenden Anhaltspunkten für eine entsprechende Wertentscheidung des Gesetzgebers.

 

38        aa) § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG ist Teil eines aktienrechtlichen Regelungssystems von gesellschaftsrechtlichen Rückgewähransprüchen. Indem unberechtigte Zuwendungen in das Vermögen der Gesellschaft zurückgeführt werden, dient der Anspruch dem im Recht der Aktiengesellschaft zentralen Grundsatz der Kapitalerhaltung (MünchKomm-AktG/Bayer, 5. Aufl., § 62 Rn. 1; Grigoleit/Rachlitz, AktG, 2. Aufl., § 62 Rn. 1; Koch, AktG, 17. Aufl., § 62 Rn. 1). Es handelt sich um einen spezifisch aktienrechtlichen Anspruch, der sich im Sinne der Kapitalerhaltung von anderen Ansprüchen abgrenzt, welche die Rückforderung zu Unrecht empfangener Zuwendungen grundsätzlich ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2013 - II ZR 179/12, BGHZ 196, 312 Rn. 15 ff; Heidel/Drinhausen, AktG, 5. Aufl., § 62 Rn. 1). Vor dem Hintergrund des bezweckten Schutzes der Kapitalerhaltung ist das Gesamtgefüge der Norm zu sehen. Das gilt nicht nur für § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG, der den Schutz des gutgläubigen Dividendenempfängers über die Kapitalerhaltung stellt. Auch die Verjährungsregelungen in § 62 Abs. 3 AktG sind Gegenstand eines solchen Abwägungsvorgangs. Dies gilt letztlich auch für die von § 62 Abs. 2 AktG getroffenen Regelungen über die Rechtsverfolgung durch die Gesellschaftsgläubiger.

 

39        Das Insolvenzanfechtungsrecht der §§ 129 ff InsO stellt das insolvenzrechtliche Regelungssystem zur Sicherstellung einer möglichst weitgehenden Gläubigerbefriedigung dar. Das Insolvenzanfechtungsrecht hat die Aufgabe, den Bestand des den Gläubigern haftenden Schuldnervermögens dadurch wiederherzustellen, dass Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht werden, die insbesondere in der Zeit der Krise vor der Verfahrenseröffnung zum Nachteil der Gläubiger vorgenommen worden sind (BT-Drucks. 12/2443, S. 156). Zur Rückgängigmachung der Wirkungen gläubigerbenachteiligender Rechtshandlungen und dem damit verbundenen Eingriff in die Rechtsposition des Anfechtungsgegners bedarf es eines rechtfertigenden Grunds. Ob ein solcher Grund vorliegt, beantworten die §§ 129 ff InsO. Bei unentgeltlichen Leistungen des Schuldners beschränkt § 134 Abs. 1 InsO die Rechtsbeständigkeit des Erwerbs, während § 143 Abs. 2 InsO auf der Rechtsfolgenseite den guten Glauben des Erwerbers schützt.

 

40        bb) Die rechtsgrundlose Bezahlung von Dividenden an einen Aktionär unterliegt damit verschiedenen Rückforderungsansprüchen. Ab Empfang und unabhängig von einer Insolvenz der Gesellschaft greift § 62 AktG. Daneben treten im Falle der Insolvenzeröffnung die §§ 129 ff InsO. Es gibt keinen hinreichenden Grund anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine Beschränkung des Insolvenzanfechtungsrechts durch § 62 Abs. 1 Satz 2 InsO gewollt haben könnte. Er hat die Rückgewähr gutgläubig empfangener Dividenden vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Kapitalerhaltung für entbehrlich gehalten. Dass er dies auch unter Berücksichtigung der Zwecke des Insolvenzanfechtungsrechts gewollt haben könnte, das insbesondere den Schutz des guten Glaubens eigenständig regelt, kann nicht angenommen werden.

 

41        Die von der Gegenmeinung (Foerster, WM 2022, 2359, 2360) herangezogenen Protokolle über die Beratung der Fassung des Art. 218 ADHGB (Protokolle der Kommission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Protokoll I bis XLV und XCIX bis CLXXVI, S. 335 f und 1044) stammen aus der Zeit vor Inkrafttreten der Konkursordnung. Die nicht Gesetz gewordenen Änderungsvorschläge zu Art. 218 ADHGB zielten darauf, eine Rückforderung überzahlter Dividenden unter geringeren Anforderungen zuzulassen. Den Materialien lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass ein Schutz vor Anfechtungsrisiken beabsichtigt war. Soweit zur Begründung des Änderungsvorschlags unter anderem angeführt worden ist, dass die Aktionäre im Falle eines Konkurses wegen der "Schwierigkeit der Rechtsverfolgung" aus tatsächlichen Gründen hinreichend geschützt seien, betrifft dies allein die Durchsetzung eines aktienrechtlichen Rückzahlungsanspruchs. Selbst wenn die Mehrheit dieses Argument verworfen haben sollte, folgt daraus nichts für die - zur damaligen Zeit ohnehin nur in Partikularrechten und in unterschiedlicher Weise geregelten (vgl. zur Anfechtbarkeit freigiebiger Verfügungen des Schuldners etwa § 102 Nr. 2 Preuß. KO) - Anfechtungsansprüche. Den Protokollen lässt sich kein Wille entnehmen, die von den Voraussetzungen eines Anfechtungsanspruchs im Einzelfall abhängige Anfechtbarkeit von Dividendenzahlungen auszuschließen. Die späteren gesetzlichen Regelungen enthalten ebenfalls keine solche Wertentscheidung.

 

42        Es gibt auch keine rechtssystematischen Gründe, die mit hinreichender Gewissheit für einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers sprechen könnten. Richtig ist, dass der Gutglaubensschutz in § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG weitergeht, als der unter dem Vorbehalt der Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger stehende Schutz des § 31 Abs. 2 GmbHG. Das lässt sich jedoch zwanglos auf den gesellschaftsrechtlichen Rückgewähranspruch beschränken, der nicht nur in der materiellen Insolvenz, sondern auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft fortbesteht. Richtig ist schließlich auch, dass das Vertrauen in den Kapitalmarkt schutzwürdig ist. Die Ausgestaltung des Schutzes ist Sache des Gesetzgebers. Dieser verweist Beteiligungen am Risikokapital in der Gesellschaftsinsolvenz in den Nach-Nachrang des § 199 Satz 2 InsO, offenbar ohne dass dadurch aus seiner Sicht das Vertrauen in den Kapitalmarkt nachhaltig gestört wird.

 

43        c) Eine Anfechtbarkeit von Dividendenzahlungen lässt § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht leerlaufen. Zum einen ist die Haftung aus § 62 Abs. 1 AktG in mehrfacher Hinsicht strenger als der aus § 134 Abs. 1 InsO resultierende Anfechtungsanspruch (vgl. auch Habersack, ZIP 2022, 1621, 1625). Die Haftung aus § 62 Abs. 1 AktG kennt keinen Entreicherungseinwand (vgl. MünchKomm-AktG/Bayer, 5. Aufl., § 62 Rn. 8; BeckOGK-AktG/Cahn, 2023, § 62 Rn. 5; Henssler/Strohn/Paefgen, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., § 62 AktG Rn. 1), während der Anfechtungsanspruch im Grundsatz auf die (fort-)bestehende Bereicherung beschränkt ist (§ 143 Abs. 2 InsO). In zeitlicher Hinsicht begrenzt nur die zehnjährige Verjährungsfrist nach § 62 Abs. 3 AktG die aktienrechtliche Haftung, während der insolvenzanfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch aus § 134 Abs. 1 InsO einer Anfechtungsfrist von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und einer dreijährigen Verjährungsfrist (§ 146 Abs. 1 InsO, §§ 195, 199 BGB) unterliegt.

 

44        Zum anderen bestehen unterschiedliche Anspruchsvoraussetzungen. § 62 AktG erfasst jeden Fall eines Dividendenbezugs aufgrund eines nichtigen oder erst in einem Anfechtungsverfahren für nichtig erklärten Gewinnverwendungsbeschlusses (vgl. MünchKomm-AktG/Bayer, 5. Aufl., § 62 Rn. 66 mwN). Insbesondere kann die erfolgreiche Anfechtung eines Gewinnverwendungsbeschlusses auch auf andere Gründe als die anfängliche Nichtigkeit gestützt werden (vgl. Koch, AktG, 17. Aufl., § 62 Rn. 7). Demgegenüber kommt eine Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO nur in Betracht, wenn bereits zum nach § 140 InsO zu bestimmenden Zeitpunkt der Leistung des Schuldners kein wirksamer Gewinnverwendungsbeschluss bestand. Eine bloße Anfechtbarkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses genügt hingegen - trotz einer im Falle erfolgreicher Anfechtung eintretenden Nichtigkeit von Anfang an (§ 241 Nr. 5 AktG) - nicht.

 

45        Die praktischen Auswirkungen dieser Unterschiede führen dazu, dass der bösgläubige Aktionär schlechter steht als der gutgläubige. Dies gilt auch in den Fällen, in denen gegenüber dem gutgläubigen Aktionär eine Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO durchgreift. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass, die der Verbesserung der Gläubigerbefriedigung dienenden Anfechtungsvorschriften im Hinblick auf die aktienrechtlichen Regelungen in ihrem Regelungsbereich zu beschränken.

 

46        4. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, ein Anfechtungsanspruch scheitere an § 143 Abs. 2 InsO. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass keine Entreicherung im Sinne des § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO anzunehmen ist. Die Behauptung der Beklagten, sie habe die erhaltenen "Zinsen bzw. Dividenden quasi thesaurierend wieder in Wertpapiere der I.    -Gruppe investiert" ist vom Kläger bestritten worden. Einen entsprechenden Beweisantritt der Beklagten zeigt die Revision nicht auf. Die Ansicht der Beklagten, sie sei jedenfalls in Höhe abgeführter Steuern entreichert, trifft vor dem Hintergrund des Sachvortrags, auf den die Revision verweist, nicht zu. Es fehlt an der Darlegung einer endgültigen steuerlichen Mehrbelastung (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2010 - IX ZR 163/09, NZI 2010, 605 Rn. 14 mwN).

 

III.

47        Das Urteil ist danach aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, soweit der Kläger die Rückzahlung der Dividenden für die Geschäftsjahre 2009 und 2010 begehrt (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat insoweit nicht treffen, weil die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die weitergehende Revision ist unbegründet.

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