BGH: Inkasso durch Rechtsanwalt
BGH, Urteil vom 18.6.2025 – I ZR 99/24
ECLI:DE:BGH:2025:180625UIZR99.24.0
Volltext: BB-Online BBL2025-1729-2
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Amtlicher Leitsatz
Angaben eines Rechtsanwalts in einem an eine Privatperson gerichteten Inkasso-schreiben zum Namen seines Auftraggebers sowie zum Grund und zur Höhe der geltend gemachten Forderung stellen regelmäßig keine geschäftliche Handlung des Rechtsanwalts dar.
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 2; BRAO § 43d Abs. 1 Nr. 1 und 2
Sachverhalt
1 Die Klägerin ist ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband. Die Beklagte ist eine Rechtsanwaltskanzlei, die in großem Umfang Inkassodienstleistungen für Unternehmen anbietet.
2 Die Beklagte versandte am 18. Februar 2022 ein Inkassoschreiben (Anlage K 5) an einen Verbraucher. Darin gab sie unter Verweis auf die Vertretung der G. Gr. GmbH an, der Verbraucher habe am 24. November 2020 einen Mietvertrag über ein Mobilfunkgerät geschlossen, aus dem ein Betrag von 164,70 € trotz Mahnung ihrer Mandantin unbezahlt geblieben sei. Diesen Betrag zuzüglich Verzugszinsen sowie Mahn- und Anwaltskosten forderte die Beklagte ein. Hierzu verwies sie am Ende des Schreibens unter Nennung des Betrags von 164,90 € auf eine Rechnung vom 28. Oktober 2021 betreffend einen am 24. November 2020 mit der "G. GmbH" geschlossenen Mietvertrag. Die Rechnung vom 28. Oktober 2021 (Anlage K 3) belief sich auf eine Summe von 64,90 €. Eine "G. GmbH" existiert nicht.
3 Die Klägerin hat geltend gemacht, die von der Beklagten und ihrer Mandantin aufgestellte Behauptung eines Mietvertragsabschlusses sei irreführend, weil der Verbraucher kein Mobilfunkgerät bestellt habe; es handele sich um einen Identitätsdiebstahl. Der Verweis der Beklagten auf einen Vertragsschluss mit der "G. GmbH" sei irreführend, jedenfalls aber zweideutig und verstoße gegen die Marktverhaltensregelung des § 43d Abs. 1 Nr. 1 und 2 BRAO. Ebenfalls irreführend sei ihre Behauptung einer Zahlungspflicht in unzutreffender Höhe.
4 Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern in Inkassoschreiben, mit denen die Beklagte Forderungen zugunsten Dritter beitreibt, 1. zu behaupten, der Verbraucher habe mit dem Dritten einen Mietvertrag geschlossen, wenn in Wahrheit das im Inkassoschreiben genannte Mietverhältnis zwischen dem genannten Dritten und dem Verbraucher von Anfang an nicht existiert hat, wie geschehen nach Anlage K 5, und/oder 2. zur Erläuterung des Schuldgrunds und der Forderungshöhe auf einen Mietvertrag mit einem nicht existierenden Dritten ("G. GmbH") sowie auf eine Rechnung Bezug zu nehmen, wie geschehen nach Anlage K 5 in Verbindung mit Anlage K 3, wenn der in der Rechnung genannte Forderungsbetrag niedriger ist als die im Inkassoschreiben genannte Forderung.
5 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Hamburg, Urteil vom 10. Oktober 2023 - 406 HKO 120/22, juris). Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (OLG Hamburg, GRUR 2025, 251). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Aus den Gründen
6 I. Das Berufungsgericht hat den ersten Klageantrag für unzulässig und den zweiten Klageantrag für unbegründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:
7 Hinsichtlich des Klageantrags zu 1 fehle der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis. Mit dem Antrag greife sie die Rechtsverfolgung der Beklagten an sich an. Würde der Beklagten untersagt, in Inkassoschreiben gegenüber Verbrauchern die in § 43d Abs. 1 Nr. 2 BRAO vorgeschriebenen Angaben zu dem der beizutreibenden Forderung zugrundeliegenden Mietvertrag zu machen, könnte sie kein Inkasso gegenüber Verbrauchern mehr betreiben, ohne befürchten zu müssen, gegen den Unterlassungstitel zu verstoßen und einem Ordnungsmittelverfahren ausgesetzt zu sein. Dies stelle einen unzulässigen Eingriff in den Kernbereich der grundrechtlich geschützten anwaltlichen Tätigkeit der Beklagten dar und sei mit ihrer Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar. Eine rechtsverbindliche Klärung vor Versendung des Inkassoschreibens, ob der vom Mandanten behauptete Mietvertrag tatsächlich bestehe, sei der Beklagten weder möglich noch zumutbar. Ebenso wenig sei ihr die Einstellung der Inkassotätigkeit zumutbar. Im Übrigen wäre der Klageantrag zu 1 aus denselben Gründen wie der Klageantrag zu 2 unbegründet.
8 Hinsichtlich des Klageantrags zu 2 fehle der Klägerin nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil es nicht um die Rechtsverfolgung an sich, sondern um konkrete Ausführungen zur Begründung der geltend gemachten Forderung im Rahmen der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung gehe. Das Inkassoschreiben stelle jedoch keine geschäftliche Handlung der Beklagten dar. Bei der Vertretung der Mandantin habe die anwaltliche Tätigkeit der Beklagten als Organ der Rechtspflege im Vordergrund gestanden. Ihre außergerichtliche Äußerung im Namen des Mandanten habe der Durchsetzung der Mandantenposition gedient. Jedenfalls hinsichtlich der Angabe "G. GmbH" sei die geschäftliche Relevanz ebenso wie die Spürbarkeit einer Beeinträchtigung der Verbraucherinteressen zu verneinen.
9 II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Der Klageantrag zu 1 ist zwar entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts zulässig (dazu II 1 a). Er ist aber unbegründet (dazu II 1 b). Der Klageantrag zu 2 ist ebenfalls zulässig (dazu II 2 a), aber unbegründet (dazu II 2 b).
10 1. Das Berufungsgericht hat dem Klageantrag zu 1 im Ergebnis zu Recht keinen Erfolg beigemessen.
11 a) Die Revision wendet sich allerdings mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht den Klageantrag zu 1 mangels Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin als unzulässig angesehen hat.
12 aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fehlt einer Klage auf Unterlassung oder Beseitigung von Äußerungen, die der Rechtsverfolgung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren dienen, regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen und seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden soll, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geklärt werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 20. Juni 2023 - VI ZR 207/22, GRUR 2023, 1325 [juris Rn. 9] = WRP 2023, 1477; Urteil vom 21. November 2024 - I ZR 10/24, GRUR 2025, 493 [juris Rn. 13] = WRP 2025, 622 - Cornea-Implantat).
13 Sind die angegriffenen Äußerungen außerhalb eines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens erfolgt, stehen aber mit einem solchen in Zusammenhang, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis nur dann, wenn die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage auf eine Beschränkung der Rechtsverfolgung oder -verteidigung des Gegners gerichtet ist, die im Fall des Obsiegens in dem nachfolgenden gerichtlichen oder behördlichen Verfahren fortwirkte. Hiervon ist nicht auszugehen, wenn mit der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage nicht die Rechtsverfolgung oder -verteidigung an sich, sondern lediglich Ausführungen zu ihrer Begründung angegriffen werden (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2020 - I ZR 85/19, GRUR 2020, 886 [juris Rn. 22 f.] = WRP 2020, 1017 - Preisänderungsregelung; vgl. auch BGH, Urteil vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, WRP 2005, 236 [juris Rn. 18 bis 20]). Für die Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses reicht es nicht aus, dass eine außergerichtliche Auseinandersetzung - wie stets - in eine gerichtliche Auseinandersetzung münden kann (BGH, GRUR 2020, 886 [juris Rn. 22] - Preisänderungsregelung; Koch, WRP 2019, 1259 Rn. 31; vgl. auch BGH, WRP 2005, 236 [juris Rn. 19 f.]).
14 bb) Von diesen Grundsätzen ausgehend hat das Berufungsgericht angenommen, der Klägerin fehle für den Klageantrag zu 1 das Rechtsschutzbedürfnis. Das auf die Unterlassung von Äußerungen in Inkassoschreiben beschränkte Verbot wirkte zwar in einem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren nicht fort. Der Klageantrag betreffe jedoch die Rechtsverfolgung der Beklagten für ihre Mandanten an sich, die ihr nicht untersagt werden könne. Die Beklagte als Inkassodienstleistungen anbietende Rechtsanwaltskanzlei sei darauf angewiesen, für ihre Mandanten Forderungen aus (behaupteten) Mietverträgen geltend machen zu können. Dabei sei sie nach § 43d Abs. 1 Nr. 2 BRAO verpflichtet, in solchen Inkassoschreiben an Privatpersonen Angaben zum Forderungsgrund, also zu Gegenstand und Datum des Vertrags, zu machen. Würden der Beklagten diese Angaben für den Fall eines fehlenden Mietvertragsverhältnisses verboten, müsste sie befürchten, in Fällen, in denen der Verbraucher einen Vertragsschluss in Abrede stelle, gegen den Unterlassungstitel zu verstoßen und mit einem Ordnungsmittelverfahren konfrontiert zu werden. Dies wäre mit ihrer Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege unvereinbar und stellte einen unzulässigen Eingriff in den Kernbereich ihrer anwaltlichen Tätigkeit dar. Die Beklagte könnte die Einleitung eines Ordnungsmittelverfahrens nur verhindern, wenn sie die Inkassotätigkeit für Forderungen aus Mietverträgen einstellte oder vor jedem Inkassoschreiben das Vorliegen eines wirksamen Vertragsschlusses überprüfte. Das sei ihr weder rechtsverbindlich möglich noch zumutbar. Zu derartigen Ermittlungen sei sie berufsrechtlich nicht verpflichtet.
15 cc) Mit dieser Begründung kann ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin hinsichtlich des Klageantrags zu 1 nicht verneint werden.
16 (1) In einem für die Mandantin nachfolgend geführten Prozess auf Begleichung einer Mietzinsforderung wäre der Beklagten nicht die Behauptung untersagt, der Verbraucher habe mit der Mandantin einen Mietvertrag abgeschlossen. Das gilt auch dann, wenn - wie die Revisionserwiderung anführt - die Beklagte im Streitfall von der G. Gr. GmbH nicht nur zur außergerichtlichen, sondern auch bereits zur gerichtlichen Geltendmachung der Forderung bevollmächtigt gewesen sein sollte. Auch in diesem Fall stellten eine von der Beklagten in einem vorgerichtlichen Inkassoschreiben aufgestellte Behauptung des Abschlusses eines Mietvertrags und ein entsprechender Vortrag in einem gerichtlichen Schriftsatz keine untrennbare Einheit dar (vgl. Koch, WRP 2019, 1259 Rn. 31). Dass der Beklagten bei einer Verurteilung nach dem von der Klägerin begehrten Klageantrag zu 1 eine außergerichtliche Beitreibung möglicher Mietzinsforderungen ihrer Mandanten gegenüber Verbrauchern gegebenenfalls unzumutbar erschwert wäre (dazu II 1 b), schließt das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nicht aus (vgl. BGH, WRP 2005, 236 [juris Rn. 19 f.]).
17 (2) Die Revisionserwiderung wendet vergeblich ein, da nach dem begehrten Unterlassungstenor zu 1 die Beklagte wegen des oft zweifelhaften Bestands des Mietverhältnisses faktisch daran gehindert wäre, etwaige daraus resultierende Ansprüche ihrer Mandanten außergerichtlich geltend zu machen, wäre sie zu einem unmittelbaren gerichtlichen Vorgehen gehalten. Die Beschränkung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung wirke sich daher in einem gerichtlichen Verfahren in der Weise aus, dass der Mandant mangels einer außergerichtlichen Zahlungsaufforderung keine Verzugszinsen geltend machen könne und dem Risiko ausgesetzt sei, im Fall eines sofortigen Anerkenntnisses gemäß § 93 ZPO die Kosten des Rechtsstreits tragen zu müssen. Die Beklagte wird durch eine Untersagung, in einem Inkassoschreiben unzutreffend den Abschluss eines Mietvertrags zu behaupten, nicht daran gehindert, mit dieser Behauptung vermeintliche Ansprüche ihrer Mandanten aus einem Mietverhältnis einzuklagen. Der Mandant kann durch eine eigene vorgerichtliche Zahlungsaufforderung den Gegner in Verzug setzen und so ein für ihn kostennachteiliges sofortiges Anerkenntnis der Klageforderung vermeiden. Auch im Streitfall hatte ausweislich des Inkassoschreibens der Beklagten die G. Gr. GmbH bereits vor der Beauftragung der Beklagten ein Mahnschreiben an den Verbraucher versandt.
18 b) Die zum Nachteil der Klägerin ergangene Entscheidung des Berufungsgerichts über den Klageantrag zu 1 stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Zwar ist die Klage auch ansonsten zulässig; insbesondere ist die Klägerin nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG klagebefugt. Der mit dem Klageantrag zu 1 geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist aber in der Sache nicht gegeben.
19 aa) Soweit das Berufungsgericht den Klageantrag zu 1 nicht für unzulässig, sondern auch für unbegründet gehalten hat, gelten seine Ausführungen zur fehlenden Begründetheit allerdings als nicht geschrieben, weil die gleichzeitige Prozess- und Sachabweisung wegen der unterschiedlichen Rechtskraftwirkungen unzulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2018 - V ZR 266/16, NJW-RR 2018, 974 [juris Rn. 15]; Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, BGHZ 232, 94 [juris Rn. 34]; Urteil vom 28. April 2023 - V ZR 270/21, NJW-RR 2023, 1166 [juris Rn. 15]). Das Revisionsgericht kann über die sachliche Berechtigung der Klage jedoch auch nach deren Abweisung als unzulässig entscheiden, wenn das Berufungsurteil einen Sachverhalt ergibt, der für die rechtliche Beurteilung eine verwertbare tatsächliche Grundlage bietet, und wenn bei Zurückverweisung ein anderes Ergebnis nicht möglich erscheint (BGH, Urteil vom 29. September 2017 - V ZR 19/16, NJW-RR 2018, 719 [juris Rn. 43], insoweit nicht in BGHZ 216, 83 abgedruckt; BGH, NJW-RR 2018, 974 [juris Rn. 15]).
20 So liegt der Fall hier. Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt ist der Klageantrag zu 1 unbegründet. Die Klägerin hat aus § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 und 2 Fall 1 UWG (in der seit dem 28. Mai 2022 geltenden Fassung, nachfolgend UWG) keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte es unterlässt, in einem Inkassoschreiben gegenüber einem Verbraucher die unzutreffende Behauptung aufzustellen, dieser habe mit ihrem Mandanten einen Mietvertrag abgeschlossen.
21 bb) Der auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG ist nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten sowohl nach dem zum Zeitpunkt seiner Vornahme geltenden Recht wettbewerbswidrig war als auch nach dem zur Zeit der Revisionsentscheidung geltenden Recht wettbewerbswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 27. März 2025 - I ZR 65/22, GRUR 2025, 840 [juris Rn. 24] - Doppeltarifzähler II). Nach dem beanstandeten Verhalten der Beklagten sind die für den Streitfall maßgeblichen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen durch das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom 10. August 2021 (BGBl. I S. 3504) mit Wirkung zum 28. Mai 2022 geändert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht. Der Unlauterkeitstatbestand der Irreführung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung (nachfolgend UWG aF) findet sich nunmehr in § 5 Abs. 1 UWG. Der Tatbestand der Irreführung ist nicht mehr in § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG aF, sondern inhaltsgleich in § 5 Abs. 2 UWG konkretisiert. Die Legaldefinition der geschäftlichen Handlung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG aF ist in § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG verschoben und klarstellend um den Begriff des "unmittelbaren" Zusammenhangs ergänzt worden (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht, BT-Drucks. 19/27873, S. 32).
22 cc) Gemäß § 5 Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist nach § 5 Abs. 2 UWG irreführend, wenn sie unwahre Angaben (Fall 1) oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben (Fall 2) über - nachfolgend aufgezählte - Umstände enthält.
23 Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG ist "geschäftliche Handlung" jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt.
24 dd) Das Merkmal des objektiven Zusammenhangs in § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG ist funktional zu verstehen und setzt voraus, dass die Handlung bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern (BGH, Urteil vom 10. Januar 2013 - I ZR 190/11, GRUR 2013, 945 [juris Rn. 17] = WRP 2013, 1183 - Standardisierte Mandatsbearbeitung; Urteil vom 6. Juni 2019 - I ZR 216/17, GRUR 2019, 1202 [juris Rn. 13] = WRP 2019, 1471 - Identitätsdiebstahl I; Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 90/20, BGHZ 231, 38 [juris Rn. 30] - Influencer I). Dient die Handlung vorrangig anderen Zielen als der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung von Verbrauchern in Bezug auf Produkte und wirkt sie sich lediglich reflexartig auf die Absatz- oder Bezugsförderung aus, so stellt sie keine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2016 - I ZR 160/14, GRUR 2016, 710 [juris Rn. 12] = WRP 2016, 843 - Im Immobiliensumpf; BGHZ 231, 38 [juris Rn. 31] - Influencer I).
25 ee) Das Berufungsgericht hat mit Blick auf den Klageantrag zu 2 angenommen, das angegriffene Inkassoschreiben stelle keine geschäftliche Handlung der Beklagten dar. Bei der außergerichtlichen Vertretung der Mandantin habe die Tätigkeit der Beklagten als unabhängiges Organ der Rechtspflege im Vordergrund gestanden. Ihre außergerichtliche Äußerung im Namen und im Interesse der Mandantin habe der Durchsetzung der Mandantenposition gedient. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
26 (1) Ein Rechtsanwalt, der sich im Auftrag eines Mandanten äußert, nimmt als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) die Aufgabe wahr, als berufener unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten seines Mandanten (§ 3 Abs. 1 BRAO) die Interessen seines Mandanten unabhängig zu vertreten und wahrzunehmen, um dessen Rechte zu wahren und zu verfolgen (BVerfG, NJW 1996, 3267 [juris Rn. 11]; BGH, WRP 2005, 236 [juris Rn. 20]). In dieser beruflichen Funktion setzt er die Position seines Mandanten regelmäßig in dessen Namen durch, ohne sich den ihm vom Mandanten geschilderten und dem Gegner vorgetragenen Sachverhalt als persönliche Behauptung zu eigen zu machen (vgl. BVerfG, NJW 1996, 3267 [juris Rn. 11]; NJW 2003, 3263 [juris Rn. 12]; BGH, WRP 2005, 236 [juris Rn. 20]; BGH, Urteil vom 15. Januar 2019 - VI ZR 506/17, GRUR 2019, 314 [juris Rn. 28] = WRP 2019, 336). Der Rechtsanwalt kann sich regelmäßig auf die ihm vom Mandanten mitgeteilten Tatsachen verlassen, weil andernfalls das zwischen ihnen bestehende Vertrauensverhältnis zerstört würde und er zur Überprüfung der Sachverhaltsdarstellung des Mandanten zudem häufig nicht in der Lage ist (vgl. BVerfG, NJW 2003, 3263 [juris Rn. 12]; BGH, Urteil vom 14. November 1961 - VI ZR 89/59, NJW 1962, 243, 244; Urteil vom 21. Dezember 1966 - Ib ZR 146/64, GRUR 1967, 428 [juris Rn. 10 und 16] - Anwaltsberatung). Müsste ein Rechtsanwalt befürchten, regelmäßig selbst in Anspruch genommen zu werden, wenn er in seiner beruflichen Funktion die von seinem Mandanten erhaltenen Informationen in gehöriger Form weitergibt, würde die ordnungsgemäße Interessenvertretung und damit ein wesentlicher Teil der anwaltlichen Berufsausübung unterbunden und hierdurch die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit des Rechtsanwalts unverhältnismäßig beschränkt (BVerfG, NJW 1996, 3267 [juris Rn. 11]; NJW 2003, 3263 [juris Rn. 12]).
27 Äußerungen und Maßnahmen eines Rechtsanwalts im Namen eines Mandanten stellen daher regelmäßig keine eigene geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar. Sie sind vorrangig darauf gerichtet, in Wahrnehmung der beruflichen anwaltlichen Aufgaben die vom eigenen Mandanten geltend gemachten Ansprüche durchzusetzen oder die gegen diesen gerichteten Ansprüche abzuwehren. Bei der gleichzeitigen Förderung der wettbewerblichen Interessen des Mandanten handelt es sich regelmäßig lediglich um eine Reflexwirkung (vgl. BGH, GRUR 2013, 945 [juris Rn. 29] - Standardisierte Mandatsbearbeitung; zur Wettbewerbsabsicht nach § 1 UWG aF vgl. BGH, GRUR 1967, 428 [juris Rn. 9] - Anwaltsberatung; zum Wettbewerbsverhältnis vgl. auch BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 - I ZR 217/15, GRUR 2017, 918 [juris Rn. 20] = WRP 2017, 1085 - Wettbewerbsbezug; vgl. auch Keller in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 2 Rn. 79; MünchKomm.UWG/Bähr, 3. Aufl., § 2 Rn. 92; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl., § 2 Rn. 43; aA Fezer in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., § 2 Abs. 1 Nr. 1 Rn. 67).
28 (2) Für Äußerungen eines Rechtsanwalts im Rahmen einer Inkassotätigkeit gilt entgegen der Ansicht der Revision und nicht weiter begründeter Stimmen in der berufsrechtlichen Literatur (zu § 3a UWG, § 43d BRAO vgl. v. Wedel in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 8. Aufl., § 43d BRAO Rn. 66; Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 6. Aufl., § 43d Rn. 54 und 59; Kleine-Cosack, BRAO, 9. Aufl., § 43d Rn. 6; Weyland/Kilimann, BRAO, 11. Aufl., § 43d Rn. 95) nichts anderes. Rechtsdienstleistungen eines Rechtsanwalts in Form von Inkassodienstleistungen (§ 2 Abs. 2 RDG) sind Bestandteil seiner ihm durch § 3 Abs. 1 BRAO zugewiesenen Aufgabe, den Mandanten in dessen Rechtsangelegenheiten zu beraten und zu vertreten. Auch bei Inkassodienstleistungen äußert sich der Rechtsanwalt gegenüber dem Verbraucher daher in erster Linie, um im Interesse und in Vertretung seines Mandanten dessen Rechtsposition durchzusetzen, und kommt ihm mit Blick darauf die besondere Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege zu (vgl. Begründung des Bundesratsentwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Verbraucherschutzes bei unerlaubter Telefonwerbung, BTDrucks. 17/6482, S. 11).
29 Dabei ist der Inkassodienstleistungen erbringende Rechtsanwalt nach § 43d Abs. 1 Nr. 2 BRAO verpflichtet, mit der ersten Geltendmachung der Mietzinsforderung gegenüber einer Privatperson den Forderungsgrund, bei Verträgen unter konkreter Darlegung des Vertragsgegenstands und des Datums des Vertragsschlusses, klar und verständlich in Textform übermitteln. Haftete er im Fall der Unrichtigkeit der vom Mandanten hierzu übermittelten und an den Gegner weitergegebenen Sachangaben nach wettbewerbsrechtlichen Vorschriften auf Unterlassung, könnte er nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts der Gefahr von Verstößen gegen seine (titulierte) Unterlassungspflicht und der Einleitung von Zwangsvollstreckungsverfahren gegen ihn nur entgehen, wenn er bei Fortsetzung seiner Inkassodienstleistungen - über seine berufsrechtlichen Pflichten hinausgehend - in jedem Einzelfall die Richtigkeit der für den Mandanten beizutreibenden Forderung vorgerichtlich überprüfte. Das Berufungsgericht hat dies mit Recht als unverhältnismäßigen Eingriff in die grundrechtlich gewährleistete Berufsausübungsfreiheit des Rechtsanwalts und als mit seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege unvereinbar angesehen. Bereits die Gefahr, bei einer Äußerung in Wahrnehmung der Interessen des Mandanten persönlich belangt und selbst verklagt zu werden, würde eine ordnungsgemäße Interessenvertretung in Ausübung des anwaltlichen Berufs regelmäßig unterbinden (vgl. BVerfG, NJW 1996, 3267 [juris Rn. 11]; NJW 2003, 3263 [juris Rn. 12]). Der Rechtsanwalt muss sich deshalb nicht darauf verweisen lassen, dass in einem Zwangsvollstreckungsverfahren regelmäßig kein Ordnungsmittel gegen ihn verhängt werden wird, weil ihm mangels Verpflichtung zur Überprüfung der Sachverhaltsdarstellung des Mandanten kein Verschulden angelastet werden kann.
30 (3) Eine andere Beurteilung ist entgegen der Ansicht der Revision nicht mit Blick auf die Senatsentscheidungen "Identitätsdiebstahl I" (BGH, GRUR 2019, 1202) oder "Identitätsdiebstahl II" (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 - I ZR 17/21, GRUR 2022, 170 = WRP 2022, 172) geboten. In der Entscheidung "Identitätsdiebstahl I" hat der Senat die Zahlungsaufforderung eines Rechtsanwalts als geschäftliche Handlung der beklagten Mandantin angesehen, der er das Zahlungsverlangen ihres anwaltlichen Vertreters gemäß § 8 Abs. 2 UWG zugerechnet hat (BGH, GRUR 2019, 1202 [juris Rn. 12 bis 14] - Identitätsdiebstahl I). Soweit der Senat in der Entscheidung "Identitätsdiebstahl II" die Annahme des Berufungsgerichts gebilligt hat, die Zahlungsaufforderung des beklagten Inkassodienstleisters stelle eine geschäftliche Handlung dar (BGH, GRUR 2022, 170 [juris Rn. 12]), handelte es sich um das Schreiben eines Inkassounternehmens und nicht dasjenige eines Rechtsanwalts.
31 Die Revision wendet vergeblich ein, die Inkassodienstleistungen eines Rechtsanwalts unterschieden sich inhaltlich nicht von denjenigen eines Inkassounternehmens. Ebenso wie ein Rechtsanwalt nach § 43d Abs. 1 Nr. 2 BRAO müsse ein Inkassounternehmen gemäß § 13a Abs. 1 Nr. 2 RDG mit der ersten Geltendmachung einer Forderung gegenüber einer Privatperson den Forderungsgrund, bei Verträgen unter konkreter Darlegung des Vertragsgegenstands und des Datums des Vertragsschlusses, klar und verständlich in Textform übermitteln (zur Gleichbehandlung der Darlegungs- und Informationspflichten des Inkassodienstleisters und des Rechtsanwalts nach § 13a RDG und § 43d BRAO vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, BT-Drucks. 17/13057, S. 23 f.). In der Entscheidung "Identitätsdiebstahl II" habe der Senat indessen eine Inkassodienstleistung als geschäftliche Handlung und die Titulierung eines Unterlassungsanspruchs nicht als unverhältnismäßig angesehen (vgl. BGH, GRUR 2022, 170 [juris Rn. 12 und 43 f.]).
32 Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass einem Rechtsanwalt bei der Beitreibung einer Forderung eine von einem Inkassounternehmen abweichende Funktion zukommt, die der Einordnung von Angaben im Zusammenhang mit einer Zahlungsaufforderung als geschäftliche Handlung entgegensteht. Der Rechtsanwalt ist als unabhängiges Organ der Rechtspflege in erster Linie dazu berufen, die Mandanten als unabhängiger Berater und Vertreter in ihren Angelegenheiten rechtlich zu unterstützen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. September 2012 - C-422/11 und C-423/11, AnwBl 2012, 1003 [juris Rn. 23] - PUKE/Kommission; BVerfGE 76, 171 [juris Rn. 55]; BVerfGE 141, 82 [juris Rn. 83]). Dadurch unterscheidet er sich von einem gewerblichen Inkassounternehmen, bei dem es sich nicht um ein Organ der Rechtspflege handelt und dessen Aufgabe vorrangig darin besteht, die wirtschaftlichen Belange seiner Kunden und die eigenen wirtschaftlichen Belange durch die Einziehung der Forderungen der Kunden oder ihrer zur Einziehung abgetretenen Forderungen zu fördern (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2020 - VIII ZR 45/19, NZM 2020, 551 [juris Rn. 63], insoweit nicht in BGHZ 225, 352 abgedruckt; Urteil vom 24. Mai 2023 - VIII ZR 373/21, NJW-RR 2023, 988 [juris Rn. 36]).
33 (4) Entgegen der Ansicht der Revision gebietet auch die Entscheidung "Gelvora" des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 20. Juli 2017 - C-357/16, NJW 2017, 2980) keine abweichende Beurteilung. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs fällt die Beitreibung einer an eine Inkassogesellschaft abgetretenen Forderung durch diese unter den Begriff der möglicherweise unlauteren "Geschäftspraktiken" im Sinne der - durch § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG in deutsches Recht umgesetzten - Regelung des Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt, weil die ergriffenen Maßnahmen geeignet sind, die Entscheidung des Verbrauchers zur Bezahlung zu beeinflussen. Danach verlangt die praktische Wirksamkeit des dem Verbraucher durch die Richtlinie gewährten Schutzes, auch die Praktiken eines Gewerbetreibenden zur eigenständigen Forderungsbeitreibung den Bestimmungen der Richtlinie zu unterstellen (EuGH, NJW 2017, 2980 [juris Rn. 25 bis 31] - Gelvora).
34 Die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union befasst sich mit Maßnahmen eines gewerblichen Inkassounternehmens zur Durchsetzung einer eigenen Forderung. Sie betrifft nicht die Angaben eines Rechtsanwalts zum Grund der für einen Mandanten beizutreibenden Forderung, welche er von seinem Mandanten erhalten hat und in einem außergerichtlichen Inkassoschreiben an den Verbraucher weitergibt. Auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kommt einem Rechtsanwalt als unabhängigem Organ der Rechtspflege die besondere Funktion zu, im höheren Interesse der Rechtspflege dem Mandanten die benötigte rechtliche Unterstützung zu gewähren (vgl. EuGH, AnwBl 2012, 1003 [juris Rn. 23] - PUKE/Kommission). Die Umstände des Einzelfalls unterscheiden sich daher mit Blick auf die von einem Inkassounternehmen einerseits und einem Rechtsanwalt andererseits wahrgenommenen Aufgaben.
35 (5) Entgegen der Ansicht der Revision werden die Interessen des Verbrauchers auch dann hinreichend gewahrt, wenn er einen Rechtsanwalt nicht auf Unterlassung von unzutreffenden Angaben zum Forderungsgrund in einem Inkassoschreiben in Anspruch nehmen kann. Er kann sich zur Verteidigung seiner Rechte gegebenenfalls an den vom Rechtsanwalt vertretenen Mandanten halten, dem die Äußerung seines Rechtsanwalts nach § 8 Abs. 2 UWG beziehungsweise § 164 Abs. 1 BGB zuzurechnen ist (vgl. BVerfG, NJW 2003, 3263 [juris Rn. 11]; BGH, WRP 2005, 236 [juris Rn. 20]; GRUR 2019, 1202 [juris Rn. 12] - Identitätsdiebstahl I; Keller in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig aaO § 2 Rn. 79). Im Streitfall hat die Klägerin die Mandantin der Beklagten wegen des Inkassoschreibens gerichtlich auf Unterlassung der unzutreffenden Behauptung eines Mietvertragsschlusses in Anspruch genommen. Unabhängig davon kann sich der in Anspruch genommene Verbraucher in einem vom Mandanten angestrengten Prozess gegen die geltend gemachte Forderung damit verteidigen, dass er mit dem - insoweit darlegungs- und beweispflichtigen - Kläger keinen Vertrag geschlossen habe (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 - I ZR 105/11, GRUR 2013, 305 [juris Rn. 22] = WRP 2013, 327 - Honorarkürzung).
36 (6) Danach handelt es sich bei den Angaben der Beklagten zum Mietvertragsabschluss im Inkassoschreiben vom 18. Februar 2022 nicht um eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG. Für die Richtigkeit der von der Mandantin hierzu erhaltenen Informationen hat sie nicht die persönliche Verantwortung in der Weise übernommen, dass sie deren Angaben zum Abschluss eines Mietvertrags gegenüber dem Verbraucher als eigene Behauptung aufgestellt hat. Vielmehr hat sie die Angaben der Mandantin in deren Namen mit dem Ziel weitergegeben, für diese die geltend gemachte Forderung durchzusetzen. Soweit sie damit zugleich die wettbewerblichen Interessen der Mandantin gefördert hat, handelt es sich lediglich um eine Reflexwirkung im Rahmen der anwaltlichen Berufstätigkeit der Beklagten.
37 Die Revision führt erfolglos an, die Beklagte habe die Informationen der Mandantin zum Mietvertragsschluss nicht "in gehöriger Form" weitergegeben, weil sie diese unkontrolliert wiedergeben habe, ohne sich von ihnen zu distanzieren. Zudem verhalte sich ein Rechtsanwalt unter Verstoß gegen § 43a Abs. 3 BRAO bei seiner Berufsausübung unsachlich, wenn er bewusst Unwahrheiten verbreite. Aus der beruflichen Funktion der Beklagten als die Interessen ihrer Mandantin wahrnehmendes Organ der Rechtspflege ergibt sich ohne Weiteres, dass sie die für die Mandantin geäußerte Behauptung eines Mietvertragsschlusses als deren Vertreterin (§ 164 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB, vgl. BVerfG, NJW 1996, 3267 [juris Rn. 11]; BGH, WRP 2005, 236 [juris Rn. 20]) mit dem Ziel aufgestellt hat, die Rechtsposition der Mandantin durchzusetzen. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen und von der Revision insoweit nicht beanstandeten Feststellungen hat dabei weder die Mandantin der Beklagten bewusst eine falsche Information zum Vertragsschluss mit dem Verbraucher übermittelt noch die Beklagte die von der Mandantin insoweit erhaltene Information bewusst unzutreffend wiedergegeben.
38 2. Der Klageantrag zu II ist ebenfalls zulässig, aber unbegründet.
39 a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin verfüge insoweit über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Die gerügte Nennung eines nicht existierenden Dritten als (angeblicher) Vertragspartner sowie die Diskrepanz der Forderungshöhe in dem Inkassoschreiben und der zur Begründung in Bezug genommenen Rechnung stellten konkrete Ausführungen zur Begründung der Forderung im Rahmen der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung dar, welche die Rechtsverfolgung der Beklagten für ihre Mandanten an sich nicht in Frage stellten. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Entgegen der Rüge der Revisionserwiderung rechtfertigt es die Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht, der Klägerin ein rechtlich schutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Sachprüfung der Angaben der Beklagten in ihrem Inkassoschreiben abzusprechen (vgl. BGH, WRP 2005, 236 [juris Rn. 19 f.] sowie Rn. 15 bis 17).
40 b) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Klägerin weder aus § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 und 2 Fall 1 und 2 UWG unter dem Gesichtspunkt der Irreführung noch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 1 und 2 Nr. 2 UWG wegen Vorenthaltens einer wesentlichen Information oder aus § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG wegen Verstoßes gegen § 43d Abs. 1 Nr. 1 und 2 BRAO einen Anspruch darauf hat, dass die Beklagte es unterlässt, zur Erläuterung des Grunds und der Höhe der in einem Inkassoschreiben geltend gemachten Forderung auf einen Mietvertrag mit einem Unternehmen unter verkürzter Angabe seiner Firma sowie auf eine Rechnung zu verweisen, die einen niedrigeren als den eingeforderten Betrag ausweist.
41 aa) Die Unlauterkeitstatbestände der §§ 5a, 3a UWG setzen - ebenso wie § 5 UWG - eine geschäftliche Handlung des in Anspruch Genommenen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 UWG aF) voraus (BeckOK.UWG/Ritlewski, 28. Edition [Stand 13. April 2024], § 5a Rn. 28; BeckOK.UWG/Niebel/Bauer/Kerl, 28. Edition [Stand 1. April 2025], § 3a Rn. 15; MünchKomm.UWG/Alexander aaO § 5a Rn. 106; MünchKomm.UWG/Schaffert aaO § 3a UWG Rn. 48).
42 bb) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Angaben zum Vertragspartner des Verbrauchers und zur Höhe der beizutreibenden Forderung in dem angegriffenen Inkassoschreiben keine geschäftliche Handlung der Beklagten darstellen. Es ist mit Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte die Angaben als unabhängiges Organ der Rechtspflege im Interesse und in Vertretung ihrer Mandantin mit dem vorrangigen Ziel gemacht hat, deren Rechtsposition durchzusetzen. Die dagegen gerichteten Einwendungen der Revision greifen aus den genannten Gründen nicht durch. Dass die Beklagte möglicherweise nachlässig die Firma der (vermeintlichen) Vertragspartnerin des Verbrauchers am Ende des Inkassoschreibens verkürzt wiedergegeben und zum Beleg der geltend gemachten Forderung lediglich auf eine Rechnung über einen geringeren Betrag verwiesen hat, ändert nichts daran, dass sie sich in Ausübung ihrer beruflichen Aufgabe namens der Mandantin zu dem vorrangigen Zweck geäußert hat, deren Interessen wahrzunehmen. Dass die Beklagte die Vertragspartnerin des Verbrauchers oder die Höhe der aus dem Mietverhältnis offenen Forderung wissentlich falsch angegeben habe, führt die Revision nicht an.
43 3. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257 [juris Rn. 21] - Cilfit u.a.; Urteil vom 1. Oktober 2015 - C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 [juris Rn. 43] - Doc Generici; Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19, NJW 2021, 3303 [juris Rn. 32 f.] - Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht zweifelsfrei zu beantworten ist. Es erscheint nicht zweifelhaft, dass Angaben eines Rechtsanwalts gegenüber einem Verbraucher in einem Inkassoschreiben, die er im Interesse seines Mandanten zu einer für diesen beizutreibenden Forderung macht, regelmäßig keine Geschäftspraxis im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2005/29/EG darstellen.
44 III. Danach ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.